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Sozialismus Teil IV

 

 

 

Gliederung:

 

 1.  Einführung

 2.  Gewaltlosigkeit und terroristische Gewalt

 3.  Der deterministische Ansatz

 4.  Die Arbeitswertlehre

 5.  Die Verelendungsthese

 6.  Die Diktatur des Proletariats

 7.  Das Egalitätsprinzip

 8.  Freiheit und Gerechtigkeit

 9.  Motiv und Wirkung

10.  Das Vertrauen in den allmächtigen Staat

11.  Die Abhängigkeit des Staates von materiellen Interessen

12.  Die Neigung zur Ideologisierung

 

 

 

12.  Die Neigung zur Ideologisierung

 

Eng zusammen mit den Thesen der Abhängigkeit des Staates von materiellen Interessen, der Bedeutung des Klassenkampfes und einer international agierenden Verschwörung einer kleinen Gruppe von Mächtigen findet sich bei diesen Betrachtungsweisen eine vorwiegend ideologische Argumentation. Der Fortschritt der Wissenschaften vollzieht sich nun dadurch, dass in einem ersten Schritt aufgrund logischer Zusammenhänge bestimmte Faktenzusammenhänge im Sinne einer Hypothese formuliert werden und dann in einem zweiten Schritt diese Hypothesen empirisch getestet werden und eine Hypothese nur dann zu einer allgemein anerkannten Theorie aufrückt, wenn es trotz mehrfacher empirischer Untersuchungen nicht gelungen ist, diese Hypothesen dadurch zu widerlegen, dass einige empirische Daten mit dieser Hypothese nicht in Einklang stehen.

Bei einer ideologischen Betrachtung steht jedoch die durch theoretische Überlegungen gebildete These fest, sie kann durch empirische Fakten nicht widerlegt werden; geraten These und Empirie in Widerspruch, so wird an der bisherigen Grundaussage nichts geändert, der Begründungszusammenhang jedoch so lange geändert, dass die These mit der Wirklichkeit – scheinbar – nicht mehr in Widerspruch gerät.

Als Beispiel diene die bereits in einem vorhergehenden Abschnitt besprochene Verelendungstheorie der marxistischen Lehre. Karl Marx versuchte nachzuweisen, dass in einem kapitalistischen System der Arbeitnehmer ausgebeutet werde, da er als Lohn nicht den gesamten Güterwert erhalte, sondern nur die Kosten, welche zur Erhaltung der Arbeitskraft benötigt werden, den Rest eigne sich der Kapitalist als Mehrwert an. Da gleichzeitig aufgrund der Verschlechterung der organischen Zusammensetzung des Kapitals immer mehr Arbeitskräfte durch Maschinen ersetzt werden, würden immer mehr Arbeitnehmer arbeitslos und die Neigung, zu immer geringeren Löhnen die Arbeitskraft anzubieten, steige. Dies führe zu einer wachsenden Verelendung der Arbeitnehmer, welche schließlich die Bereitschaft zur Revolution unter der Arbeitnehmerschaft ansteigen lasse.

Nun haben wir bereits weiter oben gesehen, dass die materielle Lage der Arbeitnehmer zwar zu Beginn der Industrialisierung extrem schlecht war, dass aber die Weiterentwicklung der Volkswirtschaft schließlich dazu führte, dass das Inlandsprodukt wesentlich stärker anstieg als die Bevölkerung mit der Folge, dass auch das Pro-Kopf-Einkommen der Arbeitnehmer beachtlich anstieg.

Die These einer wachsenden Verelendung war somit durch die geschichtliche Entwicklung eindeutig widerlegt. Da aber die These von der Verelendung der Arbeitnehmer ein wesentlicher Baustein der These vom zwangsweise eintretenden Zusammenbruch der kapitalistischen Gesellschaft darstellte und somit mit der These der Verelendung auch die gesamte Theorie über den Zusammenbruch der kapitalistischen Wirtschaft hätte aufgegeben werden müssen, wurde an der Verelendungstheorie festgehalten und nur der Begriff der Verelendung umgedeutet. Nun wurde behauptet, dass die Arbeitnehmer in einer kapitalistischen Gesellschaft eben nur in relativem Sinne verarmten, in dem Sinne also, dass zwar das absolute Einkommen der Arbeitnehmer anstieg, dass aber die Lohnquote, der Anteil der Arbeitnehmer am Inlandsprodukt, zurückgegangen sei.

Als erstes muss festgestellt werden, dass selbst dann, wenn diese veränderte These mit den empirischen Daten übereinstimmen würde, für die Zusammen­bruchstheorie nicht viel gewonnen wäre, da nur bei einer tatsächlichen, also absoluten Verelendung damit gerechnet werden könnte, dass immer mehr Arbeitnehmer aus Verzweiflung zum Umsturz der bestehenden Ordnung bereit wären.

Aber die These vom permanenten Absinken der Lohnquote stimmt auch mit den empirischen Tatsachen nicht überein. Natürlich ist es richtig, dass die Lohnquote nicht immer ansteigt oder konstant bleibt. So lässt sich z. B. eine antizyklische Bewegung in der Lohnquote feststellen, die Lohnquote sinkt also im Aufschwung und mit dieser Gesetzmäßigkeit hängt es sicherlich auch zusammen, dass gerade in den letzten Jahren vor der Krise eine Verringerung der Lohnquote um einige Prozentpunkte festgestellt werden musste.

Trotzdem ist in längerer Hinsicht die Lohnquote nicht gesunken. In der Literatur wurde sogar von einer bemerkenswerten Konstanz in der Lohnquote gesprochen, so hat man in der Tat festgestellt, dass die Lohnquote konjunkturbereinigt über eine mittelfristige Sicht in der Vergangenheit nahezu konstant blieb. Nimmt man hingegen eine sehr lange Frist und betrachtet den gesamten Zeitraum der Industrialisierung (zumindest von dem Augenblick an, von dem es statistische Aufzeichnungen über die Lohnquote gibt), so ist die Lohnquote sogar beachtlich gestiegen. Wir kommen somit zu dem Ergebnis, dass auch die modifizierte Theorie von der relativen Verelendung durch die empirischen Tatsachen eindeutig widerlegt wurde.

Also war ein neuer Versuch zur Rettung der Verelendungstheorie notwendig. Nun wurde davon gesprochen, dass die Lohnquote oder auch das absolute Reallohneinkommen eigentlich nach den Gesetzen der kapitalistischen Gesellschaft hätte absinken müssen, dass aber dieser Prozess durch eine Ausbeutung der ehemaligen Kolonialmächte gegenüber den früheren Kolonien und später durch eine Ausbeutung der Entwicklungsländer durch die hochentwickelten Industrienationen immer wieder hinausgeschoben wurde.

Erklären lässt sich diese These etwa wie folgt: Die Kolonialmächte konnten einerseits ihre Rohstoffe aus den ehemaligen Kolonien zu extrem geringen Preisen beziehen und andererseits waren sie in der Lage, ihre Fertigprodukte in diesen Gebiete abzusetzen und dadurch auf den Inlandsmärkten höhere Preise zu erzielen. Sie beuteten damit nicht nur die Bevölkerung der Kolonien aus, sondern konnten gleichzeitig den einheimischen Arbeitnehmern der kapitalistischen Gesellschaften einen höheren Lohn zahlen und mussten auch wegen erhöhten Absatzes weniger Arbeitnehmer entlassen.

Auch die heutigen hochentwickelten Staaten würden die Entwicklungsländer weiterhin ausbeuten, da der weltweite Freihandel die Terms of Trades zuungunsten der Entwicklungsländer verschlechtert hätte. Aber auch diese Thesen überzeugen nicht. Es mag zwar richtig sein, dass ein Teil der Kolonialmächte Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Kolonien ausgebeutet haben, in dem sie zwar billige Rohstoffe bezogen, aber keine oder zu wenig Anstrengungen unternahmen, diese Gebiete auf eine Industrialisierung vorzubereiten.

Die zu beobachtende Verschlechterung in den Terms of Trade zuungunsten der Entwicklungsländer war aber zunächst geringer als empirisch festgestellt, da die Importpreise in cif-Werten (unter Einschluss der Frachtkosten also) gemessen wurden, die Frachtkosten jedoch in dieser Zeit durch Einführung moderner Tanker rapide gesunken sind, diese Verringerungen in den Frachtkosten jedoch in erster Linie die Reedereien der hochentwickelten Staaten belastet haben.

Der verbleibende geringere Teil der Verschlechterungen in den Terms of Trades ist weiterhin gerade nicht wegen der Öffnung der Weltmärkte eingetreten, sondern vor allem deshalb, weil die hochentwickelten Staaten nicht bereit waren, die Waren aus den Entwicklungsländern ohne Behinderungen zu importieren.

Aber selbst dann, wenn man davon ausgeht, dass aufgrund der internationalen Beziehungen eine Ausbeutung der Entwicklungsländer durch die hochentwickelten Staaten stattfindet, reicht diese Theorie nicht aus, die These vom Zusammenbruch der kapitalistischen Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Sie bliebe nur dann richtig, wenn die Ausbeutung der Entwicklungsländer beendet würde und wenn deshalb die Ausbeutung wiederum auf die inländischen Arbeitnehmer der hochentwickelten Länder verlagert würde.

Auch dann, wenn wir optimistisch sind und von der Erwartung ausgehen, dass die hochentwickelten Staaten in Zukunft alle Behinderungen des Importes von Gütern aus den Entwicklungsländern abbauen, kommt diese Entwicklung auch den inländischen Arbeitnehmern der hochentwickelten Staaten zugute. Eine Ausweitung des freien Handels führt nämlich zu Produktivitäts- und Einkommenssteigerungen, aufgrund derer die Nachfrage steigt und somit auch bei vermehrten Import aus den Entwicklungsländern die Absatzmöglichkeiten der hochentwickelten Staaten keinesfalls zurückgehen müssen.

Eine Ideologisierung der Probleme finden wir allerdings nicht nur bei den kommunistischen Parteien und Denkern, es ist dies vielmehr eine sehr weitverbreitete Grundhaltung unter sozialistischen Politikern – natürlich in ähnlicher Weise bei rechtsorientierten Gruppierungen. Nehmen wir die im Augenblick heiß diskutierte Forderung nach Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes. Unbestritten ist hierbei die Forderung, dass jeder Bürger zumindest über ein Einkommen in Höhe des Existenzminimums verfügen sollte. Diese Forderung ergibt sich bereits aus dem im Grundgesetz verankerten Grundrecht der Menschenwürde, die als unantastbar und für schlechthin alle Bürger gleich zu gelten hat. Ein menschenwürdiges Leben kann eben nur der führen, der mindestens auch über so viele Einkünfte verfügt, dass er sein Leben fristen kann.

Unbestritten ist auch, dass nur eine wirtschaftliche Ordnung voll befriedigen kann, in welcher jeder oder nahezu jeder Bürger aus eigenen Kräften zumindest ein Einkommen in dieser Höhe sich erarbeiten kann. Wenn das reguläre Einkommen bestimmter Arbeitnehmerschichten so gering ausfällt, dass ein Existenzminimum nur dadurch erzielt werden kann, dass einzelne Arbeitnehmer zusätzlich zum regulären Einkommen noch Sozialhilfe benötigen, so ist das in höchstem Maße unerwünscht und es bedarf politischer Anstrengungen, um diese Zustände so schnell wie möglich abzubauen.

Die einzuleitenden Maßnahmen müssen jedoch auch geeignet sein, diese Zielsetzung zu erreichen und sie dürfen auch nicht andere, genauso wichtige Ziele gravierend verletzen. Hierzu ist es notwendig, dass man sich nach den eigentlichen Ursachen fragt, die zu diesen unbefriedigenden Zuständen geführt haben und diese Ursachen beseitigt. Es geht nicht an, dass man einfach per Gesetz die Erreichung dieser Ziele anordnet und sich nicht darum kümmert, ob auf diesem Wege tatsächlich die erwünschten Ziele erreicht werden und ob unter Umständen andere Grundziele unserer Gesellschaft verletzt werden.

Der wohl wichtigste Grund dafür, dass ein Teil der Arbeitnehmer einen Lohn bezieht, der noch nicht einmal das Existenzminimum erreicht, liegt darin, dass immer mehr Arbeitnehmer nicht die fachlichen Voraussetzungen erfüllen, die jede Arbeit – auch die einfachsten Arbeiten – erfordern. Der technische Fortschritt bringt es mit sich, dass die Anforderungen an die Arbeit steigen und dass eine Mindestausbildung nicht nur für die Facharbeitskräfte im oberen Viertel benötigt wird.

Langfristig kommt es also darauf an, dass dafür Sorge getragen wird, dass alle Arbeitnehmer diese Mindestausbildung erfahren. Hierzu sind gewaltige Investitionen im Bildungswesen erforderlich. Auf diesem Wege kann natürlich nur auf lange Sicht sicher gestellt werden, dass nahezu alle Arbeitnehmer die Voraussetzungen erfüllen, einen Arbeitsplatz mit ausreichendem Einkommen zu erlangen.

Auf kurze Sicht bedarf es zusätzlicher Maßnahmen, da mit zunehmendem Alter der betroffenen Arbeitnehmer wohl kaum die bildungsbezogenen Versäumnisse der Vergangenheit nachgeholt werden können. Auch wenn man davon ausgehen muss, dass sich die Arbeitnehmer auch dann noch weiterbilden müssen, wenn sie die Schule verlassen haben und bereits im Beruf stehen, so gilt es doch zu berücksichtigen, dass die Fähigkeiten zur Weiterbildung mit zunehmendem Alter abnehmen und vor allem, dass eine Mindestausbildung im Kindes- und Jugendalter Voraussetzung dafür ist, dass eine Weiterbildung überhaupt möglich ist.

Diese zusätzlichen Maßnahmen können darin bestehen, dass der Staat über Kombilöhne oder Lohnsubventionen das Einkommen der Arbeitnehmer aufstockt, welche nicht aus eigener Kraft das Existenzminimum erreichen, oder besser, wenn man einen zweiten Arbeitsmarkt schafft, in dem die Arbeitnehmer, welche keinen Job im ersten Markt finden, automatisch im sekundären Arbeitsmarkt beschäftigt werden. Allerdings bedarf es gewisser Voraussetzungen, dass dieses Modell eines zweiten Arbeitsmarktes funktioniert und nicht den ersten Arbeitsmarkt behindert und verdrängt.

Es darf keine Konkurrenz zwischen diesen beiden Arbeitsmarktsektoren geben, denn die eigentlichen Wohlfahrtsgewinne werden immer und nur im ersten Arbeitsmarkt erzielt, eine Verdrängung des ersten Arbeitsmarktes würde dazu führen, dass die Vielzahl der sozialpolitischen Aufgaben des Staates nicht mehr finanziert werden könnte. Auch müssen sich die Arbeitsbedingungen zwischen diesen beiden Arbeitsmärkten so unterscheiden, dass jeder Arbeitnehmer von selbst ein Interesse daran hat, möglichst schnell wiederum zum regulären Arbeitsmarkt überzuwechseln.

Auch gilt es zu berücksichtigen, dass der arbeitssparende (Arbeitsplätze vernichtende) technische Fortschritt keinesfalls ein Datum darstellt, das man einfach hinnehmen muss. Fortschritt im sozialen Sinne liegt immer nur dann vor, wenn ein bestimmter wirtschaftlicher Bedarf an der Knappheit der Arbeitskräfte scheitert und wenn dann durch Übergang zu kapitalintensiveren Verfahren zusätzliche Produkte produziert werden können, welche sich eine Volkswirtschaft sonst aus Mangel an Arbeitskräften hätte nicht leisten können.

De facto findet jedoch auch dann oftmals arbeitssparender technischer Fortschritt statt, wenn es nicht an Arbeitskräften mangelt und ein Teil der Arbeitnehmer arbeitslos wird. In welchem Umfang technischer Fortschritt stattfindet und welche Art des technischen Fortschritts sich durchsetzt, hängt selbst wiederum vom Verhältnis der Löhne zum Zins ab. Immer dann, wenn die Löhne im Verhältnis zu den Zinsen höher ausfallen als es der Knappheit beider Produktionsfaktoren entspricht, besteht die Gefahr, dass ein solcher sozial unerwünschter technischer Fortschritt eingeführt wird, der schließlich Arbeitslosigkeit auslöst.

Nun trägt oftmals eine fehlerhafte, von den Keynesianern empfohlene Konjunkturpolitik zu einem solchen falschen, Arbeitslosigkeit auslösenden technischen Fortschritt sogar noch bei. Entsprechend keynesianischen Vorstellungen sollte ja der Staat – bzw. die Notenbank – eine Beschäftigungssteigerung durch Zinssenkungen erreichen und es wird darüber hinaus im Rahmen der Kaufkrafttheorie empfohlen, die Löhne stärker anzuheben als es der Steigerung in der Arbeitsproduktivität entspricht. Hierdurch tragen sowohl Zinssenkungen wie auch Lohnsteigerungen dazu bei, dass das Lohn-Zins-Verhältnis immer mehr von den Knappheitsrelationen der Produktionsfaktoren abweicht.

Oft wird zur Verteidigung der Einführung gesetzlicher Mindestlöhnen darauf hingewiesen, dass doch auch in zahlreichen anderen europäischen Staaten schon lange eine Mindestlohngesetzgebung praktiziert wird. Diese Argumentation verkennt erstens, dass ein gesetzlicher Mindestlohn nur dann Wirkungen auslöst – positive wie negative –, wenn der reale Mindestlohn über der Arbeitsproduktivität liegt. Gerade in den Ländern, welche schon lange einen gesetzlichen Mindestlohn praktizieren, muss durchaus mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass sich die Volkswirtschaft an diese Regelungen durch Preissteigerungen angepasst hat und dass deshalb der Mindestlohn gar nicht mehr über der Arbeitsproduktivität liegt und damit auch keine Wirkung haben kann.

Zweitens muss berücksichtigt werden, dass diese anderen europäischen Staaten ja auch unter einer Massenarbeitslosigkeit leiden, also müsste in jedem Einzelfall überprüft werden, inwieweit diese gesetzlichen Regelungen den Umfang der Arbeitslosigkeit beeinflusst haben.

Drittens gilt es zu bedenken, dass Arbeitslosigkeit immer eine Vielzahl von Ursachen hat oder haben kann. Ob eine Volkswirtschaft eine Mindestlohngesetzgebung verkraften kann, hängt allein davon ab, wie viel Faktoren sonst noch zu Arbeitslosigkeit beitragen, es kommt allein darauf an, dass die Gesamtheit der Arbeitslosigkeit auslösenden Faktoren nicht stärker sein darf als im Ausland, mit dem die einheimische Wirtschaft in Wettbewerb steht.

Deutschland zeichnet sich dadurch aus, dass es auf der einen Seite eine besonders hohe, einmalige Belastung der Volkswirtschaft aufgrund der Wiedervereinigung aufweist und schon aus diesem Grunde gegenüber anderen europäischen Ländern stärker belastet ist. Auf der anderen Seite liegt die BRD auch in der Sozialkostenbelastung im oberen Viertel und weist gegenüber den Staaten mit einer deutlich geringeren Sozialkostenbelastung bereits Wettbewerbsnachteile auf. Gerade diese beiden Faktoren machen es notwendig, dass die BRD nicht weitere Gesetze erlässt, welche ceteris paribus die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zusätzlich belasten. Zwar war die deutsche Wirtschaft insgesamt robust genug, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, aber eben nur dadurch, dass sie in stärkerem Maße zu kapitalintensiveren Produktionsverfahren überging, als es im Hinblick auf die Knappheitsverhältnisse der Produktionsfaktoren eigentlich erwünscht gewesen wäre.

Viertens ist es besonders unklug, wenn nun auf diese Weise der durch die Regierung Schröder eingeleitete Reformkurs wiederum verlassen würde. Nach allgemeiner wissenschaftlichen Überzeugung war dieser Reformkurs notwendig und auch erfolgreich, die Kritik bestand im wesentlichen nur darin, dass bisher zu wenig Reformmaßnahmen ergriffen wurden und dass die Massenarbeitslosigkeit nur dann abgebaut werden kann, wenn diese Reform weitergeführt wird. Die Einleitung dieser Reformen waren für alle sehr schmerzhaft, für die Masse der Bevölkerung dadurch, dass zahlreiche Vergünstigungen gestrichen werden mussten, für die diese Maßnahmen durchführenden Politiker dadurch, dass von liebgewordenen Vorstellungen Abschied genommen werden musste und dass sehr viel Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen geleistet werden musste.

Angesichts dieser Tatsachen ist es in höchstem Maße verwunderlich und unklug, nun neue – Arbeitslosigkeit erzeugende – Maßnahmen einzuführen und damit den weiteren Erfolg des Reformkurses zu gefährden und zu riskieren, dass in naher Zukunft weitere genauso schmerzhafte Eingriffe in das Sozialleistungsnetz notwendig werden.

Bei einer ideologischen Position wird also zu wenig zwischen Zielen und Mitteln unterschieden. Es wird zu wenig danach gefragt, mit welchen Mitteln denn die angestrebten Ziele realisiert werden können. Es wird einfach per Gesetz postuliert, dass die Ziele einzuhalten sind. Diese Verlagerung der Frage nach den geeigneten Mitteln eines vorgegebenen Zieles auf die Zielebene bringt es mit sich, dass die Gegner, welche das angestrebte Mittel für ungeeignet halten, das gemeinsam bejahte Ziel zu erreichen, diffamiert werden, indem behauptet wird, dass die Gegner auch die angestrebten Ziele verneinen.

In Wirklichkeit werden jedoch von den auf dem Boden des Grundgesetzes stehendenden konkurrierenden Parteien die letztlichten Ziele durchaus akzeptiert, man bezweifelt  nur, ob die vorgeschlagenen Mittel geeignet sind, die von allen bejahten Ziele auch zu realisieren. Per Gesetz werden wir niemals erreichen, dass die tatsächlich gezahlten Löhne die erwünschte Höhe erreichen. Wenn Löhne vorgeschrieben werden, welche in bestimmten Branchen über der Arbeitsproduktivität liegen, werden die betreffenden Güter eben nicht im eigenen Land produziert und die Arbeitnehmer entlassen. Der Staat ist nicht in der Lage, nicht rentable Produktionen zu erzwingen.

Was hier Not tut, besteht darin, durch eine geeignete Rahmenordnung, die ausreichend Wettbewerb zulässt, darauf hinzuwirken, dass in allen Branchen die Produktivität so stark ansteigt, dass auch akzeptable Löhne gezahlt werden können. Weiterhin sind die Investitionen in den Bildungssektor soweit zu erhöhen, dass alle Arbeitnehmer die für die Produktion notwendige Mindestausbildung erfahren.

Bei einer ideologischen Position wird darüber hinaus weiterhin zu wenig darauf geachtet, dass es nicht nur auf die Effizienz einer Maßnahme, sondern auch auf die zu befürchtenden Sekundärwirkungen auf andere Ziele der Wirtschafts- und Sozialpolitik ankommt. Im Rahmen der Effizienzanalyse beschränkt man sich auf die Frage, inwieweit eine bestimmte Maßnahme geeignet ist, das vorgegebene Ziel zu realisieren. Im Rahmen der Analyse der Sekundärwirkungen hingegen stellt man sich die Frage, inwieweit andere Ziele der Wirtschafts- und Sozialpolitik durch die in Aussicht genommene Maßnahme beeinträchtigt werden. Beide Fragestellungen (Effizienz- und Sekundärwirkungsanalyse) sind zu einer sachgerechten Beurteilung eines politischen Mittels unerlässlich. Was nützt es z. B., wenn die Arbeitnehmer, welche beschäftigt sind, einen angemessenen Lohn erhalten, wenn aber diejenigen Arbeitnehmer, die man mit dieser Maßnahme eigentlich schützen wollte, gar keine Beschäftigung finden und arbeitslos werden?

Eng verbunden mit diesen beiden zuletzt angesprochenen Fragestellungen ist die Vermischung von Allokations- und Verteilungsfragen. Von Allokationsproblemen spricht man immer dann, wenn die Frage zur Diskussion steht, auf welchem Wege knappe Ressourcen so effizient wie möglich für die in Konkurrenz zueinander stehenden Verwendungsarten eingesetzt werden können. Bei einer ideologischen Argumentation werden Allokationsprobleme ausgeklammert und so getan, als könnte man politische Entscheidungen immer nur danach beurteilen, welche politische Lösungen den Verteilungszielen am besten entsprechen.

Innerhalb marktwirtschaftlicher Prozesse erfolgt zwar Allokation und Verteilung uno actu. Die sich auf dem Markt einstellenden Preisrelationen entscheiden sowohl über die Allokation wie auch über die Verteilung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch bei polittischen Entscheidungen beide Problemgrößen (Allokation wie Verteilung) ebenfalls uno actu entschieden werden, dass also bestimmte Verteilungslösungen nur dann erreicht werden können, wenn auch die Allokation an diese verteilungspolitischen Ziele angepasst wird. In politischen Prozessen kann sehr wohl eine weitgehend effiziente Allokation erreicht werden, ohne dass hierdurch die Verteilungsziele der allokativen Lösung untergeordnet werden müssen. Machen wir uns diese Zusammenhänge anhand eines konkreten Beispiels klar.

Im Rahmen der augenblicklichen Studentenstreiks wird unter anderem die Forderung erhoben, die Studiengebühren wieder abzuschaffen. Es wird behauptet, dass bei Erhebung von Studiengebühren im Bildungswesen eine Zweiklassengesellschaft geschaffen würde, da Studiengebühren nur Jugendliche aus reicheren Familien zahlen könnten und da deshalb bei Erhebung von Studiengebühren Jugendlichen, die Familien mit einem niedrigeren Einkommen entstammen, die höhere Bildung verwehrt werde.

Wenn diese Behauptung richtig wäre, hätte ich niemals studieren und die wissenschaftliche Laufbahn ergreifen können. Als ich 1952 mein Studium aufnahm, wurden Studiengebühren erhoben. Da mein Vater damals bereits 65 Jahre alt war und deshalb seine berufliche Arbeit hatte aufgeben müssen, erhielt er eine Rente von 600 DM. Es wäre ganz ausgeschlossen gewesen, dass meine Eltern das Studium für ihre drei Kinder hätten aufbringen können. Dies war auch nicht notwendig. Studenten konnten nämlich Studiengebührenerlass beantragen, sofern sie in jedem Semester mindestens zwei Leistungsscheine mit der Note gut oder besser vorlegen konnten.

Trotz Studiengebühren konnte ich also durchaus studieren, obwohl ich einer Familie mit recht geringem Einkommen entstamme. Ich hatte allerdings in den Semesterferien jobben müssen, da zu der damaligen Zeit noch kein BAFÖG gewährt wurde. Ich konnte trotzdem nach 6 Semestern mein Diplomexamen erfolgreich abschließen. Dieses Beispiel zeigt, dass die Erhebung von Studiengebühren keinesfalls zur Folge haben muss, dass begabten Jugendlichen der Zugang zum Studium verwehrt bleibt. Selbstverständlich ist es möglich, über Studiengebührennachlass oder auf dem Wege über Stipendien all denjenigen Jugendlichen, welche die sachlichen Qualifikationen für ein Studium aufweisen, ein Studium zu ermöglichen.

Man muss sich darüber klar werden, dass immer dann, wenn im Bildungswesen ineffiziente Allokationslösungen verwirklicht werden – und eine hundertprozentige Finanzierung des Bildungswesens aus Steuermitteln allein stellt eine äußerst ineffiziente Lösung des Allokationsproblems dar – nicht nur eine Vergeudung knapper Ressourcen stattfindet. Je mehr Steuermittel im Bildungswesen ineffizient ausgegeben werden, umso weniger Geld bleibt dem Staat übrig, seine sozialpolitischen Ziele sowohl im Bildungssektor als auch in den übrigen Sektoren zu realisieren.

In nahezu allen europäischen Staaten, in denen Studiengebühren erhoben werden, ist vorgesehen, dass Jugendlichen aus ärmeren Familien durch Gewährung eines Studiengebührennachlasses oder über Stipendien ein Studium trotzdem ermöglich wird, wenn sie die fachlichen Voraussetzungen für ein Studium besitzen und bereit sind, sich gewissen Leistungsnachweisen zu unterziehen. Es gibt keinen Grund dafür, dass solche Lösungen nicht auch in der BRD möglich sind. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass man die derzeitigen verteilungspolitischen Lösungen für ausreichend ansehen muss, eine sachliche Kritik hat sich aber dann gegen diese konkreten verteilungspolitischen Lösungen zu wenden und nicht die allokative Lösung als solche in Bausch und Bogen zu verwerfen.

Bringen wir ein zweites Beispiel für eine ideologische Vermengung allokativer und distributiver Ziele. Die derzeitige Regierung plant in der gesetzlichen Krankenversicherung die Einführung eines einkommensunabhängigen Beitragssatzes und die Entlastung der der unteren Einkommensschichten über Subventionen aus Steuermitteln. Von der Opposition wurde behauptet, dass diese Pläne einer Abschaffung des Sozialstaates gleich kämen und dass auf diese Weise eine höchstunerwünschte Umverteilung zugunsten der Reicheren und zu Lasten der Ärmeren herbeigeführt werde.

Diese Kritik ist unberechtigt. Ich hatte bereits 1975 in einem Artikel in der Festschrift für Theo Pütz festgestellt, dass unsere Sozialversicherung in verteilungspolitischer Hinsicht recht unbefriedigend ist, da sie in Wirklichkeit eine Institution zugunsten der nicht ganz Armen und zu Lasten der nicht ganz Reichen darstellt. Die ganz Armen werden nicht im Rahmen der Sozialversicherung unterstützt, da sie keiner geregelten Arbeit nachgehen. Die ganz Reichen hingegen gehören ebenfalls nicht diesem System an, da eine Versicherungspflicht teilweise – wie in der gesetzlichen Krankenversicherung – nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze, teilweise – wie z. B. in der gesetzlichen Rentenversicherung hingegen – nur für unselbständige Arbeitnehmer, nicht aber für die Selbständigen gilt.

Gerade die Forderung, allen Bürgern einen Schutz gegenüber den sozialen Risiken zu gewähren und die hierbei entstehenden Lasten gerecht auf die gesamte Bevölkerung aufzuteilen, lässt es geboten erscheinen, diesen sozialen Ausgleich über das Steuersystem zu realisieren. Steuern sind von allen Bürgern zu zahlen; da wir eine progressive Einkommenssteuer haben, werden bei einer Finanzierung der sozialen Lasten aus dem Steueraufkommen die einzelnen Bürger mit wachsendem Einkommen überproportional zur Kasse gebeten, was der allgemeinen Auffassung von sozialer Gerechtigkeit besser entspricht, während bei einer Beitragsfinanzierung wegen der Einkommensgrenzen der effektive Beitragssatz mit wachsendem Einkommen zurückgeht, was sicherlich den Vorstellungen von Gerechtigkeit kaum entspricht, selbst dann, wenn man alle Einkommensempfänger der Versicherungspflicht unterwerfen würde.

Die allokative Aufgabe der sozialen Sicherheit (also der möglichst effiziente Einsatz knapper Ressourcen im Gesundheitsbereich) wird hingegen bei marktgerechten Preisen (Beiträgen) sehr viel besser erreicht. Dass man aber marktgerechte Beitragssätze erhebt, sagt noch nichts darüber aus, dass verteilungspolitische Ziele verletzt werden. Stets ist es möglich, einen sozialen Ausgleich über den Einsatz von Steuermitteln herbeizuführen. Natürlich besteht immer die Gefahr, dass der Gesetzgeber ­ – um Steuermittel einzusparen – dieser sozialen Aufgabe in unzureichendem Umfang genügt. In diesen Fällen hat sich jedoch die Kritik gegen eine etwaige unzureichende Subventionierungssumme zu richten und nicht gegen die gerade aus sozialen Gründen richtigere Lösung, den sozialen Ausgleich über das Steuersystem zu erreichen.

Die Vorstellung, dass die allokative Aufgabe der sozialen Sicherheit außerhalb des Marktes geregelt werden müsse, da der Schutz vor den sozialen Risiken zu den elementaren Bedürfnissen eines jeden Menschen gehöre, ist falsch. Auch der Bedarf an Nahrung, Kleidung, Wohnung und Bildung ist genauso elementar wie das Bedürfnis nach einem Schutz vor den sozialen Risiken.

Wenn es richtig wäre, dass Versicherungsprobleme aus sozialen Gründen aus dem Marktgeschehen auszuklammern seien, so müsste man die Produktion fast aller Güter mit Ausnahme der Güter für den Luxusbedarf dem Markt entziehen und dies käme der Forderung nach einer totalen Planwirtschaft gleich. Wohin jedoch die Verwirklichung solcher Forderungen führt, hat die Geschichte der DDR gezeigt. Gerade wegen der enormen Vergeudung knapper Mittel und des Verzichtes auf notwendige Ersatzinvestitionen in der ehemaligen DDR wurde es notwendig, dass die BRD den Wiederaufbau in den neuen Ländern mit Zuwendungen dreistelliger Milliardenbeträge unterstützen musste – und es ist noch kein Ende abzusehen, wann diese Aufgabe erfüllt sein wird. Es ist sehr viel zweckmäßiger, allokative Aufgaben dem Markt zu überlassen und den notwendigen und erwünschten sozialen Ausgleich auf dem Wege über den Einsatz von Steuermitteln zu erreichen.

Einer ähnlich ideologischen Betrachtungsweise begegnen wir auch in der Diskussion um das Einfrieren bzw. der Abschaffung des Arbeitgeberbeitrages in der Sozialversicherung. Bekanntlich sah die Sozialversicherung lange Zeit vor, dass die Hälfte der Beiträge zur Sozialversicherung von den Arbeitgebern zu entrichten sei. Seit einiger Zeit wird die Forderung erhoben, zur Entlastung der Unternehmungen den Arbeitgeberbeitrag einzufrieren in dem Sinne, dass weitere Erhöhungen nur von den sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu zahlen seien oder sogar, dass der Arbeitgeberbeitrag vollkommen entfallen solle.

Wiederum richten sich die Linken ganz entschieden gegen diese Pläne, sie sprechen von einem Abbau des Sozialstaates, dass auch bei diesen Plänen Maßnahmen geplant würden, die eine Umverteilung zugunsten der Unternehmer und zu Lasten der Arbeitnehmer zur Folge hätten.

An dieser Argumentation ist zweierlei falsch. Arbeitgeberbeiträge belasten zunächst erstens nur Unternehmungen und nicht unbedingt die Unternehmer. Fragen der Einkommensverteilung beziehen sich aber stets auf das Problem, wie das Inlandsprodukt einer Volkswirtschaft auf die einzelnen Haushalte und Einkommensempfänger aufgeteilt werden soll, nicht aber auf die ganz andere Frage, welcher Handlungsspielraum den einzelnen Unternehmungen verbleibt.

Zumindest bei den großen Kapitalgesellschaften besteht auch kein unmittelbarer zwingender Zusammenhang zwischen den Gewinnen einer Unternehmung und den privatverfügbaren Einkommen der Manager, die an der Spitze einer Unternehmung stehen. Der Gewinn einer Unternehmung kann sinken, ohne dass die Gehälter der Unternehmungsvorstände gekürzt werden. Auch können gerade in Zeiten des konjunkturellen Abschwunges die Gehälter der unternehmerischen Spitzenkräfte sogar ansteigen.

Natürlich ist es richtig, dass nicht nur die Arbeitnehmereinkommen, sondern auch die Einkommen der Unternehmer letztlich aus den Erlösen einer Unternehmung finanziert werden müssen und dass bei einem Rückgang der Unternehmererlöse eine Tendenz besteht, auch alle Einkommen zu reduzieren.

Der Zusammenhang zwischen Unternehmererlösen und Einkommen der Unternehmer ist aber sehr viel komplizierter. Die Gehälter der Spitzenmanager von Großunternehmungen richten sich am weltweiten Durchschnitt der Unternehmergehälter aus, ist eine inländische Unternehmung nicht bereit, diese international gewährten Gehälter zu zahlen, lauft sie Gefahr, dass die Führungskräfte ins Ausland zu solchen Unternehmungen abwandern, welche höhere Gehälter gewähren.

Wird eine Unternehmung von einem Rückgang der Erlöse und damit auch der Gewinne getroffen, so ist das Gebot der Stunde, alles Mögliche zu tun, um die Unternehmung so schnell wie möglich aus der Verlustzone herauszuführen und dies kann im Allgemeinen nur mit hervorragend befähigten Managern gelingen, solche Führungskräfte können jedoch nur gewonnen werden, wenn die Unternehmungen auch bereit sind, Spitzengehälter zu zahlen.

In einer solchen Situation kommt es weniger darauf an, dass die Spitzenkräfte aus Solidarität zu den Arbeitnehmern ebenfalls Kürzungen ihrer Gehälter erfahren, sondern dass die Unternehmung möglichst bald wiederum Gewinne erzielt. Gerade eine solche Entwicklung kommt nämlich auch den Arbeitnehmern zugute, in dem die Arbeitsplätze gesichert werden und sich bei wachsenden Unternehmergewinnen auch Raum für Lohnerhöhungen eröffnet.

Ein hoher Unternehmergewinn sagt also zunächst nur etwas darüber aus, ob die zukünftige Produktion aufrechterhalten und unter Umständen sogar ausgeweitet werden kann und ist deshalb auch die Voraussetzung dafür, dass Arbeitsplätze erhalten werden können.

Natürlich ist es richtig, dass die Unternehmungen oftmals die Voraussetzungen für eine Verbesserung ihrer Absatzlage dadurch erzielen, dass sie rationalisieren und im Zuge der Rationalisierung Arbeitskräfte entlassen. Eine solche Politik richtet sich in der Tat zunächst einmal gegen die Arbeitnehmer. Man muss jedoch bedenken, dass ein Rationalisierungsdruck vor allem dann entsteht, wenn das Lohn-Zinsverhältnis nicht mehr der Knappheit der Produktionsfaktoren entspricht, weil auf der einen Seite eine keynesianisch orientierte Geldpolitik die Zinsen herabsetzt und gleichzeitig die Lohnsätze aus falsch verstandenen Kaufkraftargumenten über die Arbeitsproduktivität gehoben werden.

Hier wäre es gerade sowohl zur Aufrechterhaltung der Beschäftigung wie auch aus verteilungspolitischen Gründen sehr viel hilfreicher, wenn ein Teil der Arbeitnehmereinkünfte in Form von Gewinnbeteiligungen gewährt würde. Die Arbeitnehmer würden bei einer solchen Politik in Zeiten des Abschwungs dadurch gewinnen, dass sie eher beschäftigt bleiben, in Zeiten des Aufschwungs hingegen an den steigenden Unternehmergewinnen beteiligt werden.

Bei Personengesellschaften gilt diese scharfe Trennung zwischen Unternehmungsgewinnen und Gewinneinkommen der Unternehmer sicherlich nicht. Der Gewinn der Unternehmung fällt hier mit dem Gewinneinkommen des selbständigen Unternehmers zusammen. Trotzdem können die oben angeführten Argumente im Wesentlichen übernommen werden. Als erstes gilt es auch hier zu bedenken, dass nur ein Teil des Unternehmergewinnes auch für Konsumzwecke des Unternehmerhaushaltes zur Verfügung steht. Ein Großteil des Unternehmergewinnes muss für Investitionszwecke eingesetzt werden. Diese dienen jedoch gerade auch zur Aufrechterhaltung der Produktion und kommen durch eine Beschäftigungssicherung letztlich auch wiederum den Arbeitnehmern zugute.

Ich erwähnte oben, dass die oben dargestellte Argumentation (ein Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge sei höchst unsozial) aus zweierlei Gründen falsch sei. Ein zweiter Grund hierfür liegt darin, dass bei dieser Argumentation so getan wird, also würde immer derjenige, der die Sozialversicherungsbeiträge zahlt, sie auch tragen. Die Wirtschaftswissenschaft hat schon immer darauf aufmerksam gemacht, dass die Frage, wer eine Steuer oder einen Sozialversicherungsbeitrag im rechtlichen Sinne zu zahlen hat, von der ganz andern Frage zu unterscheiden ist, wer diese Steuer bzw. diesen Sozialversicherungsbeitrag letztendlich zu tragen hat. Marktteilnehmer haben nämlich die Möglichkeit, jede Art von Kosten –  und auch die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung stellen Kosten dar – auf die Preise vor- oder zurück zu wälzen.

Ob eine solche Kostenüberwälzung möglich ist, hängt von den Elastizitäten von Angebot und Nachfrage ab. Je elastischer die eigene Marktseite und je unelastischer die Marktgegenseite reagiert, umso größer sind die Möglichkeiten der Weiterwälzung. Sofern wir keine extremen Elastizitäten vorfinden, findet fast immer eine mehr oder weniger große Überwälzung statt.

Auf die Überwälzungsmöglichkeiten der Arbeitgeberbeiträge übertragen bedeutet dies, dass die Unternehmer fast immer in der Lage sind, eine Erhöhung dieser Beiträge entweder als Kostensteigerungen auf den Güterpreis weiter zu wälzen (hier sprechen wir von Weiterwälzung) oder aber in den anstehenden Tarifverhandlungen geringere Lohnsteigerungen zuzugestehen (dies wäre ein Fall von Rücküberwälzung).

Die Weiterwälzung auf den Güterpreis wird in der Regel deshalb möglich, da ja eine Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge von allen Unternehmungen gezahlt werden muss und folglich eine Unternehmung, welche diese Kostensteigerungen auf den Güterpreis weiterwälzt, keine Wettbewerbsnachteile erfährt; jede Unternehmung ist von dieser Kostensteigerung betroffen und wird deshalb den Versuch unternehmen, ebenfalls diese Kostensteigerungen auf den Güterpreis weiter zu wälzen.

Auch eine Rücküberwälzung auf die Löhne gelingt in der Regel. Auch hier gilt bei den in der BRD üblichen Branchentarifverträgen dass alle Unternehmungen, welche dem Arbeitgeberverband angehören, von dieser Rücküberwälzung betroffen sind. Für die Unternehmungen stellt eine Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge genauso eine Kostensteigerung dar wie jede normale Lohnerhöhung. Folglich ist der Spielraum der Unternehmungen für Lohnsteigerungen in dem Maße reduziert, in dem die Arbeitgeberbeiträge ansteigen.

Gerade aufgrund dieser Zusammenhänge wird innerhalb der Wirtschaftswissenschaft schon lange die Ansicht vertreten, dass die Erhebung von Arbeitgeberbeiträgen die Arbeitnehmerschaft gar nicht entlastet und dass es aus Allokationsgründen sehr viel effizienter wäre, wenn die Sozialversicherungsbeiträge in ihrer Gesamtheit von den Arbeitnehmern zu entrichten wären. So könnte eine solche Regelung vorsehen, dass bei der Abschaffung der Arbeitgeberbeiträge die Unternehmungen verpflichtet werden, einmalig die Lohnsätze eben um diesen Betrag anzuheben. Für die Arbeitnehmer wäre in diesem Falle sichergestellt, dass ihr privatverfügbares Einkommen nicht zurückgeht, obwohl sie nun den gesamten Sozialversicherungsbeitrag aufbringen müssen, für die Unternehmungen wäre sichergestellt, dass sie trotz Gewährung einer Lohnerhöhung keine Kostensteigerungen erfahren würden.