Sozialer Ausgleich für Anhebung des CO2-Preises?

 

Die Grünen planen im Rahmen ihres kürzlich verabschiedeten Wahlprogramms eine Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetzes, nach welcher der CO2-Preis bei Wärme und Verkehr auf 60 Euro ab 2023 angehoben werden soll.

 

Im Gegenzug ist ein sozialer Ausgleich dadurch vorgesehen, dass die Einnahmen aus dem CO2-Preis vollständig an die privaten Haushalte zurückgegeben werden sollen und zwar als ein Energiegeld, das jährlich pro Kopf ausgezahlt werden soll sowie über eine Absenkung der EEG-Umlage.

 

Führt dieser Plan aber wirklich zum Erfolg, also dazu, dass – wie notwendig – für Wärme und Verkehr die private Nachfrage drastisch gesenkt wird? Drei mögliche Verhaltensweisen der Verbraucher sind denkbar.

 

Entweder sind die Verbraucher erstens einsichtig und bereit ihre Nachfrage nach umweltschädigenden Produkten und Leistungen spürbar zu verringern. In diesem Falle bedarf es keiner drastischen Änderung in der Umweltpolitik. Das Verhalten der Bürger führt automatisch zu einer Besserung der Umweltbilanz. Nach allem, was wir wissen, verhält sich die Mehrheit der Bürger allerdings nicht auf diese Weise.

 

Es verbleibt vor allem eine zweite Möglichkeit: Eine spürbare Erhöhung des Preises für Leistungen bei Wärme und Verkehr führt zu einer Reduzierung der Nachfrage und wenn die Erhöhung der Preise genügend hoch ist, wird in der Tat die Nachfrage nach umweltbedenklichen Produkten und Leistungen – wie erforderlich – zurückgehen.

 

Hierbei messen wir diese Reaktion anhand der Nachfrageelastizität in Bezug auf den Preis dieses Gutes. Im Allgemeinen können wir davon ausgehen, dass Preiserhöhungen zu einem Rückgang in der Nachfrage führen, nur bei einigen wenigen Gütern (bei der sogenannten inversen Nachfrage) ist die Preiselastizität der Nachfrage positiv, führt also eine Preissteigerung sogar zu einer Zunahme der Nachfrage.

 

Wir können davon ausgehen, dass zumindest für den größten Teil der Verbraucher die Preiselastizizät wie erwünscht negativ ist, dass also das Anheben des Preises bei diesen Gütern in der Tat zu einem Rückgang in der Nachfrage führt.

 

Allerdings dürfte die Stärke dieses Rückgangs bei verschiedenen Verbrauchergruppen sehr unterschiedlich ausfallen. Im Allgemeinen sinkt das Ausmaß der Preiselastizität der Nachfrage mit wachsendem Einkommen. Da aber sowohl die Nachfrage im Verkehr als auch im Wohnungsbereich vor allem von den etwas reicheren Bürgern ausgeht, bedarf es eines sehr starken Anstiegs der Preise, um eine spürbare Reduzierung der Nachfrage in diesem Bereich zu erreichen.

 

Maßgebend ist hierbei die Frage, inwieweit insbesondere die Nachfrage nach Verkehrsleistungen nur um ihrer selbst willen ausgeübt wird oder gleichzeitig oder sogar vorwiegend deshalb erfolgt, weil z. B. das Fahren mit dem eigenen Auto eine Art Lebensverwirklichung darstellt.

 

Ob eine Preiserhöhung zum erwünschten Erfolg (also zu einem spürbaren Rückgang der Nachfrage) führt, hängt aber darüber hinaus auch von der sogenannten Einkommenselatizität der Nachfrage ab. Wieviel von einem bestimmten Gut tatsächlich nachgefragt wird, hängt nämlich entscheidend auch von der Höhe des Einkommens ab. Hierbei misst die Einkommenselastizität der Nachfrage, um wieviel Prozent die Nachfrage steigt, wenn das verfügbare Nettoeinkommen um einen Prozentpunkt ansteigt.

 

Hier kommt nun der geplante soziale Ausgleich ins Spiel. Dieser soziale Ausgleich bewirkt, dass das private Nettoeinkommen ansteigt und das wiederum hat zur Folge, dass der Rückgang in der Nachfrage nach Verkehrsleistungen geringer ausfällt als ohne Ausgleich.

 

Wenn die Ausgleichszahlung genau der zuvor gezahlten individuellen Steuererhöhung entsprechen würde, könnte der einzelne Verbraucher seine bisherige Nachfrage ohne jegliche Einbußen am Gesamtkonsum realisieren, es wäre überhaupt im Hinblick auf den Umweltschutz nichts gewonnen. Nur dadurch, dass diese Zurückzahlung pro Kopf gleichmäßig erfolgen soll, tritt eine gewisse Mehrbelastung für denjenigen auf, der seinen bisherigen Konsum an Verkehrsleistungen nicht spürbar reduziert.

 

Aber gerade deshalb, weil das Reisen und das Fahren mit dem eigenen Auto für viele in erster Linie Verwirklichung des eigenen Lebensgefühls darstellt, ist zu befürchten, dass der größte Teil der Bürger auch nach Erhöhung der Benzinpreise nach wie vor seine Nachfrage in diesem Bereich unverändert ausführt.

 

Die Grünen kritisieren gerne die Umweltprogramme ihrer politischen Gegner als Mogelpackung, die nur scheinbar zum Erfolg führe. Es scheint jedoch, dass sich der Vorschlag der Grünen mindestens in gleicher Weise wie die Vorschläge der anderen Parteien als eine Mogelpackung entpuppen wird.

 

Ein durchschlagender Erfolg wird nur dann zu erwarten sein, wenn sich die Verhaltensweisen der Bürger drastisch verändern werden. Wir leben in einer Demokratie und dies bedeutet, dass Politiker, welche effektive Umweltmaßnahmen durchführen wollen, solange nicht gewählt werden, als die Mehrheit der Bevölkerung solche Programme ablehnt und gleichzeitig gilt, dass dann, wenn die Mehrheit der Bevölkerung eine drastische Umkehr in Umweltfragen tatsächlich wünscht, automatisch diejenigen Politiker zum Zuge kommen, welche die überzeugensten Programme zur Bekämpfung der Umweltbelastung versprechen. Es kommt also darauf an, dass die Meinung der Bevölkerung in dieser Frage entscheidend hin zu einem umweltbewussteren Verhalten verändert wird.

 

Der Hinweis, dass doch in Umfragen ein sehr großer Teil der Befragten bereits heute auch drastische umweltpolitische Maßnahme befürworte, ist nicht von Bedeutung. Kein Befragter ist gezwungen, die Meinung, die er in der Befragung kundgetan hat, auch in seinem eigenen Leben zu verwirklichen.

 

Wenn in den öffentlichen Medien immer wieder auf die verherrenden Auswirkungen bei umweltpolitischem Nichtstun hingewiesen wird, wird natürlich der größte Teil der Befragten die Notwendigkeit solcher Maßnahmen befürworten, unabhängig davon, welche Meinung er selbst hat und inwieweit er selbst Einschränkungen in diesem Bereich hinnehmen wird. Ein Großteil der Befragten handelt nach der Maxime: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß“.

 

Es ist also zu befürchten, dass gerade wegen des geplanten sozialen Ausgleichs die umweltpolitischen Vorschläge der Grünen nicht zum Erfolg führen.