Übungen WS 2011/2012
Kapitel 4: Börsenumsatzsteuer
Gliederung:
1. Historische Einführung
2. Konkretisierung
3. Zielsetzungen
4. Eignung zur Bekämpfung schädlicher Spekulationen
5. Eignung zur Erzielung von
Steuermehreinnahmen
6. Eignung zur Beteiligung der Banken
7. Mögliche Sekundärwirkungen
8. Mögliche Alternativen
1. Historische Einführung
Wir wollen uns heute mit dem Vorschlag
einer Börsenumsatzsteuer befassen. Heute sprechen die Politiker oftmals auch
von einer Finanzmarkttransaktionssteuer, es handelt sich jedoch nur um einen
anderen Namen für eine alte Idee.
Bereits 1972 hatte James Tobin
den Vorschlag unterbreitet, auf alle kurzfristigen Devisenmarktumsätze eine
Steuer zu erheben, um auf diese Weise die Spekulationen auf Währungsschwankungen
zu reduzieren. Diese Steuer wurde dann in der Literatur als Tobinsteuer
bezeichnet. Tobin war ein amerikanischer Ökonom und ein Wegbereiter für den
Neokeynesianismus. 1981 erhielt er den Nobelpreis für
Wirtschaftswissenschaften.
Eine Börsenumsatzsteuer gab es
auch schon sehr früh in Deutschland. So wurden ab 1885 die
Wertpapiertransaktionen einer prozentualen Steuer unterworfen. Mit dem Gesetz
zur Kapitalverkehrsteuer (1922) wurde dann auch offiziell von einer
Börsenumsatzsteuer gesprochen. In den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde
die Börsenumsatzsteuer kurzfristig für vier Jahre ausgesetzt. Im Rahmen dieser
Steuer wurde 1 Promille für öffentliche Anleihen und 2,5 Promille für die
sonstigen festverzinslichen Wertpapiere und Aktien erhoben. Im Jahre 1991 wurde
diese Steuer ersatzlos abgeschafft.
Im Jahre 1985 führte die
schwedische Regierung eine Börsenumsatzsteuer ein. Man erhoffte sich steuerliche Mehreinnahmen
von umgerechnet jährlich 165 Mio. schwedischen Kronen. De facto beliefen sich
die Mehreinnahmen jedoch nur auf 9 Mio. Die Handelsumsätze waren bei den
festverzinslichen Wertpapieren um 85 Prozent
und im Terminhandel auf nahezu Null abgesunken. Im Jahr 1992 wurde die
Börsenumsatzsteuer deshalb wiederum
abgeschafft.
Im November 2008 war es dann
Oskar Lafontaine, der die Wiedereinführung einer Börsenumsatzsteuer von
immerhin 1% forderte und der sich dadurch Steuermehreinnahmen von 70 Mrd. €
erhoffte.
Im Zusammenhang mit der
Finanzkrise 2010 forderte die Opposition (SPD, Grüne und Linke) die Einführung
einer Finanzmarkttransaktionssteuer, während die Regierung unter Angela Merkel
diesen Vorschlag zunächst strikt ablehnte und stattdessen den Vorschlag des
IWF, die Gewinne der Banken zusätzlich zu besteuern, übernahm.
Vor kurzem hatten sich
schließlich Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy
doch auf den Vorschlag geeinigt, für die Europäische Union eine
Finanzmarkttransaktionssteuer einzuführen.
2. Konkretisierung
Als erstes gilt es das Instrument
der Börsenumsatzsteuer zu konkretisieren. Hier wäre als erstes zu klären, für
welchen wirtschaftlichen Raum denn eine Steuer eingeführt werden soll. Die
schwedische Regierung hatte 1985 diese Steuer allein für die Volkswirtschaft
Schwedens eingeführt. Auch Oskar Lafontaine wollte 2008 diese Steuer notfalls
für die BRD allein einführen, sofern die anderen europäischen Staaten nicht zu
diesem Schritt bereit wären. Ähnliches dürfte auch für die anfänglichen
Vorschläge der Opposition zu Beginn der Finanzkrise vor einigen Jahren gelten.
Man strebte zwar eine europaweite Einführung einer
Finanzmarkttransaktionssteuer an, war jedoch willens, notfalls diesen Schritt
auch allein nur für Deutschland einzuführen. Die Vorschläge Angela Merkels und
Nicolas Sarkozy schließlich sehen eine europaweite Einführung dieser Steuer vor
und planen nicht, notfalls diese Steuer auf die BRD und Frankreich zu beschränken.
Als zweites ist zu klären, ob
diese Steuer auf alle Börsenumsätze oder nur auf einzelne
Finanzmarkttransaktionen vorzusehen ist. Tobin hatte 1972 mit seinem Vorschlag
lediglich daran gedacht, den Börsenhandel mit Währungen zu besteuern. Ihm ging
es vor allem darum, den damals schädlichen Einfluss des Devisenhandels
unmittelbar vor einer geplanten Auf- oder Abwertung einer nationalen Währung
mit dieser Steuer einzudämmen. Die heute diskutierten Vorschläge beziehen sich
zumeist auf alle Börsenumsätze, vor allem auch gerade auf die an der Börse
gehandelten Wertpapiere. Zu klären wäre allenfalls, ob der Kauf oder Verkauf
von Wertpapieren außerhalb der Börse ebenfalls dieser Steuer unterliegt. So
soll nach Plänen der europäischen Kommission diese Steuer nur auf Geschäfte
zwischen Banken angewandt werden.
Als drittes gilt es sich darüber
klar zu werden, ob für alle zu besteuernden Transaktionen eine einheitliche
Steuer eingeführt werden soll oder ob einzelne Transaktionen mit
unterschiedlichen Steuersätzen belegt werden sollen. So könnte man daran
denken, dass besonders als schädlich eingestufte Börsengeschäfte, z. B. der
Handel mit besonders riskanten Staatspapieren oder die sogenannten Leerverkäufe mit einer besonders
hohen Steuer belegt werden sollen.
Viertens gilt es sich über die
Höhe des Steuersatzes und eventuell über die Ausgestaltung des Steuertarifs
klar zu werden. Lafontaine hatte immerhin einen Prozentpunkt des Umsatzwertes
als Steuer vorgesehen während die jüngsten Vorschläge Angela Merkels und Nicolas
Sarkozy von einem Promillesatz sprechen.
Streng genommen muss auch geklärt
werden, wem denn diese Erträge zufließen sollen und für welche Zwecke diese
Mehreinnahmen vorgesehen sind. Im Allgemeinen wird daran gedacht, die Einnahmen
jeweils für das Staatsgebilde vorzusehen, das die Steuer erhebt, das sind die
jeweiligen nationalen Staaten oder eventuell auch die Europäische Union.
Zumeist wird weiterhin der Einfachheit halber – um den Verwaltungsaufwand nicht
zu stark anschwellen zu lassen – an einen einheitlichen durchgehenden
Steuersatz gedacht. Schließlich sollen die Steuern offensichtlich nach dem
Nonaffektationsprinzip ohne Zweckbindung in den allgemeinen Steuertopf fließen,
wobei vereinzelt in der Diskussion auch die Forderung erhoben wurde, diese
Mehreinnahmen zweckgebunden z. B. für den Bildungsetat vorzusehen.
3. Zielsetzungen
Mit der Einführung einer
Börsenumsatzsteuer werden vor allem drei Ziele verfolgt:
Erstens sollen auf diese Weise
die Spekulationen, die für die jüngsten Turbulenzen an den Börsen
verantwortlich gemacht werden, eingedämmt werden.
Zweitens will man die Banken und
Makler, welche durch ihr Verhalten die vergangene Finanzkrise maßgeblich mit
verschuldet hätten, an den Kosten der Beseitigung dieser Krise beteiligen und
damit den Steuerzahler entlasten.
Drittens schließlich erhoffen
sich die Anhänger dieser Maßnahme eine wesentliche Zunahme der Steuereinnahmen,
welche vor allem dazu dienen sollten, die notwendigen Investitionen in die
Bildung sowie in den Ausbau der alternativen Energie zu finanzieren. Wir
erwähnten bereits, dass Oskar Lafontaine der wohl irrigen Meinung war, der Bund
könne auf diesem Wege Steuermehreinnahmen von 70 Mrd. erzielen.
Zu dem erstgenannten Ziel:
Eindämmung der Spekulationen sind einige kritische Anmerken notwendig. Es ist
falsch, die Spekulation als solche für die Turbulenzen an den Börsen
verantwortlich zu machen und in jeder Spekulation ein volkswirtschaftliches
Übel zu sehen. Ganz im Gegenteil: Der Spekulation kommt im
marktwirtschaftlichen Anpassungsprozess eine entscheidende positive Funktion
zu. Der Spekulation verdanken wir, dass die Anpassung der Marktdaten an die
zahlreichen Datenänderungen schneller vonstatten geht.
Wir haben davon auszugehen, dass
die wirtschaftlichen Ressourcen stets knapp sind, also nicht ausreichen, die
wichtigsten wirtschaftlichen Bedürfnissen zu befriedigen, dass es weiterhin im
Allgemeinen mehrere Verwendungsarten dieser Ressourcen gibt und dass diese
einzelnen Verwendungsarten die Bedürfnisse der Bevölkerung in unterschiedlichem
Maße befriedigen.
Die primäre Aufgabe eines Marktes
besteht nun darin, diejenige Verwendungsform zu finden und die Produktion auf
diejenige Verwendungsform hinzulenken, welche die bestmögliche Befriedigung der
wirtschaftlichen Bedürfnisse garantiert. Der Markt erfüllt diese
Allokationsfunktion dadurch, dass die sich auf den freien Märkten ergebenden
Gleichgewichtspreise den Knappheitsverhältnissen der einzelnen Ressourcen
entsprechen.
Wir haben nun davon auszugehen,
dass sich diese Knappheitsverhältnisse permanent verändern. Auf der einen Seite
führen die zahlreichen Erfindungen zu einer Änderung in den
Knappheitsverhältnissen. Auf der anderen Seite verändert auch der Bedarfswandel
diese Knappheitsverhältnisse. Es ist also notwendig, dass sich die Preise der
einzelnen Ressourcen und davon abgeleitet die hiervon abhängigen Mengen der
produzierten Güter an diese Datenänderungen im Bedarf und in der
Produktionstechnik permanent anpassen. Dieser Anpassungsprozess vollzieht sich
in der realen Welt allerdings nur sehr langsam. Sowohl in der Anpassung der
Preise sowie der Nachfrage- und Angebotsreaktionen verstreicht beachtliche
Zeit. So ging Milton Friedman z. B. davon aus, dass sich die Maßnahmen der
Vollbeschäftigungspolitik erst – wenn überhaupt – nach etwa 1 ½ Jahren positiv
auf die Beschäftigung auswirken.
Während dieser Zeit, in der sich
die Preisrelationen noch nicht der neuen Situation angepasst haben, mit anderen
Worten die Preisverhältnisse noch nicht die veränderten Knappheitsrelationen
widerspiegeln, verläuft die Produktion suboptimal. Hier kommt die Spekulation
ins Spiel. Die Spekulation trägt dazu bei, dass dieser Anpassungsprozess
beschleunigt wird und dass die Phase, in welcher wegen falscher Preisverhältnisse
suboptimal produziert wird, verkürzt wird. Mit anderen Worten: Durch das
Vorhandensein der Spekulation wird die wirtschaftliche Wohlfahrt gesteigert und
nicht – wie in der Öffentlichkeit immer wieder behauptet wird – vermindert.
Nehmen wir als Beispiel eine
zunehmende Erschöpfung der Erdölressourcen. Diese Datenänderung schlägt sich in
einem Anstieg der Erdölpreise nieder. Dieser Anstieg bewirkt im Allgemeinen
zweierlei. Auf der einen Seite sind die Verbraucher darum bemüht, Energie
sparsamer einzusetzen und damit die Nachfrage nach Energie zu reduzieren. Auf
der anderen Seite haben die Anbieter von Energie einen Anreiz neue
Energiequellen (wie z. B. alternative Energiequellen) zu entwickeln.
Ohne Spekulation verstreicht also
beachtliche Zeit, bis der tatsächliche Energiepreis dem neuen
Gleichgewichtspreis entspricht. Spekulanten tragen nun dazu bei, dass dieser
Anpassungsprozess beschleunigt stattfindet. Sie kaufen den betreffenden
Rohstoff zu dem noch zu niedrigen Preis auf und verkaufen diesen sofort wieder
zu einem etwas höheren Preis. Da die Nachfrage vorübergehend ansteigt, steigt
auch der Preis und passt sich somit schneller an das neue höhere Preisniveau im
Gleichgewicht an. Da nach der Datenänderung (Verknappung des Öls) bis zur
Erreichung des neuen Gleichgewichtspreises ein suboptimaler Zustand besteht,
ist die durch die Spekulation hervorgerufene Beschleunigung des
Anpassungsprozesses wohlfahrtssteigernd.
Diese Ausführungen bedeuten allerdings
nicht, dass solche wohlfahrtssteigernden Effekte von jeder Spekulation
ausgehen. Wir unterscheiden vielmehr unter anderem zwischen stabilisierenden
und destabilisierenden Spekulationen. Selbstverständlich sind
destabilisierende Spekulationen wohlfahrtsmindernd und deshalb unerwünscht.
Eine Spekulation gilt immer dann als destabilisierend, wenn eine anfängliche
Preissteigerung (gleiches gilt mutatis mutandis für Preissenkungen) durch
spekulative Käufe zu weiteren Preissteigerungen führt, welche über dem neuen
Gleichgewichtspreis liegen.
Eine solche destabilisierende
Spekulation kommt dadurch zustande, dass die Spekulanten von der Erwartung
ausgehen, dass die heutigen Preise auch in Zukunft steigen werden und dass es
sich deshalb lohnt, den zukünftigen Bedarf bereits heute zu den noch
niedrigeren Preisen abzudecken. Die dadurch ausgelöste Mehrnachfrage führt dann
zu weiteren Preissteigerungen, die höher ausfallen, als wenn keine Spekulation
stattgefunden hätte. Die Erwartung einer Preissteigerung und die dadurch
ausgelöste Mehrnachfrage führen also dann zu einer sich selbst bestätigenden
Prognose.
Es ist natürlich richtig, dass
gerade deshalb, weil die Spekulanten ihren Zukunftsbedarf bereits heute
nachfragen, notwendigerweise die Nachfrage in Zukunft geringer als üblich
ausfallen wird, da ja die in Zukunft benötigten Güter bereits heute nachgefragt
wurden. Diese zukünftige Mindernachfrage wird dann aus den gleichen Gründen
dazu führen, dass die Preise wieder sinken bzw. weniger als sonst steigen werden.
Auf sehr lange Sicht kehrt also der aktuelle Preis bei Spekulation auf sein
Niveau zurück, das ohne Spekulation erreicht worden wäre.
Trotzdem wird man hier von einer
wohlfahrtsmindernden Aktivität sprechen müssen, da die Bewegung der Preise über
die Zeit hinweg größeren Ausschlägen ausgesetzt ist als eigentlich notwendig.
Die konjunkturellen Preisbewegungen erreichen eine größere Dynamik und werden
deshalb weniger stabil als ohne Spekulation.
Eine stabilisierende Spekulation
hätte hingegen dann vorgelegen, wenn Spekulanten von der Erwartung ausgehen,
dass die augenblickliche Preissteigerung nicht von Dauer ist, dass in naher
Zukunft der Preis wieder fallen wird und wenn sie aus diesen Gründen ihre
Nachfrage in die Zukunft verschieben, in der Hoffnung, dann die betreffenden
Waren zu einem niedrigeren Preis zu erwerben. Entscheidend ist hier, dass bei
einer stabilisierenden Spekulation der Spekulant sein Verhalten davon abhängig
sein lässt, inwieweit die tatsächlich eintretenden Preissteigerungen durch
reale Datenänderungen ausgelöst wurden. Er wird sich gegen den allgemeinen
Trend verhalten, wenn die Preisänderungen nicht durch reale Veränderungen in
den Knappheitsverhältnissen ausgelöst wurden.
Gerade weil die stabilisierende
Spekulation fundierte Kenntnisse über die realen Veränderungen in den
Knappheitsverhältnissen voraussetzt, hängt die Art der Spekulation in erster
Linie davon ab, wie groß der Anteil der Broker an den Börsen ist, die ihr
Geschäft berufsmäßig betreiben und deshalb auch über fundierte Kenntnisse über
die Ursachen von Preisbewegungen haben. Je mehr wirtschaftliche Laien das Kauf-
und Verkaufsverhalten an den Börsen bestimmen, umso größer ist die Gefahr, dass
die Spekulation destabilisierend wirkt. Dabei reicht es nicht aus, dass nur
ausgewiesene Broker und Banker zu den Börsen zugelassen sind. Eine
destabilisierende Spekulation ist auch dann schon zu erwarten, wenn Laien ihre
Banken beauftragen, Käufe und Verkäufe an den Börsen in ihrem Auftrag zu
tätigen oder im Rahmen des online brokerage
selbständig Geschäfte an der Börse tätigen können.
Solange der IWF und das EWS
realisiert waren, war die Gefahr einer destabilisierenden Spekulation besonders
groß. Das Risiko, welches die Spekulanten eingingen, wenn sie auf Ab- oder
Aufwertungen bestimmter Währungen spekulierten, war gleich null. Beide
Währungssysteme (IWF und EWS) waren dadurch ausgezeichnet, dass die Notenbanken
der Mitgliedsländer verpflichtet waren, so auf den Währungsbörsen durch Kauf
oder Verkauf von Währungen zu intervenieren, dass der festgesetzte Leitkurs
gehalten werden konnte. Wies ein Land wie z. B. Italien oder Frankreich
aufgrund einer inflationären Wachstumspolitik stets Devisenbilanzdefizite auf,
so konnte fest damit gerechnet werden, dass dieses Land über kurz oder lang
seine Währung abwerten musste, da eines Tages seine Reserven in stabiler
Währung erschöpft gewesen wären.
Wenn jemand in einer solchen
Situation französische Francs vorübergehend in DM umwandelte, so konnte er fest
damit rechnen, diese Francs nach der Abwertung zu einem verbilligten Kurs
wieder aufkaufen zu können. Das Risiko bestand dann nur noch in der Frage, ob
bereits morgen oder erst in wenigen Tagen und Wochen die erwartete Abwertung
des Franken vorgenommen wurde. Diese Art der Spekulation trug dann noch dazu
bei, dass der Kurs des Franken um ein weiteres bedroht wurde, da die Notenanken
zur Stützung des Franken in verstärktem Maße die schwache Währung aufkaufen
mussten, um den Kurs zu halten. Da in
der Zwischenzeit die beiden großen festen Währungssysteme (IWF, EWS) aufgegeben
sind, besteht diese spezielle Gefahr einer destabilisierenden Spekulation nicht
mehr.
Es gibt weitere Formen der
Spekulation, welche eindeutig Wohlfahrtsverluste hervorrufen und deshalb
volkswirtschaftlich unerwünscht sind. Dies gilt z. B. auch für sogenannte
Leerverkäufe. Bei Leerverkäufen bietet der Spekulant Wertpapiere bzw. Waren für
eine zukünftige Periode zum Verkauf an, die er noch gar nicht besitzt. Er
rechnet damit, dass die Preise dieser Güter in den nächsten Perioden fallen
werden, sodass er diese Güter in den nächsten Perioden zu einem niedrigeren
Preis ankaufen kann als zu dem Preis, zu dem er heute diese Güter verkauft.
Ein solches Geschäft ist äußerst
riskant. Der Verkäufer geht nicht nur wie bei allen spekulativen Geschäften das
Risiko ein, dass die Preise in Zukunft gar nicht wie erwartet fallen, sondern
unter Umständen sogar ansteigen. Wichtiger ist der Umstand, dass die Gefahr
besteht, dass in den zukünftigen Perioden nicht in ausreichendem Maße solche
Güter angeboten werden. Beschränkt der Spekulant seine Verkäufe auf Waren, die
er selbst besitzt, so weiß er genau, wie viel Waren er äußerstenfalls zum
Verkauf anbieten kann. Bei Leerverkäufen verfügt er nicht über dieses Wissen
und da eine Vielzahl von Spekulanten solche Leerverkäufe planen können, ist die
Gefahr groß, dass sie sich verspekulieren und dass mehr Waren dieser Art
angeboten werden als überhaupt insgesamt vorhanden sind.
Leerverkäufe wirken im
Allgemeinen destabilisierend. Der Umstand, dass der Spekulant in diesem Falle
zunächst Wertpapiere oder Waren verkauft, führt zu einem vermehrten Angebot und
verstärkt dadurch die erwarteten Preissenkungen. Normaler Weise führt eine
einfache Spekulation bei der Erwartung sinkender Preise dazu, dass die
Nachfrage hinausgezögert wird. Man will
diese Güter erst in einer nächsten Periode kaufen, da dann die Preise
vermutlich gefallen sind. Diese Aktivität entspricht einem echten Bedürfnis und
löst deshalb eine Wohlfahrtssteigerung aus. Dieser positive Effekt entfällt bei
den Leerverkäufen. Da der Spekulant in diesem Falle in einer zukünftigen
Periode die betreffenden Waren erst noch kaufen muss, erhöht sich in der
zukünftigen Periode die Nachfrage wiederum und mit ihr der Preis. Dies
bedeutet, dass die Preise stärkeren Schwankungen als notwendig ausgesetzt
werden, was einer Destabilisierung gleichkommt.
Trotz dieses Umstandes, also
trotz eines überaus riskanten Geschäfts liegt die eigentliche Problematik
solcher Geschäfte in einem anderen Punkt. Geradezu kriminell wird nämlich der
Vorgang, wenn ein Geldinstitut auf der Grundlage solcher Leerverkäufe
Anteilsscheine ausgibt, diese Anteilsscheine zu 100% verkauft und der Verkäufer
nicht richtig über die vorliegenden Risiken unterrichtet wird. In diesem Falle verdient
das fragliche Geldinstitut an diesen Verkäufen ohne ein nennenswertes Risiko
einzugehen, während umgekehrt die Käufer unter Umständen diese Papiere gar
nicht gekauft hätten, wenn sie über die eingegangenen Risiken korrekt
unterrichtet worden wären. Die Nachfrage nach solchen Anteilsscheinen ist hier
viel größer als es der Risikobereitschaft der Käufer entspricht.
Es ist auch nicht viel gewonnen,
wenn nun die Geldinstitute verpflichtet werden, die Käufer solcher Papiere über
die Risiken aufzuklären und ein Protokoll über diese Unterrichtung
anzufertigen. Kein Geldinstitut kann gezwungen werden, vor dem Kauf von
Papieren zu warnen, die von diesem Geldinstitut selbst herausgegeben werden. Es
besteht immer die Gefahr, dass der Käufer in solchen Beratungsgesprächen nicht
eindeutig über die einzugehenden Risiken gewarnt wird. Nur dann, wenn die
Geldinstitute gesetzlich gezwungen werden, einen beachtlichen Anteil dieser von
ihnen kreierten Anteilsscheine selbst zu halten, werden diese Institute im
eigenen Interesse nur solche Papiere anbieten, bei denen sie die Risiken als
nicht zu hoch bewerten.
Gleichzeitig ist es notwendig,
dass die Herausgabe aller riskanter Papiere einer Aufsichtsbehörde gemeldet
wird, welche die Höhe des Risikos einschätzen kann und die selbst wiederum
verpflichtet wird, über das mögliche Risiko solcher Papiere an einer Stelle zu
warnen, die möglichst allen potentiellen Käufern solcher Papiere zugänglich
ist. Im Zeitalter des Internets dürfte es ein leichtes sein, einer solchen Verpflichtung
nachzukommen.
Leerverkäufe können noch aus
einem weiteren Umstand heraus volkswirtschaftlich höchst gefährlich und
wohlfahrtsmindernd wirken. Eine solche Situation entsteht immer dann, wenn Ratingagenturen
Papiere bewerten und in dieser Bewertung eigene Interessen verfolgen. Dies ist
z. B. dann der Fall, wenn eine Ratingagentur bestimmte Papiere herabstuft und
wenn diese Agentur gleichzeitig in Geschäftsbeziehungen mit Geldinstituten
steht, die solche Anteilsscheine, bei denen auf Kurssenkungen spekuliert wird,
herausgeben. Hier kann es sehr wohl dem Interesse dieser Agentur dienen,
bestimmte Papiere stärker herabzustufen als es der realen Risikohöhe dieser
Papiere entspricht.
Natürlich gilt es auch hier
zunächst festzustellen, dass die Bewertung von Papieren durch Ratingagenturen
durchaus berechtigt ist und dass die potentiellen Käufer ein berechtigtes
Interesse an solchen Bewertungen haben. Missbrauch kann jedoch nur dann
unterbunden werden, wenn diese Ratingagenturen verpflichtet werden, restlos
alle Geschäftsbeziehungen zu anderen Geldinstituten offen zu legen und wenn sie
für Fehleinschätzungen zur Haftung herangezogen werden. Die Wohlfahrtsminderung
tritt hierbei nämlich erst dadurch ein, dass die Ratingagentur ein Interesse
daran hat, dass bestimmte Papiere in ihrem Wert zu stark herabgestuft werden.
4. Eignung zur Bekämpfung schädlicher Spekulationen
Wenden wir uns nun der Frage zu, inwieweit die Einführung
einer Börsenumsatzsteuer dazu geeignet ist, schädliche Spekulationen
einzudämmen. Entscheidend für diese Frage ist der Geltungsbereich dieser
Steuer. Wird diese Steuer von einem einzigen Land eingeführt wie z. B. 1985 in
Schweden, so fände im Wesentlichen nur eine Verlagerung spekulativer Geschäfte
ins Ausland statt. Der Devisenhandel würde in dem betreffenden Land zum
Erliegen kommen, nichts desto trotz würde der Umfang spekulativer Geschäfte im
Wesentlichen aufrechterhalten werden, nur eben würden diese Geschäfte auf
ausländische Börsen verlagert werden. Maßgebend für diese Verlagerung ist der
Umstand, dass es für einen Börsenmakler mit minimalen Kostensteigerungen
verbunden ist, spekulative Geschäfte ins Ausland zu verlagern. Im Zeitalter des
Computers kann man heute jederzeit mit Hilfe eines Computers von zuhause aus
Geschäfte an jeder Börse abwickeln.
Der größte Erfolg wäre dann gegeben, wenn es gelänge, eine
einheitliche Börsenumsatzsteuer auf der ganzen Welt einzuführen, hier würde in
der Tat der Umfang der Aktivitäten an der Börse entscheidend zurückgehen, da
der Umsatz entscheidend von der Höhe der Kosten abhängt. Nur muss man sich
darüber klar sein, dass es vollkommen unwahrscheinlich ist, eine solche Steuer
weltweit bindend für alle Staaten einzuführen. Stets wird es Länder geben,
welche sich an solche Aufforderungen nicht halten werden, weil sie gerade durch
solche Geschäfte enormen Profit erzielen können; ein gesetzlicher Zwang kann
mangels einer funktionierenden Weltregierung ohnehin nicht ausgeübt werden.
Es bleibt dann die Einführung einer Börsenumsatzsteuer für
eine Ländergruppe und in der Tat gehen die Forderungen nach Einführung dieser
Steuer von einer europäischen Lösung aus, bei der alle Mitgliedsländer
verpflichtet sind, eine einheitliche Börsenumsatzsteuer zu erheben. Hier könnte
im günstigsten Fall damit gerechnet werden, dass eine gewisse Reduzierung der
Börsenumsätze und damit auch der spekulativen Geschäfte zu erwarten wäre.
Trotz dieses Teilerfolgs wäre nicht viel gewonnen. Eine
allgemeine Börsenumsatzsteuer wird auf alle Börsengeschäfte erhoben, unabhängig
davon, ob ein Börsengeschäft auf spekulativen Aktivitäten beruht oder nicht und
vor allem unabhängig davon, ob es sich um destabilisierende Spekulationen
handelt. Da mit Hilfe des Instruments der Börsenumsatzsteuer eben nicht nach
der Art des Börsenumsatzes unterschieden wird, auch gar nicht unterschieden
werden kann (man sieht eben den getätigten Umsätzen nicht an, ob es sich um
eine destabilisierende oder um eine stabilisierende Spekulation handelt), werden
im Sinne einer Rasenmähermethode erwünschte
wie unerwünschte Spekulationen eingedämmt.
5. Eignung zur Erzielung von
Steuermehreinnahmen
Fragen wir uns, inwieweit denn eine Börsenumsatzsteuer ein
geeignetes Mittel darstellt, dem Staat Mehreinnahmen zu verschaffen. Auch hier
können wir auf das Beispiel Schweden verweisen, wo man sich enorme
Mehreinnahmen versprochen hatte, de facto aber die Steuereinnahmen nur minimal
angestiegen waren. Auch hier ist als erstes festzuhalten, dass mit
Mehreinnahmen nur zu rechnen wäre, wenn die Börsengeschäfte auch nach
Einführung dieser Steuer im Lande ausgeführt würden und nicht einfach ins
Ausland, das diese Steuer nicht einführt, verlagert werden. Auch bei einer
europaweiten Lösung würde nur ein Bruchteil der Umsätze im Land bleiben, da es
für Börsenmakler – wie bereits erwähnt – kaum mit Mehrkosten verbunden ist, die
Börsengeschäfte im Ausland abzuwickeln.
Aber selbst dann, wenn überhaupt keine nennenswerte
Abwanderung ins Ausland zu befürchten wäre, müsste trotzdem mit einem starken
Rückgang der inländischen Börsengeschäfte gerechnet werden. Dass damals in
Schweden der Börsenhandel fast vollkommen zum Erliegen kam, lag nicht nur
daran, dass Börsengeschäfte ins Ausland verlagert wurden, sondern auch einfach
daran, dass bei Einführung einer Börsenumsatzsteuer ein Großteil der bisherigen
Börsenumsätze gar nicht mehr rentabel bleiben. Hierbei gilt es zu bedenken,
dass spekulative Börsengeschäfte oftmals darin bestehen, dass minimale
Preisunterschiede die Spekulationen auslösen. Ein Spekulant kauft Papiere oder
Waren zu einem Preis auf, der nur minimal (um einige Cents) unter dem Preis
liegt, zu dem dann diese Güter wiederum weiterverkauft werden können. Dass
solche Geschäfte trotzdem rentabel erscheinen, liegt einfach daran, dass
hierbei enorme Mengen von Waren oder Wertpapieren umgesetzt werden und dass die
hierbei entstehenden Kosten für die Spekulanten minimal sind.
Ist aber der Stückgewinn bei spekulativen Geschäften
minimal, besteht die Gefahr, dass er bei Erhebung einer Börsenumsatzsteuer, mag
der Prozentsatz der Besteuerung noch so gering sein, auf null zugeht und dass
gerade aus diesen Gründen bei Einführung einer Börsenumsatzsteuer ein Großteil
der bisherigen Geschäfte unterbleibt, da sie nun nicht mehr rentabel
erscheinen. De facto wird man also nicht damit rechnen können, dass die
Steuereinnahmen aufgrund dieser Maßnahme erheblich ansteigen. Wir haben oben
das Beispiel Schwedens gebracht, wo die Einführung einer Börsenumsatzsteuer die
Steuereinnahmen nur minimal ansteigen ließ. Auch dann, wenn bei einer
europaweiten Einführung dieser Steuer der Rückgang der Börsengeschäfte an den
europäischen Börsen etwas geringer ausfallen dürfte, wird trotzdem damit zu
rechnen sein, dass die Verlagerung der Börsengeschäfte in den
nicht-europäischen Raum enorm sein wird, da – wie gezeigt – die Kosten dieser
Verlagerung äußerst gering sind.
6. Eignung zur Beteiligung der Banken
Wenden wir uns nun der Frage zu, inwieweit
denn eine Börsenumsatzsteuer geeignet erscheint, die Banken an der Finanzierung
zur Überwindung der Finanzkrise zu beteiligen. Auch in dieser Frage fällt das
Urteil nicht sehr viel günstiger aus. Eine Börsenumsatzsteuer stellt für die
Banken und Geldinstitute ein Kostenfaktor dar und wie alle Kosten werden die
Banken wie jede Unternehmung den Versuch unternehmen, diese Kosten auf den
Preis abzuwälzen. Eine Unternehmung betreibt ihre Geschäfte, um auf diesem Wege
Gewinne zu erzielen, hierzu ist es notwendig, alle Kosten auf den Preis
aufzuschlagen, wäre dies auf Dauer nicht möglich, so würde das Unternehmen
Verluste erzielen und aus dem Markt ausscheiden.
Entscheidend ist jedoch nicht
nur, was die Unternehmungen und Banken beabsichtigen, sondern inwieweit sie die
Möglichkeit haben, diese Absichten auch durchzuführen. Da die
Börsenumsatzsteuer europaweit alle Börsengeschäfte betrifft, haben die Banken
auch die Möglichkeit, diese Kosten auf den Preis weiter zu wälzen, ohne dass
sie befürchten müssen, dass ihnen hieraus Wettbewerbsnachteile entstehen. Jede
Bank ist ja in diesem Falle von dieser Steuer betroffen und kann deshalb davon
ausgehen, dass auch alle europäischen Konkurrenten die Preise erhöhen werden.
Im Hinblick auf die
Börsenumsatzsteuer bedeutet dies, dass die Börsenumsatzsteuer auf die
Sollzinsen aufgeschlagen wird, welche die Banken bei der Vergabe von Krediten
an Unternehmungen wie Haushalte verlangen. Letztendlich tragen also nicht die
Banken, sondern die Bankkunden die Last dieser Steuer.
Die Beantwortung der Frage, in
welchem Umfang denn Steuern auf die Preise (Zinsen) aufgeschlagen werden
können, hängt entscheidend von der Elastizität von Angebot und Nachfrage im
Hinblick auf die Preise ab. Je weniger die Bankkunden mit ihrer Kreditnachfrage
auf die Zinserhöhung reagieren, um so mehr sind die Banken in der Lage, die
Steuer auf die Zinsen aufzuschlagen. Obwohl also theoretisch immer nur mit
einer teilweisen Überwälzung von Steuern gerechnet werden kann, geht man im
Rahmen der Finanzwissenschaft im Allgemeinen davon aus, dass bei Umsatzsteuern
de facto eine fast 100%ige Überwälzung stattfindet. In diesem Falle werden also
gerade die Banken, welche mit dieser Steuer belastet werden sollen, eben nicht ‚zur Kasse
gebeten‘.
Diese Überwälzungsmöglichkeiten
dürften auch dann bestehen bleiben, wenn die Börsenumsatzsteuer – wie von der
europäischen Behörde vorgeschlagen – nur
für Geschäfte zwischen den Banken erhoben wird. Auch hier erhöhen sich die allgemeinen
Kosten der Banken und jede Bank wird bestrebt sein, alle Kosten auf den Preis
(in diesem Falle also auf die Sollzinsen) aufzuschlagen, sofern dieser Versuch
nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen wird.
Als die Diskussion um die
Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer in der BRD auf dem Höhepunkt der
vergangenen Finanzkrise begann, hatte der IWF anstelle einer solchen
Börsenumsatzsteuer eine Steuererhöhung
auf die Gewinne der Banken vorgeschlagen und damals hatte auch die
deutsche Regierung diese Alternative bevorzugt. Im Hinblick auf das Ziel, die
Banken an der Finanzierung der Überwindung einer Finanzkrise zu beteiligen, war
sicherlich dieser Vorschlag des IWF effizienter. Zumindest ging man im Rahmen
der Finanztheorie lange Zeit von der Vorstellung aus, dass Gewinnsteuern im Gegensatz
zu Umsatzsteuern nicht auf die Güterpreise überwälzt werden können und dass
eine solche Steuer somit von den Unternehmungen zu tragen ist.
Bei der Erhebung einer
Gewinnsteuer verändert sich nämlich nicht die Produktionsmenge, bei der eine
Unternehmung ihr Gewinnmaximum erzielt. Im Gewinnmaximum ist ja ex definitione
der Grenzgewinn und damit auch die Grenzsteuer null, sodass keine Änderung in
der Produktmenge eine Gewinnsteigerung ermöglichen würde. Aber nur dann, wenn
die Unternehmungen aufgrund der Veränderung in der Besteuerung die angebotene
Produktmenge verringern würden, könnten sie von ihren Kunden einen höheren
Preis verlangen.
Nun hatte allerdings Carl Föhl in
einem aufsehenerregendem Artikel in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts die
These vertreten, dass Gewinnsteuern sogar 100%ig auf den Güterpreis
aufgeschlagen werden, sodass die Gewinnsteuern ihr Ziel verfehlten, die
Unternehmungen zu belasten. Diese hätten nämlich die Möglichkeit, Gewinnsteuern
auf den Güterpreis abzuwälzen, sodass im Endergebnis aufgrund der Einführung
von Gewinnsteuern lediglich die Inflationsrate ansteige, der Nettogewinn jedoch
unberührt bliebe.
Carl Föhl begründete diese
Aussage damit, dass die traditionelle Finanztheorie die Kreislaufzusammenhänge
vernachlässige. In Wirklichkeit müsse man davon ausgehen, dass der Staat die
zusätzlichen Einnahmen aus der Gewinnsteuer wiederum verausgabe und dass auf
diese Weise diese Gelder als zusätzliche Umsätze den Gewinn der Unternehmungen
ansteigen ließen. Der Nettogewinn werde zwar auf der einen Seite aufgrund der
Gewinnbesteuerung zurückgehen, auf der anderen Seite jedoch um den gleichen
Betrag aufgrund vermehrter Umsätze ansteigen, und somit per Saldo von der
Besteuerung unberührt bleiben.
Nun hat die Diskussion um diese
Thesen gezeigt, dass diese Schlussfolgerung einer 100%igen Überwälzung der
Gewinnsteuern nur unter sehr vereinfachten Bedingungen gilt, dass in der
Realität damit gerechnet werden muss, dass die Investitionsbereitschaft der
Unternehmungen im Zuge der Gewinnbesteuerung zurückgeht und dass deshalb auch
nur ein Teil der Gewinnsteuer auf den Güterpreis abgewälzt werden kann.
Wir kommen also zu dem Ergebnis,
dass zwar ein Teil der vom IWF vorgeschlagenen zusätzlichen Gewinnsteuer
ebenfalls auf die Kunden der Banken abgewälzt werden kann, dass aber zumindest
eine gewisse Beteiligung der Banken an der Finanzierung zur Überwindung der
Finanzkrise stattfindet.
7. Mögliche Sekundärwirkungen
Bei der Frage nach möglichen Sekundärwirkungen
im Zusammenhang mit der Einführung einer Börsenumsatzsteuer können wir uns kurz
halten, da wir die wichtigsten Wirkungen auf andere Ziele im Rahmen der
Effizienzanalyse bereits diskutiert haben. Wenn man berücksichtigt, dass
zumindest ein Teil der Spekulationen die Gesamtwohlfahrt steigern hilft und
wenn man sich weiterhin darüber klar wird, dass eine Börsenumsatzsteuer – wenn
sie überhaupt Wirkungen zeigt – stabilisierende wie destabilisierende
Spekulationen vermindert, kann die Reduzierung der stabilisierenden Spekulation
als eine unerwünschte Nebenwirkung der Börsenumsatzsteuer angesehen werden.
Findet eine Verlagerung des
Kapitalverkehrs aufgrund einer nicht weltweit einführbaren Börsenumsatzsteuer
ins Ausland statt, so sind mit dieser Verlagerung Wachstumsverluste zu
verzeichnen, die sich unter Umständen sogar beschäftigungsmindernd auswirken
können.
8. Mögliche Alternativen
Auch die weitere Frage, ob die Zielsetzungen der Einführung
einer Börsenumsatzsteuer nicht mit alternativen Instrumenten besser erreicht
werden können, wurde bereits im Rahmen der bisherigen Erörterungen diskutiert.
Wir haben gesehen, dass eine gewisse Verhinderung destabilisierender
Spekulationen dadurch erreicht werden kann, dass man die Verantwortlichkeiten am
Börsengeschehen und ganz allgemein im Bankensektor neu regelt, dass jedes
Geldinstitut, das hochriskante Anteilsscheine kreiert, nicht in der Lage sein
darf, das damit verbundene Risiko 100%ig auf andere abzuwälzen, vor allem dann
nicht, wenn sich die Käufer dieser Papiere gar nicht über das Ausmaß der damit
verbundenen Risiken bewusst sind. Auch darf kein Makler Gewinne für
Transaktionen einstreichen, wenn diese Transaktionen nur kurzfristig die
Gewinnsituation der Banken verbessern, aber langfristig sogar zu Verlusten
führen. Schließlich muss auch die Haftung der Ratingagenturen so geregelt
werden, dass sie bei fehlerhaften Bewertungen für die daraus erwachsenen
Verluste zu haften.
Im Hinblick auf das Ziel, auch die Banken an der
Finanzierung zur Überwindung der Finanzkrise heranzuziehen, haben wir gesehen,
dass der vom IWF vorgeschlagene Plan einer zusätzlichen Gewinnbesteuerung sehr
viel eher in der Lage ist, die Banken zur Kasse zu bitten als eine
Börsenumsatzsteuer, die fast 100%ig auf die Bankkunden abgewälzt werden kann.
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Das nächste 5. Kapitel wird voraussichtlich am 30.11.2011 ins
Internet gestellt und befasst sich mit der Forderung nach einer Europäischen
Wirtschaftspolitik.