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Vom Sinn und Unsinn der Meinungsumfragen

 

 

Gliederung:

 

1. Das Problem

2. Voraussetzungen einer Meinungsumfrage

3. Die Meinung der Befragten

4. Die Struktur der gestellten Fragen

5. Bestimmungsgründe der Meinungen

6. Sekundärwirkungen von Umfragen

   

 

 

1. Das Problem

 

Wöchentlich werden wir mit Meinungsumfragen jeder Art überschüttet. Mehrere Institute wie Allensbach, Forsa, Emnid, Forschungsgruppe Wahlen, Infratest, Insa und GMS veröffentlichen zum Wochenende pünktlich ihre Sonntagsfrage zur Bundestagswahl.

 

In gleicher Weise geben Nahrungsmittel- und Medikamentenhersteller Umfragen in Auftrag, um die Beliebtheit ihrer Produkte zu erfahren. Gleichzeitig wird jedoch fast wöchentlich die Meinung der Wähler zu den wichtigsten Fragen des politischen Alltags im Auftrag der öffentlichen Sender eruiert.

 

Es hat auch den Anschein, dass solche Umfragen aus politischen und wirtschaftlichen Gründen höchst erwünscht, vielleicht sogar notwendig sind. Im Rahmen einer repräsentativen Demokratie entscheiden die Politiker im Auftrag der Wähler über die Belange der Bevölkerung.

 

Und da in den Programmen vor der Wahl keinesfalls alle Fragen und Antworten aufgenommen werden können, scheint es geradezu notwendig, dass die Politiker regelmäßig über die Wünsche der Bevölkerung unterrichtet werden. Es besteht ja auch die Möglichkeit, dass seit der letzten Wahl zur Bundes-. oder zu den Landtagswahlen neue bei der letzten Wahl noch nicht bekannte Probleme aufgetaucht sind oder dass sich die Meinung der Wähler grundlegend verändert hat.

 

In gleicher Weise sind jedoch auch die Unternehmungen darauf angewiesen, die Bedürfnisse ihrer Konsumenten zu erfahren. Auch hier gilt, dass immer wieder neue Produkte auf den Markt kommen und dass deshalb ohne Umfragen gar nicht bekannt ist, ob bestimmte neue Produkte einen Absatz finden. Auch hier gilt wiederum, dass sich die Meinung – hier im Rahmen von Modewandlungen – verändert hat und dass es deshalb notwendig wird, die veränderten Wünsche der Konsumenten zu eruieren.

 

Allerdings kommen bereits hier Bedenken auf, ob  diese Flut von Umfragen wirklich immer notwendig ist, ob sie immer der Wohlfahrtssteigerung dient, ob nicht in vielen Fällen im Zusammenhang mit diesen Umfragen sogar negative Folgen für das allgemeine Wohl zu befürchten sind.

 

So benutzen viele Unternehmer die Ergebnisse der Meinungsumfragen dazu, um in anschließenden Werbekampanien die Konsumenten für ihre Produkte zu begeistern, wobei oftmals der Versuch gemacht wird, die Konsumenten zu überlisten.

 

Auch im Hinblick auf die Meinungsumfragen im politischen Bereich gehen die Fragen bisweilen über den Versuch, nur die Meinung der Wähler zu erfragen, hinaus. Wenn z. B. danach gefragt wird, ob die Brexit-Verhandlungen zu einem guten Ergebnis führen und wenn man dann die Ergebnisse dieser Umfrage so deutet, dass dies die zu erwartende Entwicklung sei, dann kann diese Frage von den Befragten gar nicht richtig beantwortet werden, denn sie kann auch von den Sachverständigen nicht beantwortet werden, da der Ausgang der Brexit-Verhandlungen auch von zukünftigen Faktoren abhängt, welche im Zeitpunkt der Befragung noch gar nicht bekannt sind.

 

Das Fatale an dieser Situation besteht jedoch darin, dass die Ergebnisse der Meinungsumfrage selbst wiederum Einfluss, womöglich einen negativen Einfluss, auf die tatsächlichen Ereignisse nehmen.

 

Dieses Problem wird in der Wissenschaft seit Langem unter dem Stichwort der Prognosewirkungen diskutiert. Prognosen können danach das Ereignis, das es vorherzusagen gilt, selbst beeinflussen. Hierbei wird zwischen selbstbestätigenden und selbstwiderlegenden Prognosen unterschieden. Von einer selbstbestätigenden Prognose spricht man z. B. dann, wenn eine Preissteigerung vorhergesagt wird und wenn die Tatsache, dass eine Preissteigerung prognostiziert wurde, dazu führt, dass nun die Preise tatsächlich steigen und zwar stärker als dann, wenn diese Prognose nicht ausgesprochen worden wäre.

 

Die Tatsache nämlich, dass die Konsumenten für die nahe Zukunft eine Preissteigerung erwarten, veranlasst die Konsumenten dazu, die heutige Nachfrage auszuweiten, in dem bereits heute Waren nachgefragt werden, welche erst in der nächsten Periode benötigt werden. Eine Nachfragesteigerung führt jedoch ceteris paribus (bei unverändertem Verhalten des Angebotes) zu Preissteigerungen, sodass das prognostizierte Ereignis auch dann eintritt, wenn es ohne Prognose gar nicht eingetreten wäre.

 

Von einer selbstwiderlegenden Prognose wird hingegen immer dann gesprochen, wenn die Tatsache, dass eine Prognose ausgesprochen wurde, selbst dazu führt, dass das prognostizierte Ereignis gerade nicht eintritt oder zumindest in geringerem Maße.

 

So könnte man z. B. prognostizieren, dass bei unverändertem Verhalten der Marktpartner Überkapazitäten zu befürchten sind. Diese Prognose kann nun einzelne Unternehmer veranlassen, beabsichtigte Erweiterungsinvestitionen zu unterlassen. Bei einer Überkapazität muss ja damit gerechnet werden, dass einzelne Unternehmer auf ihren Waren sitzen bleiben.

 

Um diese Gefahr zu verringern, führen sie sonst beabsichtigte Investitionen nicht durch und erreichen auf diese Weise, dass die befürchtete Überkapazität nicht eintritt. Auch in diesem Beispiel war es die Prognose, welche Wirkungen ausgelöst hat, welche im Endergebnis dazu geführt haben, dass sich die Prognose selbst widerlegt hat.

 

Eine ähnliche Gefahr einer sich selbstbestätigenden Prognose besteht nun auch im Zusammenhang mit Meinungsumfragen. Diese können ja sehr wohl als eine Art Prognose angesehen werden. Und Meinungsumfragen haben sehr wohl ebenfalls einen Einfluss auf die Ereignisse, welche in diesen Umfragen angesprochen werden.

 

Der Umstand, dass z. B. in einer Meinungsumfrage die wirtschaftliche Entwicklung angesprochen wird und eine Wachstumsschwäche produziert wird, kann selbst wiederum die Kräfte, welche auf eine Reduzierung des Wachstums hindeuten, verstärken und damit die Wahrscheinlichkeit eines Umbruchs vergrößern.

 

Wenn Unternehmer eine allgemeine Abschwächung der Konjunktur befürchten, so werden sie sehr wohl auch mit ihren eigenen Investitionen zurückhaltend sein, also weniger als bisher geplant investieren oder zumindest mit der Durchsetzung von Investitionen abwarten, denn bei einem generellen Konjunktureinbruch muss damit gerechnet werden, dass auch die Nachfrage nach den eigenen Produkten zurückgeht.

 

In diesem Falle hat sich also die Meinungsumfrage wie eine sich selbstbestätigende Prognose ausgewirkt und die befürchtete Wirkung überhaupt erst ausgelöst. Selbst dann, wenn auch ohne Prognose ein Konjunktureinbruch eingetreten wäre, hätte die Prognose trotzdem diesen Umbruch verschärft und somit im Endergebnis Schaden hervorgerufen.

 

Wir kommen also zu dem Ergebnis, dass von Meinungsumfragen in der Bevölkerung teils positive, teils negative Wirkungen ausgehen können. Es bedarf deshalb einer genauen Analyse, unter welchen Bedingungen positive und unter welchen anderen Bedingungen negative Auswirkungen auf das Allgemeinwohl zu erwarten sind. Hierbei haben wir uns weiterhin zu fragen, unter welchen Bedingungen denn Meinungsumfragen überhaupt in der Lage sind, die wahren Meinungen der Befragten offenzulegen.

 

Es besteht stets die Gefahr, dass entweder die Befragungsergebnisse nicht repräsentativ sind, also zwar die Meinung der Befragten korrekt wiedergeben, aber trotzdem kein korrektes Abbild der Bevölkerung darstellen, weil die Mehrheit der Bevölkerung ganz andere Meinungen als die Befragten haben.

 

Oder aber es besteht die weitere Gefahr, dass zwar die befragten Personen sehr wohl die allgemeine Meinung der gesamten Bevölkerung korrekt wiedergeben, dass aber die geäußerten Meinungen gar nicht die wirklichen Auffassungen der Befragten widerspiegeln.

 

 

2. Voraussetzungen einer Meinungsumfrage

 

Beginnen wir mit der Frage, welche Voraussetzungen denn erfüllt sein müssen, damit man davon ausgehen kann, dass eine Meinungsumfrage auch die Meinung der gesamten Bevölkerung wiedergibt.

 

Wir haben ja davon auszugehen, dass eine Umfrage immer nur einen Ausschnitt, ja sogar nur einen sehr kleinen Ausschnitt der gesamten Bevölkerung ausmacht. Wie ist es hier überhaupt möglich, trotzdem davon auszugehen, dass das Ergebnis der Umfrage die Meinung der gesamten Bevölkerung wiedergibt?

 

Im Grunde gibt es zwei unterschiedliche Ansätze einer Meinungsumfrage. Man kann erstens von einer Theorie ausgehen, welche die wichtigsten Bestimmungsgründe für eine Meinung auflistet. So könnte man z. B. bei einer Meinungsumfrage über das Verhalten der Wähler davon ausgehen, dass das Wahlverhalten insbesondere davon abhängt, welcher Konfession der Befragte angehört und ob er im Beruf unselbstständig oder selbstständig ist.

 

Für den Fall, dass diese These der Wahrheit entspricht (sie tut es natürlich nicht) müsste man bei einer Wahlumfrage einfach überprüfen, wie stark die einzelnen Konfessionen sind und wie viel Bürger selbstständig und wie viel unselbstständig sind.

 

Wendet man diese erste Art der Umfrage an, kann das Ergebnis falsch werden, wenn man erstens von einer falschen Theorie über das Wahlverhalten der Bürger ausgeht oder zweitens dann, wenn die Zusammensetzung des befragten Samples nicht genau der Zusammensetzung der gesamten Population entspricht.

 

Dieses Verfahren wird heutzutage bei Meinungsumfragen kaum mehr angewandt und dies hat zwei verschiedene Gründe. Auf der einen Seite sind die bekannten Verhaltenstheorien ohnehin nicht so einfach, dass das Verhalten z. B. bei der Wahl nur von wenigen Bestimmungsgründen abhängt.

 

Zum andern muss man jedoch auch davon ausgehen, dass wir in einer schnelllebigen Welt leben, in der sich die äußeren Umstände sehr schnell verändern, sodass selbst dann, wenn eine solche Theorie über das Wahlverhalten bei den letzten Wahlen noch gültig war, diese Theorien nun heute vermutlich nicht mehr der Wirklichkeit entsprechen.

 

Man wählt aus diesen Gründen heutzutage zumeist eine andere Methode der Meinungsumfrage. Danach bildet man aus der Gesamtbevölkerung ein Sample, das vollkommen willkürlich gezogen wurde, die Ergebnisse entsprechen jedoch trotzdem der Gesamtpopulation, wenn man nur das Sample groß genug wählt.

 

Es lässt sich nämlich nachweisen: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Meinung der befragten Personen dieses Samples der Meinung der Gesamtpopulation übereinstimmt, ist um so größer ist, je größer das Sampel gewählt wurde. Wenn also das Sampel nur groß genug gewählt wurde, kann man eine Wahrscheinlichkeit, dass die Umfrage auch die Meinung der gesamten Bevölkerung widerspiegelt, bis auf sagen wir 97% steigern.

 

Aber auch für diese Methode gilt, dass diese Art der Meinungsumfrage nur dann befriedigende Ergebnisse aufweist, wenn folgende zwei Voraussetzungen erfüllt sind. Eine Meinungsumfrage dieser Art kann zu falschen Ergebnissen führen, wenn das Sample zu gering gewählt wurde und diese Voraussetzung wird oftmals nicht erfüllt, weil die Erhebungskosten bei einer ausreichenden Zahl von Befragungen zu hoch wäre.

 

Zweitens können bei dieser Art von Befragung die Ergebnisse falsch ausfallen, weil die Befragten nicht zufällig ausgewählt wurden. Hierbei kann es durchaus vorkommen, dass dem äußeren Anschein nach die Befragten willkürlich ausgewählt wurden und trotzdem die Anforderung einer zufälligen Auswahl verletzt wurde.

 

Nehmen wir den Fall, dass die Befragten willkürlich aus dem Adressbuch ausgewählt wurden, das aber die Befragung per Telefon durchgeführt wurde und dass die Befragten jeweils zur Tageszeit zuhause in ihrer Wohnung angerufen wurden.

 

Da sich normale Erwerbspersonen unter der Woche zur Tageszeit am Arbeitsplatz und somit gerade nicht zuhause aufhalten, spiegeln die tatsächlich erreichten Befragten nicht mehr eine willkürliche Auswahl dar, die Gruppe der Alten und der Arbeitslosen überwiegt und eine solche Vorgehensweise führt deshalb zu verfälschten Ergebnissen, da man davon ausgehen muss, dass Arbeitslose und auch ältere Menschen im Durchschnitt nach anderen Kriterien als die Allgemeinheit ihre Meinungen bilden.

 

 

3. Die Meinung der Befragten

 

Bei unseren bisherigen Überlegungen gingen wir stillschweigend davon aus, dass die von den Befragten geäußerten Meinungen auch wirklich deren Auffassungen widerspiegeln. Aber diese Annahme entspricht aus mehreren Gründen nicht der Wirklichkeit.

 

Als erstes muss damit gerechnet werden, dass viele Befragte eher die Meinung äußern, von der sie ausgehen, dass man diese Haltung von ihnen erwartet, als dass sie ihre wahre Überzeugung kund tun.

 

Dies gilt vor allem für Fragen, welche einen hohen moralischen Anspruch aufweisen. Man weiß vielleicht, dass in der Öffentlichkeit ganz bestimmte Auffassungen vorherrschen, man will nicht auffallen, man will zu der Gruppe der Anderen dazugehören.

 

Natürlich hängt die Beantwortung dieser Fragen ganz entscheidend davon ab, auf welchem Wege die Meinungsumfragen durchgeführt werden. Dieser Einwand gilt vor allem bei Umfragen, bei denen die Befragenden die Befragten persönlich aufsuchen, etwas weniger bei Umfragen, welche mit Hilfe eines schriftlichen Fragebogens durchgeführt werden. Dieser Einwand gilt besonders dann, wenn die Fragen so formuliert werden, dass bereits eine ganz bestimmte Meinung erwartet wird. ‚Sie sind doch auch der Meinung, dass..‘ oder stimmen Sie der allgemeinen Auffassung zu, dass…‘

 

Oder aber ein Befragter kann sich über die Art der Frage so ärgern, dass er ganz bewusst eine Antwort gibt, welche gar nicht seiner inneren Überzeugung entspricht, er will dann bewusst provozieren.

 

Oder aber der Befragte ist mit einem bestimmten politischen Zustand höchst unzufrieden und will dann durch eine bewusst provokative Antwort den politisch Verantwortlichen einen Denkzettel verpassen, gibt also z. B. an, dass er – der bisher eine ganz bestimmte  Partei gewählt hatte –, nun zu einer anderen, nämlich zu radikalen Partei überwechsle. Im Grunde ist er gar nicht gewillt, diesen Wandel bei der nächsten Wahl zu vollziehen, wie gesagt, er möchte mit seiner Äußerung bestimmten Politikern nur einen Denkzettel verpassen.

 

Zweitens kann man nur dann eine ehrliche Antwort erwarten, wenn der Befragte überhaupt zu der gestellten Frage eine Meinung hat. Oftmals sind die politischen Probleme so kompliziert, dass allenfalls Sachverständige eine korrekte Antwort geben könnten.

 

Wir leben in einer repräsentativen Demokratie. Diese unterscheidet sich von der direkten Demokratie darin, dass das Volk lediglich Repräsentanten wählt und diese dann die eigentlichen Probleme entscheiden. Das Mitwirkungsrecht der Bürger besteht dann allein darin, dass sie bei den einzelnen Wahlen zu den Parlamenten darüber befinden müssen, ob sie mit den bisherigen Leistungen der regierenden Parteien zufrieden sind und welche Wahlprogramme ihren eigenen Vorstellungen am besten entsprechen.

 

Es gehört also zu den Eigenarten einer repräsentativen Demokratie, dass die Bürger eben gerade nicht die einzelnen Sachentscheidungen zu fällen haben, sie geben mit ihrer Stimme lediglich die große Richtung an, welche sie bevorzugen.

 

Es gibt nun auch gute Gründe dafür, dass sich die Staaten der westlichen Welt für eine repräsentative und damit gegen eine direkte Demokratie entschieden haben. Die Rechtfertigung für diese Entscheidung liegt einmal darin, dass die auf staatlicher Ebene zu lösenden Probleme so komplex geworden sind, dass eine sachgerechte Lösung stets Sachkenntnisse voraussetzt, welche ein normaler Bürger im Allgemeinen nicht aufweist und auch nicht aufweisen kann.

 

Nicht dass behauptet wird, die einzelnen Bürger verfügten überhaupt über kein Sachwissen. Es wird lediglich festgestellt, dass ein normaler Bürger nicht über das Sachwissen verfügt, das zu einer sachgerechten Lösung der anstehenden politischen Probleme notwendig ist.

 

Die Bürger verfügen sehr wohl im Allgemeinen über Sachwissen für die Fragen, welche sie in unserer Gesellschaft lösen müssen, der Arbeitnehmer über das Sachwissen, das zur Verrichtung seiner Aufgaben im Betrieb notwendig ist, die Hausfrau oder auch der Hausmann über die Kenntnisse, welche für eine sachgerechte Lösung der Probleme in der eigenen Wohnung notwendig sind.

 

Zum andern bringt es die Komplexität der anstehenden politischen Fragen mit sich, dass zur Lösung dieser Fragen Zeit, sehr viel Zeit,  benötigt wird. Und dies wiederum hat zur Folge, dass der normale Bürger gar nicht über die Zeit verfügt, welche notwendig ist, um politische Probleme sachgerecht zu lösen, da er in aller Regel einer geregelten Erwerbsarbeit nachgeht.

 

 

4. Die Struktur der gestellten Fragen

 

Bei unseren bisherigen Überlegungen gingen wir weiterhin von der stillschweigenden Annahme aus, die in den Umfragen gestellten Fragen seien eindeutig zu beantworten. Dies ist keinesfalls gegeben. Ganz im Gegenteil haben wir davon auszugehen, dass das in Frage stehende Problem zumeist recht komplex ist und gerade aus diesen Gründen gar nicht mit einem einfachen ‚ja‘ oder ‚nein‘ beantwortet werden kann.

 

Ich habe in der Vergangenheit wiederholt an Meinungsumfragen teilgenommen und mir ging es sehr oft so, dass ich dachte, dass man so diese Frage nicht eindeutig mit einem klaren ‚ja‘ oder ‘nein‘ beantworten kann, dass vielmehr zumeist ein ‚ja, aber‘ oder ein ‚nein, jedoch‘ die richtige Antwort gewesen wäre, dass aber der zu beantwortende Fragebogen eine solche einschränkende Antwort gar nicht zuließ. Und dies wohl bemerkt, obwohl ich mich sehr wohl bei der Beantwortung der einzelnen angesprochenen Themen als Sachverständiger verstehen konnte.

 

Auch war ich oftmals einige Zeit später, als der Fragebogen abgeschickt worden war, mir gar nicht mehr darüber im Klaren, ob ich statt eines ‚Ja‘ nicht doch eher ein ‚Nein‘ hätte nennen sollen.

 

Der Grund für diese Zweifel bestand hierbei keineswegs darin, dass ich über den in der Meinungsbefragung angesprochenen Themenbereich nicht ausreichend Bescheid wusste. Ganz im Gegenteil kamen mir diese nachträglichen Bedenken vor allem in den Fällen, in denen Fragen angesprochen worden waren, welche zu meinem engeren Sachgebiet zählten.

 

Diese Schwierigkeiten hängen damit zusammen, dass die empirisch nachgewiesenen Zusammenhänge in aller Regel nicht so einfach sind, dass ein Ereignis y stets ein Ereignis x auslöst. Die tatsächlich nachgewiesenen Zusammenhänge folgen vielmehr zumeist einem Muster, wonach ein Ereignis x dann eintritt, wenn auf der einen Seite ein anderes Ereignis y zuvor eingetreten war und wenn auf der anderen Seite zusätzlich ein Satz weiterer Bedingungen w1 bis wn gegeben war und vielleicht sogar ein weiterer Satz von Bedingungen v1 bis vm gerade nicht gegeben war.

 

In gleicher Weise haben politische Maßnahmen fast immer nicht nur Einfluss auf die Variable, welche man beeinflussen möchte. Sie wirken sich vielmehr oftmals negativ auf andere, ebenso wichtige Ziele der Politik aus. So muss oftmals damit gerechnet werden, dass eine Politik zur Erhaltung von Vollbeschäftigung z. B. im Braunkohlebereich gleichzeitig die Umwelt belastet und damit die Umweltziele beeinträchtigt.

 

 

5. Bestimmungsgründe der Meinungen

 

Nachdem wir uns in den vorherigen Abschnitten mit der Frage befasst haben, inwieweit die in Meinungsumfragen geäußerten Auffassungen tatsächlich die Meinungen der Befragten und natürlich auch der gesamten Population widerspiegeln, wollen wir uns im folgenden Abschnitt mit der Frage befassen, was denn die Meinungen der Befragten bestimmt.

 

Bei einer oberflächlichen Betrachtung könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Bestimmungsgründe der Bevölkerung für diese Auffassungen zweitrangig sei, einzige Aufgabe einer Meinungsumfrage sei, die wahre Meinung der Bevölkerung zu bestimmten Themen zu erfahren.

 

Aber ein solcher Schluss würde zu kurz greifen. Natürlich können wir davon ausgehen, dass in einer Demokratie die Aufgabe der Politiker darin besteht, die Nöte der Bevölkerung zu erkennen und Maßnahmen zu beschließen, diese Nöte soweit wie nur möglich zu beseitigen oder zumindest zu verringern.

 

Und um diese Aufgabe sachgerecht zu erfüllen, ist es nun einmal erforderlich, dass die Politiker auch darin unterrichtet werden, die wahren Meinungen der Wähler zu erfahren. Genau diese Aufgabe sollen doch unter anderem die Meinungsumfragen erfüllen.

 

Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es nicht darum gehen kann, die Meinungen der Bevölkerung eins zu eins umzusetzen. Wesentlicher Bestandteil einer Demokratie ist darüber hinaus die Beachtung der in der Verfassung eines Landes niedergelegten Menschenrechte.

 

Es kann und darf z. B. nicht erlaubt sein, Menschenrechte zu verletzen, mag noch so sehr eine Mehrheit der Bevölkerung eine solche Verletzung für richtig halten und deshalb diese Verletzungen von den Politikern fordern.

 

Darüber hinaus ist jeder Staat Mitglied der gesamten Weltbevölkerung und für ein friedliches Miteinander der Staaten ist es nun einmal notwendig, dass auch die Staaten untereinander in den Maßnahmen gegen andere Länder gewisse Grenzen anerkennen. Und dies gilt wiederum unabhängig davon, ob eine Mehrheit der Bevölkerung diese Grundsätze akzeptiert.

 

Mit anderen Worten reicht es für eine befriedigende Politik nicht aus, wenn die Politiker nur den Wählern ins Maul schauen und deren Willen rücksichtlos gegenüber Verfassung und allgemeinen Menschenrechten auszuführen versuchen. Sie haben stets die Grundsätze der Verfassung und der Menschenrechte zu beachten.

 

Und wenn weite Teile der Bevölkerung dazu neigen, Auffassungen und Wünsche zu hegen, welche eindeutig verfassungswidrig sind, so ist es nicht nur Aufgabe der Politiker, diese Wünsche zu negieren, sondern auch darauf hinzuwirken, dass menschenrechtfeindliche Meinungen bekämpft werden.

 

Ein demokratischer Politiker sollte sehr wohl dafür kämpfen, dass sich seine Auffassungen von Demokratie durchsetzen. Er sollte bemüht sein, irrige und demokratiefeindliche Auffassungen aktiv nicht nur durch rechtliche Verfolgung zu bekämpfen, sondern in erster Linie durch Überzeugungsarbeit irregeleitete Wähler aufzuklären.

 

Die Vorstellung, dass sich jeder einzelne Wähler vollständig –  ohne Beeinflussung anderer – seine Meinung über die politischen Ereignisse bildet, entspricht sicherlich nicht der Wirklichkeit. Wir hatten ja bereits darauf hingewiesen, dass die politischen Ereignisse heutzutage äußerst komplex sind, dass deshalb das Erkennen dieser Zusammenhänge Sachwissen voraussetzt und dass die Masse der Wähler sicherlich diese Art von Wissen nicht aufweist und auch nicht aufweisen kann.

 

Gerade diese Tatsache hat ja dazu geführt, dass in den meisten westlichen Staaten nicht die Form der direkten, sondern der repräsentativen Demokratie vorherrscht, in der eben nicht die Wähler, sondern die von der Bevölkerung in allgemeinen Wahlen bestimmten Politiker die politischen Geschehnisse zu entscheiden haben.

 

Es ist Aufgabe der Medien, die Allgemeinheit über die politischen Geschehnisse zu unterrichten und es nimmt deshalb auch nicht wunder, dass die Bürger ihr Wissen über die politischen Ereignisse von den öffentlichen Medien erhalten.

 

Etwas zugespitzt wurde dann auch schon sehr früh in der Vergangenheit behauptet, dass wenn man die Meinung eines Bürgers erkunden wolle, man lediglich wissen müsse, welche Zeitung er liest, denn seine Meinung über öffentliche Ereignisse habe er sich dadurch gebildet, dass er eben die in diesen Medien behaupteten Meinungen einfach übernehme.

 

Nun ganz so einfach sind die die hier zur Diskussion stehenden Zusammenhänge nicht. Wir wissen nämlich auch, dass der einzelne Zeitungsleser vorwiegend nur die Dinge liest, die er lesen möchte und dass er deshalb Nachrichten, welche seiner Grundauffassung zuwiderlaufen, geflissentlich übersieht.

 

Aber auch dann, wenn diese zweite Behauptung der Wirklichkeit entspricht, bleibt bestehen, dass es die öffentlichen Medien waren, welche diese Grundüberzeugungen geprägt haben.

 

Gegenüber früheren Zeiten hat sich jedoch in dieser Frage einwesentlicher Unterschied entwickelt. Während in der Zeit, in der diese beiden Behauptungen entstanden sind, lediglich die Zeitungen und der Rundfunk zu den öffentlichen Medien gehörten, wurden diese Medien in den letzten Jahrzehnten zunächst vom Fernsehen und später vom Internet sowie von den sozialen Medien wie Twitter oder Facebook in beachtlichem Maße verdrängt. Zeitungen und die Rundfunkanstalten sowie das Fernsehen sind nicht mehr die einzigen und oftmals auch nicht mehr wichtigsten Medien, welche die Meinungen der Bürger prägen.

 

Und diese Entwicklung in den letzten Jahren hat nun dazu geführt, dass die Bürger keineswegs mehr immer objektiv über die politischen Geschehnisse unterrichtet werden und deshalb auch oftmals nicht mehr in der Lage sind, sich ein objektives Bild über die politischen Geschehnisse zu bilden.

 

Allerdings tragen auch die traditionellen öffentlichen Medien (Zeitung und Rundfunkanstalten) ein gerüttelt Maß dazu bei, dass ihre Zuschauer/Leser nicht mehr immer objektiv unterrichtet werden. Vor allem zwei Faktoren sind hierfür verantwortlich.

 

Erstens gehört es zu den wichtigsten Grundregeln des Journalismus, dass stets zwischen Darstellung der Informationen und deren Bewertung unterschieden wird. Die Darstellung der Informationen gehört in den Nachrichtenteil, die Bewertung in den Kommentar.

 

Obwohl die öffentlichen Medien stets zwischen diesen beiden Rubriken unterscheiden, schleichen sich immer wieder versteckte Bewertungen in den Nachrichtenteil. So stellt die Behauptung eines Skandals sicherlich kein Faktum, sondern die abfällige Bewertung eines Faktums dar und hat deshalb nichts im Nachrichtenteil verloren. Nachrichten sollten sich nach Möglichkeit jeder Bewertung enthalten.

 

Viel wichtiger ist jedoch ein zweiter Umstand. Auch im Nachrichtenteil werden Bewertungen deshalb immer notwendig, weil einfach nicht genügend Platz oder Zeit übrig bleibt, um über restlos alle Ereignisse ausführlich zu berichten. Es bleibt den Journalisten gar nichts anderes übrig als zu bewerten, welche Nachrichten als so wichtig angesehen, also bewertet werden, dass über sie an vorderster Stelle berichtet wird und welche anderen Geschehnisse deshalb hintangestellt werden, über die dann auch gar nicht oder nur an hinterer Stelle berichtet wird.

 

Und in diesem Zusammenhang muss festgestellt werden, dass in der Vergangenheit über bestimmte Krisenerscheinungen so ausführlich berichtet wurde, dass andere, genauso wichtige Themen in den Hintergrund traten und große Teile der Bevölkerung zu dem Schluss kamen, dass die Öffentlichkeit und auch die Politik gar nicht mehr auf ihre eigenen, sie brennend interessierenden Fragen eingehe.

 

Und dieser Eindruck setzt sich in den Köpfen vieler Bürger fest, obwohl objektiv betrachtet die Leistungen der Politik an die Bürger überhaupt nicht z. B. wegen des Flüchtlingsstromes gekürzt wurden. So ist z. B. die Zahl der Arbeitslosen in dieser Zeit trotz des starken Zuwachses an Flüchtlingen nicht angestiegen, sondern sogar zurückgegangen.

 

Bisweilen entsteht auch aufgrund der Art der Darstellung in den Köpfen der Betrachtenden ein falsches Bild. Man kann z. B. einen aus 200 bestehenden Flüchtlingsstrom so ins Bild bringen, dass der gesamte Bildschirm ausgefüllt wird und für den Betrachter der Eindruck entsteht, von den Ereignissen erdrückt worden zu sein, obwohl objektiv betrachtet die Zahl von 200 Flüchtlingen bei etwas mehr als 80 Millionen Bürger nur 0,00000250 %  ausmacht.

 

Aber trotzdem entsteht die weitaus größere Gefahr einer Verfälschung der Wirklichkeit durch die sozialen Medien wie Facebook oder Twitter. Während man für den größten Teil der in den Zeitungen und Fernsehanstalten tätigen Journalisten davon ausgehen kann, dass sie  bemüht sind, ihre Nachrichten korrekt zu recherchieren und objektiv darzustellen, tummeln sich im Internet und in den sozialen Medien (Twitter, Facebook u.a.) eine Vielzahl von Personen, welche nur ihre nicht bewiesenen Vorurteile wiederkäuen und sogar bewusst verfälschen.

 

Es kommt noch hinzu, dass sich die Nachrichten in den neuen Medien (im Internet und in den sozialen Medien) sehr viel schneller verbreiten als in den traditionellen Medien. Bis die Nachrichten gesendet werden und von den Bürgern aufgenommen werden können, entsteht zumeist eine Frist von mehreren Stunden. Und es sind dann immer nur wenige Zeitungen oder Fernsehanstalten, welche diese Nachrichten verbreiten, ganz davon abgesehen dass sich der einzelne Bürger zumeist auf eine einzige Nachrichtenquelle beschränkt.

 

In den sozialen Medien verbreiten sich Informationen in Sekunden und in einem geradezu erdrückenden Umfang. Und so entsteht bei vielen Bürgern der Eindruck, Nachrichten, welche tausend- und millionenfach mit gleichem Inhalt geäußert werden, können nicht falsch sein, da sich doch Millionen Menschen gar nicht irren können.

 

In Wirklichkeit entbehrt diese Meinung jeder objektiven Beurteilung. Selbstverständlich können sich auch Millionen Menschen irren. So ging im Altertum fast die gesamte Menschheit davon aus, dass sich die Sonne um die Erde drehe, obwohl dies eindeutig falsch war.

 

Es kommt noch hinzu, dass das Auftauchen einer gleichen Information in tausend und abertausend Konten der Medien in Wirklichkeit nur von einer oder von ganz wenigen Personen formuliert wurde und nur wegen der Art der Verbreitung den Anschein erweckt, dass diese Informationen von mehreren Personen vorgetragen wurden. Bisweilen werden solche Meldungen sogar von Programmen produziert, sodass hinter der konkreten Information noch nicht einmal eine einzige Person steht.

 

Versuchen wir aus diesen Erkenntnissen Schlussfolgerungen über die Bedeutung von Meinungsumfragen zu ziehen. Wenn es richtig ist, dass das Gros der Wähler einfach die Meinung der Medienmacher übernimmt und in Meinungsumfragen als ihre eigene Meinung ausgibt, wäre es ja sehr viel einfacher und vor allem auch billiger dann, wenn man erfahren will, was die Bevölkerung denkt und welche Ziele sie verfolgt, die Verlautbarungen dieser Medienmacher zu erfragen, es würde dann ausreichen, wenn man wüsste, welcher Meinungsmacher welche Bevölkerungsgruppe in der Meinungsbildung prägt.

 

Man könnte davon ausgehen, dass diese Abhängigkeiten im Zeitablauf weitgehend stabil sind, sodass also auch nur sehr selten überprüft werden müsste, ob sich diese Abhängigkeiten verändert haben.

 

Trotzdem scheint es mir immer noch wichtig zu sein, die Meinung der Bevölkerung zu erfragen. Wir hatten oben bereits gesehen, dass wir nicht davon ausgehn können, dass der Zeitungsleser (der Fernsehzuschauer etc.) die Meinungen der Meinungsmacher hundertprozentig übernimmt.

 

In diesem Falle wäre es Aufgabe der Politiker, diese falschen Vorstellungen zu bekämpfen und die Bevölkerung über die tatsächlichen Zusammenhänge zu unterrichten. Damit die Politiker auch in der Lage sind, diese Aufgabe zu erfüllen, bedürfen sie der Kenntnis, inwieweit ihnen diese Aufgabe bereits gelungen ist und inwieweit die Wähler immer noch von den Fake News einiger Medienmacher im Internet und in den sozialen Medien überzeugt sind.

 

 

6. Sekundärwirkungen von Umfragen

 

Bei unseren bisherigen Überlegungen bezogen wir uns vor allem auf die Frage, inwieweit denn die Meinungsumfragen überhaupt in der Lage sind, die Meinungen der Befragten korrekt wiederzugeben und ob unter Umständen die Befragten lediglich die Meinung der Meinungsmacher widerspiegeln. Das Urteil über die Erwünschtheit häufiger Meinungsumfragen hängt jedoch darüber hinaus auch davon ab, welchen Einfluss Meinungsumfragen auf die Geschehnisse haben, über welche die Meinungen der Befragten erfragt werden.

 

Und wir haben bereits gesehen, dass im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften schon sehr früh darauf hingewiesen wurde, dass Prognosen – und Meinungsumfragen stellen sehr oft Prognosen dar – die Eigenschaften haben, sich teilweise selbst zu bestätigen, teilweise aber auch zu widerlegen.

 

Unsere Darlegungen haben gezeigt, dass diese Eigenschaft einer Prognose teilweise erwünschte, teilweise aber auch höchst unerwünschte Wirkungen hervorruft. Wenn die Ankündigung einer Inflation dazu führt, dass die Inflation noch stärker ausfällt, dass sie also das, was sie prognostiziert, zum Teil selbst hervorruft, dann ist dies ein höchst unerwünschtes Ergebnis. Es wäre besser gewesen, man hätte auf diese Prognose verzichtet.

 

Wenn aber umgekehrt die Prognose dazu beiträgt, dass ein an und für sich unerwünschtes Ereignis gar nicht in dem prognostizierten Umfang eintritt, dann ist dieser Umstand erwünscht und man kann die Prognose selbst als ein Mittel der Politik einsetzen.

 

Wir wollen uns deshalb auf die Frage, welche Wirkungen denn von Meinungsumfragen ausgehen und wie diese Wirkungen zu beurteilen sind, noch etwas ausführlicher eingehen. Dass solche selbstbetätigenden und selbstwiderlegenden Wirkungen auch schon bisher befürchtet wurden, geht schon daraus hervor, dass Meinungsumfragen über das Wählerverhalten nicht unmittelbar vor Wahlen durchgeführt werden. Man befürchtet, dass in diesem Falle das Wählerverhalten beeinflusst werde und gerade deshalb nicht mehr die wahre Meinung der Wähler widerspiegele.

 

Natürlich ist es Sache jedes einzelnen, seine Meinung zu ändern, wenn die Meinungsmacher ihre Umfragen bekannt geben und danach sich die Meinung der Allgemeinheit verändert hat. Trotzdem müssen wir davon ausgehen, dass von solchen Prognosen ein starker Druck ausgeht, sich dieser Meinung der anderen anzuschließen.

 

Auf der einen Seite ist – wie bereits erwähnt – die falsche Meinung, dass sich Tausende und Abertausende Menschen nicht irren könnten, weit verbreitet.

 

Auf der anderen Seite haben wir bereits darauf hingewiesen, dass es sich bei den meisten Umfragen um Themenbereiche handelt, deren Beantwortung Fachwissen voraussetzt, welches das allgemeine Volk gar nicht haben kann und dass gerade deshalb die angebliche Meinung der Mehrheit der Bevölkerung ungesehen übernommen wird.

 

Nun ist jedoch der Spruch, dass sich so viele Menschen gar nicht irren können, sicherlich falsch. Erstens wissen wir aus der Geschichte, dass sich die gesamte Menschheit sehr wohl irren kann, weil sie von falschen Annahmen ausgeht. Wie bereits oben erwähnt nahm im  Altertum lange Zeit nahezu die gesamte Menschheit an, dass sich die Sonne um die Erde drehe, heute wissen wir es besser, dass nämlich die Erde wie die anderen Planeten um die Sonne kreist.

 

Zweitens sind die Ergebnisse der Meinungsumfragen ja nicht die geäußerte Meinung der gesamten Bevölkerung, sondern eines kleinen Ausschnittes der Bevölkerung. Man unterstellt nur, dass die Befragten einen repräsentativen Ausschnitt aus der Bevölkerung darstellen und die Behauptung, dass dieser Ausschnitt tatsächlich die Meinung der gesamten Population darstellt, ist ja nur – wie wir gesehen haben  – gültig, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Und diese Voraussetzungen sind keineswegs immer gegeben.

 

Drittens haben wir gesehen: Selbst für die Befragten gilt, dass ihre Meinung weitgehend von einigen Meinungsmachern abhängt, sodass im Endergebnis die Meinungsumfrage sehr oft nur  die Meinung einiger weniger wiedergibt. Aber warum sollten die Politiker dieser Meinung Einzelner folgen, wenn sie davon überzeugt sind, dass sie nicht der Wahrheit entspricht?