Seminar
über Ökonomische Gesetze
Gliederung:
1. Gibt es überhaupt ökonomische Gesetze?
2. Das Bevölkerungsgesetz von Malthus
3. Das Gesetz von der Gleichgewichtstendenz
4. Das Cobweb-Theorem
5. Das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag
6. Das Gossen‘sche Gesetz
7. Das Gesetz von der Minderschätzung zukünftiger Bedürfnisse
8. Das Harberger Dreieck
9. Das Grasham’sche Gesetz
10. Das Okun’sche Gesetz
11. Das Gesetz vom Zusammenbruch der kapitalistischen Gesellschaft
12. Das Arrow-Paradox
Kapitel
4. Das Cobweb-Theorem
Gliederung:
1. Einführung
2. Das
Konjunkturmodell von Paul A. Samuelson
3. Darstellung des
Cobweb-Theorems
4. Das explodierende
System
5. Das gedämpfte
System
6. Das Perpetuum
mobile
7. Die einzelnen
Annahmen
8. Der
Schweinezyklus
9. Der Bildungsmarkt
1. Einführung
In diesem Kapitel wollen wir
uns mit dem Cobweb- (Spinnweb-) Theorem auseinandersetzen. Grundlage dieses
Kapitels soll der Artikel über ‚Gleichgewichtstheorie und Cobweb-Theorem‘ sein,
den ich vor einiger Zeit hier ins Internet gestellt habe und der nun im Archiv
meiner Homepage einzusehen ist.
Wir hatten uns in Kapitel 3
dieses Seminars mit der klassischen Gleichgewichtstheorie auseinandergesetzt
und auch dort bereits dargelegt, dass das Cobweb-Theorem als eine Fortsetzung
der allgemeinen Gleichgewichtstheorien angesehen werden kann.
Auch dann, wenn die
klassische Gleichgewichtstheorie durchaus Elemente enthält, welche etwas über
die Dynamik des Gleichgewichtsprozesses aussagen, ist sie im Ansatz eine
statische Theorie, die nicht in der Lage ist, den genauen Verlauf dieses
Gleichgewichtsprozesses aufzuzeigen. Ansätze zu einer dynamischen Theorie
finden sich für die Theorie der Einzelmärkte im Cobwebtheorem, für die
gesamtwirtschaftliche Theorie bei den von P. A. Samuelson entwickelten
Konjunkturmodellen.
Beiden Theorieansätzen ist
gemeinsam, dass aufgezeigt wird: Wir können nicht erwarten, dass der
Gleichgewichtsprozess geradlinig verläuft, vielmehr ist davon auszugehen, dass
das Gleichgewicht – wenn überhaupt – in rhythmischen Bewegungen erreicht wird.
Dies bedeutet, dass die Preisbewegungen über ihr Ziel hinausschießen, dass
deshalb die Preisrichtung umgedreht wird, aber auch hier wiederum der Preis
über den Gleichgewichtspreis hinausgeht. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass es
in der Realität gar keine Gleichgewichtstendenzen gibt, vielmehr ist zu
erwarten, dass der aktuelle Preis nach einer Datenänderung um den neuen
Gleichgewichtspunkt pendelt, wobei die Ausschläge im Normalfall durchaus kleiner
werden und deshalb das neue Gleichgewicht nach wie vor angesteuert wird.
Allerdings machen diese
Theorien auch darauf aufmerksam, dass bestimmte zusätzliche Voraussetzungen
erfüllt sein müssen, damit dieser Prozess gedämpft erfolgt und ein neues
Gleichgewicht tatsächlich angesteuert wird. Wir müssen auch mit der Möglichkeit
rechnen, dass unter bestimmten Bedingungen die Preisschwankungen wie bei einem
perpetuum mobile mit gleichbleibender Amplitude erfolgen und somit ihr
Gleichgewicht gar nicht erreichen, ja es ist sogar denkbar, dass die Amplitude
der Preisschwankungen mit der Zeit sogar größer wird und eine Höhe erreicht,
bei welcher der freie Markt zusammenbricht.
2. Das Konjunkturmodell von Paul A. Samuelson
Zunächst seien ganz kurz
einige wenige Bemerkungen zu dem gesamtwirtschaftlichen Konjunkturmodell von
P. A. Samuelson gemacht. Samuelson hat aufgezeigt, dass die Verbindung der Multiplikatortheorie
mit dem von Albert Aftalion entwickelten Akzelerationsprinzip zu einem Ansatz
führt, mit dessen Hilfe konjunkturelle Schwankungen im Einkommensverlauf
erklärt werden können.
Die vor allem von John Maynard Keynes entwickelte Multiplikatortheorie
besagt bekanntlich, dass von autonomen Nachfragesteigerungen weitere induzierte
Nachfragesteigerungen ausgehen, mit der Folge, dass eine einmalige
Nachfragesteigerung seitens des Staates zu einer vielfachen (multiplikativen)
Nachfragesteigerung insgesamt führt. Erhöht z. B. der Staat seine Ausgaben um
1 Mrd. €, so schafft er in der ersten Periode eine Einkommenssteigerung um diesen
Betrag. Da in der nächsten Periode entsprechend der Konsumneigung diese
Einkommen zum Teil für konsumtive Zwecke verausgabt werden, steigen die Einkommen
um diesen Betrag, was wiederum in der dritten Periode dazu führt, dass die Konsumausgaben
und mit ihnen auch die Einkommen um ein weiteres steigen. Im Endergebnis ist
die durch eine einmalige Ausgabensteigerung des Staates induzierte
Einkommenssteigerung um etwa 4 Mrd. angestiegen, wobei der multiplikative
Effekt unter vereinfachten Bedingungen (wenn wir von den außenwirtschaftlichen
Beziehungen absehen) dem Kehrwert der Sparquote entspricht.
Das von Aftalion entwickelte
Akzelerationsprinzip besagt demgegenüber, dass eine Zunahme der Konsumausgaben
eine Zunahme der Investition auslöst, da die Unternehmungen diese Mehrnachfrage
nur dadurch befriedigen können, dass sie ihre Produktionskapazität durch
Erweiterungsinvestitionen vergrößern. Wenn man nun beide Wirkungszusammenhänge
(Multiplikator und Akzelerator) berücksichtigt, kann man nachweisen, dass eine
einmalige Nachfragesteigerung z. B. in Form einer Staatsausgabensteigerung zu
konjunkturähnlichen Schwankungen im Einkommensverlauf führt, das Einkommen
steigt eine gewisse Zeit, erreicht einen Höhepunkt, um dann für mehrere
Perioden wiederum zu fallen.
Beginnen wir zunächst mit
der Darstellung des Normalfalles. Der Akzelerator habe einen Wert von 1, der
Zuwachs in der Unternehmungskapazität entspreche also gerade dem Zuwachs in den
Konsumausgaben, die Konsumneigung hingegen betrage 80 Prozent. Bei diesen
Annahmen ergibt sich ein Konjunkturverlauf mit gleichbleibender Amplitude:
In einer zweiten Graphik
unterstellen wir einen Akzeleratorwert von 1,1, wiederum belaufe sich die
Konsumquote auf 80%. Diese geringfügige Erhöhung des Akzeleratorwertes hat zur
Folge, dass die Schwingungen des Konjunkturverlaufes nun explosiv erfolgen, die
Amplituden erreichen einen immer höheren Wert:
Ein drittes Diagramm geht
davon aus, dass der Wert des Akzelerators 0,9 beträgt, nach wie vor wird eine
Konsumneigung von 80% unterstellt. Diese geringfügige Verringerung des
Akzeleratorwertes gegenüber dem Ausgangsmodell führt dazu, dass nun die Konjunkturschwingungen
gedämpft verlaufen. Die Amplitude wird immer geringer mit der Folge, dass nun
wiederum ein neues Gleichgewicht angesteuert wird:
In einer vierten Graphik
verfolgen wir schließlich den Verlauf des Einkommens in Abhängigkeit der
Variablen, welche diesen Verlauf bestimmen.
Zunächst unterstellen wir,
dass die Staatsausgaben (G) einmalig ansteigen (schwarze Linie). Diese einmalige
Ausgabensteigerung führt entsprechend dem
Einkommensmultiplikator zu Einkommenssteigerungen, zunächst zu einem
größeren Zuwachs, in den folgenden Perioden aufgrund der induzierten Konsumsteigerungen
zu immer geringeren Zuwächsen (rote Linie).
Die Veränderungen im
Einkommen führen nun aufgrund des Akzelerators zu einer Veränderung der
Investition, wobei zunächst ein Anstieg der Investition, dann aber aufgrund
gebremster Einkommenssteigerungen eine Reduzierung der Investition eintritt
(orangene Linie).
Diese Investitionssteigerung
führt selbst wiederum über Einkommenssteigerungen zu induzierten Konsumsteigerungen
(lila Linie). Aufgrund der Investitions- und Konsumsteigerung ist schließlich
eine Steigerung des Einkommens zu erwarten, die selbst wiederum ein Vielfaches
der Konsum- und Investitionszuwächse ausmacht:
3. Darstellung des Cobweb-Theorems
Der Anpassungsprozess eines einzelnen
Marktes auf Datenänderungen lässt sich anhand des Cobweb-Systems
veranschaulichen. Hierbei werden drei dynamische Verläufe unterschieden: den
explodierenden Verlauf, den gedämpften Verlauf und das perpetuum mobile.
Wir gehen hierbei von einer
Nachfragsteigerung aus, die durch eine Verschiebung der Nachfragekurve nach
rechts oben zum Ausdruck gebracht wird. Weiterhin gehen wir davon aus, dass das
Angebot kurzfristig auf Preisänderungen nicht reagiert, dass also die Angebotskurve
kurzfristig eine Parallele zur Ordinate darstellt. Erst nach Ablauf einer
Periode reagiert das Angebot auf Preisänderungen der Vorperiode.
Kurzfristig gesehen steigt
der Preis aufgrund der Nachfragesteigerung bis zum Schnittpunkt der neuen
Nachfragekurve mit der kurzfristig vollkommen starren Angebotskurve.
Langfristig hingegen reagiert das Angebot auf die Preissteigerung entsprechend
der langfristig gültigen mehr oder weniger
elastischen Angebotskurve.
Diese Angebotsausweitung schießt
jedoch über die Nachfrage hinaus, weil ja auch der Preis kurzfristig stärker
als erwünscht angestiegen ist und führt deshalb in der nächsten Periode zu
entsprechenden Preissenkungen und Angebotsanpassungen und so weiter.
Dieses Spiel von Preisveränderung
und langfristiger Angebotsanpassung erfolgt nun über eine Vielzahl von
Perioden, wobei es nun von dem Verhältnis der Elastizitäten von Angebot und
Nachfrage abhängt, ob der Preis tendenziell vom Gleichgewicht wegführt oder zum
Gleichgewicht hinführt oder schließlich sogar im Sinne eines perpetuum mobile
unbegrenzt – falls in der Zwischenzeit keine Datenänderungen eintreten – um den
Gleichgewichtspreis pendelt.
Wenn die Elastizität der
Nachfrage geringer ist als die des Angebots, führt dies zu einem explodierendem
Fall, falls jedoch die Elastizität der Nachfrage größer als die des Angebots
ist, liegt ein gedämpftes System vor, gleich hohe Elastizitäten führen
schließlich zum perpetuum mobile.
4. Das explodierende System
Betrachten wir zunächst das
explodierende System. Eine Verschiebung der blauen Nachfragekurve nach rechts
führt vom ehemaligen Schnittpunkt beider Kurven ausgehend dazu, dass der Preis
weit über den neuen Gleichgewichtspunkt hinausschießt, dies hat in der nächsten
Periode zur Folge, dass auch die Ausweitung des Angebotes weit größer ist als
die neue Gleichgewichtsmenge. Also muss in der folgenden Periode der Preis
wieder sinken, wiederum über sein Ziel hinaus, u. s. w. Die Preisausschläge
werden sogar mit jeder Periode größer, Preise und Mengen rücken immer weiter
vom neuen Gleichgewichtspunkt ab. Dies ist der Fall, weil die Angebotsmenge
elastischer auf die Preisänderung reagiert, als der Preis aufgrund der
anfänglichen Angebotsausweitung gefallen war.
5. Das gedämpfte System
Betrachten wir als zweiten
Fall ein gedämpftes System. Aufgrund einer anfänglichen Verschiebung der
Nachfragekurve nach rechts erreicht der Preis eine Höhe, welche den neuen Gleichgewichtspreis
übersteigt. Dies führt in der nächsten Periode zu einer Ausweitung des
Angebotes. Weil jedoch die Elastizität des Angebotes geringer ausfällt als die
der Nachfrage, ist die Mengenausweitung in jeder folgenden Periode geringer als
die Preissteigerung und dies bedeutet, dass sich das System mit der Zeit immer
näher an den neuen Gleichgewichtspunkt heran arbeitet.
6. Das Perpetuum mobile
Betrachten wir schließlich
den Fall eines perpetuum mobile. Weil hier beide Elastizitäten gleich groß
sind, fallen auch die Preisreaktionen prozentual genau so groß aus wie die
Mengenreaktionen mit der Folge, dass das System
überhaupt nicht mehr den neuen Gleichgewichtspunkt erreicht.
Soweit ein gedämpftes
Cobweb-System vorliegt, bleibt die These der klassischen Gleichgewichtstheorie
unverändert: Der Markt ist in der Lage, das durch eine Datenänderung und
damit einer Verschiebung einer der
Reaktionskurven hervorgerufene Ungleichgewicht von selbst abzubauen, ohne dass
ein Eingreifen des Staates notwendig ist. Der Anpassungsprozess ist zwar nun
etwas komplizierter als anfänglich unterstellt, er verläuft nicht mehr
geradlinig auf den neuen Gleichgewichtspunkt zu, sondern nähert sich in
Schwingungen dem neuen Gleichgewicht an. Die Preisbewegungen erhalten die Form
eines Spinngewebes, daher auch der Name Cobweb-System.
7. Die einzelnen Annahmen
Wir haben den Verlauf des
Gleichgewichtsprozesses damit erklärt, dass das Angebot erst verzögert auf
Preisänderungen reagiert, da der Erweiterungs- oder Schrumpfungsprozess der
Produktionskapazität Zeit benötigt. Es wurde jedoch nach wie vor davon ausgegangen,
dass sowohl die Nachfrage unmittelbar auf Preisänderungen reagiert als auch
Ungleichwichte unmittelbar stets zu einer solchen Änderung des Preises führen,
dass der Markt noch in dieser Periode, in der das Ungleichgewicht entstanden ist,
vollständig geräumt wird.
Diese beiden Annahmen
entsprechen sicherlich nicht der Wirklichkeit. Wir haben davon auszugehen, dass
auch die Nachfrage aus den verschiedensten Gründen verzögert reagiert. Und wir
haben weiterhin damit zu rechnen, dass auch Preisreaktionen zumeist verzögert
erfolgen, da Preisänderungen oftmals aufgrund von Verträgen erst nach Ablauf
einer Kündigungsfrist möglich werden.
Diese Korrektur der Annahmen
macht den Anpassungsprozess um ein Weiteres komplizierter. Er wird in die Länge
gezogen. Es hängt nun wiederum von den Elastizitäten sowie den
Preisflexibilitäten und ihrem Verhältnis zueinander ab, wie oft die
Wahrscheinlichkeit explosiver Systeme oder des perpetuum mobile gegeben ist.
Ganz generell müssen wir
davon ausgehen, dass es von den Eigenheiten unterschiedlicher Märkte abhängt,
ob in der Regel mit gedämpften Gleichgewichtsprozessen gerechnet werden kann
oder ob tatsächlich die Gefahr explodierender Cobweb-Systeme besteht. Wir
wollen uns deshalb im weiteren Verlauf dieses Artikels einzelnen Märkten
zuwenden, in denen diese Cobweb-Prozesse besonders auffallen. Im ersten Schritt
befassen wir uns mit einem Agrarmarkt und zwar mit der Aufzucht von Schweinen.
Wir gehen dann zweitens zum Bildungsmarkt über und beschließen diesen Artikel
mit Ereignissen an der Börse.
8. Der Schweinezyklus
Die im Cobweb-Theorem
beschriebenen Preisschwankungen um den Gleichgewichtspreis wurden wohl erstmals
1927 von Arthur Hanau in seiner Dissertation über Schweinepreise beschrieben, wobei
sich Hanau hierbei an Arbeiten von Mordecai Ezekiel und G.C. Haas über die Entwicklung der Schweinepreise in
den USA orientierte. Auf Mordecai Ezekiel geht auch der Versuch zurück, diese
Zusammenhänge mit dem Cobweb-Theorem zu erklären.
Man sollte sich allerdings darüber klar sein, dass diese Preis- Mengenbewegungen
weder mit Besonderheiten der Schweineaufzucht noch der agrarwirtschaftlichen
Produktion im Allgemeinen zu tun haben. Diese Entwicklung ergibt sich allein
daraus, dass bei der Reaktion der Angebotsmengen auf Preisänderungen
Verzögerungen auftreten, sodass zwischen einer kurzfristigen und einer
langfristigen Angebotskurve unterschieden werden muss. Diese Zusammenhänge
lassen sich jedoch auf wohl allen Märkten feststellen, da nahezu bei der
Produktion aller Güter gewisse Verzögerungen (time lags) auftreten.
Entscheidend ist nun die
Frage, ob bei der Aufzucht von Schweinen das Verhältnis von Angebots- und
Nachfrageelastizität derart ist, dass die im Cobweb-Theorem beschriebenen explodierenden
Schwankungen oder sogar das sogenannte perpetuum mobile zu erwarten ist oder
ob es sich bei den ab 1925 von Ezekiel beobachteten Preisbewegungen in den USA
um einmalige, keinesfalls typische Preisschwankungen handelt. Wie schon
angedeutet, ist es nicht sehr aufregend, wenn man feststellen muss, dass sich
die in der klassischen Gleichgewichtstheorie behauptete Gleichgewichtstendenz
nicht wie ursprünglich angenommen linear kontinuierlich, sondern in periodischen
Schwankungen vollzieht. Für das Ergebnis, für die Frage nach den
Selbstheilungskräften des Marktes ist der genaue Verlauf der
Gleichgewichtsbewegungen unerheblich. Solange es sich um ein gedämpftes
Cobweb-System handelt, bleibt die Grundaussage der klassischen Markttheorie
bestehen: Es ist mit einem automatischen Abbau von Angebots- und
Nachfrageüberhängen durch Marktkräfte im Allgemeinen zu rechnen.
Es spricht nun vieles dafür,
dass explodierende Cobweb-Systeme oder ein perpetuum mobile nicht typisch für
die Produktion von Agrarprodukten im Allgemeinen und der Aufzucht von Schweinen
im Besonderen sind. Zwei Tatbestände sind für diese Schlussfolgerung maßgebend:
das Problem der Lernfähigkeit und das Problem der Lagerhaltung.
Damit bei der Aufzucht von
Schweinen regelmäßig explodierende Cobweb-Schwankungen auftreten, ist es
notwendig, dass die Schweinezüchter immer nach dem gleichen Schema verfahren.
Sie stellen fest, dass die Preise für Schweinefleisch fallen oder steigen und
sie weiten ihre Aufzucht so stark aus, wie es in der längerfristigen
Angebotskurve beschrieben wird. Das neue Angebot entspricht also dann einem
Zustand, bei dem unterstellt wird, der in der ersten Periode festgestellte
Preis halte auf Dauer an. Genau dies ist jedoch nicht der Fall, wenn
Cobweb-Prozesse stattfinden. Das Cobweb-Theorem zeigt ja auf, dass die Preise
in der ersten Periode weit über ihr Ziel (über den neuen Gleichgewichtspreis) hinausschießen.
Ein solches Verhalten bei
den Schweinezüchtern ist nun vollkommen unrealistisch. Die Bauern stellen immer
wieder fest, dass die anfänglichen Preisreduzierungen in den nächsten Perioden
korrigiert werden, dass der langfristige Preis in bedeutend geringerem Maße
fallen wird als der kurzfristige Preisverfall in der ersten Periode. Trotz
dieser Beobachtung sollen jedoch die Schweinezüchter trotzdem ihr Angebot
soweit reduzieren oder ausdehnen, wie es optimal wäre, wenn die Preisänderung
auf Dauer wäre? Es wird hier also eine vollkommene Lernunfähigkeit unterstellt,
was ganz unwahrscheinlich ist.
Es mag ja sein, dass ein
Schweinezüchter, der eine Schweinezucht neu aufbaut, zunächst einmal von der
falschen Annahme ausgeht, dass sich die Preisänderung in der ersten Periode in
den folgenden Perioden fortsetzt, aber er wird diese Annahme sehr bald korrigieren,
da sie ja eindeutig durch die Fakten widerlegt wird. Es würde sich also hier um
eine einmalige Reaktion handeln, die nur bei denjenigen zu erwarten ist, welche
mit der Schweineaufzucht gerade begonnen haben.
Aber selbst in diesen Fällen
ist davon auszugehen, dass sich die meisten Neulinge bei der Aufzucht von
Schweinen zunächst über die Entwicklung von Preisen und Mengen auf dem
Schweinemarkt kundig machen und sich die allgemeinen Erfahrungen der Branche zu
eigen machen.
Entscheidend ist also der
Hinweis, dass es sich bei der Aufzucht von Schweinen nicht um einmalige Aktionen
handelt, sondern dass in jeder Periode diese Produktionen durchgeführt werden
und dass die Anbieter in diesem Falle aus den Erfahrungen der Vergangenheit
lernen. Ein solches im Cobweb-System unterstelltes Verhalten könnte also als
typisches Phänomen bei der Aufzucht von Schweinen oder ganz allgemein bei der
Produktion von Agrarprodukten allenfalls dann erwartet werden, wenn in einem
Land in der Vergangenheit die Schweineproduktion vom Staat gelenkt wurde und
wenn nun aufgrund einer wirtschaftlichen Änderung der Wirtschaftsordnung die
Märkte für Agrarprodukte frei gegeben würden. In diesem Falle könnte vermutet
werden, dass die Produzenten dieser Güter noch nicht auf Erfahrungen
zurückgreifen können und sich dann in den ersten Perioden — also auch hier nur
in einer Übergangsphase — so verhalten wie im Schweinezyklus behauptet wird.
Aber immer dann, wenn wir
die Lernfähigkeit der Marktpartner mit berücksichtigen, wird die Elastizität
der langfristigen Angebotskurve in Bezug auf den aktuellen Preis reduziert. Der
langfristig erwartete Preissturz oder Preisanstieg ist ja dann annahmegemäß geringer
als die in der ersten Periode auftretende Preisänderung. Wenn jedoch die
Elastizität des langfristigen Angebotes geringer als zunächst unterstellt
ausfällt, bedeutet dies: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein gedämpftes
CobwebSystem vorliegt. Für das Entstehen eines explodierenden Systems reicht
es nun nicht mehr aus, dass die Angebotselastizität größer ist als die
Elastizität der Nachfrage. Die Angebotselastizität muss nun sehr viel größer
sein als die Elastizität der Nachfrage, um explodierende Preisschwingungen
auszulösen.
Auch dann, wenn wir die
Möglichkeit der Lagerhaltung mitberücksichtigen, ergeben sich Korrekturen an
unseren bisherigen Schlussfolgerungen. Können nämlich Produkte auf Lager
genommen werden und deshalb vorübergehende Engpässe aus dem Lagerbestand
ausgeglichen werden, verändern sich wiederum die relevanten Reaktionskurven des
Angebotes. Nun entspricht die kurzfristige Angebotskurve nicht mehr einer
Parallelen zur Preisachse, da Preisänderungen nun die Anbieter veranlassen, bei
Preisreduzierungen einen Teil der Produktion auf Lager zu nehmen und bei
Preisanstiegen einen Teil des Angebotes aus dem Lager zu speisen. Verläuft
jedoch die kurzfristige Angebotskurve weniger steil, so fallen die anfänglichen
Preisveränderungen auch geringer aus als bei kurzfristig vollkommen starrem
Angebot.
Nun wird man natürlich
einwenden können, dass es sich bei dem Angebot von Schweinefleisch oder auch
anderen Agrarprodukten um frisches Fleisch oder frische Obst- und Gemüsesorten
handelt und dass diese ex definitione nicht gelagert werden können. Züchtet man
ein Schwein ein Jahr länger, so ist das Schwein eben auch ein Jahr älter und
entspricht nicht mehr den Anforderungen seitens der Nachfrage. Gemüse und Obst
als Frischgut gelagert wird ungenießbar und kann nicht mehr verkauft werden.
Dieser Einwand ist zwar
richtig, trotzdem geht er an dem eigentlichen Problem vorbei. Die freien Märkte
zeichnen sich dadurch aus, dass für ein elementares Grundbedürfnis zumeist
unterschiedliche Waren zur Verfügung stehen. Zwischen diesen Waren bestehen
Substitutionsbeziehungen und diese wiederum hängen entscheidend von der Höhe
der Preise ab. Steigt der Preis eines Gutes, so lohnt es sich für den
Konsumenten, zumindest einen Teil der bisherigen Nachfrage durch ein Substitut
zu befriedigen. Und dies bedeutet für Agrarprodukte, dass bei einem
Preisanstieg die Nachfrage nach Fleisch, Gemüse und Obst nicht mehr in Gänze
durch frische Waren, sondern zum Teil durch konservierte Waren befriedigt wird.
Sowohl Fleisch wie auch fast alle Agrarprodukte lassen sich in Konserven
verarbeiten und erlauben auf diese Weise eine Lagerhaltung.
Fällt deshalb der Preis für
frisches Schweinefleisch, so werden die Anbieter die fehlende Nachfrage dadurch
ausgleichen, dass sie Fleisch konservieren und auf Lager nehmen. Auch für die
Nachfrager gilt, dass bei einem Preisanstieg es vorteilhafter wird, einen Teil
des Fleischbedarfes durch konservierte Produkte zu befriedigen. Diese
Substitutionsmöglicheiten bringen es nun mit sich, dass die Elastizität der
Nachfrage ansteigt mit dem Ergebnis, dass nun aufgrund aller drei relevanten
Reaktionskurven die Nachfragekurve, die kurzfristige und schließlich die
langfristige Angebotskurve so verändert werden, dass einerseits die
anfänglichen Preisänderungen geringer ausfallen und dass andererseits auch die
Unterschiede zwischen Angebots- und Nachfrageelastizität geringer werden. Es
wird immer unwahrscheinlicher, dass aufgrund der unterschiedlichen
Elastizitäten von Angebot und Nachfrage der Pfad der Preisschwankungen
explodierend verläuft.
Gerade aufgrund dieser
Unwahrscheinlichkeit bedarf es aber auch im Allgemeinen keines politischen
Eingriffes. Man wird erwarten können, dass nur in sehr seltenen Ausnahmefällen
mit explodierenden Cobweb-Systemen zu rechnen ist. Der Markt ist in der Regel
selbst in der Lage, vorübergehende Ungleichgewichte ohne politischen Eingriff
abzubauen.
9. Der Bildungsmarkt
Wir erwähnten bereits weiter
oben, dass die im Rahmen des Cobweb-Theorems dargestellten Gesetzmäßigkeiten
nichts mit der Aufzucht von Schweinen oder den Eigenheiten bei der Produktion von
Agrarprodukten zu tun haben. Allein die Annahme, dass auf den Märkten
Verzögerungen beim Angebot (oder auch bei der Nachfrage) auftreten und die
daraus notwendig gewordene Unterscheidung zwischen einer kurzfristigen und
langfristigen Angebotskurve rufen diese Korrekturen am Gleichgewichtsprozess
hervor.
Diese Phänomene lassen sich
deshalb auch auf anderen Märkten, so vor allem auf den Märkten für höhere
Ausbildung feststellen. Um ein Beispiel zu bringen: Wenn Engpässe beim Angebot
an Ärzten auftreten, erhöht sich die Zahl derjenigen Studenten (und Studentinnen),
welche ein Medizinstudium absolvieren. Wenn dann diese Studenten ihr
langjähriges Studium abgeschlossen haben und als Ärzte praktizieren können,
besteht die Gefahr, dass die Arbeitsmarktsituation bei Ärzten bereits wiederum
umgeschlagen ist und dass sich dann zu viele Ärzte um eine Zulassung zu den
gesetzlichen Krankenkassen bewerben. Dies bedeutet jedoch, dass sich die Zukunftsaussichten
für Ärzte dramatisch verschlechtert haben, dass viele Bewerber bangen müssen,
keine Zulassung zu einer Arztpraxis zu erhalten und dass in Folge dieser
Veränderung auch befürchtet werden muss, dass die Entwicklung der Ärzteeinkommen
hinter der anderer akademischer Berufe hinterherhinkt. Also werden sich in der
Folgezeit auch wiederum weniger Abiturienten um ein medizinisches Studium
bewerben mit der weiteren Folge, dass es
dann in Zukunft erneut zu wenige Ärzte
geben wird.
Im Idealfalle dauert nämlich
ein Studium 4 bis 5 Jahre, wobei de facto das tatsächliche Studium ein bis zwei
Jahre länger Zeit in Anspruch nimmt. Also besteht auch zwischen der
augenblicklichen Lage auf dem Ausbildungsmarkt und der daraus abgeleiteten Zunahme
der Ärztebewerber eine sehr große Verzögerung, welche wiederum dafür
verantwortlich ist, dass auch bei der akademischen Ausbildung die im
Cobweb-Theorem geschilderten Phänomene zu beobachten sind.
Wir könnten nun erwarten,
dass genauso wie beim Schweinezyklus auch auf den Ausbildungsmärkten aus
ähnlichen Gründen die Wahrscheinlichkeit explodierender Cobweb-Systeme äußerst
gering ist. Genau diese Schlussfolgerung wäre jedoch falsch. De facto müssen
wir beobachten, dass aus einer Vielzahl von Gründen die Reaktionen auf dem
Ausbildungsmarkt so verlaufen, dass hier in der Tat explodierende Systeme
wahrscheinlich werden.
Welche Unterschiede bestehen
nun zwischen beiden Märkten, den Agrarmärkten und den Ausbildungsmärkten? Als
erstes hatten wir bereits angedeutet, dass ein Studium und damit auch die
Verzögerung im Angebot etwa 5 bis 6 Jahre dauert, während bei der
Schweineaufzucht und bei den meisten landwirtschaftlichen Produkten mit einer
einjährigen Produktionsphase gerechnet werden kann. Die Verzögerung auf dem
Ausbildungsmarkt ist somit sehr viel größer als auf den Agrarmärkten mit der
Folge, dass die Angebotsausweitung auch über eine sehr viel längere
Anpassungsphase stattfindet und somit die Ausschläge in den Preisen und Berufsbedingungen
größer ausfallen dürften.
Als zweites gilt es
festzustellen, dass ein Schweinezüchter die Schweinezucht berufsmäßig betreibt,
also jedes Jahr von neuem Schweine anbieten wird, während ein Student im
Normalfall nur ein Studium absolviert und sein Studium dann beendet, wenn er
sein Examen mit Erfolg beendet hat. Also werden wir auch nicht erwarten können,
dass ein Student ähnlich wie ein Anbieter von Agrarprodukten während seiner
Berufszeit Erfahrungen sammelt und sein Angebotsverhalten aufgrund dieser
Erfahrungen korrigieren kann. Für die meisten Studenten gilt, dass sie sich in
einem ersten und alleinigen Studium befinden, sodass sie auch noch keine
Erfahrungen als Studenten erwerben konnten.
Nun könnte man allerdings
einwenden, dass es für die Lernfähigkeit nicht unbedingt erforderlich ist, dass
ein Anbieter in der Vergangenheit eigene Erfahrungen gesammelt hat. Man könnte
vermuten, dass es ausreicht, dass solche Erfahrungen von anderen Studenten
gemacht wurden und dass deshalb auch aus den Erfahrungen anderer mit Erfolg
gelernt werden kann. Ja man könnte sogar vermuten, dass das Zurückgreifen auf
die allgemeinen Erfahrungen sehr viel effizienter ist als die Beschränkung auf
die selbst gemachten Erfahrungen und dass deshalb gerade auch bei der akademischen
Ausbildung die Lernfähigkeit ausreicht, um explodierende Cobweb-Systeme zu
verhindern. Auch wird man vermuten können, dass die Lernfähigkeit bei
Akademikern insgesamt größer ist als bei Nichtakademikern.
Trotzdem gibt es weitere
Gründe dafür, dass auf den Ausbildungsmärkten die Wahrscheinlichkeit für
explodierende Cobweb-Systeme insgesamt größer ist als auf Agrarmärkten. Die
Ausbildung ist nämlich nicht nur einmalig in dem Sinne, dass ein Student
zeitlich gesehen in der Regel nur ein Studium absolviert, sondern auch in dem
Sinne, dass das Studium eben nur einen Abschluss kennt, das Examen stellt somit
ein höchstpersönliches Gut dar. Beim Schweinezyklus gingen wir hingegen nicht
nur davon aus, dass der einzelne Schweinezüchter jedes Jahr eine neue
Schweinezucht beginnt oder fortsetzt, er beschränkt sich auch nicht darauf, ein
einzelnes Schwein zu züchten, sondern wird in aller Regel eine Vielzahl von
Schweinen züchten. Schließlich sind Agrarprodukte homogene Güter; geht die
Nachfrage nach Schweinefleisch zurück, so sind zumeist fast alle
Schweinezüchter von diesem Rückgang betroffen, fast jeder erleidet einen
gewissen Rückgang seines Absatzes.
Ganz anderes gilt für die
Ausbildung. Hier herrscht das Prinzip ‚Alles oder nichts‘, entweder erhält der frisch gebackene Akademiker eine
berufsbezogene Stelle oder er geht leer aus. Ein ‚bisschen Stelle‘ gibt es
nicht. Ein Rückgang in der Nachfrage nach Akademiker äußert sich eben nicht
darin, dass fast jeder Akademiker nun weniger Stunden beschäftigt wird.
Vielmehr erhalten einige Akademiker eine Stelle, andere wieder nicht. Folglich
werden die meisten Studenten auch dann trotzdem ihr Studium wie geplant
beginnen, wenn sie aus den Erfahrungen der anderen gelernt hätten, dass der
heutige Mangel an Ärzten nichts darüber aussagt, wie sich das Gleichgewicht auf
diesem Markt in 5 bis 6 Jahren verhalten wird.
Nun mag man einwenden, dass sich die weniger
begabten Studenten ausrechnen könnten, dass gerade sie in 5 bis 6 Jahren
geringere Berufschancen besitzen werden und dass sie sich aus dieser Erkenntnis
heraus für ein anderes Studium entscheiden. Ein solches Vorgehen ist jedoch
unwahrscheinlich, da auf der einen Seite gerade die weniger begabten Studenten
ihre Leistungsfähigkeit zumeist überschätzen und da auf der anderen Seite aus
einem guten (schlechten) Abiturzeugnis nicht eindeutig darauf geschlossen werden
kann, wie ein Student (eine Studentin) im Hochschulexamen abschließen wird.
Bei einigen Studenten
(männlich wie weiblich) dürften die Abiturnoten kein genaues Bild über dessen
Begabung abgeben, da der eine im Abitur Pech, der andere Glück hatte. Weiterhin
gibt es Spezialbegabungen. Der Umstand, dass ein Student eine sehr gute Allgemeinbegabung
aufweist, bedeutet nicht unbedingt, dass er auch in einem ganz bestimmten Fach
die gleiche Begabung mitbringt. Umgekehrt trifft man auch viele Studenten an,
welche im Hinblick auf die Allgemeinbildung schlecht abgeschlossen haben, sehr
wohl aber wegen einer Spezialbegabung trotzdem das Hochschulexamen mit Bravour
bestehen.
All diese Faktoren dürften
dafür sprechen, dass auf den Ausbildungsmärkten die Wahrscheinlichkeit
explodierender Cobweb-Systeme sehr viel größer ist als bei der Produktion von
Agrarprodukten bzw. bei der Aufzucht von Schweinen. Gerade aus diesen Gründen
wurde darüber diskutiert, was denn der Staat tun könne, um auch die
Ausbildungsmärkte zu funktionsfähigen Märkten zu machen.
So wurde z. B. die Forderung
erhoben, der Staat solle in einem Bildungsplan genau festlegen, wie viel
Ausbildungsplätze benötigt werden und wie vielen Studenten das Studium in einem
ganz bestimmten Fach zu erlauben ist. Alle diese Pläne dürften jedoch wohl kaum
das Problem des fehlenden Gleichgewichts lösen können. Erstens dürfte der Staat
auch kaum über mehr Wissen verfügen als der einzelne Student, sofern sich
dieser darum bemüht, die tatsächlichen Berufsaussichten zu eruieren, bevor er ein
bestimmtes Studium beginnt.
Zweitens greifen diese Pläne
stark in das grundgesetzlich geschützte Recht auf freie Berufswahl ein. Es ist
kein befriedigender Weg, wenn es einzelnen Studenten versagt wird, den Studienzweig
zu absolvieren, der ihren Neigungen und Fähigkeiten am besten entspricht. Dem
Recht auf freie Berufswahl wird besser dann entsprochen, wenn der einzelne
Student aufgrund des Wissens über die Berufsaussichten selbst darüber
entscheidet, welchen Studienzweig er wählen wird.
Drittens zeichnen sich
Bemühungen um Planung der Studienmöglichkeiten zumeist dadurch aus, dass der
Erfolg der Bildungspolitik einseitig daran gemessen wird, wie viel Prozent der
einzelnen betroffenen Jahrgänge einen Hochschulabschluss aufweisen. Wenn dieser
Prozentsatz gesteigert wird und wenn das eigene Land deshalb in einem
internationalen Vergleich an die Spitze der Ranking-Liste kommt, so wird dies
als ein großer Erfolg angesehen. Umgekehrt wird den Ländern, welche die letzten
Plätze in diesen Listen besetzen, ein Misserfolg bescheinigt und sie werden
aufgefordert, Reformmaßnahmen einzuleiten mit dem Ziel, in diesem Ranking aufzurücken.
Demgegenüber ist davon
auszugehen, dass die Produktionsziele und der Stand der Technik weitgehend
bestimmen, wie groß der Bedarf an Arbeitskräften mit einer Hochschulausbildung
ist. Drängen in einem bestimmten Beruf mehr ausgebildete Akademiker auf den
Arbeitsmarkt als Stellen von Seiten der Unternehmungen und der politischen
Institutionen angeboten werden, so bleibt ein Teil der Akademiker entweder
arbeitslos oder findet in einem Beruf einen Arbeitsplatz, der geringere
Anforderungen an die Ausbildung stellt. In letzterem Falle findet ein
Verdrängungswettbewerb statt, Akademiker besetzen dann die Stellen der
Arbeitnehmer, welche in der Rangliste der Berufe an niedriger Stelle stehen,
diese Arbeitnehmer verdrängen ebenfalls die Arbeitnehmer, welche an der nächst
niedrigeren Stelle stehen u. s. f., arbeitslos bleiben dann vor allem die
Arbeitnehmer auf dem untersten Platz.
In diesem Falle sind alle
unbefriedigt. Die Akademiker, welche weder im Hinblick auf Ausbildung noch
Einkommen ein Ausmaß erreichen, das sie eigentlich durch ihr Studium zu
erreichen hofften. Gleichermaßen sind jedoch auch die jeweils von ihren
bisherigen Arbeitsplätzen verdrängten frustriert. Also kommt es hier nicht darauf
an, dass ein Land möglichst viele Akademiker aufweist, sondern dass die Zahl
der Akademiker möglichst der Zahl der für Akademiker vorgesehenen Arbeitsplätze
entspricht.
Größeren Erfolg im Hinblick
auf den Abbau von Ungleichgewichten versprechen Pläne, die Studiengänge
durchlässiger zu machen. Es wird davon ausgegangen, dass in fast jedem
Studiengang zum Teil gleicher Lernstoff wie bei verwandten Studiengängen zu
bewältigen ist, vor allem weil diese den Charakter von propädeutischen Fächern
aufweisen. Wenn man nun dafür Sorge trägt, dass dieser Lernstoff in den ersten
Semestern absolviert wird und wenn man sich darüber hinaus weiterhin in diesen
Fächern um einen möglichst einheitlichen Lernstoff bemüht, besteht die
Möglichkeit, in den ersten Jahren während des Studiums zu verwandten
Studiengängen überzuwechseln, ohne in diesem neuen Studiengang wiederum ganz
von vorne beginnen zu müssen.
Dies bedeutet dann auch,
dass das jeweilige Angebot besser als bisher an die Erfordernisse in der Praxis
angepasst werden kann. Wenn z. B. zu viele Studenten ein medizinisches Studium
begonnen haben und wenn sich nach 1 bis 2 Jahren herausstellt, dass die Angebotslücke
bei den Medizinern bereits zurückgeht oder bisher als zu hoch eingeschätzt
wurde, können einzelne Studenten zu einem Nachbarstudium, also z. B. zum
Pharmazie-Studium überwechseln. Auf diese Weise lässt sich dann die Gefahr
explodierender Cobweb-Systeme etwas verringern.