Nachdem der Ausgang der Landtagswahlen rein rechnerisch nur noch eine Koalition zwischen der Linken und der CDU sowie eine Koalition zwischen Linken, SPD, Grüne und FDP zuließ, entbrannte von Neuem die Frage, ob die Parteien der Mitte, also die CDU, die SPD, die FDP und die Grünen an ihrer bisherigen Haltung, mit den beiden extremen Parteien, den Linken sowie der AFD keine Koalition einzugehen, festhalten sollten.
Diese Frage stellte sich vor allem für die CDU, da die SPD nach der Bremenwahl bereits erstmals in den westlichen Ländern eine Koalition mit den Linken eingegangen war und in Ländern der ehemaligen DDR bereits mehrmals eine solche Koalition praktiziert hatte.
Nach wie vor besteht sowohl bei der SPD wie bei der CDU Einigkeit darüber, dass ein Bündnis mit der AFD ausgeschlossen wird, da einzelne Mitglieder der AFD in der jüngsten Vergangenheit ihre Sympathie für rechtsradikale Ideen mit rassistischem Hintergrund erkennen ließen.
Hinter der Vorstellung, dass eine Koalition der
Parteien in der Mitte (CDU, SPD, FDP oder Grüne) mit den Parteien am linken und
rechten Rand (Linke, NPD und AFD) ausgeschlossen werden müsse, steht die
Überzeugung, dass nur die Parteien der Mitte das Grundgesetz vorbehaltslos
bejahen, während zwar die Bundesvorsitzenden sowohl der Linken wie auch der
Rechten wiederholt betont haben, dass sie auf dem Boden der Verfassung stehen,
dass aber trotzdem mehrere Parteimitglieder wiederholt zu erkennen gaben, dass
sie die Grundzüge der Verfassung für falsch halten und Ideologien des ehemaligen
Kommunismus und der Nationalsozialisten nachhängen.
In der Vergangenheit wurden diese Grundsätze gegenüber bisher als radikal eingestuften Parteien wiederholt gebrochen. Hierbei zeichnete sich stets folgendes Bild ab.
Man versuchte die Koalition mit ehemals als radikal eingestuften Parteien zunächst einmal auf Kommunalebene, dann auf der Ebene der Länder, wobei die Länder der ehemaligen DDR den Anfang machten, offensichtlich mit der Vorstellung, dass eine erfolgreiche Koalition auf unterer Ebene erkennen lasse, dass auch solche Koalitionen zu erwünschten Ergebnissen führen, vor allem auch deshalb, weil die radikalen Parteien dann, wenn sie Regierungsverantwortung übernehmen, von ihren bisher radikalen Vorstellungen von selbst Abstand nehmen.
Gleichzeitig wurde dieser Übergang immer dort vollzogen, wo die potenziellen Regierungsmitglieder in der Öffentlichkeit ein Bild vermittelten, dass sie im Gegensatz zu den Parteivorständen ohnehin sehr viel gemäßigtere Ideen verfolgen.
Dies galt in der Vergangenheit vor allem für Kretschmann, auch die Grünen galten zunächst aufgrund ihres Gehabes als radikal, die CDU war nur deshalb bereit, in Baden-Württemberg mit den Grünen zu koalitionieren, weil Kretschmann durchaus pragmatischem Handeln zugeneigt war.
In gleicher Weise konnte auch Ramelow von den Linken zusammen mit der SPD und den Grünen eine Regierung in Thüringen bilden, da auch er sehr viel pragmatischer politische Themen behandelte als die vor allem ideologisch ausgerichtete Führungsspitze der Linken.
Es liegt nun nahe, immer dann eine Koalition mit den Linken bzw. mit der AFD zu billigen, wenn sich alle Koalitionsparteien auf ganz bestimmte Themen einigen können und wenn somit sichergestellt ist, dass keine Themen gewählt werden, welche von den Parteien in der Mitte abgelehnt werden und als mit der Verfassung unvereinbar zu gelten haben.
Würde man diesen Weg beschreiten, hätte man jedoch wichtige Lehren aus der Geschichte vernachlässigt. Diktaturen entstehen nicht nur – wie dies beim Sowjetkommunismus der Fall war – durch eine Revolution. Diktatoren haben gelernt, die demokratischen Wahlen als Sprungbrett an die Macht zu benutzen.
So ist Hitler und seine nationalsozialistische Partei über freie Wahlen in den Reichstag eingezogen. Und obwohl die rechtskonservativen Parteien, welche schließlich eine Regierung mit Hitler als Reichskanzler gebildet hatten, davon überzeugt waren, Hitler kontrollieren zu können, hat es Hitler und haben es die Nationalsozialisten erreicht, bestimmte Schlüsselministerien zu besetzen, mit deren Hilfe sie sehr schnell demokratische Grundrechte und Spielregeln außer Kraft setzen konnten.
Diktatoren können also sehr wohl auch über Wahlen an die Macht kommen, in dem man Wahlen manipuliert und ihnen eine ganz andere Funktion zuweist. Während in einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie den Wählern das Recht gewährt wird, Politiker, welche nicht das Wohl der Bevölkerung verfolgen, abzuwählen, dienen in Diktaturen Wahlen dazu, die Bevölkerungsmassen auf die Ziele der Diktatoren einzuschwören und die Bevölkerung zu kontrollieren. In Massenveranstaltungen lassen sich sehr leicht Andersdenkende niederschreien.
Berücksichtigt man diese Lehren aus der Geschichte, wird man zu dem Ergebnis kommen, dass die Frage, ob und unter welchen Bedingungen extreme Parteien an der Regierungsarbeit beteiligt werden sollen, nicht nur davon abhängt, ob die derzeitige Führungsspitze auf dem Boden der Verfassung steht.
Vielmehr gilt es zu bedenken, dass die Parteiorganisationen am rechten und linken Rand unabhängig von der Haltung der derzeitigen Führungsspitze dieser Parteien stets als ein Auffangbecken für verfassungsfeindliche Kräfte fungieren und von radikalen Gruppierungen als Plattform für eine spätere undemokratische Machtübernahme betrachtet werden.
Auch der Einwand, dass eine Beteiligung der extremen Parteien an der Regierung solange ungefährlich sei, als diese eine Minderheit darstellen, kann nicht überzeugen. Gerade die Erfahrung mit der nationalsozialistischen Partei zeigt, dass auch kleinere Parteien, welche zahlenmäßig in der Minderheit sind, größeren Einfluss ausüben können, als ihnen zahlenmäßig zukommt.
Dies liegt daran, dass die größeren Parteien ohne diese kleineren Parteien keine Mehrheitskoalition bilden können und letztere deshalb die Möglichkeit erhalten, einen größeren Einfluss auszuüben als ihnen zahlenmäßig zukommt. Die größeren Parteien gehen dann auf diese Erpressung ein, da unter Umständen die einzige Alternative zur Regierungsbildung Neuwahlen sind.
Wenn nun die Umfrageergebnisse der größeren Parteien sehr schlecht sind, kann es für eine Partei immer noch das kleinere Übel sein, mit kleineren Parteien eine Koalition einzugehen, auch dann, wenn letztere einen Einfluss erzielen, der ihnen zahlenmäßig gar nicht zukommt.