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Klimaschutz über alles

 

 

Der Klimaschutz, so scheint es, hat Hochkonjunktur. Die Politiker versuchen sich mit Vorschlägen und Maßnahmen gegenseitig zu überbieten. Sie bezeugen der Friday-Bewegung Hochachtung und geben kund, dass der von dieser Bewegung ausgehende Druck notwendig gewesen sei.

 

Es scheint also alles in die richtige Richtung zu laufen, der Durchbruch scheint geglückt, wir scheinen noch einmal in letzter Minute davon gekommen zu sein.

 

Aber ist dies wirklich so, ist dies tatsächlich der Weg, der uns aus der Sackgasse herausführt? Ich habe aus dreierlei Gründen meine Zweifel.

 

Der erste Grund dafür, dass ich diesen Weg nicht für den richtigen halte, liegt darin, dass hier der Versuch gemacht wird, über Massenveranstaltungen Änderungen in der Klimapolitik zu erreichen.

 

Schon seit Gustav Le Bon, welcher 1895 sein Werk: die Psychologie der Massen veröffentlicht hatte und seither als Begründer der Massenpsychologie gilt, wissen wir, welche verheerenden Folgen von einem Agieren in den Massen ausgehen kann.

 

In Massenveranstaltungen  verliert der einzelne Mensch seine Selbstbestimmung. Fahnen werden geschwenkt, Transparente ausgebreitet und in Sprechchören Hasstiraden heruntergebetet.

 

Der Einzelne taucht in die Masse ein, er kann sich zwar  wohlfühlen, solange er den Auffassungen der Anderen folgt, wehe aber ihm, wenn er versucht, eigene Meinungen, welche den Auffassungen der Massen widersprechen, vorzutragen, er wird niedergeschrien und kann froh sein, wenn sich die Masse nicht handgreiflich gegen ihn wendet.

 

Massenveranstaltungen sind das Instrument der Populisten, welche zwar vorgeben, für die Demokratie zu sein, welche aber die Stimmen der Bevölkerung nur dazu benutzen, ihre eigenen Ziele durchzusetzen und ihre Machtposition zu festigen.

 

Das Schwenken der Fahnen soll die einzelnen zusammenschweißen, es kommt dann nicht mehr auf die unterschiedlichen Meinungen der Einzelnen an, in Zeiten der Not kommt es darauf an, zusammenzuhalten und der von den Führern dieser Bewegung vorgegebenen Auffassungen kritiklos zu folgen. Nur Meinungen, welche die Position der Anführer bestätigen, werden geduldet.

 

Kein Transparent ist groß genug, um den Kern der niedergeschriebenen Ziele korrekt zu umschreiben. Wir leben in einer sehr komplexen Gesellschaft. In keinem einzigen Fall handelt es sich um Ziele, welche keinen Einfluss auf andere, ebenfalls existentielle Ziele haben, jede wissenschaftlich haltbare These gilt immer unter einer Vielzahl von Nebenbedingungen, ohne welche die Ziele nicht erreicht werden können.

 

Kritiker dieser Forderungen bezweifeln zumeist gar nicht die Ziele, sondern teilen sie ebenfalls, nur sind sie der Auffassung, dass die vorgeschlagenen Mittel ungeeignet sind, entweder weil sie gar nicht die eigentlichen Ursachen der angeprangerten Missstände beseitigen oder weil gleichzeitig unerwünschte Nebenwirkungen auf andere Ziele der Politik zu befürchten sind.

 

Massenveranstaltungen bringen immer die Gefahr mit sich, dass sie in Gewalt und Randale ausarten. Es beginnt damit, dass Hasstiraden ertönen, in denen Gegner der Bewegung verunglimpft werden. Schnell sind einige Radikale, welche sich unter die friedfertig agierenden Teilnehmer mischen zur Stelle und greifen die Polizisten an, welche vielleicht sogar mit den Zielen dieser Bewegung sympathisieren, eben nur den Auftrag haben, Krawalle zu unterbinden.

 

Solche Entgleisungen finden unabhängig davon statt, ob die Veranstalter dieser Bewegung Gewaltausschreitungen wünschen oder sich ausdrücklich für eine friedliche Demonstration aussprechen. Gewaltbereite gibt es immer, welche solche Massenveranstaltungen  zur Randale ausnutzen.

 

Hass führt fast immer zu Gegenhass, diese Prozesse schaukeln sich zu oft hoch und arten in Gewalt und Zerstörung von Eigentum Unbeteiligter aus.

 

Richtiger wäre es, wenn die Jugendlichen Diskussionen über den Klimaschutz wie auch über andere politische Fragen in kleinem Kreise, so z. B. im Klassenzimmer zusammen mit ihren Lehrern und Sachverständigen diskutieren würden. Hier wäre die Gefahr, dass Meinungen unterdrückt werden schon wegen ihrer geringeren Größe geringer. Auch könnten Versuche, bestimmter Gruppen, ihre Meinung zu dominieren, durch die Lehrer und durch Sachverständige verhindert werden.

 

Ein zweiter Mangel der augenblicklichen Friday-Bewegung scheint mir zu sein, dass hier eine falsche Einstellung zur Wissenschaft zum Ausdruck kommt, einerseits findet sich eine blinde Gläubigkeit gegenüber Naturwissenschaften, andererseits lässt sich in diesen Gruppen eine Vernachlässigung der nicht naturwissenschaftlichen Disziplinen beobachten.

 

Man gewinnt bei diesen Diskussionen den Eindruck, als seien die Ergebnisse der Naturwissenschaften unumstößlich. In Wirklichkeit sind die Ergebnisse aller Wissenschaften, auch der Naturwissenschaften, nicht etwa feststehende Thesen, welche wie in den Religionsgemeinschaften als nicht verrückbare und zeitlose Dogmen verkündet werden.

 

Vielmehr erwachsen die Ergebnisse aller empirischen Wissenschaften aus einem mühsamen Error and Trial-Prozess, stets müssen Thesen, welche in der Vergangenheit für wahr gehalten wurden, zugunsten anderer Hypothesen aufgegeben werden, es findet immer ein offener Dialog zwischen Wissenschaftlern statt, auch widersprüchliche Meinungen sind zu Beginn fast immer vorhanden und werden ernst genommen und diskutiert. Wissenschaftler sind Menschen wie alle anderen, auch sie halten sich nicht immer an die Regeln, auch sie verfolgen zum Teil selbstsüchtige Ziele.

 

Vor allem ist aber die weitverbreitete Auffassung in diesen Kreisen, nur naturwissenschaftliche Ergebnisse würden zählen, aufgrund der nachgewiesenen Thesen könne man auch eindeutig feststellen, welche konkreten Maßnahmen zur Abwehr der Umweltkatastrophe notwendig seien, falsch.

 

Die Naturwissenschaften können angeben, welche Messwerte in den Ausstößen von Kohlendioxyd, Stickoxiden und anderen Umweltgiften zur Verhinderung einer Umweltkatastrophe nicht überschritten werden dürfen. Die Frage, auf welchem Wege diese Ziele politisch erreicht werden, kann nur von den Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften beantwortet werden.

 

Es werden in jedem Falle Eingriffe in das Wirtschaftssystem notwendig und nur aufgrund einer Kenntnis der gesellschaftlichen und vor allem wirtschaftlichen sehr komplexen Zusammenhänge kann angegeben werden, welche konkreten Maßnahmen zum Erfolg führen und mit welchen unerwünschten Nebenwirkungen auf andere existentielle Ziele unserer Gesellschaft zu rechnen ist.

 

Vor allem wird man nur dann Erfolg aufweisen, wenn man nicht einfach die Einhaltung der naturwissenschaftlichen Forderungen durch Verbote zu erzwingen versucht. Vielmehr ist stets vor dem politischen Handeln die Frage zu klären, wie sich bestimmte Eingriffe in den Wirtschaftsprozess auswirken.

 

Die Friday-Bewegung scheint mir schließlich aus einem dritten Grund in die falsche Richtung zu gehen. Diese ganzen Proteste richten sich in erster Linie gegen die Politiker, sie sind die Bösen, welche nicht bereit sind, die für eine Abwendung einer Klimakatastrophe notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Die Politiker sind jedoch der falsche Adressat. In einem ersten Schritt müssen sich nicht die Politiker, sondern es muss sich die Bevölkerung bewegen.

 

In einer Demokratie können die Politiker immer nur die Ziele verwirklichen, welche zumindest von der Mehrheit der Bevölkerung gebilligt werden. Versuchen Politiker in einer Demokratie Ziele gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen, werden sie bei der nächsten Wahl abgewählt.

 

Umgekehrt gilt jedoch auch, dass dann, wenn die Mehrheit der Bevölkerung wirksame Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe fordert, die Politiker sehr wohl auch diese Forderungen erfüllen, da sie nur in diesem Falle wieder gewählt werden.

 

Nun scheinen die Meinungsumfragen nahezulegen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung sehr wohl drastische Maßnahmen zu Gunsten einer Vermeidung einer Klimakatastrophe bejahen. Es ist jedoch mehr als zweifelhaft, ob diese Meinungsumfragen tatsächlich beweisen, dass eine Mehrheit einer Bevölkerung für drastische Maßnahmen zugunsten des Umweltschutzes bereit ist. Die Ergebnisse dieser Umfragen enthüllen eher eine Auffassung: ‚wasch mich, aber mach mir nicht den Pelz nass‘.

 

Erstens werden in diesen Umfragen Fragen gestellt, welche nur von Sachverständigen beantwortet werden können. So setzt z. B. die Beantwortung der Frage, ob eine Verminderung der Umweltschäden eher mit Hilfe einer CO2-Steuer oder mit Verschmutzungsrechten erreicht werden kann, sehr viel Sachwissen voraus.

 

Zweitens kann man nicht erwarten, dass die Befragten tatsächlich ihre Bereitschaft zu drastischen Maßnahmen offenlegen. Bisweilen haben sie noch gar keine feste Meinung, welche Maßnahmen erwünscht sind.

 

Vor allem aber werden wohl nur sehr wenige bereit sein, eine etwa vorhandene Abneigung offen zu legen, wenn in der Öffentlichkeit davon gesprochen wird, dass nur mit radikalen Maßnahmen ein Zusammenbruch unseres ökologischen Systems noch verhindert werden kann.

 

Es liegt nahe, dass ein Großteil der Befragten die Antworten gibt, welche in der Öffentlichkeit als unerlässlich bezeichnet werden, also von ihnen erwartet werden. Kaum jemand wird bereit sein, als uneinsichtig zu gelten und als jemand dazustehen, welcher sich weigert, das Unerlässliche zu tun.

 

Es entspricht auch nicht der Wahrheit, dass die Politiker bisher nichts gegen den Umweltschmutz getan haben. Ganz im Gegenteil wurden in der jüngsten Vergangenheit sogar viele Maßnahmen zur Abwendung einer Klimakatastrophe durchgeführt. Richtig ist nur, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen und richtig ist auch, dass ein Großteil dieser Maßnahmen ohne Wirkung bleibt, so lässt sich ein grundlegender Wandel in dieser Politik nicht allein über Verbote erzielen.