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Anmerkung: Aus aktuellem Anlass wird die Artikelserie über das bestehende Steuersystem unterbrochen und ein Artikel zu den Fehlentwicklungen in der Geldpolitik der EZB eingeschoben. Nach Abschluss dieses Kapitels werden dann die restlichen Kapitel der Serie über das Steuersystem veröffentlicht.

 

Quo Vadis Europäische Zentralbank? Teil I

 

 

Gliederung:

 

1. Die Arbeitsteilung zwischen Geld- und Wirtschaftspolitik

2. Der Einfluss auf das Ziel der Währungsstabilität

3. Der Einfluss auf das Beschäftigungsziel

4. Der Einfluss auf das Wachstumsziel

5. Der Einfluss auf die Allokation

6. Der Einfluss auf die Verteilung und auf die sozialen Ziele

 

 

1. Die Arbeitsteilung zwischen Geld- und Wirtschaftspolitik

 

 

 

Gliederung:

 

1. Die Aufgaben der Notenbank, der Regierung und des Parlamentes

2. Die Unerwünschtheit von Defiziten

3. Die Begrenzung auf Währungsstabilität

4. Die Fehlentscheidungen der EZB

5. Arbeitsteilung nur aus liberaler Sicht erwünscht?

 

 

 

1. Die Aufgaben der Notenbank, der Regierung und des Parlamentes

 

Wir wollen uns in diesem Artikel mit der Entwicklung in der Geldpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte kritisch auseinandersetzen und die Frage untersuchen, ob der Weg, den die wichtigsten Notenbanken der westlichen Welt, vor allem aber die Europäische Zentralbank seit langer Zeit beschreiten, wirklich geeignet ist, die diesen Institutionen übertragenen Aufgaben bestmöglich zu erfüllen.

 

Hierbei geht es mir weniger um tagespolitische Fragen und um einzelne geldpolitische Instrumente, sondern um die grundsätzliche Frage, ob die Art und Weise, wie die Notenbankchefs ihre Aufgabe zu erfüllen versuchen, im Ansatz richtig ist.

 

In allen größeren freiheitlich demokratischen Staaten besteht eine Arbeitsteilung zwischen der Geldpolitik der Notenbank und der Wirtschaftspolitik von Regierung und Parlament. Der Notenbank ist die Aufgabe übertragen, eine ausreichende Geldversorgung zu garantieren, während den Regierungen und Parlamenten die Festlegung der Staatsausgaben sowie der Steuersätze übertragen ist.

 

Hierbei hat die Notenbank entsprechend den Satzungen dieser Geldinstitute als wichtigstes Ziel für eine Währungsstabilität zu sorgen. Dies bedeutet, dass auf der einen Seite im Innenverhältnis das Preisniveau möglichst konstant gehalten und damit eine Inflation vermieden werden soll. Im Außenverhältnis zu anderen Staaten geht es hingegen darum, eine weitgehende Stabilität zwischen den Wechselkursen der einzelnen Währungen sicherzustellen, da nur bei nicht zu starken Wechselkursschwankungen das Risiko des Außenhandels soweit reduziert wird, dass überhaupt in ausreichendem Maße Unternehmungen zu internationalem Handel bereit sind.

 

Wir haben hierbei zu berücksichtigen, dass zu den generellen Risiken, welche die meisten unternehmerischen Entscheidungen mit sich bringen, beim Außenhandel zusätzlich das Risiko entsteht, dass nach vollzogener Entscheidung die Währungsrelationen verändert werden, mit der Konsequenz, dass sonst ertragsreiche Geschäfte zu Verlustgeschäften werden. Es ist klar, dass in einem solchen Falle nicht damit gerechnet werden kann, dass Unternehmer in ausreichendem Maße bereit sind, diese außenwirtschaftlich bedingten zusätzlichen Risiken auf sich zunehmen.

 

 

2. Die Unerwünschtheit von Defiziten

 

Die wirtschaftspolitischen Ziele der staatlichen Organe im engeren Sinne (der Regierung und des Parlaments) bestehen demgegenüber darin, soweit wie möglich für Vollbeschäftigung sowie für ein angemessenes Wachstum zu sorgen und sicherzustellen, dass die Aufteilung des gesamten Inlandsproduktes auf die den privaten Haushalten überlassenen Konsumgüter sowie auf die der gesamten Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Kollektivgüter den Wünschen der Mehrheit der Bevölkerung entspricht.

 

Diese Arbeitsteilung ist notwendig, um die Grundziele einer jeden Demokratie zu garantieren. Ohne die strikte Einhaltung dieser Arbeitsteilung bestünde die Gefahr, dass Staat und Notenbank in ihrer Gesamtheit nicht mehr den Willen des Volkes (der Bevölkerungsmehrheit) erfüllen würden.

 

Betrachten wir zunächst eine Regierung und ein Parlament, die – entgegen diesen Zielen – maßgeblich die Geldversorgung der Volkswirtschaft beeinflussen würden. Wenn die staatlichen Politiker in der Lage wären, über die Geldversorgung selbst zu entscheiden, bestünde die Gefahr, dass die Politiker bestrebt wären, möglichst viele Staatsausgaben dadurch zu finanzieren, dass sie bei der Notenbank zur Finanzierung der Staatsausgaben Kredite aufnehmen.

 

Wenn jedoch die Staatsausgaben nicht mehr mehrheitlich mit Steuern finanziert werden, wird die in einer Demokratie wesentliche Kontrolle der Bevölkerung über das Handlen der Politiker nicht mehr garantiert. Nur dann, wenn die Staatsausgaben im Wesentlichen mit Steuern finanziert werden, ist nämlich die Gewähr gegeben, dass die Politiker auch tatsächlich die Maßnahmen durchführen, welche von der Mehrheit der Bevölkerung gewünscht werden.

 

Die Politiker sind in einer freiheitlichen Demokratie gehalten, sich in periodischen Abständen von vier bis fünf Jahren zur Wahl zu stellen, es besteht hierbei ein Wettbewerb zwischen den Parteien um die Gunst der Wähler und im Prinzip obsiegen jeweils die Politiker, welche den Wünschen der Wähler am besten entsprechen.

 

Dieser wesentliche Kontrollmechanismus einer jeden indirekten Demokratie funktioniert aber nur dann reibungslos, wenn den Politikern nicht erlaubt wird, die Staatsausgaben mit Krediten, also über Defizite im Staatsbudget, zu finanzieren. Nur bei einer Steuerfinanzierung erfährt nämlich der Wähler, was es ihn letzten Endes kostet, wenn die Politiker eine Steigerung der geplanten Staatsausgaben für den Fall der Wiederwahl in Aussicht stellen.

 

Gesamtwirtschaftlich bedeutet jede Steigerung in den Staatsausgaben, dass die knappen, einer Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden materiellen Ressourcen in gleichem Umfange zu einer Minderung in den für die privaten Haushalte zur Verfügung gestellten Individualgüter führen. Die einer Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Ressourcen können eben nur einmal ausgegeben werden.

 

Somit müssen sich die Wähler darüber im Klaren werden, dass jede Ausweitung des Kollektivgüteranteils immer damit bezahlt werden muss, dass die Wähler in ihrer Gesamtheit weniger private Konsumgüter zur Verfügung haben werden. Deshalb können die Wähler auch nur dann eine rationale Entscheidung treffen, wenn ihnen klar wird, um wie viel denn der Konsumgüterbedarf bei einer Ausweitung der Staatsausgaben reduziert wird.

 

Sind die Politiker gezwungen, im Prinzip alle ihre Staatsausgaben mit Steuern zu finanzieren und sind sie auch gehalten, die Wähler davon in Kenntnis zu setzen, welchen Preis die Bürger für eine Ausweitung des Kollektivgüterbestandes letztendlich zahlen müssen, sind die Wähler auch in der Lage, diese Entscheidung rational zu fällen. Sie erfahren hier den effektiven Preis, den sie für ihre Nachfrage nach mehr staatlicher Aktivität zahlen müssen und zwar dadurch, dass ihnen klar wird, um wie viel mehr Steuern zu zahlen sind und damit um wie viel die private Konsumnachfrage eingeschränkt werden muss, wenn die Staatsausgaben erhöht werden sollen.

 

Haben hingegen die Politiker die Möglichkeit, Steigerungen in den Staatsausgaben defizitär zu finanzieren, also über die Aufnahme von zusätzlichen Krediten die umlaufende Geldmenge zu erhöhen, werden die der Bevölkerung auferlegten Kosten einer Steigerung in den Staatsausgaben verschleiert. Der Wähler erfährt nun nicht mehr, welchen effektiven Preis er tatsächlich dafür zahlen muss, dass er die Parteien mehrheitlich gewählt  hat, welche Ausgabensteigerungen in Aussicht gestellt haben.

 

In Wirklichkeit ist es sogar noch schlimmer. Dem Wähler bleiben die tatsächlichen Kosten der staatlichen Aktivität nicht nur verborgen, es wird ihm sogar vorgegaukelt, diese Ausgabensteigerungen zu erhalten, ohne dass deshalb die Steuerlast und damit die notwendige Verringerung des zur Verfügung stehenden Konsumgüteranteil erhöht werden muss.

 

Es wäre nun falsch, wenn man vermuten würde, dass bei einer Kreditfinanzierung der Bürger trotz Ausweitung der Staatsausgaben keinen Verzicht auf Individualgüter leisten müsste. Zwar hat der Bürger ex definitione in diesem Fall keine zusätzlichen Steuern zu entrichten. Da aber nun einmal eine Ausweitung des Kollektivgüteranteils notwendiger Weise zu einer gleichgroßen Verringerung des Individualgüteranteils führen muss, bleibt dem Bürger verborgen, dass diese auf jeden Fall eintretende Verringerung seines privat verfügbaren realen Einkommens dadurch eintritt, dass die Preise der Güter ansteigen und deshalb bei gleichbleibendem nominellen Einkommen realiter weniger Konsumgüter verbraucht werden können.

 

Zwar erfährt der Bürger sehr wohl, dass die Güterpreise angestiegen sind. Da jedoch diese Steigerungen in den Preisen nicht von den Politikern, sondern von den Unternehmern durchgeführt werden, wird dem Bürger im Allgemeinen nicht bewusst, dass diese Preissteigerungen eine unmittelbare Folge der Staatsdefizite und der damit verbundenen Geldmengenausweitung sind. Es besteht also hier die Gefahr, dass der Anteil der Kollektivgüter am Inlandsprodukt höher ausfällt als es die Mehrheit der Bürger für erwünscht hält. Der Wille des Volkes kommt hier nicht mehr zum Zuge und damit ist eines der wichtigsten Merkmale einer repräsentativen Demokratie aufgehoben.

 

Nun könnte man die Vermutung äußern, dass diese Gefahr in Wirklichkeit auch bei einer defizitären Finanzierung der Staatsausgaben im Allgemeinen nicht bestehe, da eben diese Ausweitung der Staatsausgaben und ihre defizitäre Finanzierung den Zweck verfolgen, die Konjunktur anzukurbeln und damit sowohl die Beschäftigung als auch das reale Inlandsprodukt zu vergrößern. Also ginge diese Ausweitung der Staatsausgaben in Wirklichkeit gar nicht auf Kosten der zu produzierenden Konsumgüter. Diese zusätzlichen Staatsausgaben würden letzten Endes damit finanziert, dass mehr Güter insgesamt produziert werden. Der Anteil der Kollektivgüter würde zwar ansteigen, trotzdem müsste aufgrund eines vermehrten Inlandsproduktes die Menge an Konsumgüter nicht eingeschränkt werden.

 

Diese Schlussfolgerung verkennt, dass auch dann, wenn es tatsächlich gelingt, auf dem Wege eines Defizits des Staatsbudgets das Inlandsprodukt zu vergrößern, was übrigens keineswegs immer der Fall ist, der Bürger trotzdem in aller Regel die Zeche zahlen muss und zwar dadurch, dass die Güterpreise steigen und mit ihnen das reale privat verfügbare Einkommen des Einzelnen zurückgeht.

 

Es gilt nämlich zu berücksichtigen, dass dann, wenn bisher arbeitslose Arbeitskräfte zusätzlich eingestellt werden und deshalb die Arbeitslosigkeit zurückgeht, diese Arbeitnehmer ja für ihre Arbeit entlohnt werden, sodass diese zusätzlichen Einkommen als Gegenleistung für zusätzliche Arbeit den neu Beschäftigten zufließen. Diese Einkommen können nicht nochmals zur Entlastung der übrigen Konsumenten verwendet werden. Es bleibt dabei, dass auch in diesem Falle letztendlich der Wähler belastet wird.

 

Natürlich spielt bei der Beantwortung dieser Frage (dass entgegen dem Wählerwillen der Kollektivgüteranteil ausgeweitet wird) eine entscheidende Rolle, ob der Zuwachs der defizitär finanzierten Staatsausgaben konsumtiv oder investiv angelegt wird. Bei einer investiven Verwendung besteht die Möglichkeit, dass eventuell auf diese Weise die Wachstumsrate des Inlandsproduktes steigt und dass auf diesem Wege doch die Bürger in Zukunft einmal ent- und nicht belastet werden.

 

Der entscheidende Hinweis liegt in dem Wörtchen ‚eventuell‘. Wir können nicht davon ausgehen, dass alle Staatsausgaben per se zu einer Steigerung der Wachstumsrate führen. Wir müssen stets im Einzelfall überprüfen, wie denn sonst – ohne staatliche Defizitpolitik – diese Gelder verwendet worden wären. Natürlich ist ein Wachstumsimpuls zu erwarten, wenn diese Gelder sonst stillgelegt, also gar nicht für eine Nachfrage verwandt worden wären oder wenn ansonsten von den privaten Käufern Konsumgüter nachgefragt worden wären. Wir müssen aber stets auch mit der Möglichkeit von Fehlinvestitionen rechnen.

 

Wir müssen aber im Einzelfall auch berücksichtigen, dass eine durchaus produktive, kollektive Investition lediglich eine private Investition verdrängt und in diesem Falle kommt es entscheidend darauf an, welche Investition die höhere Produktivität aufweist. Nur dann, wenn die staatliche Investition eine höhere Produktivität als die verdrängten privaten Investitionen aufweisen, könnte mit einer Steigerung der Wachstumsrate gerechnet werden. In den Fällen, in denen die Produktivität der verdrängten privaten Investitionen höher als die der staatlichen Investitionen ausgefallen wäre, müsste sogar ein Rückgang im Wachstum befürchtet werden.

 

Ganz allgemein müssen wir davon ausgehen, dass aufgrund unterschiedlicher Anreizsysteme private Investitionen den öffentlichen Investitionen in aller Regel überlegen sind und den Wünschen der Konsumenten besser entsprechen. Weiterhin gilt es zu bedenken, dass der Staat in der Vergangenheit zumeist im Rahmen seiner Beschäftigungspolitik den Unternehmungen Subventionen zur Verfügung gestellt oder Unternehmungen einfach dadurch begünstigt hat, dass sie bei ihnen vermehrt Güter angekauft haben.

 

Da diese Politik sehr oft nach dem Gießkannenprinzip erfolgt und keineswegs jeweils die produktivsten Unternehmungen bedient werden (woher sollten die staatlichen Bürokraten auch wissen, welches die produktivsten Unternehmungen sind, dies wird immer erst im Nachhinein bekannt), besteht grundsätzlich die Gefahr, dass auf diesem Wege das Wachstum sogar insgesamt zurückgeht, da Kapitalmittel den produktivsten Unternehmungen entzogen werden und an Unternehmungen weitergeleitet werden, welche dann später am Wettbewerb scheitern und dann in Konkurs gehen. Die Kritik, dass bei einer defizitären Ausgabenpolitik des Staates die Ziele der Demokratie massiv verletzt werden, bleibt also bestehen.

 

 

3. Die Begrenzung auf Währungsstabilität

 

Wenden wir uns nun der Frage zu, wie die demokratischen Zielvorgaben verletzt werden, wenn sich die Notenbank nicht auf die satzungsgemäße Zielsetzung der Währungsstabilität beschränkt und durch ihre Politik maßgeblichen Einfluss auf die Steuerhöhe nimmt.

 

Es entspricht einem der wichtigsten Grundsätze einer Demokratie, dass das vom Volk gewählte Parlament und nur diese Volksvertretung das Recht haben sollte, die Steuersätze festzulegen. Nur auf diese Weise ist sicher gestellt, dass die Politiker auch tatsächlich ihre Entscheidungen an den Wünschen der Mehrheit der Bevölkerung ausrichten.

 

Würde man der Notenbank das Recht einräumen, die Geldversorgung auch an anderen Zielen der Wirtschaftspolitik auszurichten, bestünde die Gefahr, dass über die wirtschaftspolitischen Ziele vorbei am Willen der Bevölkerung entschieden würde. Eine solche Gefahr besteht nicht nur dann, wenn die Notenbank das Recht erhalten würde, formell über die Höhe der Steuersätze zu entscheiden.

 

Natürlich ist dieses Recht – formal gesehen  – dem Parlament vorbehalten und der Versuch einer Notenbank, selbst Abgaben zu verlangen, welche genauso wie Steuern zwangsweise erhoben werden und nicht einfach als Preis einer Dienstleistung verstanden werden können, käme einer Aufhebung der Verfassung einer Demokratie gleich.

 

De facto könnte jedoch eine Notenbank auch dann, wenn sie in formellem Sinne über keine Abgaben verfügen kann, trotzdem eine Erhöhung von Steuersätzen erzwingen, wenn sie die Geldversorgung an anderen wirtschaftspolitischen Zielen als am Ziel der Währungsstabilität ausrichtet. Den Volksvertretern bliebe dann gar nichts anderes übrig, als die Steuersätze anzuheben, auch dann, wenn sie eigentlich aufgrund ihrer Versprechungen gegenüber den Wählern geringere Steuersätze in Aussicht gestellt hatten.

 

Halten wir also fest, die Grundziele einer demokratischen Verfassung lassen sich nur dann befriedigend realisieren, wenn diese Arbeitsteilung zwischen Notenbank auf der einen und Regierung sowie Parlament auf der anderen Seite aufrechterhalten wird.

 

 

4. Die Fehlentscheidungen der EZB

 

De facto hat jedoch die Europäische Notenbank in den letzten Monaten und Jahren gravierend gegen diese Grundsätze verstoßen. Obwohl die Notenbank entsprechend der ihr auferlegten Verfassung gehalten ist, alles Mögliche und in ihrer Macht stehende zu tun, um eine Geldwertstabilität soweit wie immer möglich zu garantieren, hat sie zuletzt das Ziel aufgestellt, durch eine massive Erhöhung der umlaufenden Geldmenge (es wurde eine Ausweitung der Banknotengeldmenge um immerhin mehr als einer Billion für die nächsten 18 Monate angekündigt) sicherzustellen, dass eine Inflationsrate von ein bis zwei Prozent erreicht werde. Dies ist aber das Gegenteil von dem, was die Notenbank erreichen sollte, nämlich eine Inflation soweit wie immer nur möglich, zu verhindern.

 

Die Notenbank hatte sich unter ihrem Präsidenten Mario Draghi zu diesem Entschluss durchgerungen, da in den letzten Monaten das Güterpreisniveau in der Europäischen Eurozone geringfügig um etwa 0,2% gesunken war. Draghi war der Auffassung, dass eine Deflation (eine Reduzierung des allgemeinen Preisniveaus aus konjunkturpolitischen Gründen) auf jeden Fall vermieden werden sollte. Er folgte damit der im Rahmen des Keynesianismus vertretenen Auffassung, dass gewisse Preissteigerungen notwendig seien, um einen Konjunktureinbruch zu verhindern.

 

Damit hat jedoch Draghi ebenso gegen den Grundsatz verstoßen, dass es alleinige Aufgabe von Regierung und Parlament ist, zu verhindern, dass es zu einem Konjunktureinbruch kommt, er hat damit in gravierender Weise die oben beschriebene Arbeitsteilung aufgekündigt und sich in Aufgaben eingemischt, welche eindeutig für Regierung und Parlament vorbehalten sein sollen.

 

Wir werden weiter unten bei der Diskussion über die Frage, wie sich eine Geldmengenvermehrung auf die Preisniveaustabilität auswirkt, noch ausführlich aufzeigen, dass die im Keynesianismus weitverbreitete These, es bedürfe einer gewissen Inflationsrate, um einen Konjunktureinbruch zu verhindern, vor allem müsse eine Deflation vermieden werden, keinesfalls so eindeutig ist, wie allgemein angenommen wird.

 

Schließlich wurde durch den Beschluss der Europäischen Notenbank, die Geldmenge drastisch zu erhöhen, die Unabhängigkeit des Parlamentes in Frage gestellt und zwar dadurch, dass die Europäische Notenbank die Geldmenge dadurch zu erhöhen versucht, dass sie in großem Stil die maroden Staatspapiere derjenigen Länder aufkauft, welche in eine Finanzkrise geraten waren und der Hilfe Europas bedürfen.

 

Marode Staatspapiere lassen sich von der Notenbank zwar relativ einfach aufkaufen, es gibt jedoch keine Möglichkeit, jemals diese Papiere auf dem freien Wertpapiermarkt im Rahmen einer Offenmarktpolitik wiederum abzustoßen. Dies bedeutet jedoch, dass diese maroden Wertpapiere eines Tages abgeschrieben werden müssen und dass der hierbei entstehende Verlust vom Staat übernommen werden muss, was gleichbedeutend damit ist, dass er letztendlich vom Steuerzahler bezahlt werden muss.

 

Dies bedeutet jedoch auch, dass das Parlament gegen seinen Willen die Steuersätze zur Finanzierung dieser Verluste erhöhen muss und somit seine unbeschränkte Befugnis zur Selbstbestimmung der Steuerhöhe verliert. Dies gilt übrigens auch dann, wenn die Notenbank die maroden Staatspapiere nicht im Rahmen einer Offenmarktpolitik ankauft, sondern im Rahmen der Leitzinspolitik Kredite vergibt und diese Wertpapiere nur vorübergehend – während der Dauer des Kredites – in Verwahrung nimmt, sodass dann diese Wertpapiere nach Zurückzahlung des Kredites wiederum von den Kreditnehmern zurückgenommen werden müssen. Der größte Teil dieser maroden Wertpapiere ist nämlich heute in Händen der Regierungen, welche zur Verhinderung eines Bankrottes einzelner Banken diese Papiere aufgekauft haben. Die privaten Banken und Unternehmer haben schon lange diese Wertpapiere zu einem großen Teil abgestoßen.

 

 

5. Arbeitsteilung nur aus liberaler Sicht erwünscht?

 

Nun könnte man vermuten, dass diese Schlussfolgerungen nur dann gültig wären, wenn man neoliberalen Gedankengängen folgt und dass für denjenigen, welcher der keynesianischen Sicht folge, diese Resultate nicht gelten würden.

 

Demgegenüber muss darauf hingewiesen werden, dass gerade von Keynesianern das Modell des policy mix entwickelt wurde, das auf diese Arbeitsteilung aufbaut. So haben Robert Mundell und Harry Johnson gezeigt, dass der Konflikt zwischen Geld- und Konjunkturpolitik nur dann überwunden werden könnte, wenn sich die Notenbank auf die Festlegung des Zinssatzes und die Regierung auf die Festlegung der Staatsausgaben beschränken würde.

 

Ausgangspunkt dieses Modells ist die These Jan Tinbergen‘s, dass im Rahmen der quantitativen Wirtschaftspolitik immer dann Zielkonflikte entstehen, wenn die Anzahl der unabhängigen wirtschaftspolitischen Instrumente geringer sei als die Anzahl der selbständigen Ziele der Wirtschaftspolitik. In diesem Falle könnten die Ziele der Wirtschaftspolitik nicht mehr in ausreichendem Maße realisiert werden.

 

Nach dem Vorschlag von Johnson und Mundell könne der Zielkonflikt zwischen dem Ziel der Währungsstabilität und dem Ziel der Vollbeschäftigung dadurch vermieten werden, wenn die Notenbank verpflichtet werde, den Zinssatz allein an dem währungspolitischen Ziel auszurichten und wenn sich gleichzeitig Regierung und Parlament darauf beschränken, die Staatsausgabenhöhe an dem Ziel der Vollbeschäftigung auszurichten. 

 

Während bisher der Zinssatz der Notenbank dem Vollbeschäftigungsziel der Regierung untergeordnet wurde und somit kein unabhängiges Instrument war, entsteht nun bei Befolgung der Policy-Mix-Strategie in der Festlegung des Leitzinses seitens der Notenbank ein neues unabhängiges Instrument. Nun würde die Anzahl der zur Verfügung stehenden Instrumente der Anzahl der wirtschaftspolitischen Ziele entsprechen.

 

Im Rahmen der gesamten Wirtschaftspolitik würde den vier Zielen: Devisenbilanzausgleich, Wechselkursstabilität, freie Konvertibilität der Währungen und autonome Konjunkturpolitik die vier unabhängigen Instrumente der Wechselkursvariationen, der Diskontsatzänderung, der Devisenkontrolle sowie des Defizites im Staatsbudget gegenüberstehen. 

 

Bei der traditionellen keynesianisch ausgerichteten Konjunkturpolitik wäre die Zinssatzpolitik als unabhängiges Instrument ausgefallen, da im Rahmen dieser Politik der Zinssatz so anzusetzen war, dass das Defizit des Staatsbudgets das Vollbeschäftigungsziel bestmöglich erreiche.

 

Fortsetzung!