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Gedanken zur Spielsucht

 

Gliederung:

 

1. Einführung

2. Der kurzfristige Einfluss auf den Spielenden

3. Der kurzfristige Einfluss auf die Umwelt

4. Langzeitwirkungen auf den Spielenden

5. Langzeitwirkungen auf die Umwelt

6. Schlussfolgerungen

 

 

1. Einführung

 

Beginnen wir diesen Artikel statt einer Problemeinführung mit einem Märchen.

 

Wenn ein Bewohner einer entfernten Galaxie die Erde aufsuchen und in unseren Breitengraden Fuß fassen würde, hätte er Merkwürdiges zu beobachten. Er hatte – so wollen wir unterstellen – die Erde bereits vor mehreren Jahrhunderten, im Mittelalter oder zu Beginn der Neuzeit aufgesucht und hatte damals die Mehrzahl der Menschen im Schweiße ihres Angesichtes schuftend vorgefunden.

 

Nun aber eröffnete sich ihm ein ganz anderes Bild. Die Schwerarbeit wurde nun zu einem großen Teil von Maschinen, sogenannten Robotern, getan und ein beachtlicher Großteil der Menschen waren offensichtlich – so musste es ihm auf den ersten Blick erscheinen – von einer beispielslosen Spielsucht befallen.

 

Nun schien offensichtlich diese Spielsucht schon in einem sehr frühen Alter zu beginnen. Sobald die Jugendlichen lesen und die ersten selbständigen Schritte gelernt hatten, fingen bereits Kinder mit vier oder fünf Jahren an, in ihrer Freizeit am Computer oder einer anderen Konsole zu spielen. Während die Jugendlichen bei seinem ersten Besuch vor vielen Jahrhunderten ihre freie Zeit damit verbrachten, sich zusammen zurotten, die Erwachsenen zu ärgern und sich gegenseitig zu verprügeln, fanden die Prügelszenen nun vorwiegend in einer virtuellen Welt statt, die Kinder saßen stundenlang vor der Spielkonsole und die früheren Prügelszenen spielten sich nun in dieser virtuellen Welt ab.

 

Aber auch die Art und Weise, wie sich Jugendliche streiten, haben sich aus der Sicht unseres Weltbesuchers grundlegend gewandelt. Während sich früher die Jugendlichen mit bloßen Händen attackierten und die Verletzungen deshalb ein bestimmtes Maß nicht überstiegen, spielen nun die Kinder mit Vorliebe Krieg, sie sind in dieser virtuellen Welt mit den neuesten gefährlichen Waffen ausgestattet und sie attackieren ihre Mitspieler – natürlich nur virtuell – bis aufs Blut, es gilt als eine besondere Leistung, möglichst viele Gegner zu vernichten, für einen Kopfschuss wird in besonders martialischen Spielen sogar eine Prämie ausgesetzt.

 

Anstatt dass also sittliches Verhalten und Rücksichtsnahme gegenüber Mitmenschen belohnt wird, wird hier sogar sonst als unsittlich verurteiltes Verhalten mit einer Prämie ausgezeichnet. Es gilt hier der Grundsatz: ‚der Zweck heiligt alle Mittel‘ und der Zweck dieses Spiels besteht allein darin, den Gegner möglichst vollkommen zu vernichten. Dass es im realen Leben immer auch noch andere Werte gibt, wie Achtung vor dem Leben, wird hier vollkommen ausgeklammert.

 

Obwohl also auf der einen Seite in der virtuellen Welt die barbarischen Verhaltensweisen in einem realen Krieg so buchstabengenau wie möglich in der virtuellen Welt übernommen werden, in einem Punkt weichen diese Spiele von ihrem Vorbild der realen Welt entscheidend ab. Während nämlich in der realen Welt jeder, der einmal getötet wurde, auch tatsächlich tot ist und tot bleibt, sind die virtuellen Spieler – wenn sie besonders lang schon gespielt haben und viele virtuellen Mitspieler getötet haben – mit  hunderten von Leben ausgestattet.

 

Es wird hier das absichtliche Töten verharmlost. Man tötet, ohne dass man vom Gegner angegriffen wurde. Im realen Leben wird ein solches Verhalten als das verwerflichste Verbrechen verurteilt. Hier jedoch verliert der Gegner durch den Tod gar nicht sein Leben, er hat ja viele weitere Leben. Und wenn er nur mit einem einzigen Leben ausgestattet ist und deshalb erst in einer neuen Spielrunde wieder mitspielen darf, ist er an diesem Zustand selbst schuld, er hätte ja durch sein bisheriges Verhalten – durch zahlreiches Töten der virtuellen Gegner – selbst dazu beitragen können, über mehrere Leben zu verfügen. Wir werden später sehen, dass gerade in dieser Ausgestaltung neuer Spiele das Gefährliche liegt.

 

Diese Spielsucht, welche zunächst auf den virtuellen Bereich beschränkt war, wird dann beim Erwachsenwerden in die reale Welt übertragen. So gibt es das Spiel des Escape Room. So heißt es z. B. in einer Werbung für ein solches Spiel:

 

‚Willkommen bei Escape Room Das Spiel! Bereitet euch auf vier Abenteuer voller Adrenalin vor, die ihr so schnell nicht vergessen werdet! In diesem Spiel müsst ihr zusammen arbeiten, um Aufgaben und Rätsel zu lösen und so in einer Stunde zu "entkommen". Ob der Ausbruch aus dem Gefängnis, das Eindämmen eines Virus, das Entschärfen einer Bombe oder die Suche nach dem Schatz der Azteken, jedes Abenteuer wird verschiedene Anforderungen an euch stellen.

 

Nur durch gemeinsames Nachdenken kommt ihr ans Ziel - Teamwork, gute Kommunikation, Einfallsreichtum, Kreativität, Logik und Blick fürs Detail sind sehr wichtig, um zu gewinnen!‚

 

Solche Spiele sind als Freizeitspaß gerade im Trend: Bei einem sogenannten Escape-Room, aus denen sich eine Gruppe von Spielern befreien muss, sind in Polen gerade fünf Mädchen gestorben.

 

Während man im realen Leben davon ausgehen kann, dass sich Kinder durchaus ausleben können, da sie nach dem Erwachsenwerden diese Verhaltensweisen ohnehin ablegen, sodass sie im späteren Leben auch nicht gefährlich werden, scheint sich diese Spielsucht – so mag es unserem Besucher aus dem Weltall erscheinen – auch nach dem Erwachsenwerden fortzusetzen, zwar in anderen Formen, aber keinesfalls mit weniger Brutalität. Es scheint eben eine Sucht entstanden sein, welche man nicht einfach durch den Willen, nun anders zu sein, ablegen kann.

 

Nun könnte man immer noch davon ausgehen, dass sich diese Spielsucht wiederum lege, sobald die Jugendlichen erwachsen seien und in der realen Welt Verantwortung zu übernehmen haben. Unser Besucher aus dem Weltall muss jedoch feststellen, dass sich die Spielsucht auch im Leben der Erwachsenen fortsetzt.

 

Da erfährt unser Weltraumbesucher vor allem von den zahlreichen Sportveranstaltungen, vor allem vom Fußball, auch hier spricht man ja von Spielen und die zahlreichen Zuschauer beschränken sich ja nicht darauf, sich in der Freizeit durch Ansehen eines Fußballspieles von der alltäglichen Arbeit zu erholen.

 

An und für sich ist ja Sport fast jeder Art etwas sehr positives. Wer aktiv Sport betreibt und hierbei nicht übertreibt, unternimmt sogar zumeist etwas zugunsten seiner Gesundheit. Auch trägt das Leben in Sportvereinen zu Geselligkeit und Kameradschaft bei.

 

Aber das, was sich im Umfeld dieser Sportspiele tatsächlich ereignet, ist sehr viel mehr als nur harmlose Unterhaltung und es treten auch keine positiven Effekte auf das Leben der Menschen ein.

 

Schon lange sind die allwöchentlichen Sportspiele nicht nur eine harmlose Veranstaltung. Große Unternehmungen sind bemüht, diese Spiele wie eine Ware zu vermarkten. Die öffentlichen Medien stellen in der Darstellung und Kommentierung der einzelnen Spiele einen Hauptteil ihrer Ausstrahlungen dar, der Ausstrahlung dieser Spiele müssen alle anderen Veranstaltungen weichen. Wenn ein Spiel zusätzlich anfällt oder auch nur, wenn das Spiel die vorgesehene Zeit überschreitet, werden die nachfolgenden Sendungen dann einfach nach hinten verschoben.

 

Man tut dann so, als sei Sport für restlos alle Zuschauer das Allerwichtigste, dem sich alle anderen Themen unterordnen müssen. Nicht genug, dass der Darstellung und Kommentierung der Sportspiele sehr viel Zeit eingeräumt wird, durch die Art der Darstellung werden die Spiele so präsentiert als seien es himmlische Veranstaltungen.

 

Aber damit nicht genug. Es bilden sich Fanclubs, welche sich einem ganz bestimmten Sportclub verschreiben. Der Sieg des eigenen Clubs wird nun zur wichtigsten Sache auf der Welt und wird zu einer Art Ersatzreligion. Und dies bedeutet, dass der eigene Verein nicht verlieren darf, er muss einfach siegen. Und wenn er dann einmal verliert, ist die Welt für die Fans nicht mehr in Ordnung und diese Enttäuschung führt dann zu Randale, bei der Unbeteiligte angegriffen und Autos und Läden ramponiert werden.

 

Nun muss man sich darüber im Klaren sein, dass im Normalfall jedes Spiel einen Gewinner und einen Verlierer kennt und dies bedeutet, dass im Durchschnitt der eigene Verein jedes zweite Spiel verliert und dass somit die Hälfte aller Fangemeinden zusammen zu den Verlierern zählt.

 

Dass der eigene Verein verliert, ist zwar immer etwas Negatives, kann aber an und für sich verschmerzt werden, eben gerade deshalb, weil ja notwendiger Weise immer ein Verein verlieren muss. Natürlich gibt es auch Spiele, welche unentschieden ausgehen, hier gibt es keine Verlierer, aber auch keine Gewinner. Da aber der Zweck eines Spiels eben gerade darin liegt, dass im Spiel geklärt wird, welcher Verein der Bessere ist, sollen und werden auch unentschiedene Spiele die Ausnahme bleiben.

 

Die Spielsucht setzt sich – so scheint es unserem Besucher aus dem Weltall – auch im täglichen Leben der Erwachsenen und zwar nicht nur im Rahmen der Freizeit, sondern auch im beruflichen Leben fort.

 

In den Diskussionen, welche in den Parlamenten, aber auch in den öffentlichen und sozialen Medien geführt werden, wird so getan, als sei es das Wichtigste, dass immer wiederum Neues getan wird, als wäre es bereits ein Mangel, wenn die bisherigen Zustände erhalten blieben.

 

Es wird hier gar nicht mehr danach gefragt, ob die bisherigen Zustände Mängel aufweisen oder sogar als gelungen angesehen werden können, wie in einem Spiel ist es langweilig, wenn man bei den bisherigen Zuständen verbleibt und sich stärker für die Erhaltung des Bewährten als für die Erneuerung ohne zwingenden Grund einsetzt.

 

Es gilt wie in einem Spiel, Politiker und auch andere Personen des öffentlichen Lebens fertig zu machen und abzuschießen und dafür zu sorgen, dass neue Gesichter die Bühne betreten.

 

Man vergisst hierbei, dass bei einem Wandel die Ergebnisse keinesfalls immer besser werden, sie werden sogar oftmals schlechter. Man vergisst darüber hinaus, dass sich auf diese Weise gerade die qualitativ besten Personen aus dem öffentlichen Leben zurückziehen, denn gerade die Qualifiziertesten haben durchaus die Möglichkeit, im erwerbswirtschaftlichen System Führungspositionen zu übernehmen, welchen ihnen mehr Reichtum, Ruhm und Befriedigung verschaffen.

 

 

2. Der kurzfristige Einfluss auf den Spielenden

 

Wir wollen uns nun im Folgenden mit der Beurteilung der Spielsucht der Jugendlichen etwas ausführlicher befassen. Wie ist diese Spielsucht zu beurteilen, was bedeutet sie für die Jugendlichen, welche von ihr befallen sind, selbst und welche Rolle spielt sie für die Menschen, welche es mit diesen Jugendlichen zu tun haben.

 

Die Meinungen über diese Frage gehen weit auseinander. Sie reichen von der Verurteilung dieser Spiele bis zu ihrer Verherrlichung. Die einen verurteilen die Spielsucht, weil sie die Jugendlichen von allem abhält, was eigentlich für die Heranwachsenden notwendig wäre.

 

Sie verurteilen, dass in diesen Spielen den Jugendlichen alles erlaubt sei, was im normalen Leben verboten sei. Es sei aber notwendig, dass auch im Spiel die Verhaltensregeln beachtet werden, welche für das Leben allgemein geboten sind. Schließlich beginnt jede böse Tat zunächst damit, dass sie gedacht wird, also als bloße Möglichkeit angesehen wird.

 

Beim anderen Extrem wird es als etwas durchaus positives empfunden, dass im virtuellen Spiel alles erlaubt und vor allem möglich ist, dass hier sozusagen die Knappheit und all der Kummer der realen Welt aufgehoben ist. Virtuell kann man sich alles herbeisehnen, hier gibt es keine Grenzen, hier können alle Menschheitswünsche erfüllt werden, so kann man sich z. B. sekundenschnell auch in eine andere Welt beamen.

 

Auch dann, wenn z. B. der eine Spieler im Spiel getötet wurde, kann man ihn durch einen Zaubertrank wieder zum Leben erwecken und selbst dann, wenn im Spielverlauf das virtuelle Leben endgültig verbraucht ist, man kann ja das eine Spiel beenden und dann nicht nur das normale Leben weiterleben, sondern sogar dieses oder ein anderes Spiel neu beginnen und damit erneut mit virtuellem Leben ausgestattet sein.

 

Auch im Hinblick auf die Mitmenschen hat es den Anschein – wir werden allerdings später sehen, dass dieser Vorteil nur scheinbar gilt – als ob den Mitmenschen kein Haar gekrümmt werde. Der Spieler kann im virtuellen Spiel noch so viele Menschen töten und ihnen Schaden zufügen, dieser Schaden ist ja nur virtuell und hat im realen Leben keinerlei Auswirkung.

 

Eine tiefere Analyse solcher Spiele und der hierbei auftretenden Spielsucht, zeigt, dass die Dinge nicht so einfach sind und dass sehr wohl eine ganze Reihe teilweise positiv, teilweise negativ beurteilter Wirkungen durch das Spiel hervorgerufen werden.

 

Wir wollen hierbei zwischen einer kurfristigen Sicht unterscheiden, bei der nur nach den unmittelbaren Auswirkungen im Zeitpunkt des Spielens gefragt wird und diese Betrachtung einer Analyse gegenüberstellen, bei der auch die langfristigen Auswirkungen Berücksichtigung erfahren.

 

Weiterhin soll unterschieden werden, wie sich diese kurz- und langfristigen Effekte auf den Spielenden selbst und andererseits auf die Umwelt auswirken.

 

Beginnen wir also mit den kurzfristigen Auswirkungen eines Spieles auf den Spielenden selbst. Hier weisen die Befürworter dieser Spiele vor allem darauf hin, dass ein Spiel dem Jugendlichen Freude bereitet, Voraussetzung ist natürlich, dass es sich um ein gutes Spiel handelt, es gibt eine Menge an Spielen, welche diese Eigenschaft nicht besitzen, aber immerhin wird man nicht leugnen können, dass eine Reihe von Spielen – technisch gesehen  – wahre Meisterkünste darstellen.

 

Vor allem können sich Kinder in der virtuellen Welt alles leisten, es gibt keine Begrenzungen, die Knappheit scheint hier aufgehoben zu sein. Vor allem dann, wenn man mit Bentham, dem Vater des Utilitarismus, der Auffassung ist, dass das größtmögliche Glück aller nicht nur die wahren Ziele der meisten Menschen darstellt, sondern auch als höchste anzustrebende Norm anzusehen sei, wird man zugeben müssen, dass die Spiele der Kinder zu einer Vermehrung des Glücks in einem Umfang beitragen, wie es in der realen Welt nicht möglich wäre.

 

Lehnt man allerdings mit den christlichen Religionen den Utilitarismus ab und sieht in dem irdischen Leben lediglich eine Bewährungsphase für das spätere wahre Leben nach dem Tode, bleibt von diesem Lustgewinn wenig übrig, man kann kaum davon sprechen, dass die Art und Weise der heutigen Computerspiele zu diesem Ziel wesentlich beiträgt, ganz im Gegenteil lenken diese Spiele von der eigentlichen Zielsetzung der Menschen ab, sie vermindern die Wohlfahrt und tragen keineswegs zur Wohlfahrtssteigerung bei.

 

Aber bleiben wir für eine kurze Zeit bei der utilitaristischen Weltanschauung. Auch hier gilt es zu bedenken, dass diese Art von Spielen nicht unbegrenzt den Kindern Freude bereitet. In diesem Zusammenhang gilt nämlich das von Gossen formulierte Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen (Nutzenzuwachs).

 

Auf die Computerspiele angewandt besagt dieses Gesetz, dass die mit diesem Spiel verbundene Freude zunächst hoch sein mag, dass aber mit zunehmender Zeit, mit der die Jugendlichen mit dem Spielen fortfahren, diese Nutzenvermehrung zurückgeht, bis sie auf null abgesunken ist und vielleicht sogar in Missnutzen, Ärger und Langweile übergeht.

 

Dies bedeutet, dass es gerade aus der Sicht des Lustgewinnes der spielenden Kinder notwendig und erwünscht erscheint, nicht zu lange zu spielen. Ein Sprichwort in diesem Zusammenhange besagt, dass man mit dem Spielen dann aufhören soll, wenn es am schönsten ist.

 

Hier kommt das zweite Gossensche Gesetz, das Gesetz vom Grenznutzenausgleich ins Spiel. Danach kann nur dann ein Nutzenmaximum erzielt werden, wenn der Nutzenzuwachs bei allen Verwendungsarten gleich hoch ist. Für unser Thema bedeutet dies, dass ein Jugendlicher nur dann ein Höchstmaß an Freude erzielen kann, wenn er sich auch neben den Computerspielen anderen Beschäftigungen zuwendet.

 

Wenn wir nach dem Nutzengewinn eines Computerspiels fragen, gilt es stets zu berücksichtigen, dass der Spielende während der Zeit, in der er spielt, auf andere Beschäftigungen verzichtet. Der Nettonutzengewinn bezieht sich dann stets auf die Differenz des partiellen Nutzengewinns aufgrund des Computerspieles abzüglich des Nutzengewinns, den der Spielende erfahren hätte, wenn er sich einer anderen Beschäftigung zugewandt hätte und welchen er eben deshalb nun nicht mehr erfährt, da er sich dem Computerspiel zugewandt hat.

 

Gerade dann, wenn er von einer Spielsucht befallen ist, wird er sich kaum mehr anderen Beschäftigungen zuwenden und wird gerade deshalb nicht ein Maximum an Nutzen und Freude erfahren.

 

Wenn der Spielende bereits von Spielsucht befallen ist, dann gilt ohnehin, dass er gar nicht mehr in erster Linie deshalb spielt, um hierbei Freude zu erhalten. Der Süchtige tut das, was er tut, nicht um Freude zu erhalten, sondern aus einem inneren Zwang heraus, er will dann nur noch die Unlust vermeiden, die solange anhält, als er nicht spielt. Ist der einzelne Jugendliche bereits von der Spielsucht betroffen, lässt sich nicht mehr davon sprechen, dass er beim Spiel einen Zuwachs an Nutzen und Freude erhält.

 

 

3. Der kurzfristige Einfluss auf die Umwelt

 

Oftmals wird zugunsten der Computerspiele darauf hingewiesen, dass dem Spiel ein positiver Nutzen deshalb zuerkannt werden kann, da der Spielende im Spiel Frustrationen abbauen kann.

 

Wir haben davon auszugehen, dass nahezu jeder Mensch alltäglich Frustrationen erfährt, niemand kann seine Wünsche hundertprozentig erfüllen und erfährt auf diese Weise alltäglich Enttäuschungen.

 

Dies gilt in besonderem Maße für die Jugendlichen, welche erst in einem mühsamen Erziehungsprozess erfahren müssen, dass in dieser realen Welt nicht alle Wünsche erfüllt werden können, einmal deshalb nicht, weil die der Menschheit zur Verfügung stehenden Ressourcen knapp sind, aber zum anderen auch deshalb, weil unsere Handlungen sehr oft anderen Menschen schaden.

 

Frustrationen führen nun immer dann, wenn wir nichts dagegen tun, zu einem aggressiven Verhalten. In grauer Frühzeit hatte dieses aggressive Verhalten durchaus auch eine Funktion, nur auf diese Weise konnte der Einzelne im gegenseitigen Wettbewerb um die knappen Ressourcen überstehen.

 

Es wird nun davon ausgegangen, dass die Computerspiele und vor allem die brutalen Kriegsspiele hier eine durchaus positive Funktion erfüllen, als sie gestatten, die im realen Leben erfahrenen Frustrationen in einer virtuellen Welt abzubauen. Eine solche Möglichkeit wird als ausgesprochen positiv eingeschätzt, da sich ja in diesem Falle die Wut nicht mehr gegen reale Menschen wendet. Weil der spielende virtuelle Personen angreift, kann er seine Frustrationen abbauen und es werden deshalb die Mitmenschen weniger als sonst angegriffen.

 

So hat man früher davon gesprochen, dass man dann, wenn man gegen einen Mitmenschen aufgrund dessen Verhaltens eine besondere Wut empfindet, diese Wut in einem geharnischten Brief abreagieren sollte, allerdings ohne dass man diesen Brief auch an den Adressaten abschickt.

 

Dadurch, dass man seine Wut in Worte gefasst habe, sei bereits ein Abbau der Frustration möglich, dadurch, dass die Frustration zunächst im Unbewussten abgespeichert wurde, war sie auch nicht bewusstem Verhalten zugänglich. Dadurch nun, dass man die Wut in Worte gefast habe, sei sie in das Bewusstsein gehoben worden und gerade deshalb einem bewussten Abbau der Frustration zugänglich geworden.

 

Gleiches erfolge nun im Rahmen der Computerspiele. Und je grausamer diese Spiele ausgestaltet sind, um so eher sei es möglich, die Frustrationen abzubauen und damit Aggressionen gegen reale Mitmenschen zu vermeiden.

 

Damit jedoch diese Wirkungen auch tatsächlich eintreten, müssen einige Bedingungen erfüllt sein.

 

Im Verlauf einzelner Computerspiele können nämlich neue, zusätzliche Frustrationen entstehen. Bei den Spielen gibt es Gewinner und Verlierer und der Umstand, dass jemand öfters verliert, kann ihn selbst wiederum enttäuschen und wütend machen.

 

Natürlich hängt die Frage, wie oft jemand im Spiel verliert, wesentlich von seinen speziellen Fähigkeiten ab. Und gerade dann, wenn ein Jugendlicher in einem Spiel Anfänger ist, wird er zunächst sehr viel Lehrgeld zahlen, bis er seinem Spielgegner gewachsen ist.

 

Aber gerade dann, wenn sich die Kenntnisse und Fähigkeiten der Spieler in etwa entsprechen, wird man davon ausgehen müssen, dass jeder Spieler in etwa nur die Hälfte der Spiele gewinnt und dies bedeutet, dass er die andere Hälfte verliert. Und hier besteht in  der Tat die Gefahr, dass neues Frustrationspotential aufgebaut wird.

 

In diesem Falle kehrt sich jedoch der anfängliche Vorteil dieser Computerspiele in sein Gegenteil. Per saldo wird nicht Frustration abgebaut, sondern es entstehen neue, zusätzliche Enttäuschungen.

 

Und wenn die angebliche Funktion der Spiele darin besteht, durch Abbau von Frustrationen auch feindliches Verhalten gegenüber Mitmenschen abzubauen, so muss befürchtet werden, dass die Mitmenschen nun gerade aufgrund dieser Effekte mehr als bisher belästigt und ungerecht angegriffen werden.

 

Ob ein Spiel in der Lage ist, Frustrationen abzubauen oder sogar dazu führt, dass das Aggressionspotential ansteigt, hängt darüber hinaus auch davon ab, wie gefestigt der Spieler in seinem moralischen Verhalten bereits ist und wieweit er die Fähigkeit besitzt, zwischen realer und virtuellem Geschehen zu unterscheiden.

 

Wenn der Jugendliche nämlich bereits in seinem moralischen Verhalten gefestigt ist, wenn er also auch im realen Leben seine alltägliche Enttäuschung und Wut nicht an anderen auslässt, vielmehr bereits Verhaltensweisen gelernt hat, diese Frustrationen abzubauen, ist die Gefahr auch dementsprechend geringer, dass sich die zusätzlichen Enttäuschungen, welche im Verlauf eines Spieles entstehen, gegen Mitmenschen richten.

 

Ob das virtuelle Spielgeschehen zusätzliche Aggressionen gegen Mitmenschen in der realen Welt auslöst, hängt also zum andern auch davon ab, wie stark die Unterschiede zwischen realer und virtueller Welt sind. Je geringer diese Unterschiede sind, um so größer ist die Gefahr, dass der Spielende auch immer weniger zwischen diesen beiden Welten unterscheidet.

 

Die Hersteller der Computerspiele waren nun schon immer darum bemüht, ihr virtuelles Geschehen so wirklichkeitsnah wie möglich zu gestalten, allerdings waren diese Bemühungen bis vor kurzem kläglich gescheitert. Jeder Spieler konnte ohne weiteres erkennen, dass es sich beim Spiel nicht um das wahre Leben handelt.

 

In der Zwischenzeit sind jedoch die Hersteller der Computerspiele in der Lage, ihre Spiele wirklichkeitsnah auszugestalten und beim Spieler den Eindruck zu erwecken, er befinde sich in der realen und nicht mehr in der virtuellen Welt.

 

Wie nah viele dieser Computerspiele bereits dem wirklichen Geschehen sind, wurde bei einem Versuch deutlich. Der Spieler wurde aufgefordert, das von ihm gelenkte Fahrzeug einen Abhang herunter zu steuern. Im realen Leben würde ein solcher Versuch in aller Regel tödlich enden.

 

Dass es sich hier nur um ein Spiel handelt und dass deshalb die Ausführung dieser Handlungen in keinster Weise dem Spielenden schadet und bei ihm nur einen Nervenkitzel herbeiführt, ist dem Spieler eigentlich klar. Trotzdem wird der Spieler vor allem bei den ersten Versuchen instinktiv zurückhalten. Im Unbewusstsein des Spielenden ist es noch nicht angekommen, dass es sich um ein Spiel handelt und dass keinerlei Gefahren für das wirkliche Leben gegeben sind.

 

 

4. Langzeitwirkungen auf den Spielenden

 

Die Beantwortung der Frage nach dem Schaden der heutigen Computerspiele hängt jedoch im Wesentlichen davon ab, wie sich diese Spiele auf lange Sicht auf die Spielenden selbst, aber auch auf die Gesamtwohlfahrt der Bevölkerung auswirken. Beginnen wir auch hier wiederum mit dem Einfluss auf die Spielenden selbst.

 

In diesem Zusammenhang ist vor allem die Frage zu klären, wie der Gesundheitszustand der Spielenden beeinflusst wird. Schon seit längerer Zeit machen vor allem Mediziner darauf aufmerksam, dass die Fettsucht, von der mehrere Millionen Jugendliche betroffen sind, unter anderem auch durch die Art und Weise, wie Computerspiele gespielt werden, bestimmt wird.

 

Auf der einen Seite werden mehrere Stunden ohne Unterbrechung beim Spielen verbracht mit der Folge, dass sich diese Jugendlichen zu wenig bewegen. Bewegung ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für eine gesundheitliche Entwicklung der Jugendlichen.

 

Diese Tendenz wird dadurch noch verstärkt, dass die Jugendlichen während des Spieles in Übermaß Süßigkeiten zu sich nehmen. So kommt es, dass mehr als die Hälfte der Jugendlichen übergewichtig sind. Wie schon gesagt, das Spielen am Computer ist nicht die einzige Ursache für diese Entwicklung. Die Computerspiele tragen jedoch ganz entscheidend für diese Entwicklung bei.

 

In jüngster Zeit weisen Mediziner auf eine weitere Gefährdung der von Spielsucht betroffenen Jugendlichen hin. Der Umstand nämlich, dass Jugendliche einen großen Teil ihrer Zeit damit verbringen, dass sie auf den Bildschirm des Computers blicken, gefährdet das Sehen, es wird befürchtet, dass diese Gruppe von Jugendlichen schon sehr viel früher (etwa zehn bis zwanzig Jahre vorher als heute) vom grauen Star befallen werden. Und da sich die Jugendlichen neben den Spielen zusätzlich einen Großteil der Zeit mit dem Handy (Smartphone) befassen, wird diese Tendenz noch verstärkt.

 

Diese Frühentwicklung des grauen Stars aufgrund der häufigen Sicht auf Bildschirme hängt damit zusammen, dass von den Bildschirmen nur ein Teil des Licht-Spektrums reflektiert wird und damit wichtige Zellen des Auges verkümmern.

 

Die Spielsucht als solche stellt eine dritte, langfristig wirkende Gesundheitsgefährdung dar. Von einer Spielsucht sprechen wir dann, wenn das Spiel nicht mehr dazu dient, Entspannung und Freude, also positive Momente zu erzeugen, sondern einfach deshalb begonnen wird, um einem Erregungszustand zu entkommen, der sich dann einstellt, wenn man nicht spielt. Der Spielsüchtige entscheidet dann nicht mehr frei, ob und wann und wie lange gespielt wird.

 

Nun enthalten viele der Computerspiele offensichtlich Faktoren, welche süchtig machen. Der Umstand z. B., dass man gegen den virtuellen Feind oftmals verliert, führt dazu, dass man immer wieder mit dem Spiel beginnt oder fortfährt, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Der weitere Umstand, dass das Besiegtwerden ja nur virtuell stattfindet und kurzfristig dem Spielenden realiter nicht schadet, verstärkt diese Tendenz.

 

Es sind aber nicht nur gesundheitliche Gefahren, die von einigen der Computerspiele ausgehen. Wir haben davon auszugehen, dass die Zeit der Jugend dazu dient, den Jugendlichen für das Erwachsensein vorzubereiten und dies kann nur dann gelingen, wenn während dieser Zeit ganz bestimmte Aufgaben erfüllt werden. Hierzu zählt sowohl die Bewegung, das Lernen von Sachwissen und das Einüben grundlegender Verhaltensvorschriften.

 

Je mehr Zeit nun Jugendliche mit Computerspielen verbringen, um so mehr entgeht Zeit für diese Erziehungsaufgaben und um so häufiger wird das eigentliche Ziel der Erziehung verfehlt und um so größer ist die Zahl der Erwachsenen, welche an den alltäglichen Aufgaben und Schwierigkeiten versagen.

 

Diese Gefahren sind vor allem dann gegeben, wenn der spielende Jugendliche bereits der Spielsucht verfallen ist. Eines der wichtigsten Merkmale einer Spielsucht besteht ja darin, dass auch dann weitergespielt wird, wenn zu dieser Zeit bestimmte Pflichten anfallen. Der Jugendliche sollte eigentlich seine Hausaufgaben verrichten, statt dessen spielt er. Oder noch schlimmer: Er schwänzt die Schule, schiebt Krankheit vor, um zu Hause weiterspielen zu können.

 

 

5. Langzeitwirkungen auf die Umwelt

 

Befassen wir uns schließlich mit den Langzeitwirkungen einer Spielsucht auf die Allgemeinheit. Diese Frage ist von zentraler Bedeutung und hat größeres Gewicht als alle bisher behandelten Auswirkungen.

 

Kurzfristige Effekte kann man zur Not verschmerzen und auch im Hinblick auf die Langzeitwirkungen auf den Spielenden selbst kann man davon ausgehen, dass in einer freiheitlichen Gesellschaft in erster Linie die Verantwortung bei dem Handelnden selbst liegt und wenn eine Handlung den Handelnden selbst belastet, so ist er in erster Linie selbst dafür verantwortlich. Es kann aber nicht hingenommen werden, wenn dieses Handeln andere belastet.

 

Befürworter dieser Computerspiele argumentieren zumeist, dass die Computerspiele ja in einer virtuellen Welt stattfinden, sodass sich auch die größten Gräueltaten, welche in einer virtuellen Welt verübt werden, ja in keinster Weise gegen reale Personen richten.

 

Aber genau diese Argumentation ist nicht überzeugend. Diese eindeutige Trennung zwischen virtueller und realer Welt existiert in Wirklichkeit nicht mehr. Vor allem über unbewusste Mechanismen können Verhaltensweisen, welche in einer virtuellen Welt stattfinden, durchaus Einfluss auf das Verhalten in der realen Welt ausüben. Dieser Zusammenhang vollzieht sich zwar sehr langsam und findet nur in kleinsten Dosen statt, aber kann auf lange Sicht gesehen und in ihrer Summe sehr wohl spürbar werden, steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein.

 

Wenn eine Person in einem virtuellen Spiel Dinge tut, welche in der realen Welt als schweres Verbrechen geahndet werden, so finden im Unbewussten dieser Person Prozesse statt, welche im Gehirn als lustbetont abgespeichert werden. Das Unbewusste unterscheidet aber nicht zwischen realen und virtuellen Welten. Es können hierbei sehr wohl Zwänge entstehen, welche auch in der realen Welt auftreten und auch hier den Einzelnen zu diesem Handeln drängen.

 

Natürlich führt dieser im Unbewussten entstehende Drang zu Untaten nicht automatisch dazu, dass eine von diesem inneren Zwang überwältigte Person, diesem Drang in jedem Falle nachgibt. Jeder Mensch hat zunächst ein Gewissen, welches den einzelnen Handelnden davon abhält, verbotene Dinge zu tun, mögen sie noch so sehr aus der Sicht des Einzelnen lustbetont sein.

 

Wer aber in der virtuellen Welt immer wieder Dinge tut, welche in der realen Welt als schweres Verbrechen angesehen werden, stumpft sein Gewissen immer mehr ab, bis schließlich eines Tages der innere Drang auch in der realen Welt größer wird als die Gewissensbisse, welche den Einzelnen zunächst davon abhalten, diese verpönten Dinge zu tun.

 

Ob und vor allem wie schnell diese Übertragung verbrecherischer Handlungen auch auf die reale Welt stattfindet, hängt nun von verschiedenen Faktoren ab.

 

Je mehr der Spielende bereits die Spielregeln der realen Welt verinnerlicht hat und bereits moralisch gefestigt ist, um so eher ist er auch in der Lage, diesen lustbetonten Neigungen in der realen Welt zu trotzen. Er unterscheidet sehr wohl zwischen Handlungen, welche nur in der virtuellen Welt vollzogen werden dürfen und dem Handeln in der Realität.

 

Aber gerade weil es entscheidend auf die bereits erreichte moralische Gesinnung ankommt, wie gefährlich diese Art von Computerspielen ist, sind die Auswirkungen einer Spielsucht bei Jugendlichen besonders gravierend. Gerade weil der Erziehungsprozess bei Jugendlichen noch nicht abgeschlossen ist, ist auch der Anteil derjenigen, welche die moralischen Werte noch nicht in  ausreichendem Maße verinnerlicht haben, groß.

 

Weiterhin hängt die Frage, wie gefährlich diese Art von Computerspielen für die Allgemeinheit ist, auch davon ab, wieweit sich die virtuelle Welt von der realen unterscheidet. Sind diese Unterschiede groß, so ist auch die Gefahr, dass in der virtuellen Welt praktizierte Verhaltensweisen auf die reale Welt übertragen werden, groß.

 

Nun sind die Hersteller von Computerspielen bemüht, die virtuelle Welt so weit wie möglich realistisch abzubilden und den am meisten in technischer Hinsicht fortgeschrittenen Spielen ist es gelungen, die reale Welt täuschend ähnlich abzubilden.

 

Dass dieses Ziel bei einigen Computerspielen bereits erreicht ist, wird in folgendem Beispiel deutlich. Die Spielenden fahren im Spiel in einem Fahrzeug mit rasanter Geschwindigkeit und sie kommen in eine Situation, wo sie entweder einen Menschen auf der Fahrbahn kaltblütig überfahren müssen oder sich selbst töten müssen, da ihnen nichts anderes übrig bleibt, als gegen einen Baum zu fahren.

 

Obwohl den Spielenden eigentlich klar ist, dass diese Handlung nur ein Spiel ist und ihnen realiter keinerlei Gefahren drohen, reagieren die meisten Spieler, welche dieses Spiel bisher noch nicht (oder vielleicht auch nur einige wenige Mal) gespielt haben, so, als würden sie tatsächlich bedroht. Ihr Körper zeigt alle Anzeichen eines in der Realität ums Überleben kämpfenden Menschen.

 

Dieses Beispiel zeigt, dass in der Tat bei einigen Spielen bereits keinerlei bedeutende Unterschiede zur realen Welt bestehen, dass es den Spielherstellern gelungen ist, die reale Welt virtuell hundertprozentig abzubilden. Und dies bedeutet, dass in dem Maße, in dem diese Anpassung an die Realität gelingt, auch automatisch die Anzahl der Spielenden, welche ihre im virtuellen Spiel erlernten Verhaltensweisen auch auf die reale Welt übertragen, größer wird. Es besteht ja kein Unterschied mehr  zwischen virtueller und realer Welt und wenn Töten in der virtuellen  Welt erwünscht oder zumindest harmlos ist, so wird es eben auch immer häufiger in der realen Welt zu einer akzeptablen Verhaltensweise.

 

Ob bzw. in welchem Umfang diese Übertragung stattfindet, hängt weiterhin davon ab, in welchem Umfang in der realen Welt gegen die dort geltenden Gesetze verstoßen wird. Je mehr Menschen bestimmte Gesetze übertreten, um so weniger werden sie als verwerflich eingestuft. Es gilt der Satz: Was alle oder zumindest eine große Mehrheit tut, kann doch nicht falsch sein. Vor allem in einer freiheitlichen Demokratie bestimmt doch die Mehrheit der Bevölkerung darüber, was erwünscht ist und was getan wird.

 

Aber es kommt schließlich nicht nur oder in erster Linie darauf an, wie viel Untaten in Wirklichkeit begangen werden, sondern in welchem Umfang diese wahrgenommen werden. Von Untaten, welche gar nicht bekannt werden, kann auch kein negativer Effekt ausgehen.

 

Wie weit jedoch verbrecherische Handlungen von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, hängt entscheidend vom Umfang und von der Art und Weise ab, wie in der Öffentlichkeit in den öffentlichen und sozialen Medien über diese Ereignisse berichtet wird.

 

Und in dieser Frage muss festgestellt werden, dass die öffentlichen Medien immer ausführlicher über Gräueltaten berichten und bemüht sind, diese Untaten möglichst realistisch in allen Fazetten darzustellen.

 

Die Aufgabe, die Bevölkerung umfassend über die alltäglichen Ereignisse zu informieren, tritt zurück hinter das Ziel, die Ereignisse möglichst interessant und aufregend darzustellen. Über jedes außergewöhnliche Ereignis wird eine Sondersendung ausgestrahlt und hier kommt es darauf an, so früh wie möglich zu informieren, möglichst einige Minuten nach dem Ereignis, obwohl eigentlich klar sein sollte, dass gerade zu diesem frühen Zeitpunkt gar keine Kenntnisse über die Hintergründe eines Geschehens vorhanden sein können.

 

Und in den sozialen Medien (Twitter, Facebook u.a.) wird diese Tendenz dadurch um ein weiteres verschärft, dass fiktive, also unwahre Behauptungen aufgestellt werden, dass diese Fake News durch manipulierte Bilder untermauert werden und dass durch eine tausendfache Wiederholung und Übernahme dieser Fake News der Eindruck erweckt wird, dass sich diese Unwahrheiten tatsächlich ereignet hätten. Obwohl an und für sich gilt, dass eine Unwahrheit eine Unwahrheit bleibt, mag sie noch so oft wiederholt werden, es ist in diesem Falle schwer, gegen die Volksmeinung, dass so viele Menschen nicht irren können, anzugehen.

 

Wir halten also fest, dass gerade deshalb, weil in der Öffentlichkeit immer mehr über Übeltaten berichtet wird und sich deshalb die Wirklichkeit selbst wiederum dem Handeln in den virtuellen Spielen angleicht, die Gefahr ansteigt, dass die in virtuellen Spielen geübten Verhaltensweisen auch wiederum verstärkt in die reale Welt hineinwirken.

 

 

6. Schlussfolgerungen

 

Versuchen wir unsere Überlegungen zur Spielsucht zusammenzufassen. Sicherlich kann die Frage über den Nutzen oder Schaden der Computerspiele nicht mit einem einfachen „Ja“ oder “Nein“ beantwortet werden. Die Computerspiele in ihrer Gesamtheit sind teilweise schädlich, aber sogar zum Teil auch durchaus nützlich.

 

Als erstes gilt es festzustellen, dass es sehr unterschiedliche Computerspiele gibt, dass sie sich sehr wohl darin unterscheiden, wie groß ihr Nutzen oder Schaden ist. Man kann nicht die Gesamtheit der Computerspiele verdammen, aber natürlich auch nicht als die Errungenschaft unseres Jahrhunderts preisen. Die sicherlich vorhandene Schädlichkeit einzelner Computerspiele bezieht sich nur auf einen Teil der Gesamtheit. Es gibt auch sehr lehrreiche und sehr nützliche Lernsoftware, welche das Lehren sehr viel einfacher gemacht hat.

 

Als zweites haben unsere Überlegungen gezeigt, dass die Frage nach Nutzen oder Schaden einzelner Computerspiele recht unterschiedlich zu beantworten ist, je nachdem, ob wir nach den kurzfristigen oder nach den langfristigen Auswirkungen fragen und ob wir uns über die Wirkung auf den Spielenden oder auf die Gesamtheit der Bevölkerung ein Bild zu machen versuchen.

 

Wir haben gesehen, dass es im Wesentlichen auf die langfristigen Effekte ankommt, kurzfristig mag der Schaden vernachlässigbar sein oder sogar bisweilen einen gewissen Nutzen haben. Wenn vor einem Teil der Computerspiele gewarnt wird, ist vor allem der Schaden der Gesamtheit hervorzuheben. Bei den Auswirkungen auf die Spielenden selbst sind vor allem die möglichen gesundheitlichen Schäden hervorzuheben.

 

Drittens hat unsere Analyse gezeigt, dass es von einer Vielzahl von Voraussetzungen abhängt, ob ein einzelnes Spiel als schädlich, unbedenklich oder sogar nützlich anzusehen ist. Es hängt einmal davon ab, wie der Spielende bereits in seinen moralischen Vorstellungen gefestigt ist, weiterhin davon, wie sehr sich die virtuelle Welt an die reale Welt angenähert hat, zum andern aber auch, wie sehr in der realen Welt ein Sittenverfall stattfindet und vor allem, in welchem Umfang und in welcher Art diese realen Verfehlungen der Bevölkerung im Rahmen der öffentlichen (Radio, Fernsehen und Zeitungen), aber auch der sozialen Medien ( Facebook, Twitter etc.) näher gebracht werden.

 

Viertens schließlich könnte ein wesentlicher Teil der schädlichen Auswirkungen einzelner Spiele durch Beachtung einzelner pädagogischer Regeln durchaus verringert werden, so etwa, wenn man die Spieldauer eines einzelnen Spieles begrenzt, immer wieder Pausen und andere Beschäftigungen einschiebt und wenn man den Grundsatz beherzigt, man hört mit einem Spiel am besten dann auf, wenn es am schönsten ist.

 

Allerdings in den Fällen, in denen bereits das Spielen am Computer zur Sucht geworden ist, ist professionale Hilfe dringend notwendig, da die von Sucht befallene Person in aller Regel nicht allein eine Sucht bekämpfen kann und da auch von Süchtigen sehr oft schädliche Auswirkungen auf die Allgemeinheit ausgehen.