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Analyse des bestehenden Steuersystems

 

 

 

Gliederung:

 

1. Ziele und Mittel

2. Verbrauchs- und Umsatzsteuern

3. Einkommenssteuer

4. Vermögens- und Erbschaftssteuer

5. Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer

6. Sozialabgaben

7. Gewinnsteuern und Kopfsteuern

8. Zölle und Subventionen

9. sonstige Steuern (Grundsteuern, Gewerbesteuern)

 

 

 

Kapitel 2:  Verbrauchs- und Umsatzsteuern Forts.

 

 

 

Gliederung:

 

1. Einführung 

2. Arten der Besteuerung

3. Gefährdung der Ausrichtung der Produktion am Konsumentenbedarf

    a) Bestimmung des Optimums

    b) Einfluss einer Verbrauchsteuer auf die Allokation

4. Pigousteuer - Umweltzertifikate

5. Meritorischer Ansatz

6. Mehrwertsteuer

7. Börsenumsatzsteuer

    a. Historische Einführung

    b. Konkretisierung

    c. Zielsetzungen

    d. Eignung zur Bekämpfung schädlicher Spekulationen

    e. Eignung zur Erzielung von Steuermehreinnahmen

    f. Eignung zur Beteiligung der Banken

    g. Mögliche Sekundärwirkungen

    h. Mögliche Alternativen

 

 

3. Gefährdung der Ausrichtung der Produktion am Konsumentenbedarf

     b) Einfluss einer Verbrauchsteuer auf die Allokation 

 

Nachdem wir geklärt haben, welche Rolle den Preisrelationen bei der Aufgabe, die Produktion an den Bedarf der Konsumenten anzupassen, zukommt, können wir uns nun der eigentlichen Frage dieses Abschnitts zuwenden, inwieweit denn über die Einführung partieller Verbrauchsteuern diese Allokationsaufgabe des Marktes beeinträchtigt wird. Oder anders formuliert: Warum ist ein System partieller Verbrauchsteuern nicht mehr neutral und entspricht deshalb nicht mehr der Forderung, dass der Staat durch seine wirtschaftliche Aktivität die marktwirtschaftlichen Prozesse nicht stören und außer Kraft setzen sollte?

 

Wir haben eingangs dieses Kapitels bereits erwähnt, es entspricht der Absicht des Gesetzgebers, dass die Unternehmungen, welche diese Steuer abzuführen haben, also als Steuerzahler angesehen werden müssen, diese an die Verbraucher weiterwälzen, sodass also nach der Absicht des Gesetzgebers in Wirklichkeit nicht die besteuerten Unternehmungen, sondern die Käufer dieser Produkte, auf die eine Verbrauchsteuer erhoben wird, die eigentlichen Steuerträger sind und die Zeche zu begleichen haben. Die Verbraucher sind hier der Absicht des Gesetzgebers nach die Steuerträger, da die Steuer auf die Preise aufgeschlagen werden sollen und somit die Besteuerung zu einer Preissteigerung bei den betroffenen Waren führen soll.

 

Für die tatsächlich eintretenden Auswirkungen ist jedoch nicht die Absicht des Gesetzgebers von Bedeutung, es interessiert allein die Frage, ob bzw. unter welchen Bedingungen die Verbrauchsteuern an die Käufer der betreffenden Waren weitergewälzt werden können. Die Frage, ob eine Steuer jedoch auf den Preis der Waren weitergewälzt wird oder nicht bzw. in welchem Umfang, hängt jedoch von den Marktkonstellationen und nicht von der Absicht des Gesetzgebers ab. Es ist durchaus denkbar, dass der Markt den Unternehmern gar nicht erlaubt, eine Steuer auf den Preis abzuwälzen, mag der Staat noch so sehr diese Überwälzung wünschen, genauso wie es möglich ist, dass eine Steuer, welche wie z. B. die Börsenumsatzsteuer nach dem Willen des Gesetzgebers von den Banken getragen werden sollen, trotzdem zum größten Teil auf die Kunden der Banken in Form von Zinserhöhungen weitergegeben wird.

 

Fragen wir uns also von welchen Faktoren es denn abhängt, ob bzw. in welchem Umfang eine Steuer auf die Güterpreise weitergewälzt wird. Die Möglichkeit, Steuern weiterzuwälzen, hängt in allererster Linie von dem Verhältnis der Elastizität der Nachfrage und des Angebotes im Hinblick auf den Preis ab. Die Preiselastizität der Nachfrage gibt bekanntlich an, um wie viel Prozent die Nachfrage steigt (sinkt), wenn der Preis um ein Prozent sinkt (steigt). In ähnlicher Weise gibt die Angebotselastizität an, um wie viel das Angebot steigt bzw. fällt, wenn der Preis um ein Prozent steigt bzw. fällt.

 

Betrachten wir zunächst einige Extremfälle. Wir wollen erstens unterstellen, dass die Nachfrage vollkommen elastisch auf Preisänderungen reagiert, dies bedeutet, dass auch die geringste Preiserhöhung die Nachfrager veranlasst, die Nachfrage vollkommen einzustellen. Diese hohe Reaktionsfähigkeit der Nachfrager verleiht ihnen Marktmacht gegenüber den Anbietern, diese können nun bei einer so hohen Preiselastizität der Nachfrage etwaige Steuererhöhungen überhaupt nicht auf den Preis aufschlagen, jeder Versuch, auch nur Teile der Steuer auf den Preis abzuwälzen, würde zum Erliegen der Nachfrage führen und damit die Unternehmungen in den Konkurs treiben. Ein solcher Fall liegt z. B. dann vor, wenn ein anderes Gut auf den Märkten angeboten wird, das in den Augen der Konsumenten den gleichen Nutzen stiftet, wie das hier in Frage stehende Gut.

 

Als zweiten Extremfall wollen wir unterstellen, dass die Nachfrage überhaupt nicht auf Preiserhöhungen reagiert, dass sie also davon unberührt bleibt, auch dann, wenn die Unternehmer die gesamte Verbrauchsteuer auf den Verkaufspreis abwälzen. In diesem Falle haben also die Unternehmer die Marktmacht gegenüber den Nachfragern, da sich die Verbraucher in diesem Falle gegen Preissteigerungen nicht wehren können. Mit einer solchen unelastischen Nachfrage kann z. B. bei Kochsalz gerechnet werden. Dieses ist auf der einen Seite lebensnotwendig, auf der anderen Seite gibt es jedoch kaum Produkte, auf die gegebenenfalls ausgewichen werden kann.

 

Als dritten Extremfall wollen wir von einer Marktsituation ausgehen, bei der das Angebot auf Preissteigerungen überhaupt nicht reagiert, bei der also die Preiselastizität des Angebotes null ist. Es ist klar, dass auch hier wie im ersten Beispiel die Unternehmer machtlos sind und noch nicht einmal Teile der Steuer auf den Preis abwälzen können. Als Beispiel dient Frischobst, das nicht gelagert werden kann, das also jeglichen Wert verliert, wenn es nicht am gleichen Tag noch abgesetzt werden kann.

 

Bei unseren bisherigen Betrachtungen gingen wir von Extremfällen aus, die in diesem Ausmaß in der Wirklichkeit nur in den seltensten Fällen auftreten. Diese Beispiele zeigen aber, dass die Möglichkeit zur Preisüberwälzung in dem Maße steigt, in dem die Preiselastizität des Angebotes hoch bzw. die Preiselastizität der Nachfrage gering ist. Umgekehrt gilt, dass Preisüberwälzungen um so weniger möglich werden, je höher die Preiselastizität der Nachfrage bzw. je geringer die Preiselastizität des Angebotes ausfällt.

 

Gerade weil wir in der Realität zumeist weder von vollkommen elastischen noch von vollkommen unelastischen Elastizitäten des Angebotes und der Nachfrage ausgehen können, dürfen wir auch damit rechnen, dass zumeist eine teilweise Überwälzung gelingt, dass aber eine vollkommene Überwälzung, so wie sie eigentlich der Gesetzgeber beabsichtigt hatte, auch wiederum nur in den seltensten Fällen erreicht wird. Nur in den seltensten Fällen tragen also die Verbraucher bzw. die Unternehmer die gesamte Steuerlast.

 

Inwieweit Verbrauchsteuern auf den Güterpreis überwälzt werden können, hängt neben den Preiselastizitäten von Angebot und Nachfrage zweitens auch davon ab, in welchem Umfang alle konkurrierenden Unternehmungen in gleicher Weise von der Besteuerung erfasst werden. Wir können keineswegs davon ausgehen, dass in der Realität stets alle konkurrierenden Unternehmungen in gleicher Weise besteuert werden.

 

Erstens sieht der Gesetzgeber bei fast allen Verbrauchsteuern Ausnahmen vor. Bier oder Branntwein werden z. B. nicht besteuert, sofern sie zur Herstellung von Essig oder Medikamenten verwendet werden. Mineralöle werden – um ein zweites Beispiel zu nennen – nicht besteuert, wenn sie als Schmierstoff bei der Produktion eingesetzt werden.

 

So wird also ein Unternehmer, der seine Waren, die an und für sich der Verbrauchsteuer unterliegen, an Kunden liefert, welche von der Steuerpflicht befreit sind, gegenüber einem anderen Unternehmer, der das gleiche Produkt herstellt, begünstigt, sofern diese Waren an Kunden ausgeliefert werden, welche diese Ware so verwenden, dass die Ware der Verbrauchsteuer unterliegt.

 

Zweitens stehen Unternehmer auch mit anderen Unternehmungen in Konkurrenz, welche nicht das gleiche Produkt, aber Waren verkaufen, welche mit dem erstgenannten Produkt in einer engen Substitutionsbeziehung stehen. Nehmen wir den Fall einer Kaffeesteuer. In der BRD wird zwar Kaffee, nicht aber Tee besteuert. Der Umstand, dass nur Kaffee einer Verbrauchsteuer unterliegt, bringt es mit sich, dass aufgrund dieser Besteuerung die Produzenten von Tee begünstigt werden. Weil davon ausgegangen werden kann, dass der Kaffeepreis aufgrund dieser Kaffeesteuer steigt, werden Kunden, die bisher Kaffee bevorzugt getrunken haben, sich zum Teil Tee zuwenden, da Tee genauso wie Kaffee koffeinhaltig ist und damit belebt.

 

Gewissermaßen stehen natürlich alle Konsumgüter in einer gewissen Substitutionsbeziehung. Der Kauf aller Konsumgüter wird aus dem selben Einkommen der Haushalte finanziert, sodass immer dann, wenn sich ein Konsument bei unverändertem Einkommen dazu entschließt, von Gut X etwas mehr zu konsumieren, er notwendiger Weise von einem andern Gut Y etwas weniger konsumieren muss. Um die Darstellung nicht zu verkomplizieren, sehen wir den Teil des Einkommens, der gespart wird, ebenfalls als ein Gut an, wenn man will, kann man davon sprechen, dass bei einer Reduzierung der Sparsumme der Konsum in den zukünftigen Perioden – also ebenfalls die Nachfrage nach einem Konsumgut – verringert wird.

 

Trotzdem kann man davon ausgehen, dass diese Substitutionsbeziehungen nur bei einigen wenigen Gütern so stark sind, dass sie die Konkurrenzbeziehungen der Unternehmer spürbar beeinflussen. Man kann den Grad der Substituierbarkeit zweier Güter an der Kreuzpreiselastizität messen. Diese gibt an, um wie viel Prozent die Nachfrage nach einem Gut X steigt, wenn der Preis eines andern - in Konkurrenz stehenden – Gutes Y um ein Prozent steigt.

 

Bei unseren bisherigen Überlegungen gingen wir stillschweigend davon aus, dass die Besteuerung lediglich von einer Gebietskörperschaft ausgeht und dass also alle konkurrierenden Unternehmungen ihre Steuer an die gleiche Körperschaft abzuführen haben. In Wirklichkeit müssen wir jedoch davon ausgehen, dass die wirtschaftenden Personen von einer Vielzahl nebeneinander bestehender und übergeordneter Gebietskörperschaften betroffen werden.

 

So erlaubt z. B. das geltende Steuerrecht in begrenztem Maße einzelnen Gemeinden und auch Ländern Sondersteuern einzuführen und je nach Bedarf unterschiedliche Hebesätze (Steuersätze) zu erheben. Zwar ist eine Unternehmung zumeist nur in einer Gemeinde angesiedelt, sie liefert jedoch ihre Waren fast immer in Regionen anderer Gemeinden. Da die Verbrauchsteuer entsprechend der Absicht des Gesetzgebers und auch de facto zum größten Teil von den Nachfragern dieser Waren zu tragen ist, wird auch der Umstand, dass die Waren einer Unternehmung in recht unterschiedliche Gemeinden geliefert werden, für die Überwälzung der Verbrauchsteuer auf den Verkaufspreis relevant.

 

Von Bedeutung ist diese Verflochtenheit der Unternehmungen in eine Vielzahl von Gebietskörperschaften aber insbesondere dann, wenn Unternehmungen ihre Waren in andere Länder exportieren, wie dies zu einem großen Teil der Unternehmungen der Europäischen Gemeinschaft der Fall ist. Der Export der Waren führt dazu, dass bei grundsätzlich autonomer und deshalb unterschiedlicher Besteuerung in den einzelnen Ländern der Europäischen Gemeinschaft die einzelnen in Wettbewerb zueinanderstehenden Unternehmungen auch unterschiedlichen Steuersätzen gegenüberstehen. Und dies hinwiederum bedeutet, dass der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Nationen angehörenden Unternehmungen behindert wird.

 

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Europäische Gemeinschaft seit langem bestrebt ist, diese Unterschiede in der Besteuerung abzubauen. Für den internationalen Handel zwischen den der Europäischen Gemeinschaft angehörenden Ländern wird das Bestimmungslandprinzip angewandt, nachdem die importierten Waren jeweils im Verbrauchsland besteuert werden. Im Reiseverkehr gilt hingegen das Ursprungslandprinzip, das heißt, dass die Waren, welche Reisende für ihren Eigenbedarf erwerben und mitführen, im Ursprungsland besteuert werden und dann im Bestimmungsland von der Steuerpflicht entbunden werden. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, wird bei Exporten die bereits entrichtete Verbrauchsteuer den Exporteuren zurückerstattet.

 

So sieht der Vertrag der Europäischen Gemeinschaft in Artikel 93 eigens das Ziel vor, die Steuern der einzelnen Mitgliedsländern zu harmonisieren. Diese Harmonisierung ist allerdings bisher vorwiegend nur für die indirekten Steuern durchgeführt worden. So gibt es innerhalb der Europäischen Union keine Binnenzölle mehr, für die Erhebung der Umsatzsteuer und der speziellen Verbrauchsteuern ist eine einheitliche Bemessungsgrundlage sowie ein Mindeststeuersatz vorgeschrieben, der nicht unterschritten werden darf. Trotzdem bleibt die tatsächliche Höhe der Verbrauchsteuersätze innerhalb der Europäischen Gemeinschaft uneinheitlich.

 

Wir wollen also abschließend festhalten: Der Umstand, dass die speziellen Verbrauchsteuern – wie der Name bereits andeutet – nicht auf alle Waren erhoben werden und dass darüber hinaus auch die einzelnen Steuersätze der besteuerten Waren unterschiedlich hoch ausfallen, führt dazu, dass die Preisrelationen zwischen den einzelnen Konsumgütern aufgrund der Besteuerung verändert werden.

 

Diese Verzerrung der Preisrelationen wird nun aufgrund mehrerer Umstände noch verschärft. Wir haben gezeigt, dass die Steuern in der Realität nicht immer voll überwälzt werden können. Inwieweit eine Überwälzung tatsächlich stattfindet, hängt also vom Verhältnis der Preiselastizitäten von Angebot und Nachfrage ab. Weiterhin sind – so haben wir gesehen – die Auswirkungen der Verbrauchsteuer auf die Wettbewerbslage unterschiedlich je nach dem Umfang der Substitutionsmöglichkeiten. Schließlich exportieren die Unternehmungen ihre Waren in in andere Gebietskörperschaften, welche unterschiedliche Steuersätze vorsehen.

 

Nun haben wir davon auszugehen, dass es in einer Marktwirtschaft von den Preisrelationen der einzelnen gehandelten Güter abhängt, inwieweit die Produktion am Bedarf der Konsumenten ausgerichtet wird. Weiterhin findet nur dann eine optimale Produktionslenkung statt, wenn die Preisrelationen den Knappheitsverhältnissen entsprechen. Da aber aufgrund der Überwälzung der Verbrauchsteuern die Preisrelationen mehr oder weniger von den Knappheitsrelationen abweichen, kann der Markt auch die ihm übertragene Aufgabe, die Produktion am Bedarf der Konsumenten bestmöglich anzupassen, nicht mehr erfüllen. Aus ordnungspolitischen Gründen ist somit auch kein Platz für die Einführung spezieller Verbrauchsteuern.

 

 

4.  Pigousteuer - Umweltzertifikate

 

Bei unseren bisherigen Überlegungen gingen wir stets von dem Grundsatz aus, dass die wirtschaftliche Aktivität des Staates und damit auch die Besteuerung den Marktprozess nicht oder zumindest so wenig wie möglich beeinflussen soll. Als oberstes Prinzip der neoklassischen Finanzpolitik galt der Grundsatz der Neutralität, wonach die Steuern so auszugestalten sind, dass die Produktionslenkung des Marktes nicht beeinflusst wird.

 

Die Rechtfertigung für dieses Prinzip liegt darin, dass der Liberalismus nachzuweisen versucht hat, dass der Markt in aller Regel besser als der Staat in der Lage ist, das wirtschaftliche Allokationsproblem optimal zu lösen. Nun gilt diese Aussage natürlich nur unter der Annahme, dass ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Nicht jedes konkrete Marktergebnis ist optimal, eine befriedigende Lösung der wirtschaftlichen Probleme ist nur in einer funktionierenden Marktwirtschaft zu erwarten und eine Marktwirtschaft kann nur dann als funktionierend bezeichnet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden.

 

Wenn auch wohl die Forderung, dass die Preisrelationen den Knappheitsverhältnissen entsprechen müssen, die wohl wichtigste Voraussetzung für ein einwandfreies Funktionieren der Märkte darstellt, ist sie trotzdem nicht die einzige Bedingung, welche für ein befriedigendes Marktergebnis verantwortlich ist. Neben der Forderung, dass die Preisrelationen den Knappheitsverhältnissen entsprechen müssen, gilt die weitere Forderung, dass alle bei der Produktion eines Gutes für eine Volkswirtschaft entstandenen Kosten im Kalkül der produzierenden Unternehmung berücksichtigt werden müssen.

 

Dies ist keinesfalls immer der Fall. In der Realität müssen wir vielmehr feststellen, dass sehr oft die gesamtwirtschaftlichen Kosten von den privatwirtschaftlichen Kosten abweichen, dass ein Teil der einer Volkswirtschaft bei der Produktion entstehenden Kosten in der Kostenrechnung unberücksichtigt bleibt. Wir sprechen in diesem Falle von externen Kosten und messen deren Höhe an der Differenz zwischen gesamt- und privatwirtschaftlichen Kosten.

 

Das heutzutage wohl wichtigste Beispiel für externe Kosten ist die Umweltbelastung im Zusammenhang mit der industriellen Produktion. Bei der Produktion industrieller Produkte entstehen giftige Abgase, welche z. B. über Schornsteine in die Luft abgelassen werden, wie das Kohlendioxid, welches die Ozonschicht angreift, zu einer Erwärmung der Erde, zu einem Abschmelzen der Gletscher, zu einem hierdurch bedingten Ansteigen des Meeresspiegels und schließlich zu einer Überflutung weiter Landstriche vor allem in Ostasien führt.

 

Entscheidend ist nun, dass ohne staatliche Eingriffe die uns umgebende Luft wie ein freies Gut behandelt wird, also kostenlos in Anspruch genommen werden kann. In Wirklichkeit ist jedoch die Luft schon lange nicht mehr ein freies Gut. Die Qualität der Luft wird durch die industrielle Produktion von Gütern verschmutzt und stellt somit aus volkswirtschaftlicher Sicht genauso einen Ressourcenverlust dar, als wenn bei der Produktion Rohstoffe gebraucht oder wie bei den Energierohstoffen verbraucht werden. Damit ist jedoch aufgezeigt, dass die Verschmutzung der Luft genauso wie andere Faktoren als der Volkswirtschaft entstehende Kosten in die Produktion eingehen und dass deshalb eine Ausrichtung der Produktion am Bedarf der Bevölkerung auch nur dann befriedigend erfolgen kann, wenn auch diese Kosten in das Kalkül der Unternehmungen Eingang finden und in den Güterpreisen als Kostenfaktor ausgewiesen werden.

 

Die Luftverschmutzung stellt selbstverständlich nur eines von vielen Umweltbelastungen dar. In diesem Zusammenhange ist zu vermerken, dass auch die Gewässer im Zusammenhang mit der Produktion belastet werden können, dass vor allem auch immer das Prinzip der Nachhaltigkeit erfüllt werden muss, wonach bei der Produktion stets Sorge dafür getragen wird, dass auch die nachfolgenden Generationen auf einen ausreichenden Bestand an materiellen Ressourcen (Rohstoffen) zurückgreifen können.

 

Alle diese Umweltbelastungen haben in wirtschaftlicher Hinsicht eines gemeinsam: Es entstehen bei der Produktion Beeinträchtigungen, die in der Rentabilitätsberechnung genauso zu berücksichtigen sind als alle anderen Produktionsfaktoren, welche die Produzenten ankaufen müssen. Beeinträchtigungen der Umwelt stellen stets Opportunitätskosten dar. Die Opportunitätskosten geben an, auf welchen Nutzen jemand verzichten muss, wenn er sich für eine mögliche Alternative unter vielen entscheidet.

 

Nehmen wir an, ein Haushalt kann sein Einkommen entweder für Konsumgüter oder für Ersparnisse verwenden. Da die Ersparnisse (unter anderem) dazu dienen, in Zukunft Konsumgüter nachfragen zu können, können wir auch davon sprechen, dass das heutige Einkommen für Konsumgüter in der heutigen Periode oder in einer zukünftigen Periode verwandt werden kann. Die eigentlichen Kosten, die jemandem aus dem Beschluss erwachsen, eine Geldeinheit zusätzlich für Ersparnisse zu reservieren, bestehen dann in dem Nutzenverlust, den diese Person dadurch erleidet, dass sie diesen gesparten Geldbetrag in der heutigen Periode nicht für den Ankauf von Gütern verwenden kann.

 

In gleichem Sinne stellen alle Umweltbelastungen bzw. alle externen Kosten solche Opportunitätskosten dar, welche der Volkswirtschaft entstehen, ohne dass jedoch die Produzenten für diese Kosten aufkommen. Da Kosten generell auf die Verkaufspreise abgewälzt werden, bedeutet dies gleichzeitig, dass auch die Konsumenten derjenigen Güter, bei denen externe Kosten entstehen, letztendlich nicht für diese externen Kosten aufkommen müssen, obwohl diese Kosten notwendig waren, um diese Waren überhaupt zu produzieren.

 

Die Folge solcher externer Kosten liegt dann darin, dass gerade von den Gütern, welche besonders hohe externe Kosten aufweisen, wegen eines zu geringen Preises zu viel Gütermengen nachgefragt werden, eine geringere Nachfrage nach diesen externe Kosten verursachenden Gütern würde eine höhere Gesamtwohlfahrt bringen.

 

Arthur Cecil Pigou hatte nun zur Lösung dieses Problems bereits im Jahre 1912 in seinem Werk über ‚Wealth and welfare‘ den Vorschlag unterbreitet, der Staat solle immer dann, wenn bei der Produktion einzelner Güter externe Kosten auftreten, eine Steuer auf die einzelnen Produkte jeweils in Höhe eben dieser externen Kosten erheben. Auf diese Weise würden automatisch die Gesamtkosten einer Unternehmung (Kg,) welche sich aus der Summe von privatwirtschaftlichen Kosten (Kp) und Steuersumme (T) ergeben, mit den gesamtwirtschaftlichen Kosten (Kgw) zusammenfallen. Es gilt die Formel:

Kg = Kp + T = Kgw

 

 

In diesem Falle wäre also sichergestellt, dass die Unternehmungen jeweils Produktionskosten in Höhe der gesamtwirtschaftlichen Kosten aufzubringen hätten. Da diese Kosten von Seiten der Unternehmer auf die Verkaufspreise aufgeschlagen würden, entsprächen in diesem Falle auch die Preise den Kosten und damit wären die zunächst externen Kosten vollständig internalisiert. Zu Ehren von Pigou wurde dann in der Literatur diese Steuer, die eine Art Verbrauchsteuer darstellt, Pigousteuer genannt.

 

Obwohl also in diesem Falle der Staat über seine Besteuerung aktiven Einfluss auf die Preishöhe nimmt und somit das Prinzip der Neutralität verletzt, wird hier dennoch dem Anliegen der liberalen Theorie, die Produktion stets am Bedarf der Konsumenten auszurichten, voll entsprochen. Da bei Existenz externer Kosten nicht mehr die Voraussetzungen vorliegen, welche eine optimale Ausrichtung der Produktion garantieren, war es notwendig, dass der Staat dazu beiträgt, dass diese Voraussetzungen ex post herbeigeführt werden. Pigou war der Überzeugung, dass durch die Einführung einer nach ihm benannten Verbrauchsteuer wiederum nachträglich die Voraussetzungen erfüllt seien, welche eine optimale Produktionslenkung ermöglichen.

 

In der Kritik an diesem Vorschlag wurde nun darauf hingewiesen, dass die Pigousteuer nicht in der Lage sei, eine Internalisierung der externen Kosten herbeizuführen und zwar einfach deshalb, weil der Staat ja die exakte Höhe der externen Kosten und damit auch der notwendig gewordenen Pigousteuer gar nicht kennen könne. Externe Effekte treten ja immer dann auf, wenn bestimmte materielle Ressourcen als freie Güter behandelt werden, also Güter, welche von den Produzenten nicht eigens eingekauft werden müssen, da sie für jeden frei zur Verfügung stehen, obwohl der Einsatz dieser Ressourcen der Volkswirtschaft Kosten im Sinne entgehenden Nutzens verursachen.

 

Es gibt also im Hinblick auf diese Ressourcen auch gar keinen Markt. Aber nur der Markt kann die Informationen liefern, die notwendig sind, um die tatsächlichen Kosten der gesamten Volkswirtschaft zu ermitteln. Diese gesamtwirtschaftlichen Kosten setzen sich ja aus all den Nutzenentgängen zusammen, die den einzelnen Konsumenten beim Kauf dieser Produkte entstehen.

 

In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg entstand die sogenannte property right Bewegung, welche unter anderem darauf aufmerksam machte, dass man das Problem der externen Kosten nur dadurch lösen könne, dass man die Märkte, welche in diesem Falle gar nicht existieren, simuliere. Der eigentliche Grund dafür, dass externe Kosten auftreten, liege nämlich darin, dass für diese Art scheinbar freien Güter eine Eigentumsordnung fehle, welche klarstelle, welche Personen über den Einsatz dieser Ressourcen verfügen dürften.

 

Es müssten im Hinblick auf die Umweltproblematik Verschmutzungsrechte geschaffen werden, welche wie alle anderen Rechte an knappen Ressourcen auf Märkten gehandelt werden können. Auf diesen Märkten könne dann durch das Spiel von Angebot und Nachfrage der Preis ermittelt werden, bei dem die Eigentümer dieser Verschmutzungsrechte den – durch den Verkauf dieser Rechte bei ihnen entstandenen – Nutzenverlust ersetzt bekommen. Die Käufer dieser Verschmutzungsrechte hingegen würden nur einen Preis akzeptieren, der nicht höher ausfällt als der erwartete Ertragszuwachs durch Einsatz dieser Ressourcen bei der Produktion.

 

Nun stellt der auf den simulierten Märkten erzielte Preis dieser Verschmutzungsrechte keine Steuer im üblichen Sinne dar. Unter Steuern werden in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung stets einseitige Zahlungen der privaten Wirtschaftspersonen an den Staat verstanden. Beim Ankauf von Verschmutzungsrechten erhält jedoch der Käufer dieser Rechte für die gewährten Geldsumme einen Gegenwert.

 

Wenn wir uns allerdings daran erinnern, dass Knut Wicksell in der Steuer den Preis sieht, den die Bürger für die ihnen gewährten Kollektivgüter zu zahlen haben, könnte man in übertragenem Sinne dennoch von einer Steuer sprechen. Eine Verbrauchsteuer würde jedoch auch in diesem Falle nicht vorliegen, da ja die Pigousteuer gerade nicht als Gegenwert für die vom Staat geleisteten Kollektivgüter angesehen wird. Würde man von dieser Wicksell’schen Vorstellung ausgehen, müssten ja für alle gehandelten Waren eine Verbrauchsteuer entrichtet werden. Diese Absicht liegt jedoch bei den speziellen Verbrauchsteuern im Gegensatz zu den allgemeinen Umsatzsteuern gerade nicht vor.

 

 

5. Meritorischer Ansatz

 

Bei der Pigousteuer wurde der Verzicht auf staatliche Neutralität damit gerechtfertigt, dass ohne dieses staatliche Eingreifen der Markt gar nicht die Voraussetzungen erfülle, welche notwendig sind, damit der freie Markt die im zugedachten Allokationsfunktionen erfüllt. Es war also im Grunde das gleiche Ziel, das auch der Forderung nach Neutralität des Staates zugrunde lag, das in diesem speziellen Fall eine Aufhebung der Neutralitätsforderung herbeigeführt hat. Es gibt jedoch auch Versuche, den Staat zu einer aktiven, also gerade nicht neutralen Haltung gegenüber dem Markt aufzufordern, da man von der Vorstellung ausgeht, dass in gewissen Einzelfällen der einzelne Konsument überfordert sei, selbst zu entscheiden, welche Konsumgüter er erwerben solle, dass in diesen Fällen der Staat über das bessere Wissen verfüge, was für den Einzelnen gut oder schlecht sei.

 

So wird bei Genussmitteln wie z. B. Kaffee oder auch alkoholischen Getränken eine Besteuerung und damit indirekt eine künstliche Erhöhung des Preises mit dem Argument gerechtfertigt, dass auf diese Weise Anreize gesetzt werden, diese Genussmittel in geringerem Maße als bisher zu kaufen und damit zu verbrauchen. Man will hierdurch die gesundheitlichen Schäden, welche mit dem Konsum dieser Waren verbunden sind, reduzieren. Der Staat handle hier in guter Absicht. Es wird hier von der Vorstellung ausgegangen, der Staat verfüge über das bessere Wissen und wenn man diese Entscheidungen den Einzelnen überlasse, bestehe die Gefahr, dass der einzelne aus Unwissen oder aus beschränkter Handlungsfähigkeit sich selbst schade.

 

Dieser meritorische Ansatz steht in krassem Widerspruch zu der liberalen Grundprämisse, dass der einzelne Bürger über seine persönlichen Belange selbst entscheiden dürfe und dass dieses Selbstbestimmungskriterium des Einzelnen einen so hohen Wert darstelle, dass man auch durchaus in Kauf nehmen könne, dass Individuen bisweilen objektiv gesehen eine falsche Entscheidung treffen und gegen ihr eigenes wohlverstandenes Eigeninteresse verstoßen. Auch aus Fehlern könne man lernen.

 

Vor allem bestehe die Gefahr, dass die staatlichen Behörden nur vorgeben, für das Interesse der Begünstigten zu handeln, dass aber in Wirklichkeit diese Entscheidungen den Inhabern der staatlichen Macht zukomme. Friedrich von Hayek sprach in diesem Zusammenhange von der Anmaßung des Wissens. Obwohl in aller Regel der Staat gar nicht über das bessere Wissen als der betroffene Bürger verfüge, werde hier nur vorgetäuscht, dass der staatliche Beamte sehr viel besser wisse, was dem Bürger gut tue. Auch die staatlichen Behörden können nur auf das allgemein bekannte Wissen zurückgreifen, es gibt aber keine überzeugenden Gründe dafür, dass dieses vorhandene Wissen nicht genauso gut den einzelnen Handelnden zur Verfügung gestellt werden kann.

 

Vor allem ist es ein Irrtum zu meinen, dass die Richtigkeit einer Entscheidung allein oder vorwiegend davon abhängt, ob der Entscheidende über die realen Auswirkungen unterrichtet ist. Entscheidungen werden immer auch durch Werturteile bestimmt. Da wir in einer pluralistischen Gesellschaft leben, in der über die letztlichen Grundwerte keine vollständige Übereinstimmung besteht, kann immer nur der Einzelne selbst darüber bestimmen, welche Handlungsweisen mit seinen höchst persönlichen Grundwerten übereinstimmen. Der Versuch des Staates, in meritorischer Absicht den einzelnen vorschreiben zu wollen oder auch nur, durch Anreize in Form von Preissteigerungen die einzelnen von bestimmten Handlungen abzuhalten, verstößt gegen den Grundsatz eines freiheitlichen Staates, in dem eigentlich Meinungs- und Religionsfreiheit gewährt und durch die Verfassung garantiert werden soll.

 

Durch einen meritorischen Ansatz werden jedoch nicht nur liberale Grundprinzipien verletzt. Auch das Subsidiaritätsprinzip, welches im Mittelpunkt der christlichen Soziallehre steht, aber auch unabhängig vom christlichen Glauben in einem föderativ aufgebauten Staat allgemein akzeptiert wird, wird durch meritorische Handlungen des Staates verletzt. Das Subsidiaritätsprinzip verlangt, dass überall dort, wo die untergeordneten Gemeinschaften in der Lage sind, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, diese Aufgaben auch von der untergeordneten Gemeinschaft erfüllt werden. Nur dann, wenn klar ist, dass die untergeordnete Instanz bei der Verwirklichung bestimmter Aufgaben überfordert ist, hat die nächsthöhere Instanz einzugreifen. Aber auch hier soll sich die Hilfe der übergeordneten Instanz auf eine Hilfe zur Selbsthilfe beschränken.

 

Auf unser Problem angewandt bedeutet dies: Die wirtschaftlichen Entscheidungen sollen zunächst bei den einzelnen Individuen und Familien getroffen werden. Nur dort, wo auf diese Weise keine befriedigende Lösung gefunden werden kann, sollen die Gemeinden oder der Staat eingreifen. Sind die staatlichen Behörden der Auffassung, dass der Konsum bestimmter Güter den Konsumenten schadet, dann sollen entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip die betroffenen Konsumenten in aller erster Linie über die möglichen Gefahren unterrichtet werden, so dass die Betroffenen von sich aus die richtigen Entscheidungen treffen können.

 

Es gilt in diesem Zusammenhang weiterhin zu beachten, dass über die tatsächlichen Gefahren bestimmter Mittel von Seiten der Wissenschaft keine einheitliche Meinung vorherrscht, dass im Allgemeinen auch immer nur bestimmte Einzelgruppen beim Konsum dieser Güter einer Gefahr ausgesetzt sind und dass auch auf die Frage, wie z. B. Suchtverhalten mit Erfolg behandelt wird, von den Wissenschaftlern unterschiedliche Rezepte empfohlen werden.

 

 

6. Mehrwertsteuer

 

Befassen wir uns nun mit der Mehrwertsteuer. Gilt die Aussage, dass Verbrauchsteuern die Ausrichtung der Produktion an den Bedarf der Konsumenten beeinträchtigen auch für die allgemeinen Umsatzsteuern und damit für nahezu alle indirekten Steuern?

 

Bereits im einleitenden Kapitel hatten wir gesehen, dass der Hauptunterschied zwischen Verbrauchsteuern im engeren Sinne und Umsatzsteuern darin liegt, dass nicht alle Güter im Rahmen der Verbrauchsteuer besteuert werden und dass auch für die von der Verbrauchsteuer erfassten Güter recht unterschiedlich hohe Steuersätze gelten. Umsatzsteuern hingegen gelten im Prinzip für alle gehandelten Güter und es wird im Grunde ein einheitlicher Steuersatz erhoben.

 

Das Begriffspaar Verbrauchsteuer - Umsatzsteuer legt eine nicht ganz zutreffende Einteilung nahe, dass nämlich die Verbrauchsteuer auf den Verbrauch – in Mengeneinheiten gerechnet – bezogen wird, während die Umsatzsteuer einen bestimmten Prozentsatz der Umsatzsumme, also des Produktes aus verbrauchter Menge mal Preis der einzelnen verkauften Waren erhebt. Die tatsächliche Steuererhebung folgt jedoch dieser Unterscheidung nicht. Während sich zwar wohl alle bisher real erhobenen Umsatzsteuern auf die Wertgröße: Umsatz beziehen, gibt es unter den speziellen Verbrauchsteuern sowohl Steuern, deren Steuersatz auf die Gütermenge, als auch Steuern, deren Steuersatz auf die Wertgröße: Umsatzsumme bezogen wird.

 

In Wirklichkeit sind alle indirekten Steuern sowohl Verbrauchsteuern als auch Umsatzsteuern. Der eigentliche Unterschied zwischen beiden Steuerarten liegt vielmehr darin, dass die sogenannten Verbrauchsteuern nur auf einige ausgewählte Güter erhoben und für die einzelnen Steuern unterschiedliche Steuersätze festgelegt werden, während vom Anspruch her Umsatzsteuern eigentlich auf alle gehandelten Güter bezogen werden und einen einheitlichen Steuersatz vorsehen, allerdings – wie wir noch sehen werden – in praxi mit einer sehr großen Zahl von Ausnahmen.

 

Es gibt nun im Grundsatz zwei Erhebungsverfahren im Zusammenhang mit allgemeinen Umsatzsteuern. Die allgemeine Umsatzsteuer wurde in früheren Zeiten zumeist als eine Steuer gehandhabt, bei der nur das Endprodukt, nicht aber die Rohstoffe und Halbfabrikate von dieser Steuer erfasst wurden. Heutzutage wird in der BRD wie wohl in den meisten Industriestaaten die Umsatzsteuer in Form einer Mehrwertsteuer erhoben.

 

Der wichtigste Unterschied zu den ursprünglichen Formen der Umsatzsteuer besteht einmal darin, dass die Mehrwertsteuer auf allen Stufen der Produktion, vom Rohstoff über die Halbfabrikate bis zum Endprodukt erhoben wird, also nicht nur auf die Endphase der Produktion – man spricht in diesem Zusammenhang von einer Allphasensteuer, zum anderen darin, dass auf den einzelnen Produktionsstufen nur der Teil des Umsatzes der Besteuerung unterliegt, der gegenüber den eingekauften Rohstoffen oder Halbfabrikaten eine Wertsteigerung herbeigeführt hatte.

 

Ausgangspunkt ist also das Prinzip der Wertschöpfung im Rahmen der Einkommensstatistik. Danach besteht jeder Produktionsvorgang darin, dass von einem bestimmten Rohstoff oder Halbfabrikat ausgegangen und überprüft wird, in welchem Maße die Produktion dem bisherigen noch nicht fertiggestellten Gut einen Wertzuwachs gebracht hat. Hierbei geht man von der Grundidee der Grenznutzenschule aus, dass wirtschaftliche Werte darüber Auskunft geben, welchen Nutzen der Endverbraucher aus den einzelnen Konsumgütern zieht, wobei dann dieser Wert des Endproduktes den einzelnen an der Produktion beteiligten Produktionsfaktoren zugerechnet wird.

 

Dieser Übergang zur Mehrwertsteuer brachte eindeutig einen allokativen Vorteil gegenüber einer Umsatzsteuer, bei der jeweils die Bruttowertsumme des gesamten Umsatzes zugrunde gelegt wurde. Von einer Umsatzsteuer, welche den Bruttoumsatz der Besteuerung zugrunde legt, geht nämlich ein konzentrationsfördernder Effekt aus, ohne dass eine solche Konzentration zu höheren gesamtwirtschaftlichen Erträgen führen würde.

 

Nehmen wir als Beispiel, dass ein großer vertikaler Konzern ein bestimmtes Produkt von der Förderung der Rohstoffe, über die Anfertigung der Halbfabrikate bis zur Produktion des fertigen, konsumreifen Konsumgutes in eigener Regie herstellen würde, während zur gleichen Zeit das gleiche Produkt auch von verschiedenen Unternehmungen produziert würde, welche sich jeweils nur auf eine Produktionsstufe beschränken würden. Wir wollen weiterhin der Einfachheit halber unterstellen, dass das Endprodukt in beiden Fällen einen gleichhohen Bruttowert erzielen würde. Der vertikale Konzern würde die gleiche Umsatzsteuersumme zu entrichten haben, wie der auf die Endstufe beschränkte Konkurrent. Gleichzeitig müssten jedoch die Vorlieferanten entsprechend ihrer Umsatzsumme ebenfalls Umsatzsteuern an das Finanzamt abführen. Für das in mehreren Stufen produzierte Produkt fiel somit ein sehr viel höherer Umsatzsteuerbetrag an als für den vertikalen Konzern. Also besteht in diesem Falle das Bestreben, die Produktion möglichst von der Förderung der Rohstoffe über die Herstellung von Halbfabrikaten bis hin zur Produktion der Endprodukte in eine Hand zu legen, um auf diese Weise Steuern einzusparen.

 

Natürlich kann damit gerechnet werden, dass sich unter Umständen ein vertikaler Zusammenschluss mehrerer Produktionsstufen kostensenkend auswirkt und dass deshalb ein Zusammenschluss dieser Produktionsstufen aus technischen Gründen erwünscht ist.

 

Dieser positive Effekt tritt jedoch nur in einzelnen Fällen auf, generell muss damit gerechnet werden, dass Zusammenschlüsse zumindest von einer bestimmten kritischen Größe ab zu Kostensteigerungen führen, einmal bereits aus technischen Gründen, da es auch für die Unternehmungsleitung eine optimale Unternehmungsgröße gibt, von der ab wegen Kontrollverlusten Gewinnminderungen befürchtet werden müssen. Zum andern führen Zusammenschlüsse oftmals zu Monopolstellungen, welche ganz generell volkswirtschaftlich unerwünscht sind, da die Ausrichtung der Produktion am Konsumentenbedarf nur dann sichergestellt werden kann, wenn die Unternehmungen in intensivem Wettbewerb zu einander stehen und aus diesen Gründen dazu gezwungen werden, stets nach weiteren Kostensenkungen Ausschau zu halten und bereits eingetretene Kostensenkungen durch Preissenkungen den Konsumenten zugute kommen zu lassen.

 

Obwohl sich also der Anspruch einer Umsatzsteuer gegen alle gehandelten Güter richtet und von allen Waren ein gleich hoher Steuersatz erhoben werden sollte, kennt die tatsächliche Praxis eine Vielzahl von Ausnahmen. So sieht z. B. das deutsche Steuersystem einen normalen Steuersatz von derzeit 19% vom Mehrwert und einen ermäßigten Steuersatz von nur 7% für Nahrungsmittel, Bücher und Zeitungen Leistungen des Personennahverkehrs vor. Es gibt auch Güter (bzw. Dienstleistungen), welche keiner Umsatzsteuer unterliegen, so werden z. B. in der BRD Mieten nicht umsatzsteuerpflichtig.

 

Während in dieser allgemeinen Unterscheidung zwischen einem normalen und einem ermäßigten Steuersatz immerhin noch eine nachvollziehbare Einteilung gesehen werden kann, lässt eine Durchsicht der Ermäßigungen und Befreiungen im Einzelnen jede Begründung vermissen. Vor allem lässt sich für die zahlreichen Ausnahmen kein durchgehendes Prinzip erkennen, man gewinnt den Eindruck, als spiegele das Verhältnis der Ermäßigungen untereinander die jeweilige Stärke der einzelnen Interessengruppen wider. Einige willkürlich herausgegriffene Beispiele mögen diesen Eindruck bestätigen:

 

Für Brennholz gilt ein gemäßigter Steuersatz von sieben Prozent, für Babynahrung, Fruchtsaft und Medikamente müssen 19 Prozent des Umsatzes als Steuer abgeführt werden. Für Hundekekse gilt der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent, für Kinderkekse hingegen wird der volle Steuersatz von 19 Prozent erhoben. Feinschmeckerprodukte wie Gänseleber, Froschschenkel, Wachteleier, Krebsfleisch, Riesengarnelen oder Schildkrötenfleisch erfordern nur einen ermäßigten Steuersatz (von 7%), Mineralwasser indessen den normalen Steuersatz von 19 Prozent. Für das Halbfinale Eis, für Gummibärchen und Kartoffelchips werden nur sieben Prozent Mehrwertsteuer erhoben, da sie zu Unrecht zur Grundversorgung wie Fleisch, Wurst und Käse gezählt werden.

 

Sehen wir aber für einen Augenblick davon ab, dass das bestehende Steuersystem zahlreiche Ausnahmen kennt und gehen zunächst davon aus, dass der Grundidee folgend alle Waren mit einem gleichhohen Mehrwertsteuersatz besteuert würden.

 

In diesem Falle hat es auf den ersten Blick den Anschein, dass die für die partiellen Verbrauchsteuer nachgewiesenen Verzerrungen in den Preisrelationen und damit auch Beeinträchtigungen der Ausrichtung der Produktion am Konsumentenbedarf im Hinblick auf die Mehrwertsteuer nicht befürchtet werden müssen. Die oben aufgezeigten unerwünschten Nebenwirkungen auf die Allokation  mussten ja bei den speziellen Verbrauchsteuern deshalb befürchtet werden, weil nicht alle Waren dem gleichen Steuersatz unterworfen waren.

 

In der Tat gilt es festzustellen, dass das Ausmaß der Verzerrungen bei der Mehrwertsteuer deutlich geringer ausfällt als bei den diversen Verbrauchsteuern. Die Preise werden zwar auch hier angehoben. Für die Allokation sind jedoch nicht die absoluten Preisveränderungen, sondern nur die Verschiebungen in den Preisrelationen von Bedeutung. Und die Preisrelationen bleiben ja unberührt, wenn alle Waren um den gleichen Steuerbetrag im Preis angehoben werden.

 

Wenn trotzdem de facto davon ausgegangen werden muss, dass auch das gültige Mehrwertsteuersystem die Allokation beeinträchtigt, so liegt dies an mehreren Gründen.

 

Als erstes hatten wir bereits festgestellt, dass das derzeit gültige Umsatzsteuersystem in der BRD zahlreiche Befreiungen und Ermäßigungen von dem allgemeinen Steuersatz kennt.

 

Als zweites gilt natürlich auch bei der Diskussion über mögliche unerwünschte Auswirkungen einer Mehrwertsteuer die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Überwälzbarkeit von Steuern auf den Güterpreis recht unterschiedlich ausfallen. Die Preiselastizitäten von Angebot und Nachfrage sind sehr unterschiedlich von Markt zu Markt. Deshalb dürften Verzerrungen in den Güterpreisen auch dann zu befürchten sein, wenn tatsächlich alle Waren mit einem einheitlichen Steuersatz belastet würden.

 

Selbst dann, wenn wir von diesen Unterschieden absehen, gibt es noch einen weiteren dritten Grund dafür, dass auch von einem Mehrwertsystem in der reinen Form negative Auswirkungen auf die Ausrichtung der Produktion auf den Konsumentenbedarf ausgehen können. Der Grund dafür liegt darin, dass die Entscheidung über die Auswahl der Güter, welche mit einem bestehenden Bestand an materiellen Ressourcen produziert werden sollen, nicht nur von den Relationen in den Güterpreisen gelenkt werden, sondern vom Verhältnis aller Preise, sowohl der Güter wie auch der Produktionsfaktoren. Verzerrungen in der Allokation sind deshalb auch dann zu befürchten, wenn das Verhältnis der Preise aller Güter durch die Einführung einer Steuer nicht verzerrt werden würde. Für eine Störung der Allokation reicht es aus, wenn die Güterpreise – durch die Art der Besteuerung – stärker oder schwächer ansteigen würden als die Preise der Produktionsfaktoren.

 

Nehmen wir einmal an, dass die Preise aller Güter um 19% (den augenblicklich gültigen allgemeinen Mehrwertsteuersatz) aufgrund dieser Umsatzsteuer angehoben würden, dass aber die Besteuerung der Lohneinkommen entweder im Durchschnitt höher ausfiel oder dass die Steuern auf Lohneinkommen insgesamt in stärkerem Maße als bei den Güterpreisen eine Lohnsatzsteigerung und damit eine Überwälzung auslösen würde. Unterstellen wir beispielsweise der Staat habe eine Erhöhung der Einkommenssteuertarife beschlossen und es würde im Anschluss daran den Gewerkschaften gelingen, eine volle Kompensation dieser erhöhten Besteuerung über eine Erhöhung der Bruttolöhne durchzusetzen.

 

Steuerbedingt würde hier also der Lohnsatz stärker steigen als die Güterpreise, mit anderen Worten der Reallohn – bezogen auf die Bruttolöhne, nicht auf die Nettolöhne) würde angehoben. Steigt jedoch der Reallohn ceteris paribus, also bei gleichem realen Zinssatz, so haben die Unternehmungen einen Anreiz, zu kapitalintensiveren Produktionstechniken überzugehen. Eine solche Änderung in der Produktionstechnik würde jedoch von einer optimalen Technik abweichen, da ja nicht eine Veränderung in den Knappheitsverhältnissen zwischen Arbeit und Kapital diese Änderungen in der Produktionstechnik ausgelöst hätte und da deshalb die Besteuerung eine Hinwendung zu einer suboptimalen Produktion bedeutet hätte.

 

Fortsetzung folgt!