Gliederung:
0. Das Problem
1. Je mehr Umverteilung um so besser?
2. Die Überschätzung des Neuen
3. Je schneller um so besser?
4. Hauptsache es wird etwas getan!
5. Das eindimensionale Denken
6. Verschwörungstheorien
7. Die Gefahr einer Überqualifizierung
8. Aufgabe der Grundsätze statt Anpassung
9. Meritorisches Handeln statt Selbstverantwortung
0. Das Problem
Es ist ganz klar. Wir leben in einer komplexen, weitverzweigten Gesellschaft. Wir können nicht mehr damit rechnen, dass Maßnahmen, welche in dem einen Teil der Erde beschlossen werden, nur für diesen Bereich gelten und den übrigen Teil der Welt unbeeinflusst lassen.
Umgekehrt gilt aber auch, dass unser eigenes Wohl nicht nur beeinflusst wird von den Maßnahmen, welche unser eigener Staat erlässt, wir müssen vielmehr damit rechnen, dass Ereignisse, z. B. ein Konjunkturrückschlag in China, negative und drastische Auswirkungen auf unser eigenes Wohl zur Folge haben kann.
Dieser Umstand macht es notwendig, dass wir bei allen Maßnahmen, welche bei uns eingeführt werden, vor Erlass dieser Maßnahmen eine genaue Analyse der Verursachung dieser Probleme durchführen, wir können nicht mehr davon ausgehen, dass Maßnahmen, welche in der Vergangenheit erfolgreich waren, auch heute noch in gleicher Weise wie früher, anstehende Probleme lösen helfen.
Andererseits könnte es aber auch sein, dass Maßnahmen, welche in der Vergangenheit als nicht erfolgreich angesehen wurden, nun aufgrund der veränderten Ausgangsituation sehr wohl einen Erfolg herbeiführen.
Wir müssen also damit rechnen, dass die augenblickliche Notlage andere Ursachen hat als früher und deshalb auch anderer Reformmaßnahmen bedarf. Vielleicht rührte in der Vergangenheit eine plötzlich entstehende Arbeitslosigkeit von der Kaufzurückhaltung der eigenen Bevölkerung her, während die heute zu bekämpfende Arbeitslosigkeit aufgrund eines Rohstoffmangels eingetreten sein kann.
Dass Maßnahmen, welche in der Vergangenheit erfolgreich waren, heute ihre Wirkung unter Umständen verfehlen, kann aber auch daran liegen, dass sich die Umweltbedingungen aufgrund von nicht irdischen Veränderungen im Weltall verändert haben und deshalb bisher erfolgreiche, automatisch wirkende Mechanismen nicht mehr greifen.
Früher waren weiterhin die gesellschaftlichen Verhältnisse oftmals so einfach und eindeutig, dass bestimmte Ereignisse die gesamte Bevölkerung betrafen und dass diese Problemfelder auch mit einfachen, für alle gültigen und einsehbaren Maßnahmen bekämpft werden konnten.
Heute müssen wir aufgrund der Komplexität der gesellschaftlichen Zusammenhänge stets damit rechnen, dass sich bestimmte Maßnahmen auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich auswirken.
So können z. B. klimatische Veränderungen einen Teil der Landwirte, welche sich auf den Getreideanbau spezialisiert haben, in Existenznot bringen, während z. B. Obstbauern aufgrund derselben Entwicklung sogar eine besonders große Ernte zu verzeichnen haben. Und dies hinwiederum bedeutet, dass wir auch in den Fällen unsere politischen Rezepte überdenken müssen, in denen wir früher mit bestimmten einfachen, für alle geltenden Maßnahmen Erfolg hatten.
1. Je mehr Umverteilung um so besser?
So wird in der Öffentlichkeit oftmals wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass jede Umverteilung von Reich zu Arm per se eine gute, lobenswerte Tat ist, da sie helfe, die zahlreichen Ungerechtigkeiten des Alltagslebens auszugleichen.
Hierbei gilt es jedoch zu bedenken, dass die Art und Weise, wie wir die Vermögen verteilen, entscheidend selbst Einfluss darauf hat, wie viel Vermögensmasse überhaupt zur Verteilung zur Verfügung steht. Wir können nicht davon ausgehen, dass der Vorrat an materiellen Ressourcen allein das Ausmaß der materiellen Wohlfahrt bestimmt. Wie viel in einer Volkswirtschaft tatsächlich produziert wird, hängt entscheidend davon ab, welche Anstrengungen die Einzelnen vornehmen und diese hinwiederum hängen davon ab, welche Anreize zum Arbeiten und zur Übernahme von Risiken gesetzt werden.
Es besteht somit stets die Gefahr, dass in dem Maße, in dem produktive Tätigkeiten nicht mehr ausreichend entlohnt werden, diese einfach nicht mehr vorgenommen werden und gerade deshalb den Erfolg umverteilungspolitischer Ziele gefährden.
Machen wir uns diese Zusammenhänge anhand einer Graphik bewusst. Auf der Abszisse tragen wir die Zeit, auf der Ordinate hingegen die Höhe des realen durchschnittlichen Lohneinkommens ab. Wir vergleichen zwei unterschiedliche Entwicklungen miteinander. Bei Alternative eins hätten die Gewerkschaften ein relativ hohes Lohneinkommen erkämpft und auf diese Weise dazu beigetragen, dass der Unterschied zwischen Arm und Reich gegenüber bisher vermindert wurde. Auf den ersten Blick hat es also den Anschein, als handle sich um eine besonders gerechte und deshalb wünschenswerte Lösung.
Diese Umverteilung bewirkt aber langfristig, dass weniger gespart und damit auch weniger investiert wird, da nun einmal die Sparfähigkeit mit wachsendem Einkommen ansteigt. Dies hat zur Folge, dass das Wachstum des Volkseinkommens und damit auch der Lohneinkommen in den zukünftigen Perioden aufgrund geringerer Ersparnis relativ gering ausfällt.
Bei Alternative zwei wollen wir unterstellen, dass die Gewerkschaften lediglich Lohnsteigerungen im Umfang der Produktivitätssteigerungen durchgesetzt hätten. In diesem Falle sei also im Vergleich mit Alternative eins das reale durchschnittliche Lohneinkommen geringer.
Da aber bei dieser Lösung die Wachstumsrate des Volkseinkommens und damit auch der realen Lohneinkommen geringer als im Fall eins ausfällt, hat dies notwendiger Weise zur Folge, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt – man spricht hierbei vom Break-even-Point – bei Lösung zwei ein höheres reales Lohneinkommen erreicht wird als bei Lösung eins. Und dies bedeutet, dass auch Umverteilungsprozesse, welche zunächst zu einer für die Arbeitnehmer günstigen Verteilung führen, auf lange Sicht gesehen trotzdem für die Arbeitnehmer eine schlechtere Lösung bedeuten.
2. Die Überschätzung des Neuen
Beginnen wir nun damit, dass wir verschiedene Fehlhaltungen etwas genauer unter die Lupe nehmen. Als erstes wollen wir uns mit dem Hang zum Neuen auseinandersetzen, da der Wert des Neuen heutzutage eindeutig überschätzt wird. Man gewinnt oft den Eindruck, dass Politiker und Journalisten bereits darin einen Fortschritt sehen, dass alte Konzepte verworfen und neue eingeführt werden und dass gleicher Weise das Festhalten am Überkommenen bereits als solches als etwas Negatives angesehen wird.
Richtig an dieser Haltung ist allein die Tatsache, dass wir in unserer modernen, globalen Welt nicht mehr automatisch davon ausgehen können, dass bestimmte Maßnahmen, welche in der Vergangenheit erfolgreich waren, bereits aus diesem Grunde auch heute als erfolgreich anzusehen sind.
Der Grund dafür, dass eine Bewährung in der Vergangenheit nicht mehr automatisch auch Beweis genug dafür ist, dass diese Maßnahmen auch heute noch immer als erfolgreich anzusehen sind, liegt darin, dass im Gegensatz zur mittelalterlichen Gesellschaft nicht mehr von einer langfristig gleichbleibenden Ordnung ausgegangen werden kann. Während wir im Mittelalter in einer weitgehend stationären Gesellschaft gelebt haben, leben wir heute in einer Gesellschaft, in welcher sich die vorgegebenen Daten immer schneller verändern.
Ganz deutlich ist dieses Phänomen in der Technik zu beobachten. Der technische Fortschritt schreitet mit rasanten Schritten voran, schon innerhalb mehrere Jahre haben sich die Anlagen und Produktionsweisen grundlegend verändert.
Während vor hundert bis zweihundert Jahren die Eltern ihren Kindern das für das gesamte Leben, vor allem für den Beruf notwendige Wissen einfach deshalb übermitteln konnten, weil sich dieses Wissen nicht grundlegend geändert hat und so die Kinder den väterlichen Betrieb übernehmen konnten und auch übernahmen, liegen heutzutage Welten zwischen dem beruflichen Alltag vor zwei Jahrhunderten und dem heutigen Geschehen in den Unternehmungen.
Und der dynamische Charakter unserer gesamten Gesellschaft macht es notwendig, dass immer dann, wenn die Ergebnisse des wirtschaftlichen und politischen Lebens unbefriedigend ausfallen, nicht einfach die alten, bisher bewährten Rezepte übernommen werden können.
Vielmehr muss in jedem Einzelfall überprüft werden, welche Maßnahmen geeignet erscheinen, die heutigen Probleme zu lösen und diese Frage kann nur dann befriedigend beantwortet werden, wenn wir in einem ersten Schritt – vor einem politischen Handeln – nach den Ursachen fragen, welche diese unbefriedigende Situation ausgelöst haben und erst in einem zweiten Schritt klären, welche Instrumente geeignet erscheinen, das Übel zu beseitigen bzw. abzumildern.
Max Weber hat in diesem Zusammenhang zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik unterschieden und den Grundsatz aufgestellt, dass es in unserer modernen Welt nicht mehr ausreicht, wenn ein Politiker eine gute Gesinnung hat, dass vielmehr stets nach den Grundsätzen einer Verantwortungsethik gehandelt werden muss.
Und dies bedeutet, dass es bei der Lösung unserer Probleme nicht ausreicht, auf die bewährten Methoden der Vergangenheit zurückzugreifen. Der Umstand, dass eine Maßnahme in der Vergangenheit erfolgreich war, sagt also nichts über die heutige Eignung dieser Maßnahme aus.
In gleicher Weise gilt aber auch, dass es falsch ist, dass in jedem Einzelfall neue Maßnahmen den bisherigen Maßnahmen überlegen sind. Ob eine bestimmte Maßnahme geeignet ist, das festgestellte Übel zu beseitigen, hat nichts damit zu tun, ob es sich um eine alte Maßnahme handelt oder ob sie als neues Instrument entdeckt wurde. Nur eine Überprüfung der Tauglichkeit eines Mittels für ein konkretes Problem kann zum Erfolg führen.
Dieser Wandel in der politischen Vorgehensweise ist aber nicht nur deshalb notwendig, weil wir in einer dynamischen, sich schnell veränderten Welt leben. Zusätzlich zu diesem Tatbestand kommt noch hinzu, dass die moderne Gesellschaft in viel stärkerem Maße als in der Vergangenheit mit anderen Gesellschaften vernetzt ist.
Wir erwähnten es schon: Wir leben in einer globalen Welt, wir sind auf direktem oder indirekten Weg fast mit allen Ländern dieser Erde vernetzt. Während wir früher davon ausgehen konnten, dass z. B. konjunkturelle Rückschläge in aller erster Linie aufgrund einiger Versäumnisse im eigenen Land eingetreten waren, müssen wir heutzutage davon ausgehen, dass z. B. ein wirtschaftlicher Rückschlag in China Rezessionen oder sogar Depressionen in Europa auslösen kann. Es ist klar, dass diese hohe internationale Verflechtung ebenfalls eine genaue Analyse der jeweiligen Ursachen eines Notstandes notwendig macht.
Halten wir fest: Es kommt in unserer dynamischen und komplexen Welt weniger auf die Gesinnung der politisch Handelnden als vielmehr auf deren Eignung an. Gute Gesinnung sagt nichts über den Erfolg aus. In diesem Falle sollte man aber auch nicht immer auf die Gesinnung der Politiker, sondern vielmehr auf deren Eignung achten.
Bismarck verfolgte bei der Einführung der Gesetzlichen Sozialversicherung durchaus fragwürdige Ziele, er wollte auf diesem Wege die Arbeitnehmer von den Gewerkschaften und den Arbeitnehmerparteien entfremden. Trotzdem galt dieses Gesetzgebungswerk in der damaligen Zeit in ganz Europa wegen ihres Ergebnisses als vorbildlich.
Ob eine gesetzliche Krankenversicherung den betroffenen Kranken Hilfe bringt, hat nichts mit der Frage zu tun, aus welchem Motiv heraus die Politiker diese Maßnahme eingeführt haben. Der Erfolg einer Maßnahme hängt vielmehr allein davon ab, ob diese Maßnahme tatsächlich geeignet ist, die beanstandeten Mängel zu beseitigen bzw. zumindest zu mindern.
Die wahre Gesinnung eines Politikers lässt sich darüber hinaus nur sehr schwer eruieren. Welche Gesinnung einem Politiker geglaubt wird, hängt entscheidend von dem Talent dieses Politikers ab, gute Gesinnung vorzutäuschen.
Je häufiger sich jedoch die Politiker gegenseitig bezichtigen, sie hätten eine schlechte Moral, um so mehr misstrauen sich die einzelnen Politiker gegenseitig und um so unwahrscheinlicher wird es, dass die Kompromisse, welche für eine Mehrheitslösung nun einmal unerlässlich sind, überhaupt zustande kommen.
3. Je schneller um so besser?
Eine weitere, höchst fragwürdige Haltung bei der Lösung politischer Probleme liegt in der Vorstellung, dass es vor allem darauf ankomme, möglichst schnell zu handeln.
Natürlich liegt in dieser Haltung durchaus ein wahrer Kern. Wenn in der Politik Mängel festgestellt werden, so bedeutet dies nahezu immer, dass ein mehr oder weniger großer Teil der Bevölkerung Schaden erleiden muss, welcher durch die beabsichtigten Maßnahmen abgeschafft oder zumindest gemindert werden soll.
Und dies bedeutet natürlich, dass jeder Tag, mit dem die Reformmaßnahmen hinausgezögert werden, eine Zunahme des menschlichen Leids bedeutet. In einem gewissen Sinne ist somit schnelles Handeln durchaus geboten.
Dies bedeutet aber keinesfalls, dass schnelles, unüberlegtes Handeln einem Verfahren vorzuziehen ist, bei dem vor dem Handeln die Überprüfung steht, auf welchem Wege denn überhaupt eine Problemlösung erreicht werden kann.
Wir haben in dem vorhergehenden Abschnitt gesehen, dass wir in einer dynamischen und globalen Welt leben und dass deshalb immer wieder mit Veränderungen in den äußeren Daten zu rechnen ist, aufgrund derer es nicht mehr sicher ist, dass die bisher bewährten Lösungsmittel nach wie vor erfolgreich sind.
Und dies bedeutet, dass vor jeder politischen Handlung geklärt werden muss, worin denn die Ursachen der nachgewiesenen Missstände liegen und mit welchen Mitteln diese Missstände erfolgreich bekämpft werden können.
Wenn die Politiker hingegen zur Tat schreiten, bevor eine Ursachenanalyse stattgefunden hat, muss damit gerechnet werden, dass die eingeleiteten Maßnahmen überhaupt keinen Erfolg aufweisen.
Gleichzeitig haben wir aber auch davon auszugehen, dass nahezu von jeder politischen Maßnahme unerwünschte Nebenwirkungen auf andere politische Ziele ausgehen und dies bedeutet, wenn überhaupt keine positiven Wirkungen von einer Maßnahme ausgehen, dass diese Maßnahme per saldo zu einer Verschlechterung geführt hat.
Es ist dann in Wirklichkeit aus dreierlei Gründen davon auszugehen, dass sich die politische Situation durch das sofortige Handeln sogar verschlechtert hat.
Erstens kommt es – wie gezeigt – zu negativen Sekundärwirkungen, denen keine positiven Effekte gegenüberstehen.
Zweitens vergeht nun noch mehr Zeit, bis eine Wohlfahrtssteigerung erwartet werden kann. Denn der erste Versuch für eine Lösung war ja in diesem Falle erfolglos, es musste dann nach weiteren Lösungen Ausschau gehalten werden und diese werden vermutlich überhaupt nur dann gefunden, wenn man zuvor eine Ursachenerforschung betrieben hat. Warum sollte man unter diesen Umständen nicht sofort, vor jedem politischen Handeln, mit einer Ursachenerforschung beginnen?
Drittens schließlich kann bei einer veränderten Situation die gleiche Maßnahme, welche in der Vergangenheit erfolgreich war, nun von sich aus sogar im Hinblick auf die Effizienz zu Schaden führen. Machen wir uns diesen Zusammenhang an einem Beispiel klar.
Wir wollen unterstellen, dass in der Vergangenheit eine keynesianische Beschäftigungspolitik zum Erfolg geführt habe. Die Keynesianer gehen davon aus, dass Arbeitslosigkeit auf eine zu geringe Nachfrage zurückgeführt werden muss und dass deshalb eine Beschäftigungssteigerung nur dadurch zu erreichen ist, dass der Staat ein Budgetdefizit ausweist und auf diese Weise die gesamtwirtschaftliche Nachfrage vergrößert.
Nachfragemangel ist jedoch keinesfalls die einzige Ursache für einen Konjunkturrückgang und damit für ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit. Auch plötzlicher Rohstoffmangel oder mangelnde Fachkräfte können sehr wohl eine Rezession verursachen. Wenn aber in einer solchen Ursache der augenblickliche Rückgang in der Beschäftigung zu suchen ist, lässt sich über ein Budgetdefizit auch kein Rückgang in der Arbeitslosigkeit erreichen.
Es ist sogar unter Umständen damit zu rechnen, dass die Arbeitslosigkeit aufgrund des Budgetdefizits ansteigt. Wenn nämlich Rohstoffmangel bzw. Fachkräftemangel die eigentliche Ursache für die bestehende Arbeitslosigkeit darstellt, führt die durch ein Budgetdefizit ausgelöste Mehrnachfrage zu keiner Produktions- und damit Beschäftigungssteigerung, die trotzdem eintretende Mehrnachfrage schlägt sich allein in Preissteigerungen nieder, welche selbst wiederum dazu führen, dass die Exportmöglichkeiten zurückgehen und mit ihnen die Beschäftigung.
Im Endergebnis stellt sich die Volkswirtschaft im Hinblick auf Preisstabilität, Wachstum und Beschäftigung in diesem Falle schlechter, als dann, wenn auf die Politik des Deficit Spending ganz verzichtet worden wäre.
4. Hauptsache es wird etwas getan!
Eng verwandt mit dem Bemühen, möglichst schnell ohne vorherige Ursachenanalyse politisch zu handeln, ist auch ein Verhalten, das als Aktionismus umschrieben werden kann. Einem Aktionist ist es im Grunde genommen gleichgültig, mit welchen Maßnahmen ein politisches Problem aus der Welt zu schaffen versucht wird, wichtig sei allein, dass etwas getan wird, es kommt auf das „Ob“ an, die Frage des „Wie“ sei von zweitrangiger Bedeutung.
Zwar wird man sicherlich nicht davon sprechen können, dass eine solche Haltung öffentlich propagiert und verteidigt wird. Nach außen hin erwecken diejenigen, welche insgeheim eine solche Haltung verfolgen, den Eindruck, dass die in Aussicht gestellten Maßnahmen sehr wohl geeignet erscheinen, die gebrandmarkten Zustände zu beseitigen.
Der Aktionist ist vielmehr der Auffassung, dass der politische Erfolg weniger davon abhängt, ob eine Maßnahme tatsächlich positive Auswirkungen auf die Bevölkerung hat. Es komme allein darauf an, ob in der Öffentlichkeit die fälschliche Meinung vorherrsche, eine Maßnahme führe zum Erfolg.
Aber warum werden Aktionisten, welche gar keine echte Lösung der vorliegenden Probleme herbeiführen, überhaupt gewählt, warum werden sie nicht bei der nächsten Wahl abgewählt? Wenn wir für die Mehrheit der Wähler ein rationales Verhalten unterstellen, dürften doch eigentlich nur solche Politiker von der Bevölkerung gewählt werden, welche Erfolg aufweisen, welche nicht nur eine Abschaffung der Missstände versprechen, sondern mit ihren Maßnahmen diese auch tatsächlich beheben.
Der eigentliche Grund für ein solches zunächst unverständliches Wählerverhalten liegt letzten Endes in der hohen Komplexität aller politischer Fragen. Es liegt keinesfalls auf der Hand, mit welchen konkreten Maßnahmen bestimmte Missstände beseitigt werden können, die Kenntnis darüber, mit welchen Mitteln bestimmte Ereignisse beseitigt werden können, setzt Fachwissen voraus, das nun einmal nicht jeder Bürger besitzen kann, ganz davon abgesehen, dass eine befriedigende Ursachenanalyse sehr viel Zeit benötigt, die ein Wähler, der im Alltagsleben einem Beruf nachgeht, auch gar nicht aufbringen kann.
Gerade aus diesen beiden Gründen sehen die modernen freiheitlichen Gesellschaften ja vor, dass die Mitwirkung der Bevölkerung an politischen Fragen im Wesentlichen darauf beschränkt ist, dass sie in Abstand einiger Jahre Abgeordnete wählen, welche dann die Lösung der politischen Probleme als Hauptbeschäftigung betreiben.
Und gerade deshalb, weil der einzelne Wähler im Allgemeinen weder das notwendige Wissen noch vor allem die für eine sachgerechte Lösung der anstehenden Probleme benötigte Zeit mitbringen kann, ist er auch nicht fähig, festzustellen, ob die von den einzelnen Politikern vorgeschlagenen Maßnahmen wirklich in der Lage sind, die anstehenden Probleme zu lösen. Und gerade in dieser allgemeinen Unfähigkeit der Wähler liegt eine große Gefahr, es ist zu befürchten, dass Politiker trotz Unfähigkeit bei der nächsten Wahl nicht abgewählt werden.
Nun könnte man einwenden, dass der Wähler doch feststellen könne, ob eine bestimmte Maßnahme tatsächlich zum Erfolg führe. Ein Politiker führe z. B. einen gesetzlich verordneten Mietstop ein. Wenn aber diese Maßnahme nicht geeignet ist, das Wachstum der Mietpreise zu bremsen, dann könne der Wähler doch ohne Weiteres feststellen, dass diese Maßnahme nicht zum Erfolg geführt hat und dass man deshalb diesen Politiker bei der nächsten Wahl nicht wieder wählen sollte.
Aber so einfach liegen die hier vorliegenden Zusammenhänge nicht. Wenn nämlich eine bestimmte Maßnahme nicht zum Erfolg führt, so kann dies mehrere Ursachen haben. Dass der wahre Grund darin liegt, dass eine Maßnahme als solche ineffizient ist, ist nur eine der möglichen Gründe. Ein Misserfolg kann auch einfach darin liegen, dass die eigentlichen Ursachen, welche das unerwünschte Ereignis auslösen, angestiegen sind.
Nehmen wir nochmals das Beispiel einer Mietpreisbremse. Wenn z. B. die Bevölkerung im Zusammenhang mit Migration stark ansteigt, so vergrößert sich die Wohnungsknappheit und mit ihr steigen die Mietpreise an, auch dann, wenn – isoliert betrachtet – eine Maßnahme in dem Sinne erfolgreich gewesen wäre. Ohne diese Maßnahme wäre in diesem Falle eben die Knappheit und damit die Mietpreissteigerung noch höher ausgefallen.
Aktionisten haben darüber hinaus immer eine Ausrede parat. Wenn eine politische Maßnahme erfolglos bleibt, dann liegt es nach dieser Meinung einfach daran, dass die bösen Unternehmer (Konzerne) einfach die Gesetze brechen. Der Misserfolg müsse also dann damit bekämpft werden, dass die staatlichen Kontrollen und Strafen angehoben werden.
Gerade diese Möglichkeit von Ausreden jeder Art bringt es nun mit sich, dass sich Aktivismus trotz Erfolglosigkeit halten kann. Diese Politiker haben wie gesagt immer eine Ausrede parat und da die zugrundeliegenden Zusammenhänge so komplex sind, dass sie vom einfachen Bürger ohne besonderes Fachwissen gar nicht voll erkannt werden können, werden Aktivisten trotz Misserfolges ihrer Maßnahmen von den Wählern nicht abgestraft.
5. Das eindimensionale Denken
Weiterhin begegnet man in der Politik immer wieder ideologischem, das heißt eindimensionalem Denken. Es wird so getan, als ob die anstehenden Probleme mit einfachen Mitteln gelöst werden können, als ob es nur darauf ankomme, dass man die Übel erkenne und willens sei, sie zu beseitigen.
In Wirklichkeit leben wir jedoch – wie bereits gezeigt – in einer hoch komplexen Gesellschaft. Kein politisches Ziel lässt sich mit einfachen Maßnahmen lösen, stets bedarf es einer Vielzahl von Maßnahmen und auch Ausnahmen, will man der Sachlage gerecht werden.
Die gesellschaftlichen Ereignisse folgen nämlich nicht dem Muster, dass ein bestimmter, unerwünschter Zustand lediglich auf eine einzige Ursache zurückzuführen ist und dass deshalb auch eine einfache Maßnahme zur Lösung der Probleme ausreicht.
Dies bedeutet, dass der einem unerwünschten Zustand zugrundeliegende Ursachenzusammenhang (y) nicht auf eine einzige, bestimmte Ursache (x) zurückgeführt werden kann. Vielmehr haben wir davon auszugehen, dass der festgestellte oder vermutete Zusammenhang nur unter einer Vielzahl von Nebenbedingungen eintritt.
Es gilt also die Formel: x verursacht y, wenn ein bestimmter Satz von Nebenbedingungen vorliegt. Oftmals darf zusätzlich ein weiterer Satz von Bedingungen gerade nicht erfüllt sein, damit das Ereignis auch eintritt.
Diese Komplexität der Ereignisse bringt es nun mit sich, dass kein Problem so einfach ist, dass man es auf einem Transparent befriedigend umschreiben kann, die Thesen, welche auf einem Transparent in einfachen Worten formuliert wurden, sind deshalb auch in aller Regel in dieser behaupteten Form falsch.
Es ist z. B. falsch, zu behaupten, eine angeblich mangelnde Umweltpolitik erfolge zu Lasten der jungen Generation. Wenn die Politiker bei der Lösung umweltpolitischer Probleme keine Rücksicht auf die Beschäftigungslage nehmen würden, dann käme dies nicht nur der erwachsenen Bevölkerung, sondern gerade auch der jungen Generation zu Lasten.
Werden nämlich Eltern vermehrt arbeitslos, so bekommen diese Minderungen im Einkommen auch die Kinder zu spüren, die Eltern können längst nicht mehr so viel Geld für Spielzeuge und andere Bedürfnisse der Jugendlichen ausgeben, oftmals werden die Eltern in diesem Falle darauf drängen, dass ihre heranwachsenden Jugendlichen ihre Ausbildung abbrechen, damit letztere den Eltern nicht länger zur Last fallen.
Um eine bestimmte unerwünschte Ursache zu beseitigen, bedarf es jedoch nicht nur mehrerer begleitender Maßnahmen. Wir müssen auch berücksichtigen, dass gleichzeitig nahezu jede Maßnahme nicht nur Einfluss auf die zu beeinflussende Zielgröße nimmt, sondern zumeist gleichzeitig auch andere Ziele der Politik in dem Sinne beeinflusst, dass diese Ziele beeinträchtigt werden.
Dies bedeutet aber zweierlei: Erstens müssen wir stets einen Kompromiss zwischen den konfligierenden Zielen suchen und dies hat zur Folge, dass man von allen Zielen Abstriche machen muss, dass gerade Lösungen, welche einseitig auf Kosten der anderen Ziele für das gerade angestrebte Ziel eine 100 prozentige Zielrealisierung versprechen, höchst unerwünscht sind, da auf diese Weise die jeweils anderen Ziele der Politik beeinträchtigt werden.
Zweitens haben politische Maßnahmen zumeist auch unterschiedliche Wirkungen auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen, der einen Bevölkerungsgruppe nützt eine Maßnahme, einer anderen Gruppe schadet sie jedoch. Auch aus diesem Grunde bedarf es stets gewisser Kompromisse und sind einseitige Lösungen nahezu immer falsch.
Fortsetzung folgt!