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Freihandel und Protektionismus

 

 

Gliederung:

 

0.   Geschichtliche Einführung

0.1 Der Merkantilismus

0.2 Die Freihandelsperiode des 19. Jahrhunderts

0.3 Der Übergang zur Schutzzollpolitik

0.4 Liberalisierungsbemühungen i. d. Zwischenkriegszeit

0.5 Havanna-Charta und GATT-Abkommen

0.6 Die beiden Ölkrisen

0.7 Europäischer Binnenmarkt und Entspannungsperiode

 

1.   Theoretische Grundlagen

1.1 Problemeinführung

1.2 Die Theorie der komparativen Kosten

1.3 Die neoklassische Version dieser Theorie

1.4 Das Heckscher-Ohlin-Theorem

 

2.   Die handelspolitischen Instrumente

2.1 Einführung

2.2 Das finanzpolitische Instrumentarium    

2.3 Kontingente und Verbote

2.4 Das Außenhandelsmonopol

2.5 Das Freihandelssystem

 

 

0.   Geschichtliche Einführung

 

0.1 Der Merkantilismus

 

Die Geschichte des Protektionismus der Neuzeit beginnt bereits mit dem Absolutismus des 16. bis 18. Jahrhunderts. Die merkantilistische Wirtschaftspolitik diente den absolutistischen Herrschern dazu, ihre Abhängigkeit von den standesstaatlichen Kontrollen des Adels und des Klerus abzuschütteln. Die Ständeparlamente hatten vor allem das Recht der Steuerbewilligung. Im Zuge dieser Reformen wurde ein stehendes Heer und ein Beamtenapparat geschaffen, Einrichtungen, welche zusätzliche Steuerquellen notwendig machten, welche nicht vom Parlament kontrolliert werden mussten. So kam es zur Einführung und Erhöhung indirekter Steuern, insbesondere der Zölle.

 

Voraussetzung dafür, dass die Zoll- und Steuereinnahmen stiegen, war jedoch die Ausweitung der Produktion und des Handels. Der Staat bemühte sich, den inländischen Absatz vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, gleichzeitig aber neue Absatzmärkte im Ausland zu erschließen. Beide Ziele zusammen führten zu Bemühungen für eine Aktivierung der Handelsbilanz.

 

Eine aktive Handelsbilanz war allerdings auch deshalb notwendig, um auf diese Weise einen Goldimport und indirekt eine Ausweitung der umlaufenden Geldmenge zu erreichen. Die Ausweitung der Geldmenge wurde für notwendig erachtet, um eine Deflation zu verhindern, die das wirtschaftliche Wachstum wiederum gelähmt hätte. Vor allem für Frankreich galt, dass es nicht über ausreichende Goldquellen verfügte und deshalb darauf angewiesen war, dass Gold mittels einer passiven Devisenbilanz importiert wurde. Es herrschte damals das System der Goldwährung vor. Importe konnten mit Devisen bezahlt werden; wenn jedoch die Devisenerlöse aus dem Export nicht ausreichten, um die beabsichtigten Importe zu finanzieren, musste der Saldo der Devisenbilanz in Gold ausgeglichen werden.

 

Da eine aktive Handelsbilanz des Inlandes immer begleitet wird von einer passiven Handelsbilanz des Auslandes, herrschte im Merkantilismus die Grundüberzeugung vor, dass zwischen den Nationen eine Konfliktbeziehung herrsche und dass der eigene nationale Vorteil immer dem Ausland einen Nachteil bringe.

 

Zur Realisierung einer aktiven Handelsbilanz bediente man sich im Merkantilismus der Instrumente der Importzölle und Exportprämien für Güter, weiterhin der Instrumente der Verbote und Kontingentierungen. Da allerdings die Rohstoffbasis zu gering war, um die Güterproduktion auszuweiten, bemühte man sich im Merkantilismus auch darum, Rohstoffexporte zu unterbinden und Rohstoffimporte zu fördern.

 

Recht typisch für die merkantilistische Haltung war der Methuen-Vertrag, den England und Portugal im Jahre 1703 abgeschlossen haben, der vorwiegend den Zweck verfolgte, Importe aus Frankreich möglichst zu verhindern.

 

 

0.2 Die Freihandelsperiode des 19. Jahrhunderts

 

Der Liberalismus, der vor allem von Adam Smith und David Ricardo im ausgehenden 18. Jahrhundert entwickelt wurde, wandte sich gegen jede Form staatlicher Reglementierung, da diese die innovative Aktivität der Unternehmer und damit das wirtschaftliche Wachstum hemme. Der Markt allein führe zu einer optimalen Lösung der wirtschaftlichen Probleme. Es war die Grundthese des Liberalismus, dass zwischen den einzelnen Volkswirtschaften weniger Konfliktbeziehungen als harmonische Beziehungen bestünden. Man ging von der Vorstellung aus, dass Freihandel allen beteiligten Staaten Vorteile bringe, entsprechend der von David Ricardo entwickelten Theorie der komparativen Kosten sogar den Staaten, bei denen alle Güter zu überdurchschnittlich hohen Kosten produziert werden. Jedes Land könne aus dem Außenhandel Vorteile ziehen.

 

Die Bekämpfung des Auslandes über Zölle führe zu einem Zollkrieg. Die anfänglichen Verbesserungen in den terms of trades aufgrund einer Zolleinführung gingen hierdurch wieder verloren, gleichzeitig vermindere sich aufgrund der gegenseitigen Zölle das Außenhandelsvolumen und mit ihm die weltwirtschaftliche Produktivität. Beide Nationen verlören also langfristig durch einen Zollkrieg.

 

Diese liberalen Ideen führten zur Gründung der Anti-Corn-Law-League, die unter Leitung von R. Cobden 1846 die Abschaffung der Kornzölle anstrebte, ein Ziel, das auch 1846 erreicht wurde. In der Folge wurden liberale Handelsverträge, z. B. der Cobden-Vertrag 1860 zwischen England und Frankreich abgeschlossen. In dessen Mittelpunkt stand die Meistbegünstigungsklausel, die dem Vertragspartner zusicherte, alle Begünstigungen, die in Zukunft dritten Staaten eingeräumt würden, auch dem Vertragspartner zu gewähren.

 

 

0.3 Der Übergang zur Schutzzollpolitik

 

In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts kam es vor allem in Deutschland und in den USA zu einer Hinwendung zum Protektionismus. Die Grundlage bildete in Deutschland die Theorie von Friedrich List, wonach die Wettbewerbsfähigkeit vom wirtschaftlichen Entwicklungsstand einer Nation abhänge. Zu Beginn einer industriellen Entwicklung entstünden hohe Einführungskosten, aufgrund derer ein Entwicklungsland nicht mit den Ländern konkurrieren könne, die bereits weiter fortgeschritten seien und deshalb keine Entwicklungskosten mehr aufbringen müssten.

 

Deshalb sollten Staaten, die – wie damals Deutschland – in der Anfangsphase der Industrialisierung stünden und deshalb noch hohe Entwicklungskosten aufzubringen hätten, durch Erziehungszölle gegenüber bereits weiterentwickelten Staaten wie damals England geschützt werden. Der Industrialisierungsprozess Englands habe nämlich bereits etwa 50 Jahre vor dem Deutschlands begonnen, deshalb habe England im Gegensatz zu Deutschland keine Entwicklungskosten mehr aufzubringen. Ein Freihandel würde in einer solchen Ausgangssituation den Aufbau der deutschen Industrie behindern, obwohl die Wettbewerbsunfähigkeit Deutschlands lediglich darauf beruhe, dass Deutschland vorübergehend noch Entwicklungskosten zu zahlen habe.

 

Otto v. Bismarck machte sich diese Gedankengänge zu Eigen und führte in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland Getreide- und Eisenzölle ein. Die Schutzzollpolitik der USA Ende des 19. Jahrhunderts wurde vor allem von den Gewerkschaften gefordert. Sie befürchteten, dass Freihandel den Wettbewerb mit den Niedriglohnländern begünstige und zu Importen aus Niedriglohnländern führe. Damit seien die USA als Hochlohnland automatisch im Wettbewerb benachteiligt. Auf dem Wege eines Freihandels fände nämlich ein Druck auf die Löhne statt.

 

 

0.4 Liberalisierungsbemühungen in der Zwischenkriegszeit

 

In der Zeit zwischen dem 1. und 2. Weltkrieg wurde im Rahmen des Völkerbundes der Versuch unternommen, den internationalen Güterverkehr wiederum zu liberalisieren. So kam es zu einer generellen Liberalisierung des Außenhandels, nicht nur im Rahmen der Währungspolitik, sondern auch im Rahmen der Handelspolitik, hier durch Reduzierung von Einfuhrzöllen und Abschaffung von Einfuhr- und Ausfuhrkontingenten.

 

Diese Bemühungen wurden jedoch durch Inflationsprozesse Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts behindert, da im Zuge dieser Entwicklungen hohe Handelsbilanzungleichgewichte entstanden, die man wiederum mit Hilfe protektionistischer Maßnahmen zu bekämpfen versuchte. Diese Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen wurden vor allem dadurch ausgelöst, dass die einzelnen Länder recht unterschiedlich hohe Inflationsraten aufwiesen.

 

In Deutschland wurden die Liberalisierungsbemühungen dadurch zusätzlich behindert, dass Deutschland Reparationszahlungen zu leisten hatte, die nur verwirklicht werden konnten, wenn die Empfangsländer Handelsbilanzdefizite zugelassen hätten. Hierzu waren jedoch die Siegermächte England und Frankreich nicht bereit. Sie verhinderten durch Zölle und andere protektionistische Maßnahmen die Entstehung eines Defizits in deren Handelsbilanz.

 

Die Weltwirtschaftskrise Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts führte wiederum in einzelnen Ländern, wie vor allem in England zu Devisenbilanzdefiziten; England wertete das Pfund ab, es folgten weitere Staaten in der Abwertung ihrer Währung, es kam zu einem Abwertungswettbewerb und wiederum wurde zu protektionistischen und dirigistischen Maßnahmen gegriffen, um die ZB-Defizite zu überwinden.

 

Der Wiederaufbau der deutschen Industrie erfolgte – entgegen aller Grundsätze einer ordentlichen Unternehmungsführung – weiterhin durch kurzfristige Kredite aus den USA, die im Zusammenhang mit dem Börsenkrach Ende der 20er Jahre gekündigt wurden, aber wegen der langfristigen Anlage nicht zurückerstattet werden konnten. Deutschland antwortete hierauf  mit einem Schuldenmoratorium.

 

Die Überwindung der Weltwirtschaftskrise war in Deutschland begleitet durch den Übergang zu der NS-Regierung, welche von Autarkiebestrebungen bestimmt war und damit schon aus ideellen Gründen die Freihandelsbestrebungen beendete. Der Übergang zur Kriegswirtschaft im 2. Weltkrieg brachte den Freihandel vollkommen zum Erliegen.

 

 

0.5 Havanna-Charta und GATT-Abkommen

 

Gegen Ende des 2. Weltkrieges bemühten sich die Siegermächte im Rahmen der Havanna-Charta und der GATT-Verhandlungen um eine Liberalisierung des Welthandels. Die Havanna-Charta sah einen Abbau der Ein- und Ausfuhrverbote und des Dumpings vor, gleichzeitig wurde die allgemeine Meistbegünstigungsklausel wieder eingeführt, wonach jedem Vertragspartner alle Vergünstigungen zugesagt werden, welche in Zukunft anderen Vertragspartnern eingeräumt werden. Die Havanna-Charta trat nicht in Kraft, vor allem weil das Parlament in den USA die Ratifizierung verweigerte.

 

Allerdings fanden multinationale Verhandlungen über einen gemeinsamen stufenweisen Abbau der Zölle statt, doch es wurden Präferenzsysteme (Commonwealth, EG) zugelassen; auch wurden dirigistische Maßnahmen zur Beseitigung von Ungleichgewichten in der ZB vorübergehend erlaubt. Diese Verhandlungen endeten mit dem GATT-Abkommen (General Agreement on Tarifs and Trade). Am GATT-Abkommen beteiligten sich die meisten westlichen Industrieländer, aber auch einige Ostblockstaaten und Entwicklungsländer. Allerdings zogen sich die Verhandlungen sehr schleppend hin und führten zunächst nur zu einer geringfügigen Reduzierung des allgemeinen Zollniveaus.

 

Einen wesentlichen Fortschritt brachte erst die Kennedy-Runde 1964 - 1967. John F. Kennedy hatte eine generelle 50%ige Zollsenkung vorgeschlagen, de facto kam es zu einer Senkung von etwa 35%. Parallel zu diesen Bemühungen um einen Abbau des allgemeinen Zollniveaus kam es partiell zu Zollpräferenzsystemen. Gleichzeitig bestanden im Rahmen der UNCTAD und auch der EG Bemühungen, den Entwicklungsländern gewisse Zollpräferenzen einzuräumen.

 

 

0.6 Die beiden Ölkrisen

 

Die beiden Ölkrisen Anfang und Ende der 70er Jahre (1973 - 1975 / 1979 - 1983) führten in fast allen Ölimportländern zu erheblichen Defiziten in der Handelsbilanz. Die Ursache für diese beiden Krisen lag im Ölboykott der arabischen Staaten. So wurden die Ölpreise um circa 300 - 400 % angehoben.

 

Die erste Ölkrise hatte allerdings in der BRD nur geringfügige Einflüsse auf die Handelsbilanz, da zur gleichen Zeit eine starke DM-Aufwertung stattfand. Die 2. Ölkrise führte hingegen zu starken Defiziten auch in der Leistungsbilanz der BRD in den Jahren 1980 und 1981. Auch die DM-Ölpreise glichen sich an den Dollarpreisanstieg weitgehend an.

 

Indirekt haben die beiden Ölkrisen sicherlich zu einer erneuten Zunahme protektionistischer Tendenzen beigetragen, die sich vorwiegend in nicht-tarifären Handelsbehinderungen niederschlugen. Die beiden Ölkrisen hatten nämlich über einen Ölpreisanstieg und über Handelsbilanzdefizite zu einer weltweiten Rezession geführt und auf diesem Wege die protektionistischen Bestrebungen gefördert. Allerdings bleibt zu vermerken, dass die Leistungsbilanz der BRD ab Mitte der 80er Jahre wiederum stark aktiv wurde und dass in der 2. Hälfte der 80er Jahre die Ölpreise einem starken Zerfall ausgesetzt waren.

 

Diese Tendenz wurde durch die von Hussein ausgelöste Golfkrise erneut durchbrochen. In den folgenden Monaten kam es erneut zu einem starken Anstieg in den Ölpreisen, ein Anstieg der allerdings weder durch reduzierte Ölfördermengen, noch durch erhöhten Bedarf erklärt werden konnte. Wiederum kam es zu einer Verstärkung der nicht-tarifären Handelshemmnisse.

 

 

0.7 Europäischer Binnenmarkt und Entspannungsperiode

 

Die 90er Jahre führten erneut zu einer Liberalisierung des Handels. Innerhalb Europas brachte die Einführung des europäischen Binnenmarktes einen weitgehenden Abbau der nicht-tarifären Handelshemmnisse, gleichzeitig wurde der Dienstleistungsverkehr liberalisiert. Schließlich wurden alle Kapitalverkehrskontrollen, die bisher vor allem zur Überwindung der Devisenbilanzdefizite erlaubt waren, verboten.

 

Weltweit brachten verschiedene GATT-Runden (vor allem die Tokio-Runde Ende der 70er Jahre und die Uruguay-Runde in den 90er Jahren) eine drastische allgemeine Zollsenkung von jeweils ca. 30 %. Entspannungsbemühungen wurden auch  in den 90er Jahren innerhalb der KSZE eingeleitet.

 

 

1. Theoretische Grundlagen

 

1.1 Problemeinführung

 

Die Ziele der Handelspolitik sind sehr vielfältig. So geht es um eine Vermehrung der Weltwohlfahrt, weiterhin um die Wohlfahrtssteigerung der eigenen Volkswirtschaft und schließlich um den Schutz einzelner Sektoren oder Bevölkerungsgruppen.

 

Die Staaten verfolgen innerhalb der Handelspolitik erstens Autarkieziele. Danach soll die Nachfrage vor allem nach Grundnahrungsmittel und nach den wichtigsten Energie-Rohstof­fen vorwiegend durch eigene Produktion sichergestellt werden, um nicht zu sehr in Abhängigkeit anderer Staaten zu geraten. 

 

Die Handelspolitik dient zweitens dazu, dem Staat insbesondere über Zölle Einnahmen zu beschaffen. Dieses Ziel wird vor allem von den Entwicklungsländern verfolgt, in denen die Zolleinnahmen einen beachtlichen Prozentsatz der Gesamteinnahmen des Staates ausmachen. In den hoch entwickelten Staaten trat dieses Ziel zurück. De facto machen Zolleinnahmen in diesen Staaten nur ganz wenige Prozentpunkte der staatlichen Gesamteinnahmen aus.

 

Worin besteht nun die Fragestellung der Außenhandelstheorie? Sie will den Nachweis führen, dass die Einführung eines Freihandels die Weltwohlfahrt erhöht; dies ist der allokative Aspekt der Außenhandelstheorie. Sie befasst sich weiterhin mit der Frage, unter welchen Bedingungen die Verteilung der Weltwohlfahrt auf einzelne Länder und Sektoren beeinflusst werden kann; dies ist der distributive Aspekt dieser Theorie.

 

Im Rahmen der Außenhandelstheorie wurden vor allem zwei maßgebliche Theorien entwickelt: Die Theorie der komparativen Kosten, welche bereits von David Ricardo – einem Hauptvertreter der klassischen Wirtschaftstheorie – formuliert wurde und das Heckscher-Ohlin-Theorem, welches Gegenstand der neoklassischen Theorie wurde.

 

 

1.2 Die Theorie der komparativen Kosten

 

Die Grundthese der von David Ricardo entwickelten Theorie der komparativen Kosten besagt: Im Außenhandel bestimmen nicht die absoluten, sondern die komparativen Kosten über die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Hierbei werden die komparativen Kosten als Kostenverhältnisse  (k1/k2) definiert. Die komparativen Kosten des Inlandes werden mit denen des Auslandes in Beziehung gesetzt, wobei das Inland dann in Gut 1 einen komparativen Vorteil aufweist, wenn folgende Beziehung gilt:

 

(k1/k2)I < (k1/k2)A kn ;    Stückkosten I: Inland A:Ausland

 

Die Theorie der komparativen Kosten geht davon aus, dass jede Volkswirtschaft mindestens in einem Gut einen komparativen Kostenvorteil aufweist, und zwar auch dann, wenn die absoluten Kosten des Inlandes bei allen Gütern höher als im Ausland liegen. Die einzige Ausnahme von dieser Regel würde nur dann gelten, wenn die Kostenstrukturen aller Länder identisch wären.

 

Die Grundlage dieser Theorie in ihrer ursprünglichen Form liegt in der klassischen Arbeitswertlehre: Die relativen Preise sind langfristig nur vom Angebot, und zwar von den Durchschnittskosten bestimmt. Die Nachfrage hingegen beeinflusst nur kurzfristig die Preishöhe. Alle Kosten lassen sich im Rahmen der Arbeitswerttheorie auf einen homogenen Faktor Arbeit und damit auf eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden zurückführen.

 

Die Rente ist Folge von Preissteigerungen, kann also nicht Ursache der langfristigen Preishöhe sein. Die Kapitalkosten (Zinskosten) erhöhen alle Preise proportional, scheiden also als Bestimmungsgrund der Preisverhältnisse aus. Voraussetzung für diese Aussage ist allerdings, dass die Nutzungsdauer bei allen Kapitalgütern gleich groß ist. Die Struktur der einzelnen Arbeitsqualitäten wird technisch bestimmt, sodass verschiedene Arbeitsstunden in eine Standardgröße umgerechnet werden können. Die Technik legt die Höhe der Durchschnittskosten eindeutig fest, es besteht vor allem keine Abhängigkeit von der Ausbringungsmenge.

 

Ricardo versuchte nachzuweisen, dass eine Vergrößerung der Weltproduktion erzielt wird, wenn sich jedes Land auf die Güter spezialisiert, in denen es einen komparativen Kostenvorsprung aufweist.

 

 

Beschreibung: frei1

 

 

Die Tabelle vergleicht die Produktionsverhältnisse vor und nach der Spezialisierung durch den Außenhandel. Das Inland hat einen komparativen Vorteil in Gut 1 und wird sich deshalb nach Aufnahme des Außenhandels auf dieses Gut spezialisieren, während das Ausland komparative Vorteile in Gut 2 besitzt und sich deshalb auf dieses Gut spezialisiert. Wie die Tabelle zeigt, werden nach der Spezialisierung sowohl von Gut 1 wie von Gut 2 mehr Güter produziert.

 

Es besteht hier eine Tendenz zur vollständigen Spezialisierung, da sich die Kosten und damit auch die Kostenverhältnisse nach Aufnahme des Außenhandels nicht verändern. Wenn wir den Spezialisierungsprozess schrittweise verfolgen, so gilt bei jedem durchgeführten Umfang der Spezialisierung, dass beide Länder jeweils in einem Gut einen eindeutigen Kostenvorteil besitzen und dass deshalb eine Ausweitung der Spezialisierung solange vorteilhaft bleibt, bis schließlich eine vollständige Spezialisierung erreicht ist.

 

Es wird auch keine Aussage darüber gemacht, wie sich der Außenhandelsgewinn auf die beiden Länder verteilt. Der neue Gleichgewichtspreis liegt – je nach Machtverhältnissen – zwischen den bisherigen komparativen Kosten beider Länder.

 

Wie kommt es nun zu dieser Spezialisierung? Zunächst exportiert das Land mit den absolut niedrigeren Kosten (in unserem Beispiel das Ausland) beide Güter. Dieses Land erzielt deshalb zunächst einen positiven Leistungsbilanzsaldo. Das Inland zahlt seine Importe mit Gold, es fließt also Gold ins Ausland, während das Inland Gold verliert. Entsprechend der Praxis der Notenbanken wird im Inland die Geldmenge reduziert, es kommt zu allgemeinen Preissenkungen, während im Ausland die umlaufende Geldmenge ansteigt und mit ihr das allgemeine Preisniveau. Die Preisverhältnisse nähern sich einander an. Schließlich ist das Exportland (in unserem Beispiel das Ausland) nur noch in dem Gut absolut billiger, das auch die geringeren komparativen Kosten aufweist. Das Inland bietet somit das Gut mit den komparativen Kostenvorteilen auch zu einem geringeren Preis an, es kommt zum Austausch beider Güter und der Saldo der Devisenbilanzen kann sich wiederum verringern.

 

Diese Schlussfolgerungen gelten analog in Systemen freier Wechselkurse; hier führt nicht der Export oder Import von Gold, sondern Auf- bzw. Abwertungen der Devisenkurse schließlich zu dem aufgezeigten Ergebnis.

 

 

1.3 Die neoklassische Version dieser Theorie

 

Die ursprüngliche Theorie der komparativen Kosten enthielt mehrere ungeklärte Fragen. So wurde nicht geklärt, wie die Nachfrage die Höhe des Preises bestimmt. Auch ist die Annahme, dass es nur einen Produktionsfaktor (eine standardisierte Arbeitskraft) gibt, unhaltbar. Der Versuch Ricardos, vor allen den Produktionsfaktor Kapital als Bestimmungsgrund der Preisbildung auszuscheiden, war gescheitert. Der prozentuale Anteil der Zinskosten an den Gesamtkosten wäre nur dann bei allen Produktionen gleich und würde nur dann die Preisstruktur der einzelnen Güter nicht beeinflussen, wenn bei allen Produktionen die Nutzungsdauer des Kapitals gleich lang wäre. Dies widerspricht jedoch jeder Erfahrung. Schließlich gehen wir seit der Neoklassik davon aus, dass die Durchschnittskosten von der Ausbringungsmenge abhängen und mit der Produktionsausweitung im Allgemeinen ansteigen.

 

Gustav von Haberler hatte nun vorgeschlagen, anstelle der Arbeitskosten Opportunitätskosten zu wählen. Hierbei geben die Opportunitätskosten an, auf wie viel Nutzen des Gutes X2 verzichtet werden muss, um eine Einheit des Gutes X1 zu erwerben. Wir gehen also davon aus, dass das Einkommen oder auch die Ressourcen für mehrere Alternativen eingesetzt werden können. Man entscheide sich für Alternative 1, die zweitbeste Wahl wäre die Alternative 2 gewesen. In diesem Falle geben die Opportunitätskosten der getroffenen Wahl an, dass auf den Nutzen verzichtet werden muss, der bei der zweitbesten Wahl erzielt worden wäre.

 

Alfred Marshall hatte zur Erklärung des Außenhandels das Konzept der Tauschkurven entwickelt. Diese stellen eine Art kombinierte Angebots- Nachfragekurve dar, die sich allerdings nicht auf einen einzelnen Markt, sondern auf den gesamten Außenhandel eines Landes bezieht. Auf der Abszissenachse werden die Exportmengen, auf der Ordinatenachse die Importmengen abgetragen. Die Preisverhältnisse (die sogenannten Terms of Trade) werden am Fahrstrahl durch den Koordinatenursprung gemessen. Eine solche Kurve kann dann als Exportangebots- und zur gleichen Zeit als Importnachfragekurve gedeutet werden.

 

 

Beschreibung: frei2

 

 

J. Meade leitete diese Tauschkurven aus dem Indifferenzkurvensystem ab. Betrachten wir hierzu folgendes Vier-Quadranten-Diagramm:

 

 

Beschreibung: frei3

 

 

Im Quadranten I (Nordwest) wird die Transformationskurve und die Schar kollektiver Indifferenzkurven des Inlandes dargestellt, wobei der Einfachheit halber nur die Indifferenzkurve eingetragen wurde, welche die Transformationskurve tangiert. Die Abszissenachse misst hierbei das Gut, das bei einer Spezialisierung exportiert wird, die Ordinatenachse hingegen das Gut, das bei einer Spezialisierung importiert würde.

 

Im Quadranten III (Südwest) werden die Transformationskurve und die Schar kollektiver Indifferenzkurven des Auslandes analog zu den inländischen Kurven dargestellt. Im Quadranten II (Nordost) schließlich werden dann die Tauschkurve des Inlandes und des Auslandes aus den Informationen der Quadranten I und III abgeleitet.

 

Betrachten wir zunächst den Autarkiezustand. Der Tangentialpunkt beider Kurven gibt an, bei welcher Güterkombination die Volkswirtschaft ihr Optimum realisieren würde, wenn kein Außenhandel betrieben würde.

 

 

Beschreibung: frei4

 

 

Fügen wir nun in unser Diagramm die Möglichkeit des Imports ein. Das Importgut des Inlandes wird – wie bereits angegeben – auf der Ordinate abgetragen. Wir verschieben hierzu den aus der Transformationskurve gebildeten Produktionsblock nach oben. Wir erhalten auf diese Weise einen neuen Tangentialpunkt mit einer Indifferenzkurve höheren Nutzens. Der Betrag, um den wir den Produktionsblock nach oben verschoben haben, misst den Umfang der Importgüter, die Gesamtordinate hingegen die Summe aus im Inland produzierten und importierten Güter (Im.)

 

 

Beschreibung: frei5

 

 

In gleicher Weise können wir den Produktionsblock nach rechts verschieben, wobei der Umfang dieses Betrages im Quadranten II den Export des Gutes (Ex) anzeigt. Der inländische Konsum dieses Gutes entspricht nun der Differenz zwischen inländischer Produktion und Exportgütermenge von (Ex).

 

 

Beschreibung: frei6

 

 

Wir verschieben nun ausgehend vom Autarkiezustand den Produktionsblock entlang der Indifferenzkurve, welche die Transformationskurve tangiert. Der Koordinatenursprung zeichnet im Quadranten II (Nordost) eine neue Kurve, die als Handelsindifferenzkurve bezeichnet wird und welche die Kombinationen von Export- und Importgütern anzeigt, die dem Inland die gleiche Wohlfahrt garantieren wie im Autarkiezustand. Die so entstehende Handelsindifferenzkurve geht durch den Koordinatenursprung, der die Autarkiesituation widerspiegelt.

 

 

Beschreibung: frei7

 

 

In ähnlicher Weise gehen wir nun von dem Produktionsblock aus, der gegenüber dem Autarkiezustand nach oben verschoben wurde und eine Indifferenzkurve mit höherem Nutzen tangiert. Wenn wir nun diesen Produktionsblock entlang der neuen Indifferenzkurve bewegen, entsteht im Quadranten (Nordwest) eine zweite Handelsindifferenzkurve, welche oberhalb der zuerst eingezeichneten Handelsindifferenzkurve liegt. Auf die gleiche Weise können wir für jedes denkbare Nutzenniveau des Inlandes eine Handelsindifferenzkurve ableiten.

 

 

Beschreibung: frei8

 

 

Schließlich können wir aus den Handelsindifferenzkurven die Tauschkurve des Inlandes (TI) ableiten. Der Fahrstrahl aus dem Koordinatenursprung gibt hierbei jeweils an, zu welchem Verhältnis sich Export- und Importgüter tauschen; man spricht hierbei von den Terms of Trade (ToT). Jeder Fahrstrahl tangiert eine Handelsindifferenzkurve. Dieser Tangentialpunkt gibt offensichtlich an, welche Kombinationen von Export- und Importgütern dem Inland bei alternativen Terms of Trade den höchstmöglichen Nutzen stiften und die deshalb bei freiem Tausch von den Inländern gewählt werden. Wir verbinden zum Schluss all diese Tangentenpunkte und erhalten die von Alfred Marshall entwickelte Tauschkurve des Inlandes.

 

 

Beschreibung: frei11

 

 

Wir entwickeln nun in einem weiteren Schritt in analoger Weise die Handelsindifferenzkurven und hieraus schließlich die Tauschkurve des Auslandes.

 

 

Beschreibung: frei9

 

 

Wir sind nun in einem letzten Schritt in der Lage, das Handelsgleichgewicht zu bestimmen. Wir betrachten hierzu den Quadranten II (Nordost). Die beiden Tauschkurven schneiden sich in einem Punkt; dieser Punkt gibt an, bei welcher Kombination von Export- und Importgütern das Inland mit dem Ausland übereinstimmt. Die durch diesen Punkt gehenden Handelsindifferenzkurven des In- und des Auslandes geben an, welches Nutzenniveau das In- und Ausland erzielt, der Fahrstrahl, der den Koordinatenursprung mit diesem Schnittpunkt verbindet, gibt schließlich die Terms of Trade an, bei dem ein Gleichgewicht erreicht wird.

 

 

Beschreibung: frei10

 

 

Welche Folgerungen lässt das von Meade entwickelte Modell zu? Das Ausmaß des Außenhandelvolumens wird bestimmt durch die Preisverhältnisse bei Autarkie. Bei Identität dieser Preisverhältnisse entsprechen sich die Fahrstrahle an beide Tauschkurven im Ursprung. Kein Außenhandel ist unter diesen Bedingungen vorteilhaft.

 

Je größer der Unterschied der nationalen Preisverhältnisse ist, umso größer ist auch das Außenhandelsvolumen. Da die Stückkosten von der Ausbringungsmenge abhängen, nähern sich die Preisverhältnisse durch Außenhandel einander an. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen keine vollständige Spezialisierung zu erwarten ist.

 

Internationale Preisunterschiede ergeben sich nicht nur aus unterschiedlichen Kostenstrukturen, sondern auch durch Unterschiede in der Bedarfsstruktur. Jedes Land wird sich auf die Güter spezialisieren, bei denen es komparative Preisvorteile aufweist.

 

 

Beschreibung: frei17

 

 

Im Allgemeinen liegt das Tauschgleichgewicht für beide Länder auf einer höheren HI-Kurve (bei einer höheren Wohlfahrt) als im Autarkiezustand. Trotzdem könnte ein Land durch Begrenzung des Außenhandels eine höhere Wohlfahrt erzielen als bei Freihandel.

 

Welche Kritik wurde gegen diese Theorie vorgetragen? Als erstes wurde kritisiert, dass ein empirischer Test dieser Theorie erschwert ist, da Opportunitätskosten nicht messbar sind und da Preisverhältnisse zumeist nur nach Einführung des Außenhandels bekannt sind. Um festzustellen, ob ein freier Handel die Wohlfahrt einer Volkswirtschaft gesteigert hat, müsste man jedoch die unterschiedlichen in- und ausländischen Preisverhältnisse vor Einführung des Freihandels kennen. Die Preisverhältnisse nach Einführung des Freihandels sind jedoch aufgrund des Anpassungsprozesses gleich hoch.

 

Eine zweite Kritik besagt, dass die Theorie der komparativen Kosten nicht erklären kann, warum in der Realität ein Außenhandel vor allem zwischen Volkswirtschaften ähnlicher Strukturen stattfindet, obwohl entsprechend der Theorie der komparativen Kosten gerade der Handel zwischen Volkswirtschaften mit unterschiedlichen Produktionsstrukturen vorteilhaft sein müsste.

 

Entsprechend der neueren Außenhandelstheorie entscheiden vor allem die Güterqualität und die jeweils realisierten Marktformen über den internationalen Wettbewerbsvorteil. Weiterhin wird hier der Versuch unternommen, auch die Variablen, welche innerhalb der neoklassischen Außenhandelstheorie als nicht weiter zu untersuchende Daten galten, zu erklären.

 

So hängt z. B. die Entwicklung der Bedarfsstruktur vom Pro-Kopf-Einkommen ab. Mit zunehmendem Wohlstand steigt zunächst der Anteil der Industrieprodukte und damit der kapitalintensiven Güter an; bei weiterem Wachstum erhöht sich der Anteil der Dienstleistungen und damit der arbeitsintensiven Güter. Auch der Wandel in der Technik kann selbst wiederum vom Wohlstandsniveau abhängen. Dies gilt vor allem im Rahmen der These vom verkörperten technischen Fortschritt.

 

Schließlich hängt vom Wohlstand auch die Entwicklung der Produktionsfaktoren ab. Die Bevölkerungswachstumsrate geht mit zunehmender Entwicklung zurück, die Wachstumsrate des Kapitals steigt jedoch relativ an.

 

 

1.4 Das Heckscher-Ohlin-Theorem

 

Das von E. Heckscher und B. Ohlin formulierte Theorem enthält eine allokative wie ei­ne di­stributive Hypothese. Die allokative These besagt, dass ein Land jeweils die Güter exportieren wird, die in dem Faktor intensiv sind, der relativ reichlich vorhanden ist. Hierbei wird die relative Knappheit am Verhältnis des Faktoreinsatzes im In- und Ausland gemessen:

 

(F1/F2)I > (F1/F2)A     F1 : Faktor 1 z. B. Arbeit

 

Bisweilen wird die relative Knappheit aber nicht am Verhältnis der Faktormengen, sondern der Faktorkosten gemessen:

 

(L/K)I > (L/K)A      L: Lohnkosten, K: Kapitalkosten.

 

Es gilt nun folgende These: Mit zunehmender Entwicklung wird Arbeit immer knapper und deshalb teurer, also wird sich ein hoch entwickeltes Land vorwiegend auf kapitalintensive Güter spezialisieren und arbeitsintensive Güter importieren.

 

Was besagt nun die distributive These des Heckscher-Ohlin-Theorems? Aufgrund des Außenhandels nähern sich die Faktorpreisverhältnisse einander an. Da die arbeitsintensiven Güter in einem hoch entwickelten Land vorwiegend importiert werden, geht die Nachfrage nach Arbeit – und damit auch der Lohn – relativ zurück. Der jeweils knappe Faktor erleidet also aufgrund einer Liberalisierung des Außenhandels Einkommensverluste.

 

Bringen wir als Beispiel die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Japan in den frühen 50er Jahren des 20. Jahrhunderts. Die USA waren das weiterentwickelte Land, während Japan damals noch am Anfang der Industrialisierung stand. Deshalb war der Faktor Arbeit in USA knapp, in Japan jedoch relativ reichlich vorhanden.

 

Im Rahmen des Heckscher-Ohlin-Theorems wurde auch die These vom vollständigen Ausgleich der internationalen Faktorpreisverhältnisse entwickelt. Diese These gilt allerdings nur bei Gültigkeit zahlreicher unrealistischer Annahmen. So wird erstens von identischen Produktionsfunktionen im In- und Ausland ausgegangen. Weiterhin werden Produktionsfunktionen vom Typ Cobb-Douglas unterstellt, es gilt der Grenzproduktivitätssatz, wonach die Produktionsfaktoren zu ihren Grenzprodukten entlohnt werden. Hierbei muss unterstellt werden, dass auf allen Güter- und Faktormärkten vollständige Konkurrenz herrscht. Schließlich wird stillschweigend unterstellt, dass sich die Faktorintensitäten aufgrund des Außenhandels nicht umkehren. Umkehrende Faktorintensitäten lägen z. B. vor, wenn Land A vor Einführung des Außenhandels im Produktionsfaktor Arbeit als relativ knapp galt, dass aber aufgrund der Produktionsänderungen in Folge des Freihandels schließlich der Produktionsfaktor Kapital als relativ knapp anzusehen sei.

 

 

Beschreibung: frei16

 

 

Wenden wir uns nun der Beweisführung für einen vollständigen Faktorpreisausgleich zu.   Der Freihandel baut die Güterpreisunterschiede ab. Bei gleichen Güterpreisverhältnissen entsprechen sich jedoch auch die Faktoreinsatzverhältnisse:

 

Beschreibung: frei12

 

 

Es gilt also auch:   p1/p2 = GP2A/GP1A.

 

Nun hängen die Grenzprodukte von insgesamt drei Faktoren ab, und zwar:

 

- von den Strukturparametern der Produktionsfunktion,

- von dem jeweiligen Produktionsniveau und

- von der jeweiligen partiellen Faktorintensität (k).

 

Die Strukturparameter sind im In- und Ausland gleich, sofern identische Produktionsfunktionen unterstellt werden. Wenn darüber hinaus homogen-lineare Produktionsfunktionen angenommen werden, hängen die Grenzprodukte nicht mehr vom Produktionsniveau ab. Es verbleibt also die Abhängigkeit vom relativen Faktoreinsatz:

 

p1/p2 = f1(k1)/f2(k2)

 

Gleiche Faktoreinsatzverhältnisse führen schließlich zu gleichen Faktorpreisverhältnissen. Es gilt für beide Produkte x1 und x2:

 

                                                            l   = p * GPa ; i = p * GPk

                                                            l/i = f(k1) = f(k2)

 

Also entspricht einem bestimmten Faktoreinsatz auch ein bestimmtes Faktorpreisverhältnis.

 

 

Beschreibung: frei14

 

 

Einem bestimmten Güterpreisverhältnis entspricht auch ein ganz bestimmtes Faktoreinsatzverhältnis:

 

 

Beschreibung: frei13

 

 

Unten stehende Grafik zeigt schließlich, dass unter den gemachten Annahmen identische Güterpreisverhältnisse auch identische Faktorpreisverhältnisse nach sich ziehen. 

 

 

Beschreibung: frei15

 

 

Da jedoch diese Bedingungen in der Realität nahezu nie erfüllt sind, kommt es auch bei vollständigem Freihandel niemals zu einem vollständigen Ausgleich der Faktorpreisverhältnisse.

 

Vergleichen wir nun das Heckscher-Ohlin-Theorem mit der Theorie der komparativen Kosten: Die Theorie der komparativen Kosten kennt nur einen allokativen Aspekt, da nur ein Faktor unterstellt wird. Das Heckscher-Ohlin-Theorem kennt auch einen distributiven Aspekt.

 

Heckscher und Ohlin versuchen eine Antwort auf die Frage, warum bei internationaler Arbeitsteilung ein bestimmtes Gut relativ billiger produziert werden kann. Bei Ricardo wird die Frage nach den Gründen für die komparativen Kostenvorteile nicht gestellt. Bisweilen spricht man von Ricardo-Gütern, wenn der Kostenvorteil auf einer überlegenen Technik beruht.

 

Wenden wir uns der Kritik am Heckscher-Ohlin-Theorem zu. W. Leontief wies in den 50er Jahren in empirischen Untersuchungen nach, dass die USA nach Japan vorwiegend arbeitsintensive Produkte exportierten, obwohl entsprechend dem Heckscher-Ohlin-Theorem die USA wegen ihres relativen Kapitalreichtums eigentlich kapitalintensive Güter hätten exportieren müssen.

 

Es gibt mehrere Versuche, dieses Paradoxon aufzulösen: Ein erster Erklärungsversuch wurde von Leontief selbst vorgenommen: Heckscher-Ohlin hätten einen gleichen Stand an Technik in beiden Ländern unterstellt, de facto sei jedoch in dem betrachteten Zeitraum die Arbeitsproduktivität in USA höher als in Japan gewesen. Höhere Arbeitsqualität in den USA bedeute quasi hohes human capital; damit seien auch die in formalem Sinne als arbeitsintensiv gel­tenden Güter in Wirklichkeit reichlich mit Kapital (mit human capital) ausgestattet.

 

Ein zweiter Erklärungsversuch geht davon aus, dass die USA zwar reichlich mit Kapital ausgestattet seien, dass aber gleichzeitig die USA auch eine überdurchschnittlich große Nachfrage nach kapitalintensiven Gütern entfaltet hätten, sodass sich aufgrund dieses Umstandes die Faktorpreisverhältnisse wieder angenähert hätten.

 

Ein dritter Erklärungsversuch wurde von Roy F. Harrod versucht. Im Zuge der internationalen Arbeitsteilung könnten sich u. U. die Faktorintensitäten umkehren. Ein Gut, das zunächst bei geringer Produktion arbeitsintensiv war, kann ab einer bestimmten Ausbringungsmenge an kapitalintensiv werden. Das Heckscher-Ohlin-Theorem gilt aber nur bei nicht umschlagenden Faktor-Intensitäten.

 

 

Fortsetzung folgt!