Zur Erhöhung des Renteneintrittsalters
Gliederung
1. Historische Einführung in die
Problematik
2. Die Bilanzgleichung als Ausgangspunkt
der Betrachtung
3. Die Determinanten der Beitragseinnahmen
4. Die Determinanten der Rentenausgaben
5. Das finanzielle Gleichgewicht der
Rentenversicherung
6. Der Einwand fehlender Arbeitsplätze
7. Sind alle Arbeitnehmer zur verlängerten Arbeitszeit überhaupt fähig?
1. Historische Einführung in die
Problematik
Die gesetzliche Rentenversicherung der
BRD geriet in der Vergangenheit bereits in den 70 er Jahren in finanzielle
Schwierigkeiten, sie geriet seither wiederholt
(vor allem in den 90er Jahren) in eine Finanzkrise und vor allem für die
Zeit um 2030 herum muss mit einem sehr dramatischen Defizit in der gesetzlichen
Rentenversicherung gerechnet werden. Unten aufgeführte Tabelle gibt an, wie im
Zeitablauf aufgrund der Finanzkrisen der Vergangenheit die Beitragssätze zur
Rentenversicherung erhöht werden mussten und wie der Prozentsatz der
Rentenausgaben am Sozialprodukt in dieser Zeit angestiegen ist.
Diese Tabelle ist entnommen einem
Internetbeitrag, Quelle: 2005 Bundeszentrale für politische Bildung.
Diese Tatsache mag zunächst verwundern, da die Rentenreform von 1957 (die Einführung der dynamischen Rente) so konstruiert wurde, dass Beitragseinnahmen und Rentenausgaben prozentual von der Höhe des Einkommens der Versicherungspflichtigen abhängen. Die Rentenversicherungsbeiträge wurden als Prozentsätze der versicherungspflichtigen Einkommen erhoben; die Renten stiegen mehr oder weniger automatisch mit dem Lohneinkommen. Es hätte also eigentlich mit gleich gerichteten und gleich großen Bewegungen in den Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung gerechnet werden müssen.
Dass trotzdem in
der Vergangenheit Finanzkrisen auftraten und in Zukunft mit weiteren Finanzkrisen
zu rechnen ist, hängt mit der Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses von
Rentnern und Erwerbstätigen ab (R/A). De facto hatte sich die Geburtenrate
zunächst während des zweiten Weltkrieges, später - seit etwa den 60 er Jahren -
aufgrund des sogenannten Pillenknicks reduziert.
Weiterhin ist die
Lebenserwartung der Neugeborenen bei Männern seit der Nachkriegszeit um etwa 10
Jahre gestiegen, die der Frauen um circa 7 Jahre, wobei die durchschnittliche
Lebenserwartung der Frauen trotz dieses etwas geringeren Wachstums um etwa 5
Jahre über der Lebenserwartung der Männer liegt. Aufgrund dieser
demographischen Fakten ergibt sich ein enormer Anstieg des Alterskoeffizienten.
Diese Belastungsquote: Anzahl der Rentner bezogen auf einen erwerbstätigen
Arbeitnehmer (R/A) betrug 1958 noch 34,7%, stieg 1975 auf 55,3% an und wird für
das Jahr 2030 auf 70% geschätzt. Während also in der Zeit vor dem zweiten
Weltkrieg 3 Arbeitnehmer mit ihren Beiträgen einen Rentner finanzieren mussten,
hat ein Arbeitnehmer im Jahre 2030 fast 3/4 eines Rentners zu finanzieren!
Darüber hinaus wurde die Altersgrenze für
den Berufsaustritt um mehrere Jahre reduziert, im Jahre 2004 waren z. B. nur
noch 38,9% der 60- bis 65-jährigen Männer erwerbstätig, während die gleichen
Prozentsätze 1980 noch bei 44,2% lagen.
Als weitere finanzielle Belastung kam
hinzu, dass der Gesetzlichen Rentenversicherung zur Erfüllung der
Rentenansprüche der Aussiedler und der DDR-Rentner Fremdleistungen auferlegt
wurden. Schließlich trägt auch die augenblicklich hohe Arbeitslosigkeit dazu
bei, dass das Beitragsaufkommen bei gleich bleibenden Rentenzahlungen stark
zurückgegangen ist.
Die unten aufgeführte Tabelle zeigt die
Determinanten des Altersquotienten (R/A) auf. Sie gibt an, wann diese
Determinanten auftraten, mit welcher zeitlichen Verzögerung die Veränderung im
Altersquotienten eingetreten ist und ob die Veränderung einmalig oder permanent
erfolgt.
Eine Lösung der Finanzkrise kann nur
dadurch erzielt werden, dass die Einnahmen der Rentenversicherung erhöht
und/oder die Rentenausgaben verringert werden. Mögliche Einnahmenerhöhungen können durch
Beitragssatzerhöhung, durch Ausweitung des Kreises der
Versicherungspflichtigen, durch Einführung von Beiträgen für Arbeitslose und
für Kranke, durch Staatszuschüsse und durch Heraufsetzen der Altersgrenze
erzielt werden.
Hierbei gilt es zu bedenken, dass die
Einführung von Beiträgen aus Arbeitslosen- und Krankengeld an den
gesamtwirtschaftlichen Daten nichts ändert, und dass eine Vergrößerung des
Versicherungskreises nur vorübergehend eine finanzielle Entlastung bringen
kann, solange die neu hinzu kommenden Versicherungspflichtigen noch nicht ins
Rentenalter eingetreten sind.
Eine echte Entlastung kann immer nur durch Erhöhung der Abgaben (Beiträge oder Steuern) oder durch Heraufsetzen der Altersgrenze erreicht werden. Bei der Heraufsetzung der Altersgrenze tritt zusätzlich eine Reduzierung der Ausgaben ein.
Die Ausgaben der Rentenversicherung wurden in der Vergangenheit teilweise durch Aussetzen bzw. Reduzierung der Bestandsrentenanpassung, durch Aufhebung der verzögerten Anpassung und durch Einführung des Nettolohnprinzips reduziert. Die Orientierung am Nettolohn bringt allerdings nur in den Zeiten, in denen die Abgabenbelastung der Erwerbstätigen ansteigt, eine finanzielle Entlastung der Rentenversicherung.
Das Aussetzen der Verzögerung brachte
weiterhin nur deshalb eine einmalige Entlastung, da sie in Zeiten der Rezession
eingeführt wurde. Auch bei den Maßnahmen zur Verringerung der Ausgaben fanden
sich optische Lösungen (GKV-Beitragsabzug von den Renten, Kinderzuschuss wird
durch Kindergeld ersetzt), die keine gesamtwirtschaftliche Entlastung brachten,
sondern lediglich bestimmte Ausgaben anderen Einrichtungen aufbürdeten.
Während die bisher besprochenen
Maßnahmen im Rahmen des geltenden Rentenversicherungssystems durchgeführt
wurden, werden zur Lösung der Finanzkrise auch Änderungen am System
vorgeschlagen. So wird erstens der Vorschlag gemacht, vom Prinzip der Vollrente
abzugehen und die gesetzliche Altersvorsorge auf eine Mindestrente zu
beschränken.
Für diesen Vorschlag spricht der
Tatbestand, dass sich die Vorstellungen über eine optimale Aufteilung des
Lebenseinkommens sehr unterscheiden und dass diesen unterschiedlichen
Bedürfnissen am besten entsprochen wird, wenn der einzelne über private
Zusatzrenten selbst bestimmen kann, in welchem Maße seine individuelle
Gesamtrente von einer für alle gleichen Mindestrente abweichen soll. In der
Regel wird gefordert, diese Mindestrente aus allgemeinen Steuermitteln zu
finanzieren. Diese Regelung hätte den Vorteil, dass den Zielen der vertikalen
Umverteilung besser entsprochen werden könnte, allerdings dürfte eine
Steuerlösung die Antileistungsanreize erhöhen.
Von liberaler Seite wird vorgeschlagen, wiederum zum Kapitaldeckungsverfahren zurückzukehren, da in einem solchen System das Budgetgleichgewicht nicht durch Veränderungen in den demographischen Daten beeinflusst werden kann. Die Schwierigkeit liegt darin, dass während einer Übergangszeit von etwa 40 Jahren die Beiträge so hoch angesetzt werden müssten, dass auf der einen Seite die in der Vergangenheit eingegangenen Rentenverpflichtungen erfüllt werden können, gleichzeitig aber auch ein Kapitalstock zur Finanzierung zukünftiger Renten aufgebaut wird.
Da weder eine weitere Kürzung des
Rentenniveaus noch eine Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge politisch
opportun erschien, folgte die große Koalition den Vorschläge der Wissenschaft,
die Finanzkrise dadurch zu lösen, dass man das Renteneintrittsalter stufenweise
bis zum Jahre 2030 – dem Jahr mit der vermutlich höchsten demographischen Belastung – auf 67 Jahre
heraufsetzt.
Dieser Vorschlag begegnet in der
Öffentlichkeit vor allem von seiten der Gewerkschaften und den Linksparteien
starker Kritik, es wird befürchtet, dass gar nicht ausreichend Arbeitsplätze
zur Beschäftigung der älteren Arbeitnehmer vorhanden sind und dass deshalb das
Rentenniveau allgemein abfalle. Auch wird moniert, dass bestimmten Berufsgruppen
wie z. B. den Dachdeckern eine Arbeit bis zum 67. Lebensjahr gar nicht zugemutet
werden könne.
Wir wollen uns in diesem Artikel mit der
Problematik einer Heraufsetzung des Renteneintrittsalters befassen und klären,
wie die einzelnen Alternativen zur Überwindung der Finanzkrisen in der
Gesetzlichen Rentenversicherung geeignet sind, diese Ziele zu erreichen und wie
sie im Hinblick auf mögliche unerwünschte Nebenwirkungen auf Beschäftigung und
Verteilung zu beurteilen sind.
2. Die Bilanzgleichung als Ausgangspunkt
der Betrachtung
Auch dann, wenn
die Rentenversicherungsanstalten aufgefordert sind, ihre Verwaltungskosten zu
senken und der absolute Umfang dieser Kosten den Wert von 1 Mrd. € übersteigt, wird die Einbeziehung dieser
Kosten unsere Schlussfolgerungen kaum tangieren, sodass wir keine großen Fehler
begehen, wenn wir in unseren Betrachtungen von den Verwaltungskosten im
weiteren absehen.
Der Umfang der Gesundheitskosten ist
demgegenüber bedeutend höher, trotzdem spricht einiges dafür, auch diesen Posten
aus der Betrachtung auszuschließen, da diese Ausgaben systematisch der Krankenversicherung
zugeordnet werden müssen und nur aus historischen Gründen im Bereich der
Rentenversicherungen anfallen.
Wenden wir uns nun der Einnahmenseite
zu. Neben den Versicherungsbeiträgen können die Ausgaben der gesetzlichen
Rentenversicherung auch aus Zuschüssen des Staates finanziert werden. In der
Tat betrug der Staatszuschuss bei Einführung der dynamischen Renten in den 50er
Jahren des letzten Jahrhunderts etwa ein Drittel der Ausgaben. Dieser durch
Kriegsfolgelasten verursachte Staatszuschuss wurde dann seit den 70er Jahren heruntergefahren
und erreichte Ende der 80 er Jahre etwa 1/5 der Gesamtausgaben, um dann aber
seit den 90 er Jahren wieder anzusteigen. Er beträgt heutzutage wiederum fast
1/3 der Beitragseinnahmen.
Es ist also sicherlich zunächst nicht
berechtigt, vom Staatszuschuss zur Rentenversicherung abzusehen. Nun ist
zwischen zwei Möglichkeiten der letztlichen Finanzierung dieses Staatszuschusses
zu unterscheiden: Der Staatszuschuss kann entweder aus Steuermitteln finanziert
werden oder aber durch ein Defizit des Staatshaushaltes aufgebracht werden.
Wird der Staatszuschuss aus
Steuermitteln finanziert, erfolgt die Finanzierung der Rentenausgaben genauso
wie im Falle der Beitragseinnahmen über zwangsweise eingetriebene Abgaben. Zwar
muss berücksichtigt werden, dass die Steuern über andere Aufteilungsschüssel
erhoben werden als die Beiträge, so steigt bei den Einkommenssteuern der Steuersatz
mit dem Einkommen, während der Beitragssatz (zumindest bis zur Beitragsbemessungsgrenze)
von der Einkommenshöhe unabhängig ist.
Dieser Unterschied bezieht sich jedoch
auf die Verteilung der Finanzierungslasten auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen,
hat jedoch keinen entscheidenden Einfluss auf die durchschnittliche Belastung
der Gesamtbevölkerung. Wir wollen in diesem Artikel unsere Betrachtungen in
einem ersten Schritt auf die durchschnittlichen Einnahmen und Ausgaben der
gesetzlichen Rentenversicherung beschränken und erst in einem zweiten Schritt
auf die Verteilung der Lasten auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen kurz eingehen.
Für die gesamtwirtschaftliche
Durchschnittsbetrachtung ist es also durchaus berechtigt, lediglich von einer
Art der Einnahmen auszugehen, die wir als Beitragseinnahmen, bzw. als Einnahmen
aus zwangsweise erhobenen Abgaben bezeichnen können. Aus der Sicht des
Versicherungsnehmers ist es schließlich gleichgültig, ob er (im Durchschnitt)
Beiträge oder Steuern zur Finanzierung der Versicherungsausgaben aufwenden
muss.
Etwas andere
Überlegungen gelten für den Fall, dass der Staatszuschuss zur Rentenversicherung
aus dem Defizit des Staatshaushaltes finanziert wird. Wiederum sind zwei Fälle
zu unterscheiden. Der Umstand, dass der Staat ein Defizit ausweist, also mehr
ausgibt als er durch reguläre Steuereinnahmen einnimmt, kann sich
gesamtwirtschaftlich zumindest zum Teil inflationär, also preissteigernd
auswirken, wiederum trägt die Gesamtbevölkerung voll die Versicherungsausgaben,
in einer realen Betrachtung unterscheidet sich also dann die durchschnittliche
Belastung bei einer Finanzierung aus dem Staatsdefizit nicht von der einer
Beitrags- (Abgaben-) Belastung.
Nun weisen Keynesianer daraufhin, dass
das Staatsdefizit in Zeiten der Unterbeschäftigung zu einer Ausweitung der
Produktion und damit auch der Beschäftigung führe; in diesem Falle erfolge die
Finanzierung des Defizits letztendlich aus einem Einkommenszuwachs und belaste
deshalb das bisherige Einkommen nicht oder zumindest nicht ausschließlich.
Diese Überlegungen mögen zutreffen, wenn
die Ursachen der Arbeitslosigkeit in einer zu geringen Gesamtnachfrage liegen.
Trotzdem scheint es mir aus mehreren Gründen angebracht, diese Finanzierungsmöglichkeit
aufgrund eines durch das Staatsdefizit verursachten Einkommenszuwachses hier
nicht zu berücksichtigen. Vieles spricht dafür, dass die augenblickliche
Massenarbeitslosigkeit primär nicht Folge einer zu geringen Gesamtnachfrage,
sondern vielmehr Folge struktureller Anpassungsschwierigkeiten auf dem
Arbeitsmarkt ist. In diesem Falle ist aber nicht damit zu rechnen, dass das
Staatsdefizit zu dem erwähnten realen Einkommenszuwachs führt.
Darüber hinaus hat Milton Friedman
darauf hingewiesen, dass eine keynesianisch orientierte Politik des Staatsdefizits
nur solange die erwünschten Einkommens- und Beschäftigungssteigerungen auslöst,
als die Marktpartner von der staatlichen Aktivität überrascht werden; beziehen
sie hingegen die staatliche Konjunkturpolitik in ihre Erwartungen mit ein,
bleiben die erhofften Einkommenswirkungen aus. So führe z. B. die Mehrnachfrage
des Staates in einem ersten Schritt zu Preissteigerungen, was die
Unternehmungen veranlasst, aufgrund steigender Gewinnerwartungen tatsächlich
die Ausweitung der Produktion zu planen.
Längerfristig würden jedoch die
Gewerkschaften die Preis- und Gewinnsteigerungen zum Anlass nehmen, eine
Lohnkorrektur nach oben zu verlangen. Damit sänken wiederum die Gewinne und mit
ihnen die Bereitschaft der Unternehmungen, die Mehrproduktion aufrechtzuerhalten.
Die Voraussetzungen für eine anhaltende Mehrbeschäftigung gingen wieder
verloren.
Schließlich muss daraufhin gewiesen
werden, dass die Europäische Union die Möglichkeiten eines Staatsdefizits aus
stabilitätspolitischen Gründen beschnitten hat; das laufende Staatsdefizit darf
3% des Sozialproduktes (BIP) nicht überschreiten, gleichzeitig sind die
Möglichkeiten einer defizitären Finanzierung auch insoweit begrenzt, als der
Gesamtumfang der Staatsverschuldung nicht 60% des Sozialproduktes (BIP) überschreiten
darf. Schließlich besteht die Zielvorgabe, längerfristig das Staatsdefizit auf
null zu senken. Angesichts dieser Gründe ist es sicherlich sinnvoll und
berechtigt, in einer ersten Betrachtung von den Möglichkeiten eines Defizit
finanzierten Staatszuschusses abzusehen.
Bei unseren bisherigen Überlegungen
haben wir einen Bilanzposten der Rentenversicherung außer Acht gelassen: die
Möglichkeit, die laufenden Ausgaben der Rentenversicherung aus Rücklagen zu
finanzieren, bzw. die Beitragseinnahmen dazu zu verwenden, Rücklagen zu bilden.
Bei der Reform der Rentenversicherung in den 50 er Jahren des letzten
Jahrhunderts war eine solche Rücklage auch vorgesehen; aufgrund der
Finanzkrisen der deutschen Rentenversicherung in der Vergangenheit sind diese
Reserven jedoch aufgebraucht und aufgrund der finanziellen Misere kann auch
nicht damit gerechnet werden, dass solche Rücklagen in naher Zukunft gebildet
werden.
Aber auch dann, wenn wir eine solche
Rücklagenbildung aus grundsätzlichen Überlegungen berücksichtigen wollten,
würde gelten, dass diese Möglichkeit nur für eine sehr kurzfristige Betrachtung
Geltung besäße. Wenn wir den Zeitraum der Betrachtung ausweiten, z. B. auf
einen gesamten Konjunkturzyklus, würde gelten, dass in den guten Jahren in der
Rentenversicherung Überschüsse gebildet, in den schlechten Jahren hingegen
Defizite erwirtschaftet würden; über den gesamten Konjunkturzyklus hinweg würde
nach wie vor gelten, dass die laufenden Einnahmen für die laufenden Ausgaben
verwendet werden. Es ist also sehr wohl sinnvoll, in einer ersten Betrachtung
von der vereinfachten Bilanzgleichung auszugehen, wonach sich Rentenausgaben
und Beitragseinnahmen (langfristig) entsprechen müssen.
3. Die Determinanten der
Beitragseinnahmen
Die Beitragseinnahmen (B) werden von der
Höhe des Beitragssatzes (b), der Höhe des durchschnittlichen Einkommens der
Versicherten (e) sowie der Anzahl der Versicherten (A) bestimmt und entsprechen
dem Produkt dieser drei Determinanten:
B = b * e * A
Der Beitragssatz
wird durch Gesetz bestimmt, wobei die Hälfte der Beitragssumme von den Arbeitgebern,
die andere Hälfte von den Arbeitnehmern zu zahlen ist. Der Beitragssatz berechnet
sich als Prozentsatz des Einkommens und ist in seiner nominellen Höhe unabhängig
von der Einkommenshöhe. Allerdings ist das Einkommen nur bis zu einer
bestimmten Beitragsbemessungsgrenze beitragspflichtig. Dies bedeutet, dass der
effektive Beitragssatz (Beitragssumme bezogen auf das gesamte Einkommen des
Versicherten) ab der Beitragsbemessungsgrenze mit wachsendem Einkommen
zurückgeht.
Da Rentenversicherungsbeiträge nur bis
zur Bemessungsgrundlage gezahlt werden müssen, weicht das in der obigen Formel
angesetzte durchschnittliche Einkommen (e) von der tatsächlichen durchschnittlichen
Einkommenshöhe ab und zwar um so mehr, je mehr Einkommen oberhalb der
Bemessungsgrundlage von den Versicherten bezogen werden. Die Höhe dieses
durchschnittlichen Einkommens wird von den wirtschaftlichen Ausgangsdaten, vor
allem von der Konjunkturlage und dem Wachstumsniveau eines Landes bestimmt und
unterliegt nicht wie der Beitragssatz der unmittelbaren kurzfristigen Beeinflussbarkeit
seitens des Staates des Staates.
Etwas komplizierter ist die Festlegung
der Anzahl der Versicherten (A). Wir gehen hierbei zunächst von der Stärke der
einzelnen Jahrgänge versicherungspflichtiger Erwerbstätigen aus. Die Anzahl der
Erwerbstätigen der einzelnen Jahrgänge hängt hierbei vor allem von Daten ab,
die weit in die Vergangenheit reichen. So wird die Zahl der x-jährigen Erwerbstätigen
von der Zahl der Geburten vor x Jahren bestimmt. Weiterhin kann diese Zahl
durch nachfolgende Sterbefälle, durch Auswanderungen verringert oder durch
Einwanderungen vergrößert worden sein. Alle diese Faktoren sind Daten, die von
der heutigen Politik nicht mehr verändert werden können. Nur durch eine sehr
langfristige Familien-, Bevölkerungs- und
Wanderungspolitik lassen sich diese Daten für die weitere Zukunft
verändern.
Weiterhin wird der Umfang der Gesamtzahl
der Erwerbstätigen vom durchschnittlichen Eintritts- und Austrittsalter in bzw.
aus dem Erwerbsleben bestimmt, wobei das Erwerbsaustrittsalter zusammenfällt
mit dem Renteneintrittsalter. Je früher das Erwerbsleben beginnt und je später
es aufhört, um so größer ist ceteris paribus die Zahl der einen Beitrag
zahlenden Erwerbstätigen.
Desweiteren müssen wir berücksichtigen,
dass immer nur ein Teil der gesamten Erwerbspersonen auch tatsächlich einem
versicherungspflichtigen Erwerb nachgeht. Es gibt Personen, die überhaupt nicht
erwerbstätig sind, weiterhin Personen, die als Selbständige erwerbstätig sind
und deshalb keiner gesetzlichen Rentenversicherung angehören und es gibt
schließlich vor allem Arbeitnehmer, die zwar ihre Arbeitskraft auf dem
Arbeitsmarkt anbieten, aber keine Beschäftigung finden, deshalb arbeitslos sind
und somit nicht zum Beitragsaufkommen der gesetzlichen Versicherung beitragen.
Die Höhe der Arbeitslosigkeit ist somit ein wesentlicher, das Beitragsvolumen
negativ beeinflussender Faktor. Steigt die Arbeitslosigkeit, sinkt automatisch
ceteris paribus das Beitragsaufkommen. Hierbei handelt es sich um einen Faktor,
der mittelfristig sehr wohl durch konjunkturpolitische Maßnahmen beeinflusst
werden kann.
Halten wir fest: Das Beitragsvolumen
wird von drei kurz- oder mittelfristig politisch zu beeinflussende Faktoren
bestimmt: der Höhe des Beitragsatzes, dem Eintritts- und Austrittsalter in bzw.
aus dem Erwerbsleben und schließlich dem Erfolg einer Politik zur Senkung der
Arbeitslosigkeit.
4. Die Determinanten der Rentenausgaben
Die Höhe der Rentenausgaben (RA) hängt
von der Anzahl der Rentner (R) und der durchschnittlichen Höhe des
Renteneinkommens eines Rentners (r) ab und wird wie folgt bestimmt:
RA = R * r
Genauso wie die
Zahl der versicherungspflichtigen Erwerbstätigen (A) aus den Stärken der
einzelnen erwerbstätigen Personenjahrgänge gebildet wurde, lässt sich auch die
Zahl der Rentner als Summe der einzelnen Rentnerjahrgänge (der 66-jähringen,
der 67-jährigen usw.) bestimmen. Auch hier gilt, dass die Stärke eines
Jahrganges von Geburten, Sterbefällen, Ein- und Auswanderungen in der
Vergangenheit bestimmt wird. Auch hier ist der wichtigste kurz- oder
mittelfristig beeinflussende Faktor das Eintrittsalter ins Rentnerleben. Von
den langfristig wirkenden Faktoren ist vor allem die durchschnittliche Lebenserwartung
der Rentner von Bedeutung, die in den letzten 50 Jahren bei den Männern
immerhin um etwa 10 Jahre (!) angestiegen ist.
Nach den ursprünglichen Vorstellungen bei der Einführung der dynamischen Rente 1957 sollten die Rentner am Wachstum des Sozialproduktes automatisch beteiligt werden, in dem die Rentenhöhe an die Höhe der Lohneinkommen gekoppelt wurde. Aus der Befürchtung heraus, dass die Renten auf diese Weise stärker steigen könnten als dies volkswirtschaftlich verkraftet werden könnte, war die Politik allerdings nur bereit, die sogenannten Zugangsrenten also die Renten im ersten Jahr der Verrentung vollautomatisch an das Lohneinkommen zu koppeln, während die Bestandsrenten (die Rentenbezüge in den folgenden Jahren) vom Staat jeweils durch einen Verwaltungsakt nach Anhörung von Sachverständigen erhöht werden sollte. Immerhin wurden bis zu den 80er Jahren auch die Bestandsrenten entsprechend dem Lohnzuwachs jährlich (mit wenigen Ausnahmen) angepasst.
Die gesetzliche Rentenversicherung ist in den 70er Jahren in eine Finanzkrise geraten; ohne drastische Reduzierungen der Ausgaben und Erhöhungen der Einnahmen hätte ein hohes Defizit gedroht. Die Ursache hierfür lag in der geringen Geburtenrate während des zweiten Weltkrieges und danach. In den 90er Jahren kam es dann zu einer erneuten Finanzkrise und es kam zu einem Wegschmelzen der Reserve. Nun lag die Ursache hierfür vor allem in der hohen Arbeitslosigkeit sowie in den Fremdleistungen durch Rentenanspruch von Aussiedlern und DDR-Rentnern.
Für die weitere Zukunft (vor allem bis
zum Jahr 2030) droht eine weitere Finanzkrise viel größeren Ausmaßes. Die Ursache wird einmal in dem Pillenknick der 60 er Jahre
gesehen, zum andern in der bedeutend höheren Lebenserwartung (um circa 10 Jahre
in Nachkriegszeit). Die Altersstruktur verschlechterte sich dramatisch; die
Belastungsquote, die Anzahl der Rentner bezogen auf einen erwerbstätigen
Arbeitnehmer (R/A) betrug 1958 noch 34,7%, stieg 1975 auf 55,3% an und wird für
das Jahr 2030 dem voraussichtlichen Höhepunkt dieser Entwicklung auf 70%
geschätzt.
Aufgrund dieser Entwicklung seit den
70er Jahren und der damit verbundenen finanziellen Schwierigkeiten wurde dann
wiederholt die Anpassung der Bestandsrenten teilweise ausgesetzt. Das
Rentenniveau wurde darüber hinaus reduziert, indem ein demographischer Faktor
der Formel zur Berechnung der Rentenhöhe zugefügt wurde. Diese Kürzungen
brachten es dann mit sich, dass die Rente nicht mehr wie bisher als Vollrente
angesehen werden konnte, sondern sich den Vorstellungen einer Mindestrente annäherte,
die durch eigene Sparanstrengungen ergänzt werden musste. Aufgrund des
Rückganges der Lohnzuwachses in den vergangenen Jahren kam es zu einer
Stagnation im Rentenzuwachs.
Trotz dieser Korrekturen besteht bei den
Politikern nach wie vor der Anspruch, die Rente in Zukunft mit dem
Lohneinkommen ansteigen zu lassen. Wir wollen deshalb trotz dieser
Verschlechterungen davon ausgehen, dass die Höhe der durchschnittlichen Rente
(r) von der Höhe der Lohneinkommen (e) abhängt. Immerhin gehen die Politiker
davon aus, dass in naher Zukunft mit Erhöhungen der Renten zu rechnen ist. Es gilt deshalb die Formel:
Der Faktor r (der Rentensatz) gibt hierbei an, in welchem
Verhältnis die Rentenhöhe zum Lohneinkommen steht. Hierbei hängt dieser
Rentensatz einmal von einem in der Rentenformel verankerten Faktor zum andern
von der Anzahl der zurückgelegten Versicherungsjahre ab.
5. Das finanzielle Gleichgewicht der
Rentenversicherung
Wenn wir nun die
einzelnen Determinanten der Beitragseinnahmen und der Rentenausgaben in die
Gleichgewichtsbedingung einsetzen, erhalten wir eine Gleichung, welche die Beziehungen
zwischen Beitragssatz, Rentensatz und Altersquotienten (Verhältnis Beitragszahler
zur Zahl der Rentner) aufzeigt. Ausgangspunkt ist das bilanzielle
Gleichgewicht:
Beitragseinnahmen = Rentenausgaben.
Wir setzen die einzelnen Determinanten in die Gleichung und erhalten:
b * e * A = r * e * R.
Wenn wir beide Bilanzseiten um das Durchschnittseinkommen kürzen und
die einzelnen Determinanten anders anordnen, erhalten wir schließlich die
Gleichung:
b/r = R/A.
Die dramatische
Verschlechterung im Alterskoeffizienten (R/A) aufgrund des Rückganges in der Geburtenrate
und aufgrund der Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung führt zu einem
bilanziellen Ungleichgewicht, das nur auf dreierlei Weise wiederum beseitigt
werden kann. Entweder werden die Beitragssätze erhöht und/oder die
durchschnittliche Höhe der Renten wird gekürzt und/oder das Rentner-Arbeitnehmerverhältnis
wird dadurch verbessert, dass das Renteneintrittsalter erhöht wird.
Legt man nun obige
Gleichung zugrunde, lässt sich leicht bestimmen, um wieviel der Beitragssatz
steigen müsste, wenn man die 2030 drohende Finanzkrise allein durch Anhebung
des Beitragssatzes lösen wollte. Wenn wir von einem Altersquotienten (R/A) von
0,7 ausgehen und entsprechend den ursprünglichen Zielsetzungen unterstellen,
dass das Rentenniveau bei voller Erwerbszeit 60% des Lohneinkommens erreichen
sollte, müsste der Beitragssatz bis zum Jahre 2030 auf etwa 42% ansteigen:
b = (R/A) * r = 0.7 * 0.6 = 0.42
Umgekehrt müsste
das Rentenniveau um etwa die Hälfte gekürzt werden, würde man versuchen, die Finanzkrise
allein durch Kürzung der Renten zu lösen, wobei wir von dem heute erreichten
Niveau des Beitragssatzes von 19,9%
ausgehen wollen.
r = b/(R/A) = 0.199 / 0.7 = 0.28,
Das Rentenniveau
würde dann bei voller Erwerbszeit statt 60% nur noch 28% des Lohneinkommens betragen.
Nach weitgehender
Überzeugung haben die Beiträge bereits die Schmerzgrenze nach oben erreicht,
vor allem auch deshalb, weil eine Beitragserhöhung die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Unternehmungen um ein weiteres verschlechtern würde. Auch eine
weitere starke Reduzierung des Rentenniveaus wird allgemein abgelehnt, da die
Rente schon heute für viele Rentner nahe am Existenzminimum liegt.
Die einzige
realistische Alternative zur Beseitigung des finanziellen Ungleichgewichtes
in der Rentenversicherung liegt also in
der Erhöhung des Renteneintrittsalters. Sie führt auf zweierlei Weise zu einer
Verminderung des finanziellen Ungleichgewichtes der Rentenversicherung. Dadurch
dass im Durchschnitt länger gearbeitet wird, erhält die Rentenversicherung
zusätzliche Beitragseinnahmen; dadurch, dass die Dauer des Rentenbezuges
verkürzt wird, vermindern sich gleichzeitig die Rentenausgaben.
Schon sehr früh
(seit den 70 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts) wird von Seiten der
Wissenschaft auf die dramatische Entwicklung in der Bevölkerungsstruktur
hingewiesen und Maßnahmen zur Beseitigung der drohenden finanziellen Krise in
der Rentenversicherung gefordert. Die vergangenen Regierungen haben viel zu
lange ihre Augen vor dieser Entwicklung verschlossen und die Einleitung einer
grundlegenden Reform immer wieder verzögert. Die jetzt von der großen Koalition
beabsichtigte stufenweise Heraufsetzung des Renteneintrittsalters kann gerade
noch einen finanziellen Kollaps Anfang der dreißiger Jahre verhindern, für ein
weiteres Hinausschieben dieser Reform ist kein Raum mehr.
Eine solche
Reformmaßnahme entspricht auch durchaus dem Interesse der Betroffenen. Steigt
das Lebensalter, so ist es durchaus sinnvoll, diesen Zuwachs an Jahren zum Teil
für eine Ausweitung der Arbeitszeit und zum Teil für eine Ausweitung der
Rentnerzeit einzusetzen.
6. Der Einwand fehlender Arbeitsplätze
Der in der
Öffentlichkeit am meisten geäußerte Kritikpunkt an diesen Reformmaßnahmen ist
der Einwand, es mangle an Arbeitsplätzen, um die Arbeitnehmer bis zum 67. Lebensjahr
zu beschäftigen. Schon heute hätten arbeitslose Arbeitnehmer, die das 60.
Lebensjahr erreicht hätten, kaum noch Chancen eingestellt zu werden; die
Unternehmungen seien bestrebt, ältere Arbeitnehmer zu entlassen. In diesem Falle
bestünde jedoch die Gefahr, dass aufgrund des Nichterreichens der vorgesehenen
Lebensarbeitszeit das Rentenniveau absinken
würde.
Als erstes muss festgestellt werden, dass
diese Reform nur dann Erfolg verspricht, wenn Sorge dafür getragen wird, dass
die Arbeitnehmer auch länger als bisher beschäftigt werden können. Die
Beseitigung der augenblicklichen allgemeinen Krise des Sozialstaates erfordert
nicht nur eine Reform der Sozialversicherung, sondern auch des Arbeitsmarktes.
Es ist zwar richtig, dass in der
Vergangenheit ältere Arbeitnehmer keine ausreichenden Chancen zur
Wiedereinstellung besaßen, auch wenn sich in der jüngsten Zeit diese Situation
etwas zugunsten der älteren Arbeitnehmer verbessert hat. Diese
Chancenungleichheit älterer Arbeitnehmer muss jedoch nicht sein, in anderen
Ländern ist der Anteil der älteren Arbeitnehmer an der Arbeitslosigkeit
geringer, es sind Fehlentwicklungen in der Vergangenheit speziell der BRD, die
diesen Trend zur vermehrten Arbeitslosigkeit bei den älteren Arbeitnehmern
ausgelöst haben. Auf der einen Seite hat die Politik lange Zeit das Bestreben
der Unternehmungen, sich von den älteren Arbeitnehmern zu trennen, durch
finanzielle Anreize massiv unterstützt. Auf der anderen Seite gibt es nur
solange bei den Unternehmungen das Bestreben, sich von älteren Arbeitskräften
zu trennen, als die Entlohnung über dem produktiven Beitrag dieser
Arbeitnehmergruppe liegt.
Es gibt keinen Grund dafür, dass
Arbeitskräfte schon ab dem 60. Lebensjahr generell arbeitsunfähig sind.
Bestimmte Leistungsfaktoren (vor allem die physische Arbeitsfähigkeit, die
Risikofreudigkeit und die Lernbereitschaft)) gehen zwar mit dem Alter zurück,
andere (wie etwa die Verantwortungsbereitschaft und die akkumulierte berufliche
Erfahrung) steigen an. In dem Maße, in dem die Produktivität mit steigendem
Alter tatsächlich zurückgeht, ist es auch berechtigt, das Lohnniveau der
mangelnden Produktivitätsentwicklung anzupassen.
Man muss aufhören, in jedem
altersbedingten Rückgang des Einkommens einen Prestigeverlust zu sehen. Ein
gewisser Rückgang im Einkommen aufgrund gestiegenen Alters kann durchaus
verkraftet werden, da auf der einen Seite mit einem bestimmten Alter im Haushalt
sehr viel weniger Investitionsausgaben anfallen als in der Jugend. Junge
Arbeitnehmer haben im Zusammenhang mit der Familiengründung zunächst hohe
Investitionsausgaben, die im Alter
wegfallen.
Auf der anderen Seite ist das
Durchschnittseinkommen im Vergleich zu früher so stark angestiegen, dass auch
Arbeitnehmer aus mittleren Kreisen in der Lage sind, Vermögen zu bilden, das im
Alter neben den Lohneinkommen auch ein Zinseinkommen bringt. Der altersbedingte
Rückgang im Lohneinkommen wird deshalb zum Teil dadurch kompensiert, dass im
Alter in stärkerem Maße als in den früheren Arbeitsjahren Zinseinkünfte
anfallen.
Der Einwand, dass eine Erhöhung des
Renteneintrittsalters deshalb abgelehnt werden müsse, weil sie de facto zu
einer Reduzierung der Renten führe, verkennt weiterhin, dass die Alternative zu
dieser Reformmaßnahme ebenfalls in einer drastischen Verkürzung der Rentenhöhe
liegt. Eine erneute Heraufsetzung der Beitragssätze, die dritte mögliche
Alternative kommt schon deshalb nicht in Frage, da sie die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gefährden würde und somit den
allgemeinen Reformbemühungen zuwiderliefe.
Im schlimmsten Falle, falls es nicht
gelingen würde, die Arbeitsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer zu verbessern,
würde in jedem Falle mit oder ohne eine Heraufsetzung des Renteneintrittsalters
das Rentenniveau sinken. Im günstigsten Falle, wenn nämlich die erforderlichen
Reformmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt greifen, würde hingegen das Rentenniveau
gerade bei einer Heraufsetzung des Renteneintrittsalters wieder ansteigen.
7. Sind alle Arbeitnehmer zur
verlängerten Arbeitszeit überhaupt fähig?
Gegen eine Heraufsetzung des
Renteneintrittsalters wird in der Öffentlichkeit darauf hingewiesen, dass
bestimmte Arbeitnehmergruppen wie z. B. die Dachdecker physisch überfordert
wären, sollten sie bis zum 67. Lebensjahr arbeiten müssen. Auch aus diesen Gründen
seien die geplanten Reformmaßnahmen abzulehnen.
Als erstes muss festgestellt werden,
dass man natürlich eine gute und an für sich berechtigte Forderung nicht
einfach deshalb ablehnen kann, weil sie nicht restlos auf alle Arbeitnehmergruppen
angewandt werden kann. Es gibt keine politische Maßnahme, die ausnahmslos
durchgeführt werden kann. Ausnahmen bestätigen die Regel! Im Hinblick auf die Lebensarbeitszeit
gab es schon immer gewisse Berufszweige, in denen aus physischen oder anderen
Gründen eine wesentlich kürzere Lebensarbeitszeit vorgesehen war. So scheiden
z. B. Flugkapitäne schon sehr früh aus dem aktiven Flugdienst. Gewisse Ausnahmen
sind immer notwendig und auch möglich. Aus solchen Gründen sollte eine
generelle Regelung sicherlich niemals scheitern.
Als zweites ist der Versuch, die
Aufteilung der Lebenszeit und vor allem den Eintritt ins Rentnerdasein für alle
Arbeitnehmer einheitlich zu regeln, an sich schon fragwürdig. Die einzelnen
Menschen unterscheiden sich in beachtlichem Maße in der Frage, was sie mit
ihrem dritten Lebensabschnitt anfangen wollen und wie lange sie fähig sind, in
ihrem früher einmal gewählten Beruf zu arbeiten. Der Alterungsprozess verläuft
bei jedem Menschen etwas anders. Sowohl im Hinblick auf Neigungen wie auch Fähigkeiten
unterscheiden sich nun einmal die Menschen in dieser Frage ganz beachtlich. Bei
einer einheitlichen Regelung kann man keine optimale Lösung der Aufteilung des
Lebens in die drei Phasen erwarten. Man tut den einzelnen auf diese Weise
unrecht.
Es wäre also sicherlich sehr viel
besser, wenn man die Frage, wann jemand aus dem Berufsleben ausscheiden soll,
dem einzelnen im Grundsatz selbst überlassen würde. Genau dieses Ziel lag ja
auch der Einführung der flexiblen Rente im Jahre 1972 zugrunde. Mit der Reform
von 1972 wurde den Arbeitnehmern das Recht eingeräumt, auf Wunsch schon ab dem
63. Lebensjahr (bei Männern), bzw. ab dem 60. Lebensjahr (bei Frauen) eine
Altersrente zu beziehen und somit vorzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden.
Diese Feststellung gilt allerdings nur
mit gewissen Einschränkungen. Wir leben in einem Rechtsstaat mit
Menschenrechten, in dem der Staat u. a. verpflichtet ist, jedem Bürger ein
Existenzminimum zu garantieren. Dieser Verpflichtung kann der Staat nur
nachkommen, wenn immer nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz der Bürger
diese Hilfe benötigt. Hierzu ist es notwendig, dass alle Bürger sich um eine
Absicherung im Alter kümmern.
Der Verpflichtung des Staates, in der
Not zu helfen, entspricht das Recht des Staates, die Bürger zu einer
Altersvorsorge anzuhalten. Es kann dem einzelnen Bürger nicht freigestellt
sein, ob er eine Mindestversorgung für das Alter betreibt. Nur in der Frage, ob
der einzelne mehr an Vorsorge vorsieht als zur Erhaltung des Existenzminimums
notwendig ist, kann, darf und sollte auch der einzelne selbst entscheiden.
Wenn also auch vieles dafür spricht, dass
über den Umfang der Altersvorsorge über das Existenzminimum hinaus der Einzelne
selbst bestimmen sollte, so kann diese Empfehlung nicht zur Folge haben, dass
der einzelne seine Entscheidung auf Kosten der Allgemeinheit fällen darf.
Entscheidet er sich dafür, früher als andere aus dem Erwerbsleben auszuscheiden,
so hat er auch die materiellen Folgen, die sich aus dieser Entscheidung
ergeben, selbst zu tragen.
Worin liegen nun die materiellen Folgen
eines früheren Austritts aus dem Erwerbsleben? Entscheidet sich ein
Versicherungspflichtiger dafür, ein Jahr früher aus dem Erwerbsleben
auszuscheiden, so führt er für ein Jahr weniger Beiträge an die
Rentenversicherung ab, da er ja auch ein Jahr weniger arbeitet und nur während
seiner Arbeitszeit Versicherungsbeiträge entrichten muss. Gleichzeitig bezieht
er jedoch auch ein Jahr lang mehr Rente als bisher, wenn wir einmal
unterstellen, dass seine Entscheidung, früher aus dem Erwerbsleben
auszuscheiden, keinen Einfluss auf seine Lebenserwartung hat.
Diese Annahme ist durchaus im
Durchschnitt berechtigt; im Einzelfall werden einige Frührentner gerade
deshalb, weil sie früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden und deshalb mehr für
ihre Gesundheit tun können, länger leben; bei anderen hinwiederum verkürzt sich
die Lebenserwartung, da sie bisher voll im Beruf aufgegangen sind und nun keine
Möglichkeit mehr sehen, neue, nicht berufsbezogene Lebensziele aufzubauen.
Die Entscheidung, vorzeitig aus dem
Erwerbsleben auszuscheiden, wird im allgemeinen ohne Not aus freien Stücken
gefällt, es gibt deshalb auch keine Rechtfertigung, die Versicherungsgemeinschaft
oder die Volksgemeinschaft mit den materiellen Kosten dieser Entscheidung zu
belasten.
Anders liegen natürlich die Fälle, bei
denen jemand gesundheitsbedingt vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheidet,
hier entscheidet nicht der einzelne aus freien Stücken, vielmehr ein Arzt im
Auftrag der Versicherungsgemeinschaft, ob aus Gesundheitsgründen die Erwerbsfähigkeit
eines Versicherten vorzeitig endet. Aus dem Versicherungsgedanken heraus ergibt
sich hier die Notwendigkeit, die hier entstehenden Kosten der Allgemeinheit
anzulasten.
Die oben
erwähnte Einführung der flexiblen Altersgrenze im Jahre 1972 entsprach
übrigens nur zum Teil diesen hier entwickelten Grundsätzen. Zwar verringerte
sich die Rente derjenigen Arbeitnehmer, welche die flexible Altersrente in
Anspruch nehmen, da die Rentenhöhe von der Anzahl der Jahre, in denen Beiträge
gezahlt wurden, abhängt. Die Reduzierung der Rente ist jedoch hier geringer als
die Kosten, die der Versicherung aufgrund dieser Entscheidung entstehen. Wie
bereits gesagt, verringern sich nicht nur die Beitragseinnahmen, die
Versicherung wird auch dadurch belastet, dass sie nun für die betroffenen
Arbeitnehmer ein Jahr länger Rente zu zahlen hat.
Befassen wir uns nun etwas näher mit dem
Einwand, dass es der Beruf bestimmter Arbeitnehmergruppen unmöglich oder
zumindest unzumutbar macht, länger als bis zu 65 Jahren zu arbeiten. Als erstes
muss festgestellt werden: Der bloße Umstand, dass bei bestimmten Berufen vor
allem wegen der physischen Belastung eine Ausweitung der Erwerbszeit über das
65. Lebensjahr nicht zumutbar erscheint, bedeutet noch nicht, dass die
Arbeitnehmer, die diesen Beruf ergreifen, aus diesen Gründen verarmen und
deshalb Hilfe von der Volks- oder Versicherungsgemeinschaft zu beanspruchen
haben. Oft handelt es sich bei diesen Berufen um Berufszweige, innerhalb derer
sogar ein überproportionales Einkommen erzielt werden kann. Aber nur dann, wenn
das Einkommen deutlich unter dem Durchschnittseinkommen liegen würde und die
Gefahr bestünde, dass der einzelne ohne Unterstützung von Seiten der Volksgemeinschaft
in Not geraten würde, wäre eine unentgeltliche Hilfe in der Form, dass ein Teil
der durch früheren Ausstieg aus dem Erwerbsleben entstandenen Kosten von der
Gemeinschaft übernommen werden, berechtigt.
Im allgemeinen wird man zweitens
beobachten können, dass in diesen Berufen ein überdurchschnittlich hohes
Monats- oder Jahreseinkommen bezogen wird, gerade weil ein Teil des augenblicklichen
Einkommens dazu verwandt werden muss, um die überdurchschnittliche Zeit der
Erwerbslosigkeit materiell zu überbrücken. Ein funktionierender Markt wird im
allgemeinen dafür Sorge tragen, dass die Jahreseinkommen dieser Berufsgruppen
höher ausfallen als beim Durchschnitt der Arbeitnehmer. Man wird es im
allgemeinen sehr wohl dem Markt überlassen können, diese Aufgabe sachgerecht zu
lösen. Sollten es wegen monopolistischer Marktstrukturen die Unternehmungen
unterlassen, diese Anpassung der Einkommenshöhe vorzunehmen, wird es eben
Aufgabe der Gewerkschaften sein, für eine sachgerechte Lösung der
Einkommenshöhe zu kämpfen.
Drittens gilt es folgendes zu
berücksichtigen: Aus der bloßen Tatsache, dass bestimmte Arbeitnehmer in den
jüngeren Jahren Arbeiten verrichten, zu denen sie aus physischen oder anderen
Gründen in den älteren Jahren nicht mehr fähig sein werden, lässt sich nicht
folgern, dass solche Arbeiten ein ganzes Leben lang verrichtet werden müssen
und dass deshalb in dem Augenblick, von dem ab diese Arbeiten nicht mehr
verrichtet werden können, die Erwerbsfähigkeit automatisch ausläuft. Es gibt
keine vernünftigen Gründe, die zu verrichtende Arbeit nicht auch vom
Lebensalter des einzelnen Arbeitnehmers abhängig sein zu lassen. Es gibt auch wohl
keine Unternehmung, in der nur die eine Tätigkeit, die annahmegemäß nur von
jungen Arbeitnehmern vorgenommen werden kann, anfällt. Im allgemeinen können
die älteren Arbeitnehmer sehr wohl mit Arbeiten beschäftigt werden, die auch
von ihnen sachgerecht ohne unzumutbare Anstrengungen verrichtet werden können.
Es verbleibt somit lediglich ein viel
kleinerer Teil von Arbeitnehmern, denen es auf der einen Seite nicht möglich
ist, aus Altersgründen ihrer beruflichen Tätigkeit auch nach dem 65. Lebensjahr
nachzugehen und auf der anderen Seite bei einer früheren Beendigung der
Erwerbszeit eine Rentenhöhe verbleibt, die nicht den existenziellen
Anforderungen entspricht und die deshalb eine Hilfe von Seiten der Volksgemeinschaft
notwendig macht und als berechtigt erscheinen lässt.
Aber auch in diesem Falle dürfte es
unzweckmäßig sein, diese Hilfe der Versicherungsgemeinschaft zu übertragen. Die
primäre Aufgabe einer Versicherung liegt darin, den Einkommenstransfer von den
gegenwärtigen Erwerbsjahren zu den Rentnerjahren, in denen kein reguläres
Erwerbseinkommen erzielt wird, so effizient wie möglich zu gestalten. Diese
allokative Aufgabe des Versicherungsschutzes im Alter wird gestört und kann
deshalb nicht mehr effizient erfüllt
werden, wenn diese Aufgabe mit Problemen der Umverteilung verquickt wird. Aus
mehreren Gründen ist es zweckmäßig Allokation und Verteilung voneinander zu
trennen.
Jeder Versuch, Umverteilungsziele im
Rahmen der Allokation zu lösen, führt über Preisverzerrungen zu
Fehlallokationen, die sich in Wohlfahrtsverlusten niederschlagen. Aufgrund
dieses Wohlfahrtsverlustes verringern sich auch die Ressourcen für die
legitimen Umverteilungsziele. Gleichzeitig lässt sich auf diese Weise auch
keine gerechte, an allgemeinen Kriterien orientierte Verteilung der materiellen
Güter erreichen, da in diesem Falle die
Höhe der Begünstigung davon abhängig gemacht wird, wie der Begünstigte seine
Einkünfte verwendet. Dies ist natürlich kein Argument, auf diese Unterstützung
zu verzichten, sondern allein ein Hinweis, dass notwendige Unterstützungen aus
dem allgemeinen Budget des Staates und nicht aus den durch Beiträge
aufgebrachten Mitteln finanziert werden sollten.