Zur Verlängerung der
Laufzeiten der Atomkraftwerke
Gliederung:
1. Einführung
2. Kritik an der Vorgehensweise
3. Zustimmungspflicht des Bundesrates
4. Mitsprache der Atomwirtschaft
5. Grundsätzliche Zustimmung zu grundsätzlichen Entscheidungen
5.1 In der Frage der
Bedeutung fossiler inergierohstoffe
5.2 In der Frage der
Bedeutung von Atomstrom
6. Unterschiede In der Frage der sofortigen Abschaltung der
Atomkraftwerke
7. Der zukünftige Bedarf nach Energie
8. Zur Frage des Importes von Strom
9. Zur Frage der Subventionierung von Energiegewinnung
1. Einführung
Der Beschluss der Regierung, die Laufzeiten für das Betreiben der
Atomkraftwerke zu verlängern, hat bei der Opposition heftige Kritik ausgelöst,
welche darüber hinaus sehr polemisch geführt wird. Diese Art der Kritik
entspricht nicht der Sachlage, da ja über die eigentlichen Grundziele eines
langfristigen Energiekonzepts unter den wichtigsten Parteien Einigkeit besteht.
2. Kritik an der Vorgehensweise
Im Vordergrund der Kritik steht deshalb auch die Vorgehensweise
der Regierung. Es wird von Seiten der Opposition der Regierung vorgeworfen, sie
handle verfassungswidrig, wobei der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit einmal deshalb
erhoben wird, weil die Regierung beabsichtigt, das hierzu notwendige Gesetz
nicht dem Bundesrat vorzulegen. Die Opposition ist der Meinung, dass es sich
hierbei um eine Gesetzesmaterie handelt, zu der der Bundesrat seine Zustimmung
geben muss. Zum andern habe sich die Regierung zum Handlanger der Energielobby
gemacht, da sie sich um die Zustimmung der Betreiber der Kernwerke bemüht hat
und den Betreibern auch einige Zugeständnisse gemacht hat.
Diese beiden Vorwürfe verwundern, da die heutige Opposition (SPD
und Grüne) damals, als sie die Regierung bildete, ebenfalls den Beschluss, die
Kernkraftwerke baldmöglichst zu schließen und damit aus der Atomwirtschaft
auszusteigen, nicht dem Bundesrat vorgelegt hat. Auch hier ging es letztlich um
die Festlegung der Laufzeiten, nur dass damals diese Laufzeiten gekürzt und
nicht wie bei der heutigen Vorlage verlängert wurden.
3. Zustimmungspflicht des Bundesrates
In der Tat ist die Frage, ob es sich hierbei um ein für den
Bundesrat zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, im Rahmen der
Rechtswissenschaft umstritten. Die Interessen der Länder seien – so wird von
denjenigen, welche eine Zustimmungspflicht bejahen, gesagt, dass die Interessen
der Länder dadurch berührt werden, da sie ja jeweils überprüfen müssen, ob ein
Kraftwerk die Sicherheitsvorschriften einhält und gegebenenfalls bei Störfällen
vorübergehend abgeschaltet werden muss.
Nun scheint mir diese Frage untergeordneter Natur. Die Interessen
der Länder werden bei solchen Entscheidungen werden nämlich in beachtlichem
Maße dadurch berührt, dass über die Festlegung der Laufzeiten letztlich auch
die Strompreise betroffen sind und mit den Strompreisen einmal die
konjunkturelle Lage und damit auch die Beschäftigung in den Bundesländern von
dieser Entscheidung abhängt. Allerdings gilt dies nur für die Bundesländer, in
denen solche Kraftwerke betrieben werden. Vor allem hängen von den Laufzeiten
der Atomkraftwerke auch die Gewinnlage der betroffenen Unternehmungen und damit
auch die zu erwartende Steuereinnahmen aus der Atomwirtschaft ab.
Eigenartiger Weise sind jedoch derzeit die Länder von der
Festlegung der Laufzeiten der Atomkraftwerke betroffen, in denen Atomkraftwerke
betrieben werden, dies sind vor allem Baden-Württemberg, Bayern und Hessen,
also Länder, welche eigentlich ein massives Interesse an der Verlängerung der
Laufzeiten haben, welche aber nun die Meinung vertreten, dass dieses Gesetz vom
Bundesrat nicht genehmigt werden muss, während umgekehrt andere Länder, in
denen keine oder nur wenige der Atomkraftwerke betrieben werden, also auch
keine hervorragenden Interessen haben, für die Zustimmungspflicht des
Bundesrates votieren, weil sie von Parteien regiert werden, welche auf
Bundesebene aus grundsätzlichen Gründen für einen baldigen Ausstieg der Atomwirtschaft
plädieren. Dies sind jedoch keine spezifischen Länderinteressen, welche eine
Zustimmung der Länderkammer erfordern.
Auf jeden Fall ist die Frage der Zustimmungspflicht des
Bundesrates in allen Fällen, in denen über die Laufzeiten der Atomkraftwerke
entschieden wird, gleich zu behandeln. Wenn man die Zustimmungspflicht des
Bundesrates bejaht, dann gilt dies auch oder gerade für die Entscheidung, die
Laufzeiten zu verringern, da ja in diesem Falle die Interessen der betroffenen
Länder negativ berührt werden. In diesem Falle wäre also die Verabschiedung der
betreffenden Gesetze der Rot-Grünen Regierung verfassungswidrig gewesen, da
die damalige Regierung diese Gesetze ebenfalls nicht dem Bundesrat zur
Zustimmung vorgelegt hatte.
4. Mitsprache der Atomwirtschaft
In ähnlicher Weise gleicht auch das Verhalten der damaligen
Regierung dem der heutigen Regierung in der Frage, ob der Versuch unternommen
wird, die Bereitschaft der Atomwirtschaft zu gewinnen, diese Gesetze nicht zu
torpedieren. In beiden Fällen fanden Gespräche statt, die durchaus berechtigt
sind und keinesfalls bedeuten, dass Interessengruppen ein zu großer Einfluss
eingeräumt wurde.
Mit der Bedeutung der Interessengruppen in einer parlamentarischen
Demokratie hat sich die Wissenschaft schon lange auseinandergesetzt. Hierbei
geht man in der Wissenschaft schon lange davon aus, dass Menschen im
Allgemeinen sich von ihrem eigenen Interesse leiten lassen. Menschen, welche
heiligmäßig leben, sind nur sehr selten. Dies ist jedoch im Hinblick auf das
Gemeinwohl auch gar nicht von Bedeutung, wie uns immer gesagt wird. Bereits
Adam Smith und andere altliberale Wissenschaftler haben aufgezeigt, dass
keinesfalls immer die vom Merkantilismus geprägte These gilt, dass der eigene
Vorteil immer auch mit einem Nachteil des anderen verbunden ist. Der Liberalismus
hat vielmehr aufgezeigt, dass unter gewissen Voraussetzungen harmonische
Verhältnisse bestehen, dass der Vorteil des einen auch dem andern zugutekommt;
wobei die wichtigsten Voraussetzungen für ein harmonisches Verhältnis zwischen
Einzelinteressen und Gemeinwohl ein intensiver Wettbewerb aller Marktteilnehmer
ist und keine externen Kosten auftreten dürfen, welche es möglich machen, dass
derjenige, welcher Kosten verursacht, diese auf andere überwälzen kann.
Beachtet man diese Zusammenhänge, so reicht es eben nicht aus,
nachzuweisen, dass von einem bestimmten Gesetz positive Effekte auf bestimmte
Einzelinteressen ausgehen. Der Nachweis, dass die Verlängerung der Laufzeiten
der Atomkraftwerke den Betreibern dieser Atomkraftwerke zugutekommt, bedeutet
eben nicht unbedingt, dass bereits deshalb das Gemeinwohl vernachlässigt wurde.
Will man nachweisen, dass eine bestimmte politische Maßnahme dem Gemeinwohl
abträglich ist, bedarf es stets des Nachweises, dass durch diese Maßnahme der
Allgemeinheit Schaden zugefügt wurde und zwar unabhängig davon, ob bestimmte
Einzelinteressen von diesen Entscheidungen Gewinn ziehen.
In Wirklichkeit haben wir davon auszugehen, dass es bei fast allen
wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Mitwirkung der von diesem Gesetz
betroffenen Unternehmungen bedarf, einmal deshalb, weil sie über das
Sachwissen verfügen, das notwendig ist, um die Auswirkungen einer
beabsichtigten Maßnahme zu erkennen. Zum andern besteht jedoch stets die
Gefahr, dass Gesetze, welche gegen den Widerstand bestimmter Unternehmungen
durchgesetzt wurden, in der Realität wegen einer Verweigerung von
Einzelunternehmungen gar nicht die beabsichtigte Wirkung zeigen oder ansonsten
Gefahren mit sich bringen.
Maßnahmen, welche von den betroffenen Unternehmungen mitgetragen
werden, sind deshalb stets Maßnahmen vorzuziehen, welche gegen den Widerstand
einzelner Interessengruppen durchgesetzt werden. Es war also durchaus richtig
und nicht gemeinwohlschädigend, wenn sowohl die rotgrüne Regierung beim
Ausstieg aus der Atomwirtschaft als auch die schwarzgelbe Regierung sich bemüht
haben, eine Mitwirkung der betroffenen Unternehmungen zu erlangen. Auch hier
gilt, dass Maßnahmen, die dasselbe Problem betreffen, gleichartig behandelt
werden müssen.
5. Grundsätzliche Zustimmung zu grundsätzlichen Entscheidungen
5.1 In der Frage der
Bedeutung fossiler Energierohstoffe
Es fällt weiterhin auf, dass die Diskussion zwischen Regierung und
Opposition mit äußerster Schärfe geführt wird, obwohl doch beide Lager in den
Grundwerten der Energieversorgung weitgehend übereinstimmen.
Einigkeit besteht zwischen beiden Parteigruppierungen darin, dass
sich der Energiebedarf auf lange Sicht nicht mehr auf die fossilen Brennstoffe
(Kohle und Gas) abstützen kann, und dies aus zweierlei Gründen. Auf der einen
Seite ist mit der Verbrennung von Kohle und Gas der Ausstoß von Kohlendioxid
und anderen Umweltgiften verbunden, welche zu einer Vernichtung der Atmosphäre
führt und letztlich zumindest zum Teil verantwortlich ist für die Erwärmung der
Erde, welche katastrophale Auswirkungen auf die Menschheit hat.
So führt vor allem die Erderwärmung zu einem Abschmelzen der
Eispoole mit der Folge, dass der Meeresspiegel ansteigt und ganze Landstriche
insbesondere in Asien überschwemmt werden. Es spricht vieles dafür, dass diese
Erderwärmung auch dafür verantwortlich ist, dass die Zahl der Unwetter
(Wirbelstürme, Erdbeben) weltweit drastisch angestiegen ist und auch solche
Erdteile heimsucht, welche in der Vergangenheit von diesen Naturkatastrophen
weitgehend verschont geblieben sind.
Aber selbst dann, wenn von einigen politischen Gruppen bezweifelt
wird, dass die Naturerscheinungen auf die Verbrennung der fossilen
Energiestoffe zurückzuführen ist, schließlich gab es im Verlaufe der
Erdgeschichte wiederholt ähnliche Naturkatastrophen, bevor es Menschen
überhaupt gab, so wird man trotzdem davon ausgehen müssen, dass in naher
Zukunft nicht mehr auf die fossilen Energieträger zurück-gegriffen werden kann,
da der Vorrat an fossilen Energieträgern begrenzt ist und in naher Zukunft sich
dem Ende nähert.
Optimisten gehen zwar davon aus, dass es noch etwa 100 Jahre
möglich ist, auf diese fossilen Energieträger zurückzugreifen, Pessimisten
sehen das Ende der fossilen Energievorräte bereits nach 20 oder dreißig Jahren.
Eine exakte Bestimmung der brauchbaren Vorräte ist kaum möglich. Dies hängt mit
mehreren Gründen zusammen. So gibt es Energievorräte, welche beim heutigen
Stand der Technik nicht gewinnbringend abgebaut werden können.
Hier ist es denkbar, dass aufgrund der Weiterentwicklung der
Abbautechniken diese Lager eines Tages mit Gewinn abgebaut werden können.
Darüber hinaus hängt der Zeitpunkt des Ausgehens der fossilen Energievorräte
auch davon ab, wie sich der Bedarf nach Energie in den nächsten Jahrzehnten
entwickeln wird. Auf der einen Seite hängt die Entwicklung des Bedarfs an
Energierohstoffen davon ab, wie sich die Technik im Bereich der
Energieverwertung entwickeln wird; denkbar wäre durchaus, dass z.B. durch
Änderung der Bauweise der Gebäude die Notwendigkeit des Heizens drastisch
reduziert wird. Auch ist der Verwertungsgrad beim Einsatz der Energierohstoffe
immer noch gering und könnte sehr wohl durch Verbesserung der Techniken erhöht
werden.
Andererseits ist jedoch damit zu rechnen, dass der Bedarf nach den
Endprodukten welche Energierohstoffe benötigen, in naher Zukunft drastisch
ansteigen wird, da die heutigen Schwellenländer zu Industrieländern aufrücken
und die heutigen Entwicklungsländer zu Schwellenländern werden. Im Zuge des
Anstiegs des wirtschaftlichen Wachstums dieser Ländergruppen wird auch der
weltweite Energiebedarf stark ansteigen.
Nun hat die Technik in jüngster Zeit auch Fortschritte bei der
Energiegewinnung insoweit erreicht, als Methoden entwickelt wurden, das
Kohlendioxid in der Erde zu speichern und damit zu erreichen, dass pro
produzierter Endenergieprodukte insgesamt weniger Kohlendioxid in die
Atmosphäre gelassen wird. Es wird jedoch wohl kaum gelingen, den gesamten
Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Giftstoffen in die Atmosphäre zu
verhindern. Auch ist bis heute wohl ungeklärt, ob das Kohlendioxid auf Dauer
in der Erde eingeschlossen werden kann und ob nicht in naher oder entfernter
Zukunft diese Gase wiederum in die Atmosphäre entweichen.
Gerade aus der Vielzahl der erwähnten Gründe sind sich zumindest
die Politiker in Europa weitgehend einig, dass der Anteil der fossilen
Energieträger in naher Zukunft stark reduziert werden wird.
5.2 In der Frage der Bedeutung von Atomstrom
Einigkeit besteht weiterhin – zumindest in der BRD – auch in der
Frage nach der Entwicklung der Energie aus Atomkraft. Generell wird davon
ausgegangen, dass der Anteil des aus Atomkraft gewonnenen Stromes zurückgehen
sollte und in einer noch nicht näher bestimmten Zukunft auf null absinken soll.
Strom aus Atomkraft zählt zwar zu den Energiequellen, welche die Umwelt nur in
sehr geringem Maße belasten, die Erzeugung als solche ist neutral, nur bei der
Herstellung des Atomstromes und bei der Entsorgung entsteht eine Belastung der
Umwelt. Zu den umweltpolitischen Problemen zähle ich hierbei nur Maßnahmen,
welche das ökologische Gleichgewicht beeinträchtigen, während ich von
sicherheitspolitischen Problemen im Gegensatz zum Sprachgebrauch der Partei der
Grünen dann spreche, wenn durch bestimmte Maßnahmen Personen Schaden nehmen.
Trotzdem ist eine langfristige Nutzung der Atomkraftwerke in
hohem Maße aus sicherheitspolitischen Gründen unerwünscht, da auch bei sehr
hohem Sicherheitsstandard nie 100% ausgeschlossen werden kann, dass
strahlendes Material in die Umgebung austritt und dann die Bevölkerung in
unendlich großen Maße gefährdet. Der Umfang dieser Schäden konnte erkannt
werden, als es in Tschernobyl zu einem Austritt strahlenden Materials, also zu
einem Gau kam.
Natürlich war das Kraftwerk in
Tschernobyl wesentlich weniger abgesichert als die deutschen Kraftwerke,
welche weltweit zu den Kraftwerken mit dem höchsten Sicherheitsniveau zählen.
Trotzdem gibt es bei allen technischen Konstruktionen niemals eine
hundertprozentige Sicherheit, stets muss – wenn auch mit einer sehr geringen
Wahrscheinlichkeit – mit einem Gau gerechnet werden. Aus diesem Grunde ist es
geboten, so bald wie möglich aus der atomaren Energieerzeugung auszusteigen und
die Energiegewinnung vollständig auf die alternativen Energiequellen (solare
Erzeugung, Wasser- und Windkraft, Erdwärme und Biomasse) umzustellen. In gleicherweise
stellt die Erzeugung von Atomstrom eine Sicherheitsgefährdung dar, weil bis
heute noch kein überzeugendes Konzept für die Entsorgung des strahlenden Materials
gefunden wurde.
6. Unterschiede in der
Meinung zur sofortigen Abschaltung der Atomkraftwerke
Wann dieser Prozess abgeschlossen sein wird und sowohl die
Energiegewinnung aus fossilen Energierohstoffen sowie aus Atomkraft
abgeschlossen sein wird, darüber streiten sich die einzelnen Parteien. Vor
allem die Grüne Partei geht davon aus, dass schon sehr bald dieser Übergang
vollzogen werden kann, deshalb haben sie in der Rot-grünen Regierung den
endgültigen Austritt aus der Atomstromgewinnung für die nahe Zukunft
festgelegt.
Die schwarzgelbe Regierung hingegen geht davon aus, dass noch eine
beachtliche Zahl von Jahren der Atomstrom als eine Art Brückenenergie benötigt
wird und aus diesen Gründen wurden die Laufzeiten der Atomkraftwerke
verlängert. Also lediglich um die Frage der Dauer, in welcher noch Atomstrom
benötigt wird, wird zwischen Regierung und Opposition gestritten.
Nun darf man sich die Beantwortung dieser Frage nach den notwendigen
und erwünschten Jahren der Laufzeit der bestehenden Atomkraftwerke nicht zu
einfach vorstellen. Die Grünen haben offensichtlich ein Gutachten erstellen
lassen, das zu dem Ergebnis kommt, dass es schon heute möglich wäre, auf den
Atomstrom zu verzichten und die gesamte benötigte Energie bereits heute aus den
alternativen Energiequellen zu beliefern.
Diese Betrachtung verkennt, dass es primär gar nicht um die Frage
geht, ob technisch gesehen eine solche Umstellung auf Atomstrom auch heute
schon möglich wäre. Das mag durchaus sein. Aber entscheidend ist die Frage nach
den wirtschaftlichen Folgen einer sofortigen Umstellung. Die beiden Ölkrisen in
den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts haben gezeigt, dass die Konjunktur
ganz entscheidend von den Energiepreisen abhängt. Die Ölstaaten hatten damals
einen Boykott bei der Lieferung mit Öl für diejenigen Länder beschlossen,
welche Israel unterstützt hatten. In der Folge trat eine Verknappung des Rohöls
ein und dies hinwiederum ließ den Rohölpreis drastisch erhöhen. Die Konjunktur
brach ein.
Die eigentliche Frage lautet vielmehr, ab wann die Technologie im
Bereich der alternativen Energiequellen es erlaubt, Energie zu so niedrigen
Preisen anzubieten, dass kein Einbruch der Konjunktur zu befürchten ist. Die
Entwicklung des Rohölpreises hängt jedoch von der Entwicklung der Nachfrage
sowie dem Angebot an Gesamtenergie ab. Beide Entwicklungen sind jedoch
ungewiss. Dies gilt sowohl für den Bedarf wie auch dem Angebot an alternativer
Energie.
7. Der zukünftige Bedarf nach Energie
Der zukünftige Bedarf an Energie hängt vor allem von zwei Faktoren
ab. Wie stark wird es in naher Zukunft gelingen, den inländischen Bedarf an
Energie zu reduzieren? Die Beantwortung dieser Frage hängt entscheidend davon
ab, inwieweit der technische Fortschritt in diesem Bereich voranschreitet, eine
Frage, die nicht eindeutig vorherberechnet werden kann.
Ein zweiter Faktor des weltweiten Energiebedarfs hängt von der
wirtschaftlichen Entwicklung der heutigen Schwellenländer und Entwicklungsländer
ab. Je schneller das Wachstum dieser Staaten voranschreitet, umso schneller
steigt der weltweite Bedarf an Energie an. Auch die Beantwortung dieser Frage
ist höchst ungewiss.
Wenden wir uns dem Angebot an alternativer Energie zu. Auch hier entscheidet
in erster Linie der technische Fortschritt darüber, welche Zeit benötigt wird,
um vor allem Strom und andere Energieformen so billig anzubieten, damit von den
Energiekosten aus kein Einbruch in die Konjunktur erfolgt.
Letzten Endes entscheiden die Elastizitäten von Angebot und
Nachfrage von bzw. nach Energie darüber, wie sich die Energiepreise entwickeln,
wenn kein Atomstrom mehr in der BRD erzeugt wird, wenn also alle Atomkraftwerke
in der BRD abgeschaltet sind. Da diese Elastizitäten von sehr viel Faktoren und
deren Entwicklung abhängen und da es keinerlei Möglichkeiten gibt, die
Datenänderungen der nahen Zukunft (also den Wandel in der Technik und im
Bedarf) genau abzuschätzen, ist es auch nicht möglich, exakt anzugeben, wie
sich die Energiekosten in naher Zukunft entwickeln werden.
8. Zur Frage des Importes von Strom
Es besteht natürlich immer die Möglichkeit, Strom aus dem Ausland
zu beziehen, wenn aufgrund der Knappheit an inländischem Stromangebot der
inländische Energiebedarf nicht abgedeckt werden kann. Dies würde jedoch
bedeuten, dass im Grunde genommen wiederum Atomstrom und zwar nun solcher, der
im Ausland z. B. in Frankreich erzeugt wurde, eingesetzt wird und da man dem
Strom, wenn er einmal im Netz eingespeist ist, nicht erkennen kann, mit welchen
Energierohstoffen er erzeugt wurde, bedeutet dies gleichzeitig, dass doch
wiederum zu einem beachtlichen Teil der inländische Energiebedarf durch von
Atomkraftwerken erzeugten Strom abgedeckt wird.
Da nun die BRD bei seinen Atomkraftwerken einen weit höheren
Sicherheitsstandard aufweist als die meisten ausländischen Staaten, würde bei
einer zu schnellen Abschaltung der Atomkraftwerke sicherheitspolitisch genau
das Gegenteil erreicht, als man eigentlich mit der Abschaltung der eigenen Atomkraftwerke
erzielen wollte. Weltweit würde die Sicherheit (und vor allem die Gefahr eines
Gaus) vergrößert und nicht wie beabsichtigt verringert.
Es kann noch nicht einmal gesagt werden, dass wenigstens in der
BRD die Sicherheit bei einer Abschaltung der eigenen Atomkraftwerke verbessert
würde. De facto würde vor allem auf Strom zurückgegriffen, der in Frankreich
erzeugt wurde. Frankreich betreibt zurzeit eine Politik, die nicht auf eine
Abschaltung der bestehenden Atomkraftwerke gerichtet ist, sondern eher an eine
Ausweitung des Atomstroms denkt. Auch erfüllen die meisten Atomkraftwerke in
Frankreich einen sehr viel schlechteren Sicherheitsstandard als in der BRD.
Da nun ein Großteil der französischen Atomkraftwerke entlang des
Rheins liegt und da wir in Europa vorwiegend Westwinde haben, würde dies
bedeuten, dass bei einem Gau gerade die BRD gefährdet ist. Die
sicherheitspolitischen Ziele werden also genau dann am besten erfüllt, wenn auf
den Atomstrom erst verzichtet wird, wenn die BRD erst dann die Atomkraftwerke
insgesamt abschaltet, wenn der im Inland erzeugte Strom den inländischen Bedarf
weitgehend abdeckt.
9. Zur Frage der Subventionierung von Energiegewinnung
Nun könnte man einwenden, dass man eben durch eine großzügige
Subventionierung den Preis für Energie soweit absenken müsse, dass die eben
beschriebenen konjunkturellen Gefahren nicht eintreten. Da der Strom aus
erneuerbaren Energiequellen ohnehin heute bereits mit x Milliarden
subventioniert wird und dieses Niveau nach den bereits verabschiedeten Gesetzen
in naher Zukunft noch auf y Milliarden ansteigen wird, würde dies zu
erheblichen Schwierigkeiten führen.
Auf der einen Seite gehen wir in der Wirtschaftswissenschaft davon
aus, dass eine Subventionierung ohnehin im Allgemeinen unerwünscht ist und in
Ausnahmefällen nur für sehr kurze Zeit genehmigt werden sollte. Siehe meinen
Artikel zur Problematik der Subventionen in meinem Archiv. Aus dieser Seite
betrachtet, gilt es also den Umfang der Subventionierung in naher Zukunft eher
abzubauen als zu erhöhen.
Auf der anderen Seite würde eine Subventionierung, dessen Höhe die
Subventionierung in den andern europäischen Staaten übertreffen würde, gegen
das in Europa geltende Wettbewerbsrecht verstoßen, da in diesem Falle die
Stromerzeuger in den anderen europäischen Staaten gegenüber den deutschen
Unternehmungen benachteiligt würden. Ein fairer Wettbewerb setzt voraus, dass
alle Unternehmungen innerhalb Europas eine gleiche Steuerlast tragen.
Im Übrigen wären dann, wenn diese Grundsätze auch in der Vergangenheit
bei der Einführung des Atomstroms beachtet worden wären, die Probleme des
Ausstiegs aus der Kernkraftenergie heute sehr viel einfacher zu bewältigen. Der
Anstieg des Anteils des aus Kernenergie gewonnenen Stroms in den letzten
Jahrzehnten auf etwa 12% wäre höchstwahrscheinlich wesentlich geringer
ausgefallen, wenn in der Vergangenheit die Forschung auf diesem Gebiete nicht
massiv mit Milliarden subventioniert worden wäre.
Damals herrschte die Meinung vor, dass die friedliche Nutzung der
Atomkraft erwünscht sei und man sah noch nicht die mit dieser Technologie
verbundenen Gefahren. Wenn damals den oben dargelegten Grundsätzen bei der
Vergabe von Subventionen entsprochen worden wäre, wäre höchst wahrscheinlich
der Anteil an Atomstrom in der BRD bei einigen wenigen Prozentpunkten
geblieben.
Der Staat hätte sich darauf beschränken können, die Entwicklung
des Atomstroms nur dadurch zu fördern, dass das hoch bürokratische
Genehmigungswesen bei Einführung neuer Technologien abgebaut worden wäre und
dass diejenigen, welche neue Technologien einführen, lediglich eine
Anlaufstelle zur Genehmigung der Errichtung von Atomwerken zu durchlaufen
gehabt hätten. Andererseits hätte der Staat lediglich eine Genehmigung zur
Stromerzeugung aus Kernenergie nur dann erteilen dürfen, wenn einerseits die
heute geltenden Sicherheitsstandards erfüllt gewesen wären und wenn
andererseits die Entsorgung des strahlenden Materials gesichert sei.