In den öffentlichen Medien erfahren wir – vor allem kurz vor den Bundestagswahlen über die Kompetenz unserer Parteien. So heißt es, dass die Grünen für den Umweltschutz, die SPD für soziale Angelegenheiten und die CDU für wirtschaftliches Wachstum kompetent seien. Aber stimmt das wirklich und woran wird denn gemessen, ob eine Partei als kompetent zu gelten hat?
Im allgemeinen Sprachgebrauch spricht man dann von Kompetenz, wenn der Angesprochene das zur Lösung eines Problems notwendige Wissen beherrscht und auch in der Lage ist, dieses Wissen umzusetzen und damit eine Lösung der vorliegenden Probleme herbeizuführen.
In der Öffentlichkeit werden hingegen Parteien und Politiker bereits dann als kompetent bezeichnet, wenn sie in dem zur Diskussion stehenden Problemfeld Ziele formulieren. So ist sicherlich unbestritten, dass die Grünen den Umweltschutz schon von jeher an zu dem wichtigsten Grundziel ihrer Politik gemacht haben und die SPD hat schon immer das Ziel verfolgt, die wirtschaftliche und soziale Lage der Arbeitnehmer zu verbessern und Armut zu bekämpfen.
Aber sicherlich reicht es nicht aus, bestimmte Ziele zu formulieren, um bereits deshalb als kompetent bezeichnet zu werden. Ob ein Politiker als kompetent gilt, kann sicherlich erst überprüft werden, wenn er Regierungsverantwortung übernommen hat und unter Beweis gestellt hat, dass er auch in der Lage ist, seine Zielsetzungen umzusetzen.
Den Grünen wurde aber bereits zu einer Zeit Kompetenz in Umweltfragen zugesprochen, in denen sie noch gar keine Regierungsverantwortung übernommen hatten. Und dort, wo es den Grünen gelang, Regierungsverantwortung zu übernehmen, waren die Ziele, welche tastsächlich umgesetzt wurden, wesentlich moderater. Auch kann man nicht davon sprechen, dass sie die Verwirklichung dieser Ziele weit besser realisieren konnten als die übrigen Parteien.
Kompetenz im politischen Bereich bedeutet dreierlei: Zunächst kommt es auf die technische Kompetenz im engeren Sinne an. Bei umweltpolitischen Fragen besteht z. B. die technische Kompetenz in dem naturwissenschaftlichen Wissen, welche Bestimmungsgründe letztlich die Umweltschäden verursacht haben und welche Veränderungen notwendig sind, um diese Umweltschäden zu verhindern bzw. abzuschwächen.
Von politischer Kompetenz im engeren Sinne spricht man dann, wenn es einem Politiker gelingt, in Fragen, in denen zunächst einmal unterschiedliche Meinungen bestehen, einen Kompromiss zu finden, dem zumindest soviel Beteiligte zustimmen können, dass sich eine Mehrheit für die gefundene Kompromissformel findet.
Darüber hinaus ist jedoch im politischen Bereich auch eine wirtschaftliche Kompetenz angesprochen, welche zur Lösung politischer Probleme genauso wichtig ist, wie die politische Kompetenz im engeren Sinne.
So stellen die meisten umwelt- und sozialpolitischen Maßnahmen Eingriffe in das Wirtschaftssystem dar. Und ob eine bestimmte Maßnahme auch tatsächlich zum Erfolg führt und welche unerwünschten Nebenwirkungen zu erwarten sind, hängt ganz entscheidend vom Wirken des wirtschaftlichen Systems ab.
Bringen wir ein Beispiel. Die Politiker – so wollen wir unterstellen – wollten die Einkommensverteilung zu Lasten der Unternehmer und zugunsten der Arbeitnehmer verändern. Sie beschließen hierzu eine Steuer, welche von den Unternehmungen zu zahlen ist. Auch wenn wir von der Möglichkeit absehen, dass Unternehmungen unter Umständen Steuern hinterziehen oder sogar auch legal umgehen können, ist es zunächst keinesfalls sicher, dass sich aufgrund dieser Maßnahme die Einkommensverteilung zu Lasten der Unternehmer auch tatsächlich verändert.
Der Grund für diese Unsicherheit liegt darin, dass wir zwischen Steuerzahler und Steuerträger unterscheiden müssen. Als Steuerzahler gilt derjenige, welcher die Steuer an den Fiskus entrichten muss. Dies ist in unserem Beispiel der Unternehmer. Als Steuerträger hingegen wird derjenige bezeichnet, dessen Einkommens- und Vermögensstatus sich aufgrund dieser Besteuerung verschlechtert, wer also letzten Endes die Steuer tragen muss.
Steuerzahler und Steuerträger fallen keinesfalls zusammen. Oftmals hat der Steuerzahler die Möglichkeit, die Steuerlast an die Marktpartner weiterzuwälzen. Bisweilen sieht sogar der Staat diese Möglichkeit eigens vor, so wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass Verbrauchssteuern an diejenigen, welche das besteuerte Gut nachfragen, weitergegeben werden. Eine Tabaksteuer verfolgt zumeist das Ziel, den Tabakkonsum einzuschränken und diese Einschränkung kann gerade dann erwartet werden, wenn der Preis für Tabak ansteigt.
Aber ob es in der Absicht des Gesetzgebers liegt, dass eine Steuerüberwälzung stattfindet, ist im Allgemeinen nicht dafür verantwortlich, ob und in welchem Umfang eine Steuerüberwälzung gelingt. Unternehmer betrachten Steuern stets als Kosten und da sie mit ihrer Produktion Gewinne erzielen wollen, versuchen sie stets, Steuern wie alle Kosten auf den Preis aufzuschlagen.
Wieweit ihnen dies allerdings gelingt, hängt entscheidend vom Verhalten der Marktpartner ab, wobei dieses Verhalten an der Elastizität von Angebot und Nachfrage im Hinblick auf Preisänderungen gemessen wird.
Ist die Nachfrageelastizität gering, hat also der Nachfragende wenig Möglichkeiten, bei Preissteigerungen auf Alternativprodukte auszuweichen, hat der Anbieter auch die Möglichkeit, die Steuern auf den Preis weiterzuwälzen, ohne dass er große Absatzeinbußen befürchten muss. Umgekehrt gilt, dass bei hoher Nachfrageelastizität bereits geringfügige Preiserhöhungen zu einem starken Nachfragerückgang führen würden, sodass trotz Preissteigerungen keine Umsatzsteigerung zu erwarten wäre.
In gleicher Weise ist auch der Verlauf der Kostenkurven dafür verantwortlich, ob ein Unternehmer durch Überwälzung von Steuern auf den Preis seine Absatzsituation verbessern kann. Muss ein Unternehmer z. B. seine Waren bis zum Ende der Periode absetzen, da sie sonst verderben, so gelingt dem Unternehmer keine Preisüberwälzung. Die Nachfrager würden ja entsprechend der vorgegebenen Nachfragekurve nur dann eine Preissteigerung hinnehmen, wenn das Angebot reduziert würde. Dies ist jedoch in diesem Falle annahmegemäß unmöglich.
Generell gilt, dass Überwälzungen der Steuern im Allgemeinen dann gelingen, wenn alle Konkurrenten vor der gleichen Situation stehen. Wenn alle Unternehmer von einer gleichen Steuererhöhung betroffen sind, können sie diese Steuer auch überwälzen, ohne befürchten zu müssen, dass Kunden zur Konkurrenz abwandern. Auch die Konkurrenten werden die Steuern auf den Preis abwälzen, sodass kein Konsument davon profitieren würde, zu einem anderen Anbieter zu wechseln.
Ein Politiker wird also nur dann erfolgreich und damit kompetent im wirtschaftlichen Sinne sein, wenn er diese Überwälzungsmöglichkeiten vor Durchführung einer Steuererhöhung überprüft und nur solche Steuererhöhungen durchführt, welche keine oder nur geringe Steuerrüberwälzungen ermöglichen.
Nun sind die Zusammenhänge eines Wirtschaftssystems sehr komplex und es kann in diesem Falle nicht erwartet werden, dass jeder Politiker über dieses Wissen verfügt. Dies ist auch gar nicht notwendig. Es reicht im Allgemeinen aus, dass er vor einer Einführung einer wirtschaftspolitischen Maßnahme von Sachverständigen diese Zusammenhänge überprüfen lässt.
Allerdings hängt die Bereitschaft zu einer Ursachenanalyse vor einer politischen Maßnahme im Allgemeinen selbst davon ab, ob ein Politiker über gewisse Grundkenntnisse verfügt. Wer von wirtschaftswissenschaftlichen Fragen keinerlei Ahnung hat, neigt oft dazu, die Notwendigkeit solcher Analysen zu leugnen.
Über welche Kompetenzen eine Partei bzw. einzelne Politiker verfügen, wird oftmals in Meinungsumfragen eruiert. Nun sollte man eigentlich darüber einig sein, dass die Frage, ob eine bestimmte Person bzw. Partei in bestimmten Fragen als kompetent bezeichnet werden kann, nur von denjenigen beurteilt werden kann, welche in dieser Frage selbst Kompetenz besitzen.
Aber gerade diese Kompetenz kann im Hinblick auf politische und gesamtwirtschaftliche Fragen der allgemeine Wähler nicht aufweisen, viel zu komplex sind die gesellschaftlichen Verhältnisse, als dass sie ohne Spezialwissen beantwortet werden können. Und wenn Bürger Fragen beantworten sollen, welche so komplex sind, dass sie nur mit Fachwissen beantwortet werden können, werden sie mangels dieses Wissens eben das wiederholen, was ihnen in den öffentlichen Medien gesagt wurde. Aber auch die meisten Journalisten verfügen keineswegs immer über das Fachwissen, das zu einer sachgerechten Beurteilung notwendig wäre.
Unsere demokratische Gesellschaft, die repräsentative Demokratie, beruht gerade auf der Erkenntnis, dass der einzelne Wähler weder das spezielle Sachwissen noch die Zeit besitzt, welche zur Beantwortung dieser Fragen unabdingbar sind.
Gerade aus diesen Gründen beschränkt sich ja die Beteiligung der Bevölkerung an politischen Fragen darauf, dass sie im Abstand einiger Jahre die politischen Repräsentanten wählen, welchen dann die politischen Sachentscheidungen obliegen.
Aus diesen Gründen ist es auch nicht möglich, die Kompetenz der einzelnen Parteien durch Meinungsumfragen zu eruieren.
Dies heißt nicht, dass der Wähler überhaupt über kein Fachwissen verfügt. Ganz im Gegenteil: Nahezu jeder hat sich auf seinem Betätigungsfeld, aber eben nur dort, Spezialwissen angeeignet. Nur im Hinblick auf die gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Fragen verfügt der Wähler nicht von selbst über dieses Wissen und selbst dann, wenn er über ein solches Wissen verfügen würde, hätte er nicht die Zeit, die zu einer sachlichen Beurteilung dieser Fragen erforderlich ist, die einzelnen Bürger gehen normaler Weise einer Beschäftigung nach, die sie voll auslastet.
Paradoxerweise wird jedoch immer mehr der Versuch unternommen, den Bürgern gerade in den höchstpersönlichen Fragen die Entscheidung abzunehmen. So wird es z. B. für einen großen Sieg der Vernunft gefeiert, dass auf Verbrauchswaren Ampeln darüber unterrichten, ob diese Ware schädlich, bedenklich oder gesund ist. Diese Einrichtung setzt fälschlicher Weise voraus, dass alle Menschen im Hinblick auf die Verträglichkeit gleich sind, was nicht der Fall ist, es übersieht weiterhin, dass der Konsum einer Ware fast immer mehrere Ziele tangiert und dass nur der betroffene Konsument selbst entscheiden kann, wie hoch er die einzelnen Werte einschätzt und zu welcher Risikobereitschaft der Einzelne bereit ist.