Übungen WS
2011/2012
Kapitel 9: Euro Bonds
Gliederung:
Einführung
Konkretisierung
Zielbegründung: Wiedererlangung der Geldwertstabilität
Zielbegründung: Solidaritätspflicht
Einführung
Wir wollen uns heute mit dem
Vorschlag befassen, die europäische Schuldenkrise dadurch zu lösen, dass man
ein neues Instrument: die Euro-Bonds schafft. Staatsausgaben sollen danach
nicht nur wie bisher dadurch finanziert werden, dass die nationalen Regierungen
auf dem Kapitalmarkt eigene Staatsanleihen auflegen, sondern es soll die
Möglichkeit eröffnet werden, dass die Finanzierung der Staatsausgaben der
einzelnen Mitgliedsländer auch über Wertpapiere eines neuen Typs erfolgen kann,
welche von der europäischen Währungsunion ausgegeben werden. Es handelt sich
hierbei um ein Mittel aus dem Bereich der Außenwirtschaftspolitik.
Dies ist nun der dritte wie ich
meine ungeeignete Vorschlag, das Problem der Überschuldung der Länder endgültig
zu lösen. Der erste Versuch bestand darin, dass die europäische Union
beschloss, einen Krisenfonds (Rettungsschirm) zu bilden und den überschuldeten
Ländern aus diesem Fonds vorübergehende Kredite zu gewähren. Hierbei soll die
Kreditvergabe an ganz bestimmte Auflagen gebunden sein, die sicherstellen
sollen, dass die betroffenen Länder die zur Gesundung dieser
Volkswirtschaften notwendigen
Reformmaßnahmen einleiten. Man erhofft sich, dass bei Beachtung dieser Auflage
diese Staaten in die Lage versetzt werden, diese Kredite eines Tages wieder
zurückzuzahlen. Es war hier von vornherein klar, dass es sich um ein
vorläufiges Instrument handelt, das in naher Zukunft von selbst ausläuft,
spätestens dann, wenn sichergestellt ist, dass alle Mitgliedsstaaten eine
bestimmte kritische Grenze für eine neue Verschuldung des Staates einhalten.
Der zweite Versuch einer Lösung
aus der Schuldenkrise wurde in jüngster Zeit von der Europäischen Notenbank
gestartet, als diese zur Stützung der überschuldeten Länder große Mengen von
Staatsanleihen in dreistelliger Milliardenhöhe aufkaufte. Auch hier traf die
Europäische Notenbank diese Entscheidung als eine einmalige Notmaßnahme und die
Notenbank hatte die feste Absicht, sehr schnell wiederum zu der bisherigen
Praxis zurückzukehren, Geld nur gegen absolut sichere Wertpapiere zu verleihen.
Im Gegensatz zu diesen beiden
vorhergehenden Versuchen zielt der Vorschlag der Schaffung von Euro-Bonds
offensichtlich darauf ab, ein dauerhaftes neues Instrument zur Finanzierung von
Staatsausgaben zu schaffen, das wohl kaum in naher Zukunft wiederum aufgegeben
werden würde.
Alle drei Maßnahmenkomplexe
stellen im Grunde ungeeignete Instrumente dar, um das Problem der europäischen
Schuldenkrise zu lösen. Sie leiden alle darunter, dass sie nicht die
eigentlichen Ursachen der Schuldenkrise in Angriff nehmen, sondern an äußeren
Symptomen ansetzen. Es geht nicht primär darum, dass den Mitgliedsstaaten
Instrumente an die Hand gegeben werden, mit denen sie alle volkswirtschaftlich
noch so fragwürdige Ausgaben finanzieren können, sondern es ist
sicherzustellen, dass in naher Zukunft alle Mitgliedsländer der Europäischen
Währungsunion ihre Volkswirtschaften soweit reformieren, dass sie in der Lage
sind, die als notwendig erachteten Staatsausgaben aus dem laufenden Inlandsprodukt
zu finanzieren.
Die Schuldenkrise kann auch
nicht dadurch gelöst werden, dass eine Verringerung der Staatsverschuldung
vorwiegend auf dem Wege angesteuert wird, dass die Summe der Steuern wesentlich
gesteigert wird. Auf einem solchen Wege wird keine dauerhafte Lösung zu
erwarten sein, da Steuererhöhungen den Konjunkturaufschwung und das
wirtschaftliche Wachstum gefährden und da deshalb auf diese Weise keine
befriedigende Lösung auf Dauer erreicht werden kann. Vielmehr kommt es darauf
an, die Staatsausgaben auf ein Niveau zurückzuschrauben, das auch auf Dauer aus
dem Inlandsprodukt finanziert werden kann. Natürlich gibt es zahlreiche
Aufgaben des Staates, die an und für sich wünschenswert sind, die aber nie und
nimmer aus einem zu geringen Inlandsprodukt getragen werden können. Es kommt
zuerst darauf an, dass ein ausreichendes Inlandsprodukt garantiert wird, aus
dem dann die ehrgeizigen sozialen Ziele finanziert werden können.
Der richtige Weg in einen
modernen Sozialstaat besteht darin, dafür Sorge zu tragen, dass möglichst
effizient produziert wird, dass durch Innovationen das Inlandsprodukt wächst.
Dann erhält der Staat auch von selbst die Steuereinnahmen, welche notwendig
sind, ehrgeizige soziale Ziele zu realisieren. Im Gegensatz zu den beiden zunächst
angegangenen Versuchen aus der Krise zielt jedoch der Vorschlag der Einführung
von Euro-Bonds auf eine dauerhafte Einrichtung, die wie noch zu zeigen sein
wird, auch nicht mehr so schnell verlassen werden kann.
Konkretisierung
Welche erwünschten und
unerwünschten Wirkungen von der Einführung eines solchen neuen geldpolitischen
Instrumentes ausgehen, hängt natürlich entscheidend von der konkreten
Ausgestaltung der Euro-Bonds ab. Im augenblicklichen Stadium ist noch nicht
recht zu erkennen, welche Eigenschaften diese Bonds erhalten sollen, wie das
Procedere der Ausgestaltung aussehen soll. Auch werden zurzeit in Politik und
Wissenschaft recht unterschiedliche Varianten von Euro-Bonds diskutiert.
Als erstes dürfte davon
auszugehen sein, dass es sich bei diesem Vorschlag nicht darum handelt, dass
die europäische Behörde ihre Ausgaben teilweise über Eurobonds finanzieren
kann. Dass immer dann, wenn eine Kreditfinanzierung für Ausgaben der
europäischen Regierung vorgesehen ist, auch im Bedarfsfalle europabezogene
Anleihen herausgegeben werden, versteht sich von selbst. Dies setzt jedoch
voraus, dass auch ein Teil der innerhalb Europa notwendigen Staatsausgaben für
Infrastrukturmaßnahmen von den Ländern zur europäischen Union verlagert werden.
Eine Forderung, die zwar auch heute schon von einem Teil der Politiker erhoben
wird, die jedoch auf einen erheblichen Widerstand vor allem der nationalen
Parlamente stößt, da keine Bereitschaft besteht, die über Jahrhunderte hinweg
erkämpften Rechte der Parlamente an europäische Instanzen abzutreten.
Vor allem wäre eine solche
Verlagerung auch nicht im Rahmen der bestehenden Europäischen Verträge zu
verwirklichen; es müsste also die europäische Verfassung erneut verändert
werden. Da aber die bestehende Konstruktion der europäischen Union vorsieht,
dass alle Mitgliedsstaaten einer Änderung zustimmen müssen, bedeutet dies, dass
es vollkommen ausgeschlossen ist, dass in naher Zukunft eine solche Reform
verabschiedet wird.
Bei dem Vorschlag der Einführung
von Euro-Bonds geht es also immer darum, Instrumente zur Finanzierung von
Staatsausgaben zu schaffen, welche von den nationalen Regierungen und
Parlamenten getätigt werden sollen.
Darüber hinaus dürfte bei allen
möglichen Varianten von Euro-Bonds vorgesehen werden, dass ein europäisches
Geldinstitut die Berechtigung solcher Anleihen prüft und gegebenenfalls die
Ausgabe solcher Anleihen von ganz bestimmten Kriterien abhängig machen wird.
Man wird vermuten können, dass sich diese Bedingungen auch nicht wesentlich von
den Bedingungen unterscheiden, welche die überschuldeten Mitgliedsländer heute
erfüllen müssen, wenn sie Hilfen aus dem europäischen Rettungsschirm in
Anspruch nehmen wollen. Also werden sich auch die Konsequenzen aus diesem neuen
Geldinstrument gar nicht wesentlich von der Praxis des europäischen
Rettungsschirms unterscheiden.
Es bleibt unklar, was denn
eigentlich mit Euro-Bonds besser werden soll als mit der heutigen Praxis des
Rettungsschirmes. In beiden Fällen ist zumindest die gleiche Kreditsumme aufzubringen,
ja es ist sogar damit zu rechnen, dass nach Einrichtung dieses neuen
geldpolitischen Instrumentes eine weit größere Kreditsumme über die Euro-Bonds
laufen wird als heute für den Rettungsschirm vorgesehen sind, da ja Euro-Bonds
sicherlich auch für ganz normale staatliche Investitionsprojekte vorgesehen
werden und deshalb auch dann in Anspruch genommen werden, wenn keine
Überschuldung eines Mitgliedslandes vorliegt.
Es bleibt also unklar, weshalb man
befürchtet, dass ein größeres Land wie z. B. Italien den Rettungsschirm
überfordern würde, dass aber eine Ausweitung der Kreditsumme ohne größere
Schwierigkeiten mit Hilfe der neu zu schaffenden Euro-Bonds möglich sein soll.
In beiden Fällen ist eine größere Kreditsumme aufzubringen und in beiden Fällen
haftet die Gesamtheit der europäischen Mitgliedsstaaten für den Fall, dass ein
Land nicht in der Lage ist, die aufgenommenen Gelder voll und rechtzeitig
zurückzuzahlen.
Weitere
Unterschiede in der Ausgestaltung der Euro-Bonds bestehen darin, dass in
einigen Varianten vorgesehen ist, dass ein Teil der Staatsausgaben der
einzelnen Mitgliedsländer von diesen selbst aufzubringen ist oder dass den
Ländern, welche dieses Instrument in Anspruch nehmen, eine überdurchschnittliche
Beteiligung an der etwaigen Haftung auferlegt wird. Doch wie soll dies gehen,
da ja eine solche Notsituation eben gerade dann eintritt, wenn das betreffende
Land zahlungsunfähig wird und deshalb auch keine zusätzliche Haftung übernehmen
kann.
Weiter
ist zu klären, ob Euro-Bonds zu einem einheitlichen Zinssatz ausgegeben werden
oder ob je nach Güte der zu finanzierenden Objekte unterschiedliche Zinsen
vorgesehen werden. Die meisten Vorschläge gehen davon aus, dass allen
kreditnehmenden Mitgliedsstaaten ein gleicher Zinssatz abverlangt wird.
Aus
der Sicht der Käufer solcher Bonds gleichen die Euro-Bonds gewissermaßen einem
Wertpapierfonds. In beiden Fällen findet eine Mischung unterschiedlicher
Projekte statt, bei einem normalen Fonds erwirbt der Käufer Anteile auf Wertpapiere
unterschiedlicher Unternehmungen, bei den Euro-Bonds hingegen repräsentiert
dieses Wertpapier Projekte unterschiedlicher Staaten. Bei den normalen Fonds
gehen jedoch die Anteile der einzelnen Unternehmungen jeweils mit dem vom Markt
bewerteten Kurs ein, während diese Unterschiede verwischt werden, wenn
Euro-Bonds wie zu erwarten ist mit einem einheitlichen Kurs ausgegeben werden.
Selbst
dann, wenn wir davon ausgingen, dass je nach Güte der einzelnen Projekte unterschiedliche
Zinsen gezahlt werden müssen, liegt der Unterschied zwischen beiden
Wertpapiertypen (Euro-Bonds und allgemeine Wertpapierfonds) darin, dass bei den
Euro-Bonds eine staatliche Instanz darüber entscheidet, welches Gewicht
einzelnen Staaten und deren Projekten zukommt, während bei den Fonds der Markt
selbst darüber befindet, welches Gewicht den einzelnen Anteilen zukommt.
Nun
wird man im Allgemeinen davon ausgehen können, dass der Markt die Höhe eines
Risikos und den realen Wert eines Teilprojektes besser bewerten kann als dies
einer staatlichen Behörde je möglich sein wird. Zwar wird man zugeben können,
dass auch bei der Marktbewertung an der Börse oftmals irrationale Momente
mitschwingen, die tatsächlichen Schwankungen der Kurse an den Börsen spielen
keinesfalls immer ein korrektes Spiegelbild der realen Ertragsverhältnisse
wider. Aber auch die Börse findet unter
normalen Bedingungen sehr schnell zu einer realistischen Bewertung zurück und
sie könnte dies noch sehr viel besser, wenn bestimmte Reformmaßnahmen
eingeführt würden.
Die
teilweise rasanten Kursbewegungen der Vergangenheit sind vor allem auf zwei
Faktoren zurückzuführen. Auf der einen Seite werden destabilisierende
Spekulationen vor allem von unkundigen Laien ausgelöst, welche nicht in der
Lage sind zu beurteilen, ob bestimmte Kursveränderungen auf reale Veränderungen
zurückgeführt werden können. Sie werden deshalb Kurssenkungen immer mit der
Erwartung verbinden, dass weitere Kurssenkungen folgen werden und gerade
deshalb ihre eigenen Wertpapiere abstoßen. Dieser Prozess verstärkt die
Abwärtsbewegung. Kundige Makler werden hingegen auf eine Preissenkung nur dann
mit Verkäufen reagieren, wenn sie feststellen können, dass auch die realen
Faktoren auf eine Preissenkung drängen.
Darüber
hinaus werden auch dadurch abrupte Schwankungen in den Wertpapierkursen
ausgelöst, dass viele größere Unternehmungen Programme installiert haben,
welche automatisch einen Verkauf von Wertpapieren dann auslösen, wenn der Kurs
dieser Papiere auf eine bestimmte Höhe fällt bzw. um einen bestimmten Betrag
zurückgeht. Handeln viele größere Unternehmungen auf diese Weise, kann es in
kürzester Zeit aufgrund eines einmaligen auch rein zufälligen Kursabfalls zu
einem rasanten Verkauf dieser Wertpapiere und dadurch ausgelöst zu einem
Kurssturz führen, der in keinster Weise durch die realen Vorgänge gedeckt ist.
Diese
Irritationen könnten durchaus vermieden werden, wenn die Ordnung der Börsen
geändert würde. Auf der einen Seite setzt ein rationales Verhalten an den Börsen
fundierte Kenntnisse über die realen wirtschaftlichen Vorgänge voraus. Laien
verfügen im Allgemeinen nicht über ausreichende Kenntnisse. Zwar werden an
Börsen nur Makler und Banken zugelassen. Trotzdem beeinflussen Laien in großem
Umfang das Börsengeschehen, in dem sie ihre Banken zum Kauf bzw. Verkauf von
Wertpapieren beauftragen. Nun können zwar die Banken verpflichtet werden, ihre
Kunden zu beraten und gegebenenfalls von
beabsichtigten Transaktionen abraten. Dies wird jedoch nicht befriedigend funktionieren
können, da Banken an den Umsätzen ihrer Kunden verdienen und ein Interesse
haben, das keinesfalls immer mit dem Interesse ihrer Kunden zusammenfällt. Eine
bessere Beratung könnte von eigens hierfür vorgesehenen Agenten erfolgen, deren
Interesse nicht mit dem Interesse der Banken zusammenfällt.
Auch
die durch den Einsatz automatischer Programme ausgelösten Crashs könnten
durchaus vermieden werden. So wird erwogen, dass die Börsenleitung notfalls die
Börse für eine kurze Zeit schließen kann, wenn ein solcher Crash bevorsteht.
Noch besser wäre es, wenn die Menge an Wertpapieren, welche in einem einzelnen
Akt gehandelt werden dürfen, beschränkt wäre. Wenn also das Abfallen des Kurses
eines Wertpapiers, in einem ersten Schritt nur zu einer relativ kleinen Menge
an Transaktionen führen dürfte, wären die durch diese Verkäufe induzierten
weiteren Kursverluste ebenfalls beschränkt. Gerade der Umstand, dass dann der
Kurssturz sehr viel geringer als erwartet ausfällt, trägt dann selbst wiederum
dazu bei, dass sich die Märkte relativ schnell beruhigen.
Es
geht also hier nicht darum, dass staatlicherseits die Anzahl der Transaktionen
begrenzt wird, sondern lediglich darum, dass die geplanten Veränderungen in
möglichst kleinen Schritten vollzogen werden. Eine Preisänderung löst dann
zunächst nur eine kleine Mengenreduktion aus, gerade dieser Umstand trägt dann
dazu bei, dass auch die dadurch ausgelösten weiteren Preissenkungen geringer
ausfallen. In diesem Falle ist die Gefahr, dass die Kursänderungen jeweils über
ihr Ziel hinausschießen und damit wellenförmige Kursschwankungen verursachen,
sehr viel geringer.
Zielbegründung: Wiedererlangung der Geldwertstabilität
Thomas
Gresham war englischer Finanzpolitiker und königlicher Finanzagent unter König
Eduard VI. und lebte von 1519 bis 1579. Er machte in dem nach ihm benannten
Gresham’schen Gesetz darauf aufmerksam, dass bei einer Doppelwährung das
minderwertigere Geld (z. B. Silber) das wertvollere (z. B. Gold) aus dem Umlauf
vertreibe, da jeder bemüht sei, seine Verpflichtungen mit schlechterem Geld zu
begleichen und das gute Geld zu behalten. Das gute Geld werde also gehortet
oder eingeschmolzen. De facto war dieser Zusammenhang allerdings auch schon
früher bekannt.
Ein ähnlicher fataler Zusammenhang wäre auch bei
der Einführung von Euro-Bonds zu erwarten. Auch hier wäre damit zu rechnen,
dass mit der Zeit die Staatsanleihen einzelner Länder zugunsten der Euro-Bonds verdrängt werden. Während
aber bei den Staatsanleihen der Zinssatz, den ein einzelnes Land zu zahlen hat,
den Marktwert dieser Wertpapiere widerspiegelt, entspricht der Marktwert der
Euro-Bonds dem durchschnittlichen Ertrag der Staatsanleihen in der gesamten
Europäischen Währungsunion und wäre damit auf jeden Fall geringer als der der
jeweils produktivsten Volkswirtschaften.
In den Ländern mit der geringsten Produktivität
würden die Regierungen stets Euro-Bonds in Anspruch nehmen, da die Zinsen für
eigene Staatsanleihen aufgrund des relativ hohen Risikos unbezahlbar würden.
Diese Länder könnten bei Aufnahme von Euro-Bonds stets einen geringeren und
damit für sie günstigeren Zins erreichen.
Aber auch in den produktivsten Volkswirtschaften
würde ein starker Anreiz bestehen, die notwendigen Staatsausgaben mit
Euro-Bonds zu finanzieren. Wenn sie schon für die riskanten Aktivitäten der am
wenigsten produktiven Volkswirtschaften mit haften müssen, sind auch die
anderen Staaten bestrebt, die günstigeren Bedingungen der Euro-Bonds in
Anspruch zu nehmen. Es ist natürlich für ein einzelnes Land immer günstiger,
die anderen Staaten für riskante Aktivitäten mit haften zu lassen, als selbst
die volle Haftung zu übernehmen.
Je mehr nun dieses Verfahren von allen
Mitgliedsstaaten übernommen wird, um so geringer wird die Bereitschaft, sich
stabilitätsbewusst zu verhalten auch unter denjenigen Ländern, welche sich
bisher stabilitätsbewusst verhalten haben. Der Ansatz einer Finanzierung über
Euro-Bonds ist somit aus zweierlei Gründen ungeeignet.
Auf der einen Seite wird hier – wie bereits weiter
oben gezeigt – am Symptom kuriert und nicht die eigentlichen Ursachen der
Überschuldung angegangen. Eine Überschuldung eines Landes kommt letzten Endes
dadurch zustande, dass die Staatsausgaben im Vergleich zum Inlandsprodukt zu
hoch sind und dass die Staatsausgaben zu sehr den Konsum und weniger die
produktivitätssteigernden Infrastrukturinvestitionen begünstigen. Was also
nottut besteht darin, das Niveau der Staatsausgaben in den überschuldeten
Ländern insgesamt zu verringern und den Anteil der konsumtiven Staatsausgaben
zugunsten der investiven Ausgaben zu reduzieren. Natürlich muss darüber hinaus
sichergestellt sein, dass die Belastungen einigermaßen gerecht verteilt sind
und dies ist nur dann der Fall, wenn die Reicheren ihre Steuern nicht hinterziehen.
Auf der anderen Seite ist dieser Ansatz (Einführung
von Euro-Bonds) darüber hinaus verfehlt, da Anreize verstärkt werden, die
Geldwertstabilität zu vernachlässigen. Die heute überschuldeten Länder haben
keinen Anreiz, die eigene Staatsverschuldung abzubauen, die Euro-Bonds wurden
ja gerade geschaffen, um die Finanzierungsmöglichkeiten der überschuldeten
Länder zu verbessern. Aber gerade deshalb, weil die produktiveren
Volkswirtschaften für die Fehlentscheidungen der überschuldeten Länder aufkommen
müssen, verlieren sie den Anreiz, sich selbst möglichst stabilitätsbewusst zu
verhalten. Aus der Sicht des einzelnen Mitgliedslandes ist es immer
vorteilhafter, wenn die Gemeinschaft der Länder mithaftet, wenn also die
Haftung auf mehrere Schultern verteilt wird.
Zielbegründung: Solidaritätspflicht
Zugunsten einer Einführung von Euro-Bonds wird im
Allgemeinen angeführt, dass nur auf diese Weise die innerhalb der Europäischen
Gemeinschaft geschuldete Solidaritätspflicht erfüllt werden könne. Europa könne
nur dann zu einem einheitlichen Staatengebilde zusammenwachsen, wenn die
stärkeren Mitgliedsländer den schwächeren zu Hilfe kommen.
Nun übersieht diese Betrachtung, dass die Gründer
der Europäischen Union gar nicht die Absicht verfolgten, einen europäischen
Zentralstaat zu errichten vergleichbar mit der Gründung der Vereinigten Staaten
von Amerika. Aber selbst für die USA gilt, dass für die Schulden eines
USA-amerikanischen Landes nur dieses Land aufzukommen hat, es besteht keine
Verpflichtung, dass im Rahmen eines Finanzausgleiches alle US-Staaten die
Ablösung der Schulden mit übernehmen.
Aber selbst dann, wenn man diese Grundidee
verlassen wollte und tatsächlich einen einheitlichen zentral geführten
Bundesstaat Europa schaffen wollte, ist es fragwürdig, ob gerade auf diesem
Wege den überschuldeten Ländern geholfen wird. Im Sinne des
Subsidiaritätsprinzips kommt es darauf an, sich auf eine Art Hilfe zur
Selbsthilfe zu beschränken. Eine solche Hilfe kann nicht darin bestehen, dass
man den überschuldeten Ländern dazu verhilft, auch in Zukunft über ihre
Verhältnisse zu leben, sondern nur darin, dass man sie in den Bemühungen
unterstützt, die Struktur ihrer eigenen Volkswirtschaft so zu reformieren, dass
in Zukunft dieser Staat keiner weiteren finanziellen Unterstützung der
europäischen Gemeinschaft bedarf. Dieses Ziel kann jedoch sehr viel besser
erreicht werden, wenn die heute überschuldeten Länder gezielt kostengünstige
Kredite oder auch verlorene Zuschüsse für konkrete ertragsträchtige Infrastrukturinvestitionen
erhalten würden.
Eine solche Hilfe könnte sich am Marshallplan
orientieren, den die USA-Regierung nach Beendigung des zweiten Weltkrieges
Deutschland zukommen ließ. Einzelne deutsche Unternehmungen bekamen in Form von
zinsvergünstigten Darlehen Starthilfen für den Wiederaufbau. Sie mussten diese
Kredite später wieder zurückzahlen. Diese Gelder wurden jedoch in einen Fonds
eingezahlt, der für weitere Kredite an andere Unternehmungen reserviert war. So
übten die Marshallplangelder eine multiplikative Wirkung aus.
Aus der Sicht der amerikanischen Sicht handelte es
sich hierbei um verlorene Zuschüsse, da diese Geldsummen nicht an den
amerikanischen Staat zurückgezahlt werden mussten. Trotzdem profitierte die
amerikanische Wirtschaft von diesem Plan, da nur ein wiederaufgebautes
Deutschland in der Lage war, amerikanische Waren zu importieren.
Die
nächste Übung (Kapitel 10) wird voraussichtlich am 08.02.2012 ins Internet
gestellt und behandelt das Thema: „Entwicklungshilfe“