In ihren
Wahlprogrammen sprechen sich die Linken, die SPD und neuerdings auch die Grünen
für eine deutliche Erhöhung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer aus.
Sie versprechen sich hiervon eine gerechtere Verteilung in unserer
Gesellschaft.
Aber werden
diese Erwartungen wirklich erfüllt und wie steht es mit den negativen
Nebenwirkungen einer solchen Maßnahme? Beginnen wir mit der Frage nach dem
Erfolg einer solchen Politik.
Unternehmungssteuern
– auch Gewinnsteuern – werden von den Unternehmungen als Kosten angesehen und
Unternehmungen bemühen sich stets, Kosten auf den Verkaufspreis abzuwälzen. Ob
dies ihnen gelingt, hängt nicht entscheidend davon ab, welche Ziele die
Regierung und der Gesetzgeber mit diesen Maßnahmen verfolgen, sondern in erster
Linie davon, von welchen Verhältnissen auf den Märkten ausgegangen werden kann.
Hier wäre
als erstes die vorherrschende Marktform zu erwähnen. Ein Monopolist ist fast immer
in der Lage, Kosten und damit auch Steuern auf den Verkaufspreis zu überwälzen,
notfalls über eine Reduzierung des Angebotes. Hier wird zwar die Umsatzsumme
aufgrund des Rückganges der Angebotsmenge partiell verringert, die Umsatzsumme
steigt trotzdem oder bleibt zumindest konstant, da der Stückpreis partiell
zunimmt.
Stehen die
Unternehmer unter intensivem Wettbewerb untereinander, ist die Situation etwas
verändert. Wenn nämlich die Konkurrenten keine entsprechenden
Kostensteigerungen erfahren haben, muss ein Unternehmer befürchten, dass eine
Überwälzung der Kosten auf den Verkaufspreis zur Folge hat, dass Kunden zur
Konkurrenz abwandern.
Bei einer
Erhöhung der Gewinnsteuern sind jedoch im Allgemeinen alle Konkurrenten von der
gleichen Kostenerhöhung betroffen und gerade deshalb brauchen die Anbieter in
diesem Falle (Überwälzung der Gewinnsteuer auf den Verkaufspreis) auch nicht
mit einer Abwanderung von Kunden rechnen, da ja auch die Konkurrenten vor der
gleichen Ausgangslage stehen.
Es ist also
zu befürchten, dass in den meisten Fällen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes
bei der Einkomnmenssteuer zu einer Erhöhung der
Verkaufspreise führt, was zur Folge hat, dass auf der einen Seite die
Nettogewinne der Unterehmer nicht wie beabsichtigt
sinken und dass auf der anderen Seite die Verbraucher und damit auch die
Arbeitnehmer diese Steuererhöhung letztlich tragen müssen.
Die
jeweiligen Marktformen sagen in erster Linie etwas aus über die Verteilung der
Gewinne aus. Die gesamtwirtschaftliche Gewinnsumme hingegen wird in erster
Linie von der allgemeinen Gleichgewichtslage auf den Märkten bestimmt. Immer
dann, wenn Nachfrageüberhänge bestehen, können die Preise erhöht und damit die
Gewinne der Unternehmungen gesteigert werden.
Auf diese Zusamenhänge hatte bereits John Maynard Keynes in seinem ‚Treatise on Money‘ im Jahre 1930 hingewiesen. Entspechend der dort entwickelten Q-Formel entspricht die
gesamtwirtschaftliche Gewinnsumme der Differenz zwischen Investitionssumme und
Ersparnis: I – S. Diese Gleichung wurde allein aus Definitionsgleichungen
abgeleitet und ist deshalb immer gültig.
Später, in
den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte dann Nicholas Kaldor, ein Schüler von John Maynard Keynes, diese
Zusammenhänge im Rahmen einer gesamtwirtschaftlichen Verteilungstheorie
aufgegriffen und gezeigt, dass die Einkommensverteilung nur dann nachhaltig
zugunsten der Arbeitnehmer und damit zu Lasten der Unternehmer verändert werden
kann, wenn die Arbeitnehmer ihre Sparneigung erhöhen.
Auch Car Föhl, der etwa zur gleichen Zeit wie Keynes, aber
unabhängig von ihm, gesamtwirtschaftliche Kreilaufzusammenhänge
entwickelt hatte und deshalb auch als Deutsch-Keynesianer bezeichnet wurde, hat
in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts in einem viel beachteten Artikel:
‚Kritik der
progressiven Einkommensbesteuerung‘ darauf hingwiesen,
dass Gewinnsteuern im Allgemeinen auf den Verkaufspreis überwälzt werden
können. Zwar haben die Unternehmer eine größere Steuersumme als bisher an den
Staat abzuführen, diese Gelder fließen jedoch wiederum mehr oder weniger vollständig
als zusätzliche Staatsausgaben an die Unternehmungen zurück. Die
Nettogewinnsumme für die gesamte Volkswirtschaft bleibt also unberührt. Die
anschließende Diskussion hat zwar ergeben, dass nicht immer mit einer
100-prozentigen Überwälzung gerechnet werden kann. Die Schlussfolgerung, dass
aber Gewinnsteuern weitgehend überwälzt werden und deshalb die Unternehmungen
insgesamt nicht belasten, bleibt bestehen.
Nun hatte
Keynes seine Q-Formel im Rahmen eines vereinfachten Modells entwickelt, um so
die gesamtwirtschsaftlichen Zusammenhänge besser
erkennen zu können; er sah sowohl von der wirtschaftlichen Aktivität des
Staates sowie von außenwirtschaftlichen Beziehungen ab. Selbstverständlich sind
diese Vereinfachungen aufzuheben, wenn man sie auf die konkreten
wirtschaftlichen Zusammenhänge anwenden will.
Hierbei
stellen ein staatliches Defizitbudget und eine aktive Zahlungsbilanz genauso
wie ein Überschuß des Investitionsvolumens über die
Sparsumme einen Nachfrageüberhang dar, der allgemeine Preissteigerungen und
damit Gewinnsteigerungen auslöst. In unserem Zusammenhang bedeutet dies, dass
ein Budgetdefizit dazu beiträgt, die Einkommensverteilung zu Gunsten der
Gewinnempfänger zu verschieben.
Eine
Erhöhung des Spitzensatzes der Einkommenssteuer ist deshalb nicht nur
ungeeignet, die Einkommensverteilung zu Lasten der Unternehmungen
umzuverteilen. Gleichzeitig führt das Bemühen der links-gerichteten Parteien,
staatliche Investitionen vorwiegend über ein Defizitbudget zu finanzieren, zu
einer weiteren Verschiebung der Einkommensverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer
und zugunsten der Unternehmer.
Es wäre
deshalb sehr viel zweckmäßiger, wenn man statt einer Erhöhung der
Spitzensteuersätze erstens einen Abbau des Budgetdefizites herbeiführen würde,
vor allem auch deshalb, weil die Massenarbeitslosigkeit ohnehin nicht über ein
Budgetdefizit wirtkungsvoll bekämpft werden kann. Die
höchste Arbeitslosenrate haben nicht die Länder mit dem geringsten, sondern mit
dem höchsten Budgetdefizit.
Zweitens
lässt sich – wie Kaldor gezeigt hat – die Lohnquote
auch dadurch erhöhen, dass die Ersparnis der Arbeitnehmer, z. B. über
Investivlöhne, ansteigt.
Drittens hat
schliesslich die Einührung
der Abgeltungssteuer zu einer gravierenden Schieflage in der Belastung der einzelnen
Einkommensgruppen geführt, ohne dass deshalb die Kapitalflucht (das eigentliche
Ziel bei der Einführung der Abgeltungssteuer) entscheidend verhindert werden
konnte. Es wäre also zu empfehlen, die Abgeltungssteuer abzuschaffen und
wiederum wie bisher alle Einkommenserträge entsprechend der bestehenden
Steuerprogression zu besteuern.