Wege und
Irrwege aus der Arbeitslosigkeit
Gliederung:
1.
Problemeinführung
2.
Arbeitslosenversicherung
3.
Vollbeschäftigungspolitik im Sinne von Keynes
4.
Kündigungsschutzgesetzgebung
5.
Bürgergeld
6. Bildung
eines sekundären Arbeitsmarkt
7.
Schlussbemerkungen
1.
Problemeinführung
Wie wohl kein anderes bisher
ungelöstes wirtschaftspolitisches Problem belastet die
Massenarbeitslosigkeit die modernen marktwirtschaftlich geordneten
Industrienationen. In Zeiten der Depression oder auch einer anderen
wirtschaftlichen Zerrüttung steigt die Zahl der Arbeitslosen weit
über 10%, wobei in einigen krassen Fällen bis zu 50% der
Arbeitnehmerschaft ohne eine geregelte Arbeit sind.
Etwa seit der großen
Weltwirtschaftskrise gibt es zahlreiche Bemühungen, die Arbeitslosigkeit
zu vermeiden oder zumindest die schlimmsten Folgeerscheinungen, wie z. B.
Armut zu bekämpfen. So wurde in den 30er Jahren in Deutschland eine
gesetzliche, für ganz Deutschland geltende Arbeitslosenversicherung
geschaffen, um den Arbeitnehmern, welche ohne schuldhaftes Verhalten ihren
Arbeitsplatz verloren haben, zumindest ein materielles Existenzminimum zu
sichern. Einzelne Versuche, den Arbeitslosen auf diesem Wege eine materielle
Unterstützung zu gewähren, gab es allerdings auch schon vorher, so
bemühten sich vor allem einzelne Gewerkschaften, aber auch die caritativen
Einrichtungen der Kirchen sowie einzelne Gemeinden um eine materielle Absicherung
der Arbeitslosen. Schließlich gab es Konjunkturkrisen auch schon lange
vor der großen Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts, eigentlich schon seit Beginn der Industrialisierung.
John Maynard Keynes hatte dann
im Zusammenhang mit der großen Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren
des vergangenen Jahrhunderts die Konzeption einer antizyklischen Fiskalpolitik
entwickelt, welche in der Folge von fast allen Regierungen in Europa und
Amerika übernommen wurde. Entsprechend diesem Konzept sollte der Staat
über ein Budgetdefizit Nachfrage entfalten und auf diese Weise die
Arbeitslosigkeit abbauen.
Vor allem seit Beendigung des
zweiten Weltkrieges wurde weiterhin in fast allen hochentwickelten Industrienationen
der Versuch unternommen, auf dem Wege einer Kündigungsschutzgesetzgebung,
die Zahl der Entlassungen zumindest zu verringern. Man erhoffte sich dadurch zu
verhindern, dass die Unternehmungen bei einem Absatzrückgang diejenigen
Arbeitnehmer entlassen, welche
für die verringerte Produktion nicht mehr benötigt werden.
Ein ganz anderer Weg wurde seit
einigen Jahrzehnten mit dem Vorschlag beschritten, der Staat solle allen
Bürgern ein sogenanntes Bürgergeld auszahlen, das in seiner Höhe
so berechnet wird, dass kein Bürger materielle Not leiden muss, wenn er
keine erwerbswirtschaftliche Arbeit gefunden hat. Dieser Vorschlag ist zu
unterscheiden von dem Vorschlag einiger neoliberaler
Wirtschaftswissenschaftler, eine negative Einkommenssteuer vorzusehen. Nach
diesem Konzept hat die Finanzbehörde immer dann, wenn das Erwerbseinkommen
eines Bürgers eine bestimmte vom Staat festgesetzte Höhe
unterschreitet, diesen Differenzbetrag als eine Art negative Einkommenssteuer
(als Transfereinkommen also) auszuzahlen.
Schließlich sei erwähnt,
dass schon seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts von einzelnen
Wissenschaftlern vor allem in den USA vorgeschlagen wurde, einen
sekundären Arbeitsmarkt zu schaffen, indem Gemeinden und
gemeinnützige Einrichtungen Arbeitnehmer einstellen können. Nach
diesem Vorschlag wird ein Arbeitnehmer, welcher im primären Arbeitsmarkt
arbeitslos wird, automatisch von den Einrichtungen des sekundären
Arbeitsmarktes übernommen. Erste Versuche einzelner Gemeinden, dieses
Konzept in die Wirklichkeit zu übernehmen, gibt es seit einiger Zeit
bereits.
Ich möchte in diesem
Artikel zeigen, dass mit Ausnahme des zuletzt genannten Vorschlages (der
Schaffung eines sekundären Arbeitsmarktes) alle anderen Konzepte sich als
Irrweg erwiesen haben, weil sie bereits vom Ansatz her das Problem der
Arbeitslosigkeit und seiner Folgen nicht lösen können. Ich werde auch
zeigen, dass die Schaffung eines sekundären Arbeitsmarktes befriedigende
Lösungsmöglichkeiten eröffnet, allerdings nur dann, wenn gewisse
Voraussetzungen beachtet werden und wenn dieser Vorschlag kombiniert wird mit
einer Reihe weiterer Maßnahmen.
An und für sich muss es
eigentlich verwundern, dass gerade in marktwirtschaftlich geordneten
Wirtschaftssystemen das Problem überhaupt auftritt und dass es bisher
nicht gelungen ist, die Massenarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen.
Gerade der Markt zeichnet sich dadurch aus, dass er im Gegensatz zu staatlich
planwirtschaftlichen Systemen automatisch, das heißt ohne staatliche
Eingriffe Ungleichgewichte von selbst abbaut, also eine Tendenz zum
Gleichgewicht besitzt. Immer dann, wenn Änderungen in den wirtschaftlichen
Daten vorübergehend Ungleichgewichte auslösen, werden Kräfte
entfaltet, welche auf eine Reduzierung des Ungleichgewichtes hinarbeiten. Nun
stellt eine Arbeitslosigkeit nichts anderes dar als ein Angebotsüberhang
auf den Arbeitsmärkten. Mehr Arbeitnehmer bieten ihre Arbeitskraft an
(suchen also einen Arbeitsplatz) als Unternehmungen Arbeiter nachfragen.
Auf einem funktionierenden
Arbeitsmarkt müsste eigentlich die Tatsache, dass Arbeitnehmer arbeitslos
sind und keinen neuen Arbeitsplatz finden, automatisch dazu führen, dass
der Preis für Arbeit, der Lohnsatz reduziert wird, wobei die Arbeitnehmer,
welche bisher keinen Arbeitsplatz gefunden haben, von sich aus bereit sind,
ihre Lohnansprüche zu reduzieren, in der Erwartung, dass die Unternehmer
bei einem niedrigeren Lohnsatz ihre Nachfrage nach Arbeit ausdehnen und deshalb
auch diejenigen Arbeitnehmer einstellen, welche beim bisherigen höheren
Lohnsatz arbeitslos geblieben waren.
Die erste Voraussetzung
dafür, dass also Arbeitslosigkeit von selbst abgebaut wird, besteht darin,
dass Arbeitslosigkeit eine Senkung des Lohnsatzes auslöst, dass also eine
Lohnflexibilität besteht und die zweite Voraussetzung, dass diese
Lohnsatzsenkung zu einer Mehrnachfrage nach Arbeit führt, dass also die
Nachfrage nach Arbeitskräften seitens der Unternehmer elastisch auf
Lohnsatzsenkungen reagiert.
Diese Voraussetzungen sind nun
in der Realität keinesfalls immer erfüllt. Die Lohnsätze sind
nach unten starr, weil entweder ein zwischen den Gewerkschaften und den
Unternehmensverbänden abgeschlossener Tarifvertrag vorsieht, dass die
tariflich vereinbarten Lohnsätze bis zur Aufkündigung dieses
Tarifvertrages nicht verändert, nicht abgesenkt werden dürfen und
dass ein Tarifvertrag erst nach Ablauf einer Frist von meistens einem Jahr oder
sogar länger gekündigt werden kann. Oder aber die Lohnsätze
können deshalb nicht gesenkt werden, da sie dann (im Rahmen einer gesetzlichen
Mindestlohngesetzgebung) unter einer vom Gesetzgeber vorgesehenen Mindestlohnes
fallen würden.
Politische Maßnahmen
können auch die Elastizität der Arbeitsnachfrage verringern. Wenn z.
B. aufgrund einer rigorosen Kündigungsgesetzgebung Arbeitskräfte auch
dann nicht entlassen werden können, wenn eine Unternehmung gar keinen
Bedarf nach bestimmten Arbeitskräften hat, besteht die Gefahr, dass diese
Gesetzgebung auch das Verhalten der Unternehmungen bei der Neueinstellung von
Arbeitskräften beeinflusst.
Wenn nämlich die Unternehmungen
befürchten müssen, dass
sie Arbeitskräfte auch dann nicht entlassen können, wenn sie gar
keinen Bedarf an Arbeitskräften haben, so werden sie auch bei der
Neueinstellung erst dann tätig werden, wenn sie sicher sein können,
dass sie auch für längere Zeit diese Arbeitskräfte
benötigen.
Zu Beginn eines
Konjunkturaufschwungs können sich jedoch die Unternehmer nicht sicher
sein, ob gewisse erste Aufträge bereits den Konjunkturaufschwung
einleiten, oder ob es sich um zufällige und deshalb einmalige Aufträge
handelt. Sie werden deshalb aus Unsicherheit diese Aufträge nicht annehmen
und deshalb auch noch nicht neue Arbeitskräfte einstellen. Auf diese Weise
wird der Konjunkturaufschwung hinausgezögert und die Arbeitslosigkeit wird
sehr viel langsamer abgebaut.
Wir müssen uns weiterhin
darüber klar werden, dass in Zeiten des Konjunkturabschwungs in jeder
Periode Datenänderungen eintreten, welche neue Ungleichgewichte (in
unserem Falle also Arbeitslosigkeit) auslösen können. Wie groß
nun in einer konkreten Periode der Umfang der Arbeitslosigkeit ist, hängt
stets von zweierlei Umständen ab. Auf der einen Seite wie stark die
Datenänderungen sind, welche zusätzliche Arbeitslosigkeit auslösen,
und wie stark auf der anderen Seite die Kräfte sind, welche auf einen
Abbau der Ungleichgewichte hinwirken.
Wie bereits weiter oben gezeigt,
hängt der Umfang der Ungleichgewicht abbauenden Kräfte von der Elastizität
der Nachfrage und des Angebotes sowie der Preisflexibilität ab. Der Umfang
der Kräfte, welche ein neues Ungleichgewicht herbeiführen, hängt
einmal davon ab, wie häufig und wie stark die Datenänderungen
ausfallen, zum andern aber auch, ob diese Datenänderungen zeitlich und
räumlich verteilt (atomisiert) oder an einem ganz bestimmten Zeitpunkt
geballt auftreten. Es ist gerade der Vorteil einer Marktwirtschaft
gegenüber einer staatlichen Planwirtschaft, dass Datenänderungen von
einer Vielzahl von Unternehmungen und Haushalten ausgelöst werden und dass
aus diesen Gründen eher damit gerechnet werden kann, dass Datenänderungen
verteilt auftreten und dass sich deshalb ein Teil der Datenänderungen im
Hinblick auf das Ungleichgewicht gegenseitig aufhebt. Staatliche
Maßnahmen, vor allem diejenigen, welche in Form von Gesetzen
durchgeführt werden, zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass sie an einem
ganz bestimmten Zeitpunkt im Prinzip für alle Wirtschaftseinheiten Geltung
erlangen und Veränderungen in die gleiche Richtung auslösen.
Je stärker jedoch eine
Volkswirtschaft vermachtet ist, also Monopole und Oligopole bzw. Teilmonopole
und Teiloligopole auftreten, umso mehr nähert sich eine Marktwirtschaft im
Hinblick auf die Gleichgewichtsprozesse einer staatlichen Planwirtschaft an.
Von Teilmonopolen (Teiloligopolen) sprechen wir dann, wenn sich ein großer
(wenige große) mit einer Vielzahl kleinerer Unternehmungen in den Markt
teilen. Ein starker Wettbewerb unter den Unternehmungen ist also ebenfalls eine
wichtige Voraussetzung dafür, dass ein automatischer Abbau von
Ungleichgewichten zu erwarten ist.
Schließlich hat die
Diskussion um das Cobwebtheorem gezeigt, dass selbst dann, wenn an und für
sich die Elastizität von Angebot und Nachfrage groß genug ist, um
einen Abbau von Ungleichgewichten auszulösen, dass es dann immer noch auf
das Verhältnis der Angebotselastizität zur Nachfrageelastizität
ankommt, ob der Gleichgewichtsprozess zu einem Abbau der Ungleichgewichte
führt, oder sogar einen Zuwachs des Ungleichgewichtes bewirkt. Der Preis
nähert sich nach einer Datenänderung nämlich nicht geradlinig,
sondern in Schwankungen dem neuen Gleichgewichtspreis an, da das Angebot im
Allgemeinen verzögert auf die Preisänderungen reagiert. Diese Verzögerung
führt nun dazu, dass Preise und Mengen unter Umständen über ihr
Ziel hinausschießen, sodass Schwankungen um den Gleichgewichtspreis zu
erwarten sind.
Ist nun die Elastizität des
Angebotes größer als die der Nachfrage könnte es auch einmal zu
Preisschwankungen kommen, die sich immer mehr vom Gleichgewicht entfernen. In
meinem Artikel über das Cobwebsystem (siehe Archiv) habe ich allerdings
gezeigt, dass aufgrund der Lernfähigkeit und der Möglichkeit zur
Lagerbildung diese Gefahr eher geringer ist. In aller Regel kann damit
gerechnet werden, dass diese Schwankungen einen gedämpften Verlauf nehmen,
sodass also mit einem Abbau des Ungleichgewichtes nach wie vor gerechnet werden
kann.
2.
Arbeitslosenversicherung
Am Anfang der Bemühungen,
das Problem der Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen, stand die Errichtung
einer gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. Das eigentliche Ziel dieser
politischen Maßnahme bestand darin, den Arbeitslosen ein Mindesteinkommen
zu garantieren. Zunächst ging es hierbei darum, das Existenzminimum zu
sichern, später vor allem in den ersten beiden Jahrzehnten der BRD war man
bemüht, das Arbeitslosengeld immer mehr anzuheben, bis dann ein
Arbeitsloser, der schon längere Zeit beschäftigt war, etwa 90% seines
bisherigen Nettoeinkommens erreichen konnte. In gewissen Fällen war es
sogar möglich, dass ein Arbeitsloser ein höheres Einkommen erzielte
als er im Durchschnitt als Erwerbstätiger erhielt, dann nämlich, wenn
dieser Arbeitnehmer in den Monaten vor seiner Arbeitslosigkeit durch zahlreiche
Überstunden ein Lohneinkommen erzielte, das deutlich über dem
langfristigen Durchschnitt seines Einkommens lag.
Die Begründer der
gesetzlichen Arbeitslosenversicherung hatten allerdings nicht die Absicht, auf
diese Weise die Arbeitslosigkeit als solche zu bekämpfen. Man hielt
zunächst das Auftreten von Arbeitslosigkeit als ein unvermeidliches
Schicksal, gegen das man nichts unternehmen konnte. Vor allem aber ging man von
der Überzeugung aus, dass wenn überhaupt durch politisches Eingreifen
eine Bekämpfung der Arbeitslosigkeit für möglich gehalten wurde,
diese Anstrengungen unabhängig von der Einrichtung der gesetzlichen
Arbeitslosenversicherung zu erfolgen hätten. Es sei Aufgabe der allgemeinen
Wirtschaftspolitik, Voraussetzungen für Vollbeschäftigung zu schaffen,
die Aufgabe der Sozialpolitik (also der Einrichtung der gesetzlichen
Arbeitslosenversicherung) sei allein die materiellen Folgen der Arbeitslosigkeit
zu mildern.
Erst sehr viel später im
Rahmen der keynesianischen Vollbeschäftigungspolitik wurde die These
vertreten, dass gerade über die Einrichtung einer gesetzlichen
Arbeitslosenversicherung eine effiziente Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
erfolgt. Mit Hilfe dieser Einrichtung könne sogar die Arbeitslosigkeit effizienter
überwunden werden als mit dem Versuch, über eine Subventionierung der
Unternehmungen die Produktion und damit auch die Beschäftigung zu
steigern. Da allerdings dieser Zusammenhang nur verständlich wird im
Rahmen der von John Maynard Keynes entwickelten Wirtschaftslehre, wollen wir
die Erörterung dieser Vorstellungen erst später im Zusammenhang mit
der Diskussion über die keynesianische Beschäftigungspolitik
nachholen. Wir werden in diesem Zusammenhang allerdings sehen, dass zwar von
der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung unter recht unrealistischen Annahmen
ein gewisser positiver beschäftigungssteigender Effekt ausgeht, dass es
aber vom Ansatz her unmöglich ist, allein über eine gesetzliche
Arbeitslosenversicherung Vollbeschäftigung zu erreichen.
Der wichtigste Mangel der
gesetzlichen Arbeitslosenversicherung besteht also darin, dass hier an den
Symptomen angesetzt wird, dass aber die eigentlichen Ursachen der
Arbeitslosigkeit auf diesem Wege nicht bekämpft werden können, dass
sogar – wie wir weiter unten noch sehen werden – mit Hilfe dieser
Einrichtung die Arbeitslosigkeit sogar noch verstärkt wird.
Nun wäre dieser Mangel
vielleicht nicht so ernst zu nehmen, wenn die eigentliche Situation eines
Arbeitslosen wirklich nur darin liegen würde, dass ein Arbeitsloser
während der Zeit seiner Beschäftigungslosigkeit über kein reguläres
Erwerbseinkommen verfügt. Man könnte sich (fälschlicher Weise)
vorstellen, dass ein Arbeitnehmer nur deshalb eine erwerbswirtschaftliche
Arbeit sucht, um über ein Einkommen zu verfügen, das ausreicht, um
seine wichtigsten materiellen Bedürfnisse zu befriedigen und dass er mit
einem Zustand zufrieden ist, bei dem er diese Einkünfte auf andere Art
(eben z. B. aufgrund eines Arbeitslosengeldes) erzielen könnte. Wenn es
dem einzelnen Arbeitnehmer mit seiner Arbeitssuche allein darum ginge,
Einkommen zu erzielen und wenn also die Arbeit als solche entweder als
irrelevant angesehen würde, oder sogar nur Arbeitsleid verursachen
würde, so ließe sich durchaus ein Modell konstruieren, aus dem
hervorginge, dass ein Arbeitnehmer die Arbeitslosigkeit freiwillig und rational
einsehbar wähle.
Ein Arbeitnehmer stünde
also vor der Alternative, einer Beschäftigung nachzugehen oder arbeitslos
zu bleiben. Wählt er die erste Alternative (Beschäftigung), so
erzielt er zwar ein Einkommen, das höher ausfällt als das Arbeitslosengeld,
er erfährt jedoch ein Arbeitsleid, das seine Wohlfahrt partiell mindert.
Wählt er hingegen die Arbeitslosigkeit, so sind zwar seine Einkünfte
geringer als das Lohneinkommen bei Beschäftigung, es entfällt jedoch
auch das Arbeitsleid. Vor allem dann, wenn sich der Staat bemüht, die
Differenz zwischen regulärem Lohneinkommen und Arbeitslosengeld gering zu
halten, wie dies ja in der Vergangenheit lange Zeit der Fall war, so
könnte es für einen Arbeitnehmer durchaus rational erscheinen, dass
er sich freiwillig für die Arbeitslosigkeit entscheidet, weil hier sein
individuelles Wohlfahrtsniveau größer ausfällt als bei einer
regulären Beschäftigung.
Dieses Modell entspricht jedoch
keinesfalls der Wirklichkeit. Aus zahlreichen empirischen Untersuchungen wissen
wir, dass Arbeitnehmer das Ziel, beschäftigt zu bleiben weit höher
einschätzen als das Ziel, ein möglichst hohes Einkommen zu erzielen.
Auch ist bekannt, dass viele Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit auch bereit
sind, Beschäftigungen anzunehmen, welche ihr Einkommen kaum gegenüber
den Einkünften aus dem Arbeitslosengeld allein steigern lässt.
Beschäftigt zu sein ist für eine große Mehrheit der Arbeitnehmer
ein Wert an und für sich.
Wenn dem aber so ist, dann ist
es eben der falsche Weg, wenn man sich darauf beschränkt, dem Arbeitslosen
ein Mindesteinkommen zu garantieren. Wenn man dann zusätzlich nachweisen
kann, dass gerade über die Existenz der Arbeitslosenversicherung die
Arbeitslosigkeit sogar verstärkt oder auch nur die Reduzierung der
Arbeitslosigkeit erschwert wird, muss man zu dem Schluss kommen, dass die
Einrichtung einer gesetzlichen Arbeitslosenversicherung der falsche Weg
darstellt, um das Problem der Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen.
Wir haben also davon auszugehen,
dass eine Arbeitslosenversicherung nicht nur deshalb unbefriedigend ist, weil
sie die eigentlichen Ursachen der Arbeitslosigkeit nicht bekämpft, sondern
auch und vor allem deshalb, weil von einer gesetzlichen
Arbeitslosenversicherung Anreize ausgehen, welche die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
erschweren. Fragen wir uns also im Folgenden, worin denn diese Fehlanreize
einer gesetzlichen Arbeitslosenversicherung liegen.
Der Fehlanreiz einer
Arbeitslosenversicherung besteht darin, dass sich ein Arbeitnehmer unter
Umständen besser stellt, wenn er arbeitslos bleibt, als dann, wenn er
einer Beschäftigung nachgeht. Es wird also nicht behauptet, dass die
Arbeitnehmer schlechthin – im Sinne fast aller Arbeitnehmer oder auch nur des größte
Teils der Arbeitnehmer – amoralisch handeln, also auch dann
Arbeitslosengeld beziehen, wenn sie eigentlich die Möglichkeit
hätten, einer Beschäftigung nachzugehen. Es wird eben gerade nicht
behauptet, dass sich Arbeitnehmer moralisch verwerflich verhalten, sondern dass
das System der Arbeitslosenversicherung es rational erscheinen lässt, wenn
man eher die alternative Arbeitslosigkeit als Beschäftigung wählt.
Wir haben oben gesehen, dass es bei rationaler Abwägung zwischen den
Vorteilen bei Arbeitslosigkeit und Beschäftigung sehr wohl möglich
wird, dass die Arbeitslosigkeit einem Arbeitnehmer die größere
individuelle Wohlfahrt beschert als eine gering bezahlte Beschäftigung.
Nicht der einzelne Arbeitnehmer
wird hier also als amoralisch hingestellt, sondern das System, das Fehlanreize
entwickelt und einen Arbeitnehmer als dumm hinstellt, der die Alternative
Beschäftigung der Alternative Arbeitslosigkeit vorzieht, obwohl die
individuelle Wohlfahrt bei Arbeitslosigkeit höher ist. Es sind also nicht
„die“ Arbeiter im Sinne aller oder auch der Mehrheit der Arbeitnehmer,
noch nicht einmal ein größerer Prozentsatz der Arbeitslosen, welche
verteufelt werden, es wird vielmehr darauf hingewiesen, dass das System Fehlanreize
aussendet, also in diesem Sinne amoralisch ist.
Nun hängt die Frage, ob und
in welchem Umfange Fehlanreize vom System der gesetzlichen Arbeitslosigkeit
ausgehen, entscheidend von der Differenz zwischen Arbeitslosengeld und normalem
Lohnsatz ab. Je geringer diese Differenz ist, je mehr sich also die
Einkünfte, welche ein Arbeitsloser bezieht, dem regulären Lohneinkommen
nähern, das eben dieser Arbeitslose erhalten hätte, wenn er einer
Beschäftigung nachgegangen wäre, umso größer fallen diese
negativen Auswirkungen aus.
Hierbei darf bei dieser
Gegenüberstellung von Einkünften der Arbeitslosen und dem
regulären Lohneinkommen nicht außer Acht bleiben, dass Arbeitslose
zumeist einen Anspruch auf reale Sachleistungen (wie z. B. kostenloses Essen
bei den sogenannten „Tafeln“ oder Zuschüsse zur Wohnung)
haben, die bei diesem Vergleich ebenfalls berücksichtigt werden
müssen, genauso wie aus dem Bruttolohneinkommen eines beschäftigten
Arbeitnehmers Abgaben an die Sozialversicherung sowie eventuell
Gewerkschaftsbeiträge abgezogen werden müssen, wenn diese
Beiträge bei Arbeitslosigkeit entfallen. Schließlich hängt der
Umfang dieser Differenz, welcher eingehalten werden muss, damit keine
Fehlanreize vom System der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung ausgehen, auch
davon ab, wie viel Arbeitsleid und wie viel Arbeitsfreude mit der Arbeit
verbunden ist, welche eine reguläre Arbeit dem jetzt Arbeitslosen gebracht
hätte.
Es dürfte nun in der Frage,
ob diese notwendige Differenz zwischen Arbeitsloseneinkünften und
regulärem Nettolohneinkommen tatsächlich eingehalten werden kann, vor
allem auch von der Einkommensklasse abhängen, der ein Arbeitsloser bisher
angehörte. Zwar hängt die Höhe des Arbeitslosengeldes in dem
für die BRD gültigen System entscheidend von der Höhe des bisherigen
Lohneinkommens eines Arbeitslosen ab, da das Arbeitslosengeld einen Prozentsatz
des bisherigen Einkommens ausmacht. Trotzdem dürfte die für ein
Ausbleiben der Fehlanreize notwendige Differenz sehr viel leichter eingehalten
werden können bei Arbeitnehmern, welche vor ihrer Arbeitslosigkeit einer
höheren Einkommensklasse angehörten. Wir müssen uns nämlich
darüber klar werden, dass diese Differenz nicht beliebig groß
gehalten werden kann. Das Arbeitslosengeld sollte nämlich auf keinen Fall
unter das Niveau sinken, das für ein kulturelles Existenzminimum
unerlässlich ist.
Nun können wir zwar davon
ausgehen, dass aufgrund der im Durchschnitt hohen Wachstumsraten der letzten
hundert Jahre in den heutigen Industrieländern die Einkommen fast aller
Einkommensgruppen angestiegen sind. Trotzdem muss aus mehreren Gründen damit
gerechnet werden, dass das reguläre Einkommen in den untersten
Einkommensklassen bereits nahe am Existenzminimum liegt, sodass
notwendigerweise das zu gewährende Arbeitslosengeld bei dieser Gruppe von
Arbeitslosen der Höhe des bisherigen Lohneinkommens entspricht.
Der Grund dafür, dass das
Einkommen der untersten Einkommensklassen bereits nahe dem Existenzminimum
liegt, besteht vorwiegend darin, dass diese Arbeitnehmer oftmals nicht die
Ausbildung erfahren haben, die in unserer komplexen Volkswirtschaft auch
für die einfachsten Arbeiten unerlässlich ist. Der Grenzertrag,
welcher von diesen Arbeitnehmern erwartet werden kann, ist dann bisweilen
geringer als das vom Staat und der Gesellschaft formulierte kulturelle
Existenzminimum.
Gerade wenn der internationale
Wettbewerb intensiv ist, sehen sich die Unternehmer oftmals gezwungen, die
Lohnkosten herabzusetzen, da diese im konkurrierenden Ausland, vor allem in den
Entwicklungs- und Schwellenländern geringer sind und die Unternehmer haben
bei internationaler Freizügigkeit auch die Möglichkeit,
Arbeitskräfte zu Lohnsätzen anzuheuern, welche unter dem kulturellen
Existenzminimum liegen. Das mag aus einem moralischen Gesichtspunkt
unerwünscht sein. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, die Unternehmer
zu einer Produktion zu zwingen, welche auf Dauer zu Verlusten führt.
Das Problem wird dadurch noch
verkompliziert, dass wir uns angewöhnt haben, Sozialhilfesätze,
welche das kulturelle Existenzminimum widerspiegeln, an das
Durchschnittseinkommen anzupassen. Dies muss notwendigerweise zu
Schwierigkeiten führen, die Armut wächst hier ex definitione mit dem
Durchschnittseinkommen an und wird deshalb auch dann nicht geringer, wenn es
uns gelingt, das reale Einkommen der Ärmsten unserer Gesellschaft konstant
zu halten. Zwei Überlegungen sollen diese Schwierigkeiten verdeutlichen.
Nehmen wir an, es sei uns in der unmittelbaren
Vergangenheit aufgrund unseres Reichtums gelungen, auch den Ärmsten
Einkünfte zu gewähren, welche gerade dem damals festgesetzten
kulturellen Existenzminimum entsprechen. Das Durchschnittseinkommen sei in der
Zwischenzeit stark gestiegen. Wenn nun die Sozialhilfeempfänger und
Arbeitslosen Einkünfte erhalten, welche nicht angehoben wurden, fallen sie
automatisch unter die Armutsgrenze, obwohl sich annahmegemäß an
ihrer realen materiellen Situation nichts verändert hat.
Zweite Überlegung: Nehmen
wir einen Staat, in dem wie in
einigen Golfstaaten im Vorderen Orient ein beachtlicher Prozentsatz der
Bürger Einkommen in Millionenhöhe erlangen, mehrere Bürger sogar
Einkommen in Milliardenhöhe erwirtschaften. Würde in einem solchen
Staat die Armutsgrenze an das Durchschnittseinkommen seiner Bürger
gekoppelt, hieße dies, dass unter Umständen auch Millionäre
unter die Armutsgrenze fallen müssten.
Natürlich bedeutet dies
nicht, dass das Existenzminimum für alle Zeit auf einem bestimmten realen Niveau festgefroren
sein muss, dass es durchaus erwünscht, vielleicht sogar notwendig ist, das
allen Bürgern zustehende Mindesteinkommen in Form der
Sozialhilfesätze mit der Zeit anzuheben. So mag in der Vergangenheit der Sozialhilfesatz
unter Umständen niedriger angesetzt worden sein als das, was man
eigentlich für das kulturelle Existenzminimum gehalten hat. Nur wegen der
allgemeinen Armut der gesamten Bevölkerung konnte man den Ärmsten
nicht die Einkünfte garantieren, welche man eigentlich schon immer
für notwendig gehalten hatte. Hier ist es selbstverständlich in hohem
Maße erwünscht, die Sozialhilfesätze der Entwicklung anzupassen
und auch den Ärmsten der Gesellschaft die Einkünfte zu gewährleisten,
die auch schon immer als notwendig angesehen wurden.
Fragwürdig wird ein solches
Verfahren erst dann, wenn man die Gerechtigkeit allein an der Differenz
zwischen dem Einkommen der Ärmsten und dem Durchschnittseinkommens misst.
Der Sozialphilosoph John Rawls hatte deshalb auch vorgeschlagen, denn Grad der
Gerechtigkeit nicht an dem realisierten Nivellierungsgrad, sondern daran zu
messen, wie das Einkommen der ärmsten Einkommensgruppe realiter
ausfällt. Genauso, wie im Sport die Differenz zwischen den Leistungen der
am schlechtesten abschneidenden Sportler und der Spitzenleistung umso
größer wird, je mehr die Spitzenleistung gesteigert wird, genauso
müssen wir davon ausgehen, dass auch in der Volkswirtschaft eine
Steigerung der Gesamtwohlfahrt wohl nur dadurch erreicht werden kann, dass diejenigen,
welche ohnehin auch schon bisher die höchste Leistung erbracht haben, ihr
Leistungsanstrengungen noch erhöhen, ohne dass es aber denjenigen, welche
am Ende der Leistungsskala stehen, gelingen kann, eine höhere Leistung als
bisher zu erbringen. Auch hier wird sich also notwendiger Weise der Abstand
zwischen den Ärmsten und den Reichsten und damit auch dem
Durchschnittsverdiener mit wachsendem Inlandsprodukt vergrößern.
Diese Schwierigkeit suchen nun
die linken Parteien und vor allem auch die Gewerkschaften dadurch zu umgehen,
dass sie einen gesetzlich fixierten Mindestlohn fordern. Auf diese Weise
könne gesichert werden, dass kein Arbeitnehmer, welcher einer
Beschäftigung nachgeht, einen Lohnsatz erhält, der unter oder gerade
beim Existenzminimum liegt. Unter diesen Umständen werde auch automatisch
ein Abstand des Arbeitslosengeldes vom regulären Lohneinkommen erreicht.
Nun gilt es bei der Forderung
nach einem gesetzlich fixierten Mindestlohn zwischen der Zielsetzung und der
Realisierung dieser Zielsetzung zu unterscheiden. Das Ziel, dass jeder
Arbeitnehmer ein Einkommen beziehen sollte, das über dem Existenzminimum
liegt oder zumindest dieses erreicht, dürfte unbestritten sein. Die entscheidende
Frage besteht jedoch darin, ob dieses Ziel einfach dadurch realisiert werden
kann, dass die erwünschte Mindestlohnhöhe gesetzlich erzwungen wird.
Diese Maßnahme ist
nämlich nur dann erfolgreich, wenn die Unternehmungen auch alle von dieser
Regelung betroffenen Arbeitnehmer nach Einführung eines gesetzlichen
Mindestlohnes weiter beschäftigen. Es besteht die Gefahr, dass viele
Unternehmer Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern, wo auch geringere
Löhne gezahlt werden können oder soweit dies nicht möglich ist
wie z. B. bei Dienstleistungen die Produktion einstellen. Keine Unternehmung
kann in einer freiheitlichen Gesellschaft gezwungen werden, Arbeitskräfte
auch dann zu beschäftigen, wenn der auszuzahlende Lohn unter dem
Grenzprodukt der Arbeit liegt und deshalb langfristig zu Verlusten führt.
Eine Lösung dieses Problems
(Anhebung des Lohnes bei den untersten Einkommensklassen) kann nicht dadurch
erreicht werden, dass man wie bei dem gesetzlichen Mindestlohn am Symptom
kuriert, sondern allein dadurch, dass man die Ursachen dieses Mangels
beseitigt. Es muss erreicht werden, dass die Produktivität auch der
Arbeitnehmer in den untersten Einkommensklassen angehoben wird und dies setzt
voraus, dass alle Arbeitnehmer eine ausreichende Ausbildung erfahren.
Gelingt es, die
Produktivität auch bei den Arbeitnehmern der untersten Einkommensklasse
anzuheben, so liegt es auch im Interesse der Unternehmer, einen höheren
Lohn zu zahlen, vorausgesetzt, dass ein Wettbewerb um die Arbeitskräfte besteht.
Soweit monopolistische Marktformen vorherrschen, ist es Aufgabe der Gewerkschaften,
in den Tarifverhandlungen akzeptable Lohnsätze für alle
Arbeitnehmergruppen durchzusetzen. Sofern ein großer Teil der
Arbeitnehmer der Gewerkschaft fernbleibt und diese Arbeitnehmer keinen
Tariflohn erhalten, gibt es immer noch die Möglichkeit, beim zuständigen
Arbeitsminister den Tariflohn für alle Arbeitnehmer als verbindlich zu
erklären.
Eine solche Regelung hat
gegenüber einem einheitlichen gesetzlich fixierten Tariflohn den Vorteil,
dass das Lohnniveau den realen Gegebenheiten entspricht, während bei einem
einheitlichen Mindestlohn immer die Gefahr besteht, dass in bestimmten Branchen
der Lohnsatz zu niedrig, in anderen Branchen aber so hoch angesetzt ist, dass
eine Produktion ohne langfristige Verluste nicht möglich ist. Da nun
einmal die Grenzprodukte der Arbeit in den einzelnen Branchen sehr
unterschiedlich ausfallen, ist es äußerst fragwürdig, einen
einheitlichen Mindestlohn vorzuschreiben.
3.
Vollbeschäftigungspolitik im Sinne von Keynes
Wenden wir uns nun dem Versuch
zu, das Problem der Arbeitslosigkeit über eine
Vollbeschäftigungspolitik im Sinne von John Maynard Keynes zu lösen.
Bekanntlich ging Keynes von der Hypothese aus, dass Arbeitslosigkeit aufgrund
zu geringer Güternachfrage entstehe. Die Beschäftigung hänge entsprechend
der Beschäftigungsfunktion unmittelbar von dem Umfang der
Güterproduktion ab und da Unternehmer nur Güter produzieren, welche
auch abgesetzt werden können, werde die Beschäftigung letzten Endes
von der Nachfrage nach Gütern bestimmt.
Nun hatte John Baptiste Say
bekanntlich behauptet, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach
Gütern gar nicht zu gering sein könne, da jedes Angebot auch eine
Nachfrage in Höhe des Angebotes hervorrufe. Denn entsprechend dem Wert des
Angebotes entstehe Einkommen (entweder Faktoreinkommen oder als Residuum das
Gewinneinkommen) und dieses Einkommen werde entweder zum Ankauf von
Konsumgütern verwendet oder gespart. Die Ersparnisse schließlich
würden für den Ankauf von Investitionsgütern verwendet. Somit
entspreche sich die Gesamtsumme der Nachfrage immer der Gesamtsumme des
Angebotes.
Keynes hat nun bezweifelt, dass
die Ersparnisse immer zum Ankauf von Investitionsgütern verwendet
würden. In Zeiten großer Unsicherheit würde ein Teil der
Ersparnisse in Kasse gehalten. Man würde hier bewusst auf eine
Wertpapieranlage und damit auf einen Zins verzichten, da die befürchteten
Kursverluste die möglichen Zinserträge überstiegen. Soweit aber
die Ersparnisse als Kredite auf dem Kapitalmarkt angeboten würden, fehle
seitens der Unternehmer die Bereitschaft, Kredite zur Erweiterung ihrer
Produktionskapzität aufzunehmen. Da die Güternachfrage in Zeiten des
Konjunkturabschwungs zurückgehe, hätten die Unternehmer überschüssige
Produktionskapazitäten und wären deshalb nicht bereit, in diesen
Zeiten ihre Produktionsanlagen noch auszuweiten.
Der Mangel an
Güternachfrage seitens der privaten Haushalte und Unternehmungen
müsse nun der Staat durch eine Zunahme seiner Ausgaben ausgleichen. Er
dürfe jedoch diese zusätzlichen Staatsausgaben nicht mit regulären
Steuereinnahmen finanzieren, da in diesem Falle die private Nachfrage nochmals
zurückgehe, sodass die staatliche Nachfrage nur an die Stelle der privaten
Nachfrage trete und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage auf diese Weise nicht
vergrößert würde.
Erfolg verspreche eine
Ausweitung der Staatsausgaben nur dann, wenn diese staatliche Nachfrage
defizitär finanziert werde und zwar dadurch, dass der Staat entweder bei
der Notenbank einen Kredit aufnimmt oder dadurch, dass er Staatsanleihen
kreiert und diese auf den Kapitalmärkten verkauft. In beiden Fällen
führt diese Vollbeschäftigungspolitik zu einem Defizit im
Staatsbudget.
Zugunsten einer
Vollbeschäftigungspolitik lässt sich anführen, dass hier zumindest
der Versuch gemacht wird, die eigentlichen Ursachen der Arbeitslosigkeit zu
bekämpfen. Gegen diese Konzeption wurde jedoch von den Gegnern einer
keynesianischen Vollbeschäftigungspolitik eine Vielzahl von Argumenten vorgetragen.
Da ich auf diese Argumente wiederholt an anderer Stelle (siehe Archiv)
eingegangen bin, reicht es hier aus, diese Argumente in Erinnerung zu rufen und
zusammenzufassen.
Als erstes gilt es
festzustellen, dass nur ein Teil der Arbeitslosigkeit auf einen Nachfragemangel
zurückgeführt werden kann. Auch Mängel in den Angebotsfaktoren
können Arbeitslosigkeit auslösen. Ein großer Teil der Arbeitslosen
in den untersten Einkommensklassen finden einfach deshalb keine Arbeit, weil
ihnen die Mindestvoraussetzungen an Ausbildung fehlen. Hier kann nur eine
Intensivierung der Ausbildung Abhilfe schaffen. Auch der Mangel an
Facharbeitskräften kann bei den weniger ausgebildeten Arbeitern
Arbeitslosigkeit auslösen. Die Unternehmer können die Produktion und
damit auch die Beschäftigung nur dann ausweiten, wenn sie auch über
die hierfür notwendigen Facharbeitskräfte verfügen. Ein Mangel
an Facharbeitskräften führt dann zu einer zu geringen Produktion und
von diesem Produktionsrückgang sind auch die weniger ausgebildeten Arbeitnehmer
betroffen. Schließlich kann eine Verknappung in den Rohstoffen zu starken
Kostensteigerungen führen, die selbst wiederum einen Rückgang in der
Produktion auslösen. So führten die beiden Ölkrisen in den 70er
und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts zu rapiden Kostensteigerungen und
darüber schließlich zu einem Konjunkturabschwung.
Zweitens reicht es keinesfalls
aus, dass die Gesamtnachfrage nach Gütern an und für sich eine
Vollbeschäftigung ermöglicht. Wenn die Arbeitskosten im internationalen
Vergleich zu hoch ausfallen, besteht die Gefahr, dass die Unternehmer die
arbeitsintensiven Teile der Produktion ins Ausland verlagern, in dem geringere
Arbeitskosten vorliegen.
Drittens hat die Erfahrung
gezeigt, dass eine keynesianische Vollbeschäftigungspolitik bei
Gewerkschaften und Unternehmungen Reaktionen auslöst, die den Erfolg
dieser Politik zweifelhaft werden lassen. Im Grunde führt eine
Staatsverschuldung nur solange zum erwünschten Erfolg, als Gewerkschaften
und Unternehmungen auf diese veränderte Situation nicht reagieren. Die
Tatsache, dass der Staat eine Mehrnachfrage ausübt, wirkt sich
zunächst bei den Unternehmungen preis- und damit auch gewinnsteigernd aus.
Gerade aus diesen Gründen sind die Unternehmer bereit, die Produktion
auszuweiten und neue Arbeitskräfte einzustellen. Wenn nun jedoch die
Gewerkschaften aufgrund der Preissteigerungen einen Lohnausgleich fordern und
auch durchsetzen, sinken die Gewinne wiederum auf ihr bisheriges Niveau. Damit
entfällt aber auch der Anreiz der Unternehmungen, die Produktion und mit
ihr die Beschäftigung auszuweiten. Da nun die Unternehmer aus Erfahrung
wissen, dass die Gewerkschaften einen Lohnausgleich verlangen werden, ist es
für sie nicht mehr vorteilhaft, die Produktion auszuweiten, da aufgrund der
vorherrschenden Kündigungsgesetzgebung die neu eingestellten Arbeitskräfte
auch dann nicht mehr sofort entlassen werden können, wenn aufgrund des
Produktionsrückganges die neueingestellten Arbeitskräfte nicht mehr
benötigt werden.
Viertens hat William D. Nordhaus
aufgezeigt, dass eine keynesianische Beschäftigungspolitik in einer
repräsentativen Demokratie sogar zu einer Verschärfung der
Konjunkturschwankungen führen kann. Um die Wahlen zu gewinnen, werden die
regierenden Parteien kurz vor den Wahlen eine expansive Politik betreiben, um
auf diese Weise eine Zunahme der Einkommen und der Beschäftigung
herbeizuführen. Die Einkommens- und Beschäftigungssteigerungen werden
relativ schnell, also noch vor den
Wahlen eintreten. Langfristig führt diese Politik aber auch
aufgrund der Vermehrung der umlaufenden Geldmenge zu Preissteigerungen, die
allerdings erst nach den Wahlen sichtbar werden.
Die Politiker sehen sich somit
nach der Wahl gezwungen, kontraktive, preisstabilisierende Maßnahmen zu ergreifen,
um dann unmittelbar vor den Wahlen Spielraum für expansive Maßnahmen
zu gewinnen. Da davon ausgegangen werden kann, dass die Wähler bei ihren
Wahlentscheidungen nur die Ereignisse kurz vor der Wahl berücksichtigen,
also sehr vergesslich sind, wird sich eine solche Politik für die jeweils
regierenden Parteien bezahlt machen. Da nun nicht damit gerechnet werden kann,
dass die kontraktiven Maßnahmen gerade in Zeiten der
Konjunkturüberhitzung, die expansiven Maßnahmen hingegen in Zeiten
der Depression durchgeführt werden, besteht die Gefahr, dass diese Politik
die Konjunkturausschläge noch vergrößert. Eine
Legislaturperiode fällt nämlich keineswegs mit dem Verlauf eines
Konjunkturzyklus zusammen.
Wir wollen an dieser Stelle
nochmals auf die Einrichtung der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung
zurückkommen. Wir hatten oben gesehen, dass die Begründer dieser
Einrichtung keineswegs die Absicht hatten, auf diesem Wege die Arbeitslosigkeit
zu bekämpfen. Es ging ihnen nur darum, die materielle Not der Arbeitslosen
zu lindern. Im Rahmen der keynesianischen Theorie wurde nun die These
vertreten, dass die gesetzliche Arbeitslosenversicherung nun doch geeignet sei,
die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, ja einige Vertreter des Keynesianismus
waren sogar davon überzeugt, dass die Einrichtung der gesetzlichen
Arbeitslosenversicherung sogar den anderen Instrumenten einer keynesianischen
Vollbeschäftigungspolitik eindeutig überlegen sei.
Auf der einen Seite führe
die Existenz einer solchen Einrichtung genauso wie jede andere Steigerung der
Staatsausgaben zu einer Zunahme der Güternachfrage in Zeiten zunehmender
Arbeitslosigkeit. Nehmen nämlich die Arbeitslosenzahlen zu, so stiegen die
öffentlichen Ausgaben in Form von Arbeitslosengeldern, die von den
Arbeitslosen nahezu voll für den Ankauf von Konsumgütern verwendet
werden. Gleichzeitig würde jedoch die Summe der Beitragszahlungen an die
Arbeitslosenversicherung zurückgehen, da ja die Zahl der
Beschäftigten rückläufig sei. Je mehr Arbeitnehmer arbeitslos
werden, umso stärker sind die Ausgabensteigerungen und die
Rückgänge in den Beitragseinnahmen. Beide Tendenzen tragen also zu
einer Zunahme der Güternachfrage (sowohl bei den Arbeitslosen als auch bei
den Beschäftigten) bei, reduzieren also im Sinne der Keynesianischen
Theorie die Ursachen für die Arbeitslosigkeit.
Auf der anderen Seite erfolge
diese Nachfragesteigerung im Gegensatz zu den anderen Instrumenten der Vollbeschäftigungspolitik
automatisch, ohne direkte Eingriffe der Regierung oder der Parlamente. Bei den
meisten Maßnahmen der Politik müssen wir nämlich davon
ausgehen, dass ein beachtlicher time lag (eine beachtliche
Zeitverzögerung) besteht zwischen Beginn des Konjunkturabschwungs, der
Beratung und des Beschlusses über ein Konjunkturprogramm und
schließlich des Zeitpunktes, in dem die eingeleiteten Maßnahmen
greifen, also die Beschäftigung steigern. Milton Friedman hat davon gesprochen,
dass dieser time lag bei Maßnahmen der Vollbeschäftigungspolitik
etwa 1 1/2 Jahre dauere. Der Vorteil der Arbeitslosenversicherung bestehe nun
darin, dass die beschäftigungssteigernde Wirkung unmittelbar nach
Auftreten der Arbeitslosigkeit eintrete. Die Arbeitslosenversicherung sei ein
eingebauter automatisch wirkender Stabilisator (built in flexibility).
Ein zweiter Vorteil eines
solchen eingebauten Stabilisators bestehe darin, dass auch unpopuläre
Maßnahmen durchgeführt werden, wenn sie notwendig sind. Gerade dann,
wenn bestimmte kontraktive Maßnahmen in Zeiten kurz vor der Wahl
notwendig werden, scheuen sich die Politiker davor, diese Maßnahmen noch
vor der Wahl zu ergreifen, da sie befürchten, auf diese Weise die
Wähler zu verärgern und Wählerstimmen zu verlieren. Ein eingebauter
Stabilisator sorgt hingegen dafür, dass diese Maßnahmen in dem
Augenblick begonnen werden, in dem sie aus Sicht des Gemeinwohls notwendig
werden.
Nun könnte man gegen dieses
zweite Argument einwenden, dass ja zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit expansive
Maßnahmen notwendig seien und dass diese Maßnahmen den Bürgern
relativ schnell zu Gute kommen, sodass auch die Politiker ein Interesse daran
haben, diese Maßnahmen vor der Wahl wenn nötig zu ergreifen.
Demgegenüber muss jedoch betont werden, dass die Politiker kurz vor den
Wahlen expansive Maßnahmen nur dann einleiten können, wenn sie zuvor
(kurz nach den letzten Wahlen) kontraktive Maßnahmen zur Stabilisierung
der Volkswirtschaft eingeleitet haben. Also bedarf auch eine
Vollbeschäftigungspolitik zunächst kontraktiver, stabilisierender
Maßnahmen. Wenn nun solche Maßnahmen unmittelbar vor der Wahl
notwendig werden, werden die Politiker zögern und diese Maßnahmen
erst nach der Wahl einleiten.
Eine nähere Analyse zeigt
jedoch, dass zwar gewisse beschäftigungssteigernde und die Ausschläge
der Konjunkturschwankungen dämpfende Wirkungen von einer gesetzlichen
Arbeitslosenversicherung ausgehen, dass aber eine solche Einrichtung auch nicht
im Entferntesten in der Lage ist, Vollbeschäftigung herbeizuführen.
Machen wir uns diese Gedankengänge anhand eines einfachen Denkmodells
klar.
Ausgangspunkt
sei ein IS-Modell, wobei der Schnittpunkt beider Kurven bei einem Einkommen
unterhalb der Vollbeschäftigung liegt. Die
Arbeitslosenversicherung führt nun einerseits zu einer Verschiebung der
Kaufkraftstillegungskurve parallel nach oben um die Beitragseinnahmen, andererseits zu einer Verschiebung der Kaufkraftschöpfungskurve
aufgrund der Gewährung von Arbeitslosengeldern.
Bei
Vollbeschäftigung würde die Kaufkraftschöpfungskurve mit der
Investitionskurve zusammenfallen, da annahmegemäß kein
Arbeitslosengeld zu zahlen ist. Je geringer jedoch das Einkommen und die
Beschäftigung ausfallen, umso größer ist der Betrag der
Arbeitslosengelder. Selbst dann, wenn das Arbeitslosengeld 100% des bisherigen
Lohneinkommens ausmachen würde, stiege die Arbeitslosengeldkurve nur um 45°
an. Da aber das
Arbeitslosengeld deutlich unter dem bisherigen Lohneinkommen liegen muss, um
Missbrauch zu vermeiden, ist die Neigung der Arbeitslosenkurve in Wirklichkeit
wesentlich geringer als 45°.
Würde
das Arbeitslosengeld dem bisherigen Lohn entsprechen, hätten die
Arbeitslosen nämlich keinen ausreichenden Anreiz, eine neue Arbeit anzunehmen. Es wäre für sie vorteilhafter, ein
Arbeitslosengeld in Höhe des bisherigen Einkommens in Anspruch zu nehmen,
ohne dafür die Mühen einer erwerbswirtschaftlichen Arbeit in Kauf zu
nehmen.
Keynes Modell S I
Dieses Modell zeigt, dass selbst
dann, wenn das Arbeitslosengeld dem bisher erreichten Lohneinkommen entsprechen
würde und wenn weiterhin der Beitragssatz auf null fallen würde,
trotzdem der größte Teil der Arbeitslosigkeit weiterbestehen
würde. Mit Hilfe des eingebauten Stabilisators: gesetzliche
Arbeitslosenversicherung allein lässt sich also das Problem einer Massenarbeitslosigkeit
nicht lösen. Allenfalls kann man davon sprechen, dass eine solche
Einrichtung die sonstigen Maßnahmen einer aktiven Vollbeschäftigungspolitik
unterstützt.
4.
Kündigungsschutzgesetzgebung
Weniger von Seiten der
Wissenschaft, aber sehr wohl in weiten Kreisen der Bevölkerung herrscht
die Meinung vor, dass man auch über eine Kündigungsgesetzgebung
Arbeitslosigkeit bekämpfen könne. Wenn im Rahmen dieser Gesetzgebung
den Unternehmungen versagt werde, Arbeitnehmer zu entlassen, dann würde
per se die Arbeitslosigkeit geringer ausfallen. Wir werden zeigen, dass eher
das Gegenteil der Fall ist.
Vorweg möchte ich jedoch
betonen, dass es hier in diesem Artikel lediglich um die Frage geht, ob die
gesamtwirtschaftliche Arbeitslosigkeit auf dem Wege einer allgemeinen
Kündigungsgesetzgebung maßgeblich verringert werden kann. Auch dann,
wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass der Kündigungsschutz kein geeignetes
Mittel zur Bekämpfung allgemeiner Arbeitslosigkeit darstellt, gehen von
einem Kündigungsschutz sehr wohl positive Funktionen aus. Der
Kündigungsschutz dient zur Verhinderung (oder zumindest zur Reduzierung)
willkürlicher Entlassungen.
Von willkürlichen
Entlassungen wollen wir immer dann sprechen, wenn Arbeitnehmern gekündigt
wird, ohne dass das Produktionsziel diese Kündigung notwendig machen
würde. Die Aufgabe einer Unternehmung besteht darin, Güter zu
produzieren und an andere Unternehmungen oder Haushalte zu verkaufen.
Voraussetzung dafür, dass Unternehmungen eine bestimmte Menge an
Gütern produzieren, ist natürlich, dass an diesen Gütern auch
ein Bedarf besteht. Für jede Produktion gibt es eine Technik, nach der die
Produkte unter den gegebenen Umständen bestmöglich produziert werden
können. Aus dieser Technik ergibt sich dann auch die Menge an
Arbeitskräften, welche zu dieser Produktion benötigt werden.
Geht der Absatz auf lange Sicht
zurück, so muss die Unternehmung die Produktion reduzieren, es werden weniger
Arbeitskräfte für den Produktionsprozess benötigt, es ist
deshalb in diesem Falle auch berechtigt, dass eine Unternehmung die
Möglichkeit haben muss, die für die Produktion nicht mehr
benötigten Arbeitskräfte zu entlassen. Eine Unternehmung, welche in
einer funktionierenden Marktwirtschaft in intensivem Wettbewerb steht, kann auf
Dauer nicht verlustfrei produzieren, wenn es Arbeitskräfte beschäftigt,
welche für die Produktion nicht benötigt werden.
In gleichem Maße muss eine
Unternehmung die Möglichkeit haben, dann, wenn sie sich bei bisher
angewandter Technik im Wettbewerb nicht mehr behaupten kann, eine andere
produktivere Technik zu wählen, um auf diese Weise die Kosten zu
verringern. Auch dieser Übergang zu einer anderen Technik kann damit verbunden
sein, dass weniger Arbeitskräfte als bisher für die Produktion
benötigt werden. In diesen beiden Fällen (Verringerung der Nachfrage
nach Arbeitskräften aufgrund eines Rückganges in der Produktion oder
einer notwendigen Umstellung in der Produktionstechnik) spricht man von
betriebsbedingter Kündigung. Und werden solche betriebsbedingten
Kündigungen durch die vorherrschende Gesetzgebung unterbunden, spricht man
von rigoroser Kündigungsgesetzgebung.
Wenn wir nun auf allen
Märkten einen intensiven Wettbewerb hätten, läge es im eigenen
Interesse der Unternehmungen, nur solche Kündigungen auszusprechen, welche
betriebsbedingt notwendig sind. Nun müssen wir in der Realität
allerdings damit rechnen, dass Unternehmungen auch auf den Arbeitsmärkten
eine monopolistische (oder auch oligopolistische) Marktmacht besitzen, sodass
sie durchaus in der Lage sind, aus nicht betriebsbedingten, also aus
willkürlichen Gründen Arbeitnehmer zu entlassen, einfach weil dem
Unternehmer oder anderen Führungskräfte ein bestimmter Arbeitnehmer
persönlich nicht gefällt. Hier bedarf es eines gesetzlichen Kündigungsschutzes,
der solche Entlassungen verhindert und den zu Unrecht gekündigten
Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnet, gegen diese Entscheidungen zu
klagen.
Nach dieser Vorklärung wollen
wir uns der hier allein zu erörternden Frage zu wenden, ob denn das
Instrument des Kündigungsschutzes auch darüber hinaus geeignet ist,
Arbeitslosigkeit gesamtwirtschaftlich
abzubauen. Als erstes gilt es festzustellen, dass durch den
Kündigungsschutz kein einziger Arbeitsplatz neu geschaffen wird. Wenn dem
aber so ist, so wird immer dann, wenn eine Unternehmung ohne betriebliche
Notwendigkeit daran gehindert wird, Arbeitskräfte, welche nicht mehr in
der Produktion eingesetzt werden können, zu entlassen, einem anderen
bisher arbeitslos gewesenen Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen, einen
Arbeitsplatz zu erlangen. Die Zahl der Beschäftigten hat sich auf diese
Weise nicht erhöht.
Gleichzeitig muss eine solche
Regelung, bei der die bisher beschäftigten Arbeitnehmer gegenüber den
noch Arbeitslosen eindeutig begünstigt werden, als ungerecht bezeichnet
werden, welche den allgemeinen Grundsätzen einer gerechten Verteilung der
Arbeit widerspricht. Nach diesen Grundsätzen gilt es dem Schwächeren
(und dies ist in diesem Falle der Arbeitslose) und nicht dem Stärkeren
(und dies ist in diesem Falle der Beschäftigte) einen Schutz zu
gewähren. Gleichzeitig werden die Grundsätze einer gerechten Verteilung deshalb verletzt, weil hier
die Gefahr besteht, dass derjenige vorgezogen wird, welcher die geringere
Eignung aufweist.
Es gibt allerdings eine Reihe
guter Gründe, weshalb eine rigorose Kündigungsschutzgesetzgebung
sogar zu einer Reduzierung der Beschäftigung und damit zu einer
Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Arbeitslosigkeit führt. Als
erstes müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass ein Konjunkturaufschwung
zunächst recht unsicher ist. Wenn ein Unternehmer in der Rezession einen
neuen Auftrag erhält, kann er sich nicht sicher sein, ob dies ein einmaliger
Auftrag war oder ob er das Ende des Konjunkturabschwungs und damit den Beginn
des Konjunkturaufschwungs einleitet.
Sollte es sich um einen
einmaligen Auftrag handeln, so würde dieser Unternehmer zusätzliche
Arbeitskräfte auch nur für diesen einzelnen Auftrag benötigen.
Wenn nun der Unternehmer aufgrund einer rigorosen Kündigungsgesetzgebung
sich von den neu eingestellten Arbeitskräften nicht mehr so schnell
trennen kann, wenn diese für die Produktion nicht mehr benötigt
werden, wird er versuchen, diese Aufträge mit zusätzlichen
Überstunden der bereits beschäftigten Arbeitnehmer durchzuführen
und falls dies nicht möglich wäre, auf den Auftrag ganz verzichten.
In beiden Fällen werden gesamtwirtschaftlich gesehen weniger
Arbeitskräfte beschäftigt als dies ohne diese
Kündigungsgesetzgebung der Fall wäre. Dieses Phänomen ist schon
sehr lange zu beobachten und äußert sich darin, dass sich der
Konjunkturaufschwung erst mit einer Verzögerung von vielen Monaten auf dem
Arbeitsmarkt bemerkbar macht.
Als zweites gilt es zu bedenken,
dass jede rigorose Kündigungsgesetzgebung den Unternehmungen
zusätzliche Kosten verursacht, da Arbeitskräfte auch dann noch
beschäftigt werden müssen, wenn sie nicht mehr zur Produktion
benötigt werden und da darüber hinaus der Unternehmer nicht mehr in jedem
Falle jeweils den für die Produktion bestgeeignetsten Arbeitnehmer einsetzen
kann. Da aber die Nachfrage nach Arbeitskräften von der Höhe der
Kosten abhängt, bringt jede Erhöhung der Arbeitskosten eine
Reduzierung der Beschäftigung, also eine Erhöhung und nicht wie
erhofft eine Abnahme der Arbeitslosigkeit.
Drittens schließlich
werden die Unternehmer bemüht sein, ihr Produktionsrisiko dadurch zu
vermindern, dass sie eine kapitalintensivere Produktion durchführen, bei
der weniger Arbeitskräfte benötigt werden und bei der damit
zusätzlich die Nachfrage nach Arbeit reduziert wird. Der Übergang zu
einer kapitalintensiveren Technik verringert vor allem die Nachfrage nach den
weniger ausgebildeten Arbeitskräften. Die Nachfrage nach hochspezialisierten
Facharbeitskräften ist sehr viel weniger gefährdet. Auf der einen
Seite werden gerade bei kapitalintensiven Techniken Facharbeitskräfte in
stärkerem Maße benötigt als bei arbeitsintensiven Techniken.
Auf der anderen Seite hat eine
Unternehmung ein Interesse daran, die hochspezialisierten
Facharbeitskräfte in der Rezession auch dann nicht zu entlassen, wenn sie
eigentlich zur augenblicklichen Produktion nicht benötigt werden. Die
Kosten, welche einer Unternehmung durch dieses ‚Horten‘ der
Facharbeitskräfte zusätzlich aufbringen muss, sind nämlich im
Allgemeinen geringer als die Kosten, welche der Unternehmung dann entstehen,
wenn sie sich in der Rezession von diesen Arbeitnehmern getrennt hatte und nun
im Konjunkturaufschwung neue Facharbeitskräfte einstellen muss. Es
entstehen nämlich hierbei hohe Kosten der Anwerbung, der Einarbeitung,
diese neuen Arbeitskräfte verfügen nun auch nicht mehr über das
spezifische Erfahrungswissen, das sich ein Arbeitnehmer bei langjähriger
Beschäftigung erworben hat.
Wir sprachen bisher immer von
der Kündigungsgesetzgebung. Wir müssen uns allerdings
darüber im Klaren sein, dass ein Kündigungsschutz nicht nur im Rahmen
der Gesetzgebung geregelt sein kann. De facto wird über den
tatsächlichen Kündigungsschutz auch in Tarifverhandlungen entschieden
und de facto hängt es auch maßgeblich von den Arbeitsgerichten ab,
inwieweit eine Kündigung im oben genannten Sinne rigoros ausfällt und
die Unternehmungen, aber damit auch die Arbeitnehmer belastet.
5.
Bürgergeld
Wir wollen uns im Folgenden mit
der Forderung nach Einführung eines Bürgergeldes befassen.
Ähnlich einer gesetzlichen Arbeitslosenversicherung geht es auch bei
dieser Forderung weniger darum, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern
lediglich darum, dafür Sorge zu tragen, dass kein Bürger
(Arbeitnehmer) wegen Arbeitslosigkeit oder aus anderen Gründen einer Erwerbslosigkeit
Armut erleiden muss. In beiden Fällen wird am Symptom kuriert und werden
die eigentlichen Ursachen der Arbeitslosigkeit und damit natürlich auch
der Armut nicht bekämpft.
Entsprechend diesem Vorschlag
soll jedem Bürger – gleichgültig, welches Erwerbseinkommen er
(sie) bezieht – vom Staat ein Transfereinkommen ausgezahlt werden, das in
seiner Höhe so berechnet wird, dass es zumindest dem vom Staat
festzulegenden kulturellen Existenzminimum entspricht. Rein formal gesehen
bedeutet dies, bei korrekter Anwendung dieses Vorschlags, dass es dann auch
keine Armen – mindestens keine einheimischen Bürger – mehr
geben kann, da ja jeder Bürger vom Staat ex definitione ein Einkommen
erhält, das über der vom Staat festgesetzten Armutsgrenze liegt.
Welche glorreichen Zeiten brechen hier aus!!!
Als zweiten Vorteil weisen die
Anhänger dieses Vorschlags darauf hin, dass bei dieser Regelung auch
entfallen kann, dass die Bezieher dieses Transfereinkommens demütigende
und entehrende Praktiken erdulden müssen, die heutzutage beim Bezug von
Arbeitslosengeld und Sozialhilfe hingenommen werden müssen. Man hat zwar
in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg sowohl die Arbeitslosenversicherung wie
auch die Fürsorge (die heutige Sozialhilfe) reformiert, man wollte diesen
Einrichtungen den Makel der Unehrlichkeit und des Entwürdigten nehmen.
Es blieb jedoch die
Notwendigkeit, dass die Behörden in jedem Einzelfall überprüfen
müssen, ob ein Antragsteller auch wirklich die Voraussetzungen zum Bezug
dieser Einkünfte erfüllt und welche zusätzlichen Leistungen wie
z. B. Zuschüsse zur Miete im
Einzelnen auszuzahlen sind. Beim Bezug eines Bürgergeldes entfallen alle
diese Kontrollen, da ja jeder unabhängig von seinen sonstigen Bezügen
einen Anspruch auf dieses Transfereinkommen besitzt und da auch jedem
Bürger die gleiche Geldsumme ausgezahlt wird, unabhängig davon,
welchen realen Bedarf der Einzelne hat.
Gerade in diesem letztgenannten
Umstand liegt ein weiterer Vorteil des Bürgergeldes. Gerade weil dieses
Geld in gleicher Höhe jedem Bürger auszuzahlen ist, sind die dabei
entstehenden Verwaltungskosten wesentlich geringer als bei der
Arbeitslosenversicherung sowie der Sozialhilfe. Der Staat benötigt hier
offensichtlich lediglich eine vollständige Liste aller Bürger; jeder
Berechtigte hat der auszuzahlenden Behörde ein Konto zu benennen, auf das
dieses Bürgergeld überwiesen werden kann; ersatzweise – falls
kein solches Konto vorhanden ist – kann der Betreffende dieses Geld gegen
Vorlage eines amtlichen Ausweises das Bürgergeld bei der Behörde
selbst abholen. Der Staat hat nur sicher zu stellen, dass kein Bürger
dieses Geld mehrfach beziehen kann.
Fragen wir uns nun, wieweit denn
die eigentlichen sozialen Ziele durch eine solche Einrichtung (Gewährung
eines Bürgergeldes) erfüllt werden. Wir haben oben festgestellt, dass
bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Wirklichkeit zwei Ziele
angestrebt werden. Es geht erstens darum, zu verhindern, dass ein Bürger
nur deshalb, weil er keine Beschäftigung findet, in die Armut fällt.
Wir haben aber oben gesehen, dass die Erfüllung dieses Zieles allein keine
befriedigende Lösung darstellt, da jeder arbeitswillige Bürger auch
die Möglichkeit haben sollte, einer Erwerbsarbeit möglichst nach
freier Wahl nachzugehen. Wir haben zwar gesehen, dass dies zwar die
Arbeitslosenversicherung mit gewissen Einschränkungen bewirkt hat, dass
also die Masse der arbeitslosen Arbeitnehmer nicht unter die Armutsgrenze fällt,
dass aber in keiner Weise sichergestellt wurde, dass auch jeder arbeitswillige
Arbeitnehmer einer Arbeit nachgehen kann. Wir wissen, dass die Masse der Arbeitnehmer
nur dann einen befriedigenden Zustand erreicht hat, wenn er auch wiederum einer
erwerbswirtschaftlichen Arbeit nachgehen kann.
Wird dem Vorschlag der
Einführung eines Bürgergeldes entsprochen, wird zwar vielleicht dem
erstgenannten Ziel entsprochen, jedem Bürger ein Mindesteinkommen, das
über dem kulturellen Existenzminimum liegt, zu garantieren. Das weit
wichtigere Ziel, jedem Bürger auch eine befriedigende Arbeitsstelle zu
gewähren, würde jedoch bei diesem Vorschlag überhaupt nicht
erfüllt. In dieser Hinsicht schneidet der Vorschlag eines Bürgergeldes
sogar noch schlechter ab als die Einrichtung einer gesetzlichen Arbeitslosenversicherung.
Von der Grundidee her verfolgt
auch die gesetzliche Arbeitslosenversicherung nicht das Ziel, die
Arbeitslosigkeit als solche zu bekämpfen, Ziel ist vielmehr allein, den
Arbeitnehmern, welche arbeitslos geworden sind, eine materielle
Unterstützung zu gewähren. Insofern gleicht die Einrichtung einer
gesetzlichen Arbeitslosenversicherung der eines Bürgergeldes.
Wir haben allerdings gesehen,
dass im Rahmen der keynesianischen Vollbeschäftigungspolitik die gesetzliche
Arbeitslosenversicherung als ein eingebauter Stabilisator angesehen wurde, der
durchaus auch geeignet ist, Arbeitslosigkeit abzubauen. Wir haben sogar
gesehen, dass die Arbeitslosenversicherung einer autonomen Steigerung der
Staatsausgaben vorzuziehen ist, da die Arbeitslosenversicherung ohne
Verzögerung arbeitet, während die normalen keynesianischen
Vollbeschäftigungsprogramme erst nach etwa 1 ½ Jahren Wirkung
zeigen. Darüber hinaus treten bei der gesetzlichen Arbeitslosigkeit die
erwünschten Effekte unabhängig davon ein, ob diese Effekte
populär oder unpopulär sind. Bei der normalen keynesianischen
Konjunkturpolitik besteht stets die Gefahr, dass die Politiker unmittelbar vor
Wahlen nicht bereit sind, unpopuläre Maßnahmen durchzuführen,
auch dann nicht, wenn diese im Hinblick auf das langfristige Gemeinwohl
unerlässlich sind.
Ich habe aber auch gezeigt, dass
mit Hilfe einer gesetzlichen Arbeitslosenversicherung Arbeitslosigkeit auch
nicht annähernd beseitigt werden kann. Selbst dann, wenn man auf die
Erhebung eines Beitrages zur Arbeitslosenversicherung verzichten würde und
das Arbeitslosengeld auf die Höhe der regulären Lohneinkommen anheben
würde, läge das neue gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht nach wie vor
bei hoher Arbeitslosigkeit. Über eine gesetzliche Arbeitslosenversicherung
lassen sich somit nur andere Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
geringfügig unterstützen, niemals jedoch ersetzen.
Aber auch das Ziel, den
Arbeitslosen zumindest auf dem Wege der Einführung eines Bürgergeldes
materielle Armut zu ersparen, lässt sich bei genauerer Betrachtung
keinesfalls befriedigend verwirklichen. Zwar ist es richtig, dass im Augenblick
der Einführung und Festsetzung des Bürgergeldes jeder Bürger
Einkünfte bezieht, welche zumindest dem kulturellen Existenzminimum
entsprechen. Wir müssen uns jedoch darüber klar werden, dass bei der
üblichen Definition der Armut die Armutsgrenze in dem Maße im
Zeitablauf ansteigt, in dem das Durchschnittseinkommen zunimmt. Auf diese Weise
fallen im Verlauf der Zeit immer mehr Bürger wiederum unter die Armutsgrenze,
bis der Staat die Höhe des Bürgergeldes entsprechend angehoben hat.
Selbst dann, wenn der Staat die Höhe des Bürgergeldes jedes Jahr einmal
anheben würde, bliebe bestehen, dass im Durchschnitt der Jahre ein Teil
der Bürger im Sinne der gebräuchlichen Armutsdefinition in Armut
verharren würde.
Gegen die Gewährung eines
Bürgergeldes an alle Bürger spricht natürlich in erster Linie
die Tatsache, dass hier öffentliche knappe Gelder vergeudet werden. Die
Vorstellung, dass diese Vergeudung in ihrem Umfang gering erscheint im
Vergleich zu den Einsparungen im Zusammenhang mit der möglichen
Schließung der Behörden der Arbeitslosenversicherung sowie der Sozialhilfe,
dass also per Saldo sogar weniger öffentliche Gelder aufgebracht werden
müssen als bei der bisherigen Lösung, scheint mir falsch zu sein. Machen
wir uns diese Zusammenhänge an einem einfachen Modell klar.
Wir teilen hierzu die
Bürger nach ihrer Steuerpflicht in drei Klassen ein: in die unterste Klasse
derjenigen, welche ein so geringes Erwerbseinkommen beziehen, dass sie von der
Steuerpflicht entbunden sind. Die Statistiken der BRD zeigen, dass hierzu etwa
ein Drittel der Erwachsenen zählen. Ein weiteres Drittel umfasst die
Bürger, welche zwar Einkommenssteuer zu zahlen haben, die jedoch nur etwa
für ein Drittel der gesamten Staatsausgaben Steuern zu entrichten haben.
Das letzte Drittel, die Empfänger überdurchschnittlich hoher
Einkommen kommt für etwa 2/3 der gesamten Steuersumme auf.
Wenn wir von dieser Einteilung
ausgehen, wäre also für 2/3 der erwachsenen Bürger ein
Bürgergeld aufzubringen, obwohl sie nach heutigen Begriffen ein
Erwerbseinkommen beziehen, das eindeutig über der Armutsgrenze liegt. Es
ist also nicht nur eine kleine Gruppe von einigen Millionären, denen ein
Bürgergeld auszuzahlen ist, obwohl sie es eigentlich gar nicht notwendig
hätten, vom Staat Almosen zu empfangen. Es ist mehr als fragwürdig,
ob diese zusätzlichen, keineswegs notwendigen Ausgaben durch die nun
eingesparten Verwaltungskosten kompensiert oder sogar überkompensiert
werden.
Vor allem sind mit der
Einführung eines Bürgergeldes gravierende Fehlanreize verbunden. In
einem solchen System kann jemand auch dann überleben, wenn er auf
erwerbswirtschaftliche Arbeit verzichtet. Zwar können wir davon ausgehen,
dass zu Beginn eines langwierigen Prozesses nur eine kleine Minderheit der
Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, da – wie bereits
erwähnt – die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer ihr Einkommen
durch eigene Arbeit erwerben will.
Der Umstand aber, dass es
Bürger gibt, welche eben nun auch freiwillig auf jede
erwerbswirtschaftliche Arbeit verzichten, wird mit der Zeit Nachahmer finden,
die Anzahl dieser Bürger, welche auf erwerbswirtschaftliche Arbeit verzichtet,
wird größer und je größer diese Gruppe ist, umso
stärker sind die Anreize, es den andern nach zu machen. Der weitere
Umstand, dass es in diesem System wie gezeigt eine sehr große Gruppe von
Bürgern gibt, der aus Steuermitteln Transfereinkommen gewährt werden,
welche aber eine solche Hilfe nicht notwendig hat, trägt zur
Verschärfung dieser Fehlanreize bei. Die Arbeitswilligkeit wird weiter
zurückgehen.
Wird jedoch weniger gearbeitet
und sinkt damit das Erwerbseinkommen, geht auch die Summe der vereinnahmten
Steuergelder zurück. Dieser Zustand macht es notwendig, die
Steuersätze zu erhöhen. Dieser Zwang zur Steuererhöhung ist dann
besonders groß, wenn sich die Wunschträume der Anhänger eines
Bürgergeldes nicht erfüllen, dass nämlich die Ausgabe des
Bürgergeldes dadurch gegenfinanziert werden kann, dass Verwaltungskosten
bei der Arbeitslosenversicherung sowie bei der Sozialhilfe wegfallen.
Eine Steuererhöhung, welche
vor allem von den Empfängern in den höchsten Einkommensklassen
gezahlt werden müssen, löst nun selbst wiederum Fehlanreize aus.
Diese bestehen zwar nicht darin, dass auch diese Gruppe ihre Erwerbsarbeit
einschränkt, sondern darin, dass sie vermehrt ins Ausland abwandern, in
denen die Abgaben auf höhere Einkommen insgesamt geringer sind. Es sind
gerade die leistungsstärksten, welche einerseits die Möglichkeit zur
Abwanderung haben und welche andererseits bisher den größten Anteil
am Steueraufkommen aufgebracht haben.
Ganz anders ist ein
Alternativvorschlag zum Bürgergeld zu bewerten. Schon lange Zeit wird von
einigen vorwiegend neoliberal ausgerichteten Ökonomen der Vorschlag einer
negativen Einkommenssteuer vorgetragen. Wird dieser Vorschlag
durchgeführt, hat das Finanzamt den einzelnen Bürgern, welche ein
bestimmtes vom Staat festgesetztes Einkommen nicht erreichen, ein
Transfereinkommen in Höhe dieser Differenz zwischen Mindesteinkommen und
tatsächliches Erwerbseinkommen auszuzahlen. Wir erhalten hier einen
Steuertarif, der nach unten ins Negative geht. Der Tarif beginnt hier nicht wie
heutzutage erst bei einem Mindesteinkommen, sondern beim Einkommen null, wobei
der hier zum Zuge kommende Geldbetrag negativer Natur ist, nicht der
Bürger zahlt an den Staat, sondern der Staat an den jeweiligen
Bürger. Erreicht ein Bürger das Mindesteinkommen als
Erwerbseinkünfte, so beginnt die positive Steuerpflicht.
Das eigentliche Ziel des
Bürgergeldes wird auch bei Einführung einer negativen
Einkommenssteuer erreicht: Es ist sichergestellt, dass jeder Bürger ein
Mindesteinkommen erreicht und deshalb niemand mehr (für längere Zeit)
in Armut fallen kann. Auch bei diesem Vorschlag werden Verwaltungskosten
eingespart, da ja aus den gleichen Gründen keine Arbeitslosenversicherung
und auch keine Sozialhilfe mehr notwendig sein werden. Die Einsparungen werden
sogar aller Wahrscheinlichkeit nach größer ausfallen als bei
Einführung eines Bürgergeldes, da die Auszahlung der
Transfereinkommen hier von der bereits bestehenden Finanzbehörde
vorgenommen wird und da diese Behörde vor allem bereits weitgehend
über die Daten verfügt, welche zur Auszahlung dieser
Transfereinkommen benötigt werden.
Des Weiteren entfallen bei der
negativen Einkommenssteuer genauso wie beim Bürgergeld die zum Teil
entwürdigenden Überprüfungen im Rahmen der
Arbeitslosenversicherung sowie der Sozialhilfe der Behörden. Ein Minimum
an Überprüfungen ist zwar auch hier notwendig, da eine Steuererklärung
stets daraufhin überprüft werden muss, ob die Angaben über die
Einkommensverhältnisse der Wahrheit entsprechen. Es entfallen jedoch die
heute oftmals notwendigen Auskünfte über die Verwendung der
Einkünfte.
Der eigentliche Vorteil der
negativen Einkommenssteuer liegt jedoch darin, dass hier keine Gelder dadurch
verschwendet werden, dass auch diejenigen Bürger (also etwa 2/3 der
Erwerbspersonen) Transfereinkommen erhalten, welche gar nicht auf dieses
Einkommen angewiesen sind. Nur diejenigen Bürger, welche nicht aus eigener
Kraft ein Erwerbseinkommen mindestens in Höhe des Mindesteinkommens
erreichen, haben hier Anspruch auf ein Transfereinkommen des Staates.
Gerade weil das zu zahlende
Transfereinkommen an eine weit geringere Zahl von Bürgern auszuzahlen ist,
dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass der hierdurch entstehende Mehrbedarf
durch die Einsparungen bei den Verwaltungskosten gedeckt ist, groß sein
und deshalb keinen zusätzlichen vom Staat und damit aus dem Steueraufkommen
zu zahlenden Mehrbedarf auslösen.
Aufgrund des geringeren
Mehrbedarfs an Steuereinnahmen dürften auch die oben dargestellten
Fehlanreize bei den Empfängern höherer Einkommen geringer sein. Damit
entfallen jedoch auch die negativen Auswirkungen auf das wirtschaftliche
Wachstum, die bei der Gewährung eines Bürgergeldes zu befürchten
sind.
Die Fehlanreize im unteren
Einkommenssektor bleiben im Prinzip auch bei einer negativen Einkommenssteuer
erhalten, da auch hier demjenigen, der nicht arbeiten will, ein
Transfereinkommen in Höhe des Mindesteinkommens garantiert wird. Aber auch
in dieser Frage besteht ein gewisser Unterschied zwischen Bürgergeld und
negativer Einkommenssteuer. Bei Gewährung eines Bürgergeldes wird
jedem Bürger ein Rechtsanspruch auf ein Transfereinkommen des Staates
geschaffen. Es wird nicht gefragt, ob der einzelne Bürger sonstige
erwerbswirtschaftliche Einkommen bezieht.
Bei Einführung einer
negativen Einkommenssteuer hingegen hat jede Erwerbsperson eine Erklärung
abzugeben, ob und in welchem Umfang er ein Erwerbseinkommen bezieht. Hier wird
also von Seiten des Staates aber auch von
Seiten der Bevölkerung von der Vorstellung ausgegangen, dass im
Normalfall fast jeder Bürger ein Erwerbseinkommen bezieht. Gerade weil es
der weitverbreiteten Vorstellung in der Bevölkerung entspricht, dass jeder
arbeitsfähige Bürger auch arbeiten sollte und sich nicht vom Staat
aushalten sollte, muss derjenige, welcher in seiner Steuererklärung
mitteilt, dass er kein Leistungseinkommen erworben hat, eine moralische Hemmschwelle
überwinden, während der Anspruch eines Bürgergeldes – wenn
es einmal eingeführt wurde – kaum in Frage gestellt werden
dürfte. Denn das Bürgergeld hat ja auch derjenige zu beanspruchen,
der erwerbstätig ist, der Leistungswille wird hier nicht in Frage
gestellt.
Trotz dieser Unterschiede kommen
wir allerdings aufgrund der verbleibenden Fehlanreize zu dem Ergebnis, dass
weder die Gewährung eines Bürgergeldes noch die Einrichtung einer
negativen Einkommenssteuer einen Königsweg darstellt. Fragen wir uns
deshalb nach weiteren Lösungsmöglichkeiten.
6. Bildung
eines sekundären Arbeitsmarkt
Wenden wir uns einem letzten Vorschlag
zu, das Problem der Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen: der Schaffung
eines sekundären Arbeitsmarktes. Nach diesem Vorschlag, der seit einiger
Zeit vorgetragen wird und auch schon von einigen Gemeinden angewandt wird, soll
jeder Arbeitnehmer, dem von einer Unternehmung gekündigt wird oder der
auch schon vorher im Bereich des primären Arbeitsmarktes arbeitslos war,
von einer Institution des sekundären Arbeitsmarktes (z. B. der Gemeinde)
automatisch übernommen werden.
Zum primären Arbeitsmarkt
werden hier alle erwerbswirtschaftlich orientierten Unternehmungen
gezählt, während zu den Einrichtungen des sekundären Marktes
alle gemeinorientierten Institutionen zählen, also insbesondere die
Gemeinden und ihre Produktionsstätten, aber auch caritative und am
Gemeinwohl orientierte private Verbände.
Nach diesem Vorschlag gibt es
keine offizielle unfreiwillige Arbeitslosigkeit mehr, da jeder Arbeitnehmer, welchem
von einer erwerbswirtschaftlichen Unternehmung gekündigt wird, automatisch
von einer Einrichtung des sekundären Marktes übernommen wird. Ohne
erwerbswirtschaftliche Arbeit kann ein Arbeitnehmer dann nur noch sein, wenn er
sich freiwillig dafür entscheidet, keiner Erwerbstätigkeit
nachzugehen, da er über andere Erwerbsquellen (wie z. B. über ein
geerbtes Vermögen) verfügt.
Allerdings kann dieses Modell
nur funktionieren, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Zu den wichtigsten
Voraussetzungen für ein Funktionieren des sekundären Arbeitsmarktes
zählt, dass starke Anreize bestehen müssen, dass das Arbeiten im
sekundären Markt für den einzelnen betroffenen Arbeitnehmer nur als vorübergehend
angesehen wird, bis er einen neuen Arbeitsplatz im primären Arbeitsmarkt
gefunden hat.
Der sekundäre Arbeitsmarkt
kann sich nämlich nicht selbst finanzieren. Zwar können wir davon
ausgehen, dass auch im Bereich des sekundären Arbeitsmarktes produktive
Tätigkeiten stattfinden, also Waren oder Leistungen produziert bzw.
erbracht werden, welche auf dem Markt angeboten werden können und auf
diese Weise zu Einnahmen der im sekundären Bereich arbeitenden
Institutionen führen. Da aber im Gegensatz zum primären Arbeitsmarkt
Arbeitnehmer nicht entlassen werden dürfen, wenn ihre Leistungen geringer
ausfallen als der Wert ihrer Arbeit und wenn die Unternehmung deshalb nicht
voll auf ihre Kosten kommt, bedürfen die Einrichtungen des sekundären
Marktes gewisser öffentlicher Zuschüsse, welche die Differenz
zwischen den Kosten und dem auf dem Markt erzielten Erträgen ausgleichen.
Diese öffentlichen
Zuwendungen können nur aus Steuereinnahmen finanziert werden, welche
letzten Endes nur von den erwerbswirtschaftlichen Unternehmungen erbracht
werden können. Die Einrichtung sekundärer Arbeitsmärkte
würde sich also ihrer Grundlagen berauben, wenn zugelassen würde,
dass sich der sekundäre Arbeitsmarkt auf Kosten des primären Marktes
ausbreiten würde. Der sekundäre Markt kann auf Dauer nur bestehen,
wenn er vom primären Arbeitsmarkt subventioniert wird. Würde man
zulassen, dass die Arbeitnehmer mehrheitlich in den Einrichtungen des
sekundären Arbeitsmarktes verbleiben wollten, dass sie unter Umständen
sogar eine Kündigung in den erwerbswirtschaftlich arbeitenden Unternehmungen
bewusst herbeiführen, um auf diese Weise eine Beschäftigung im sekundären
Arbeitsmarkt aufnehmen zu können, würde der sekundäre
Arbeitsmarkt über kurz oder lang mangels Finanzierungshilfen zusammenbrechen.
Die Anreize müssen also so
gesetzt sein, dass zwar auf der einen Seite die Arbeitsbedingungen im
sekundären Bereich immer noch als menschenwürdig angesehen werden,
dass sie aber dennoch in ihrer Gesamtheit von den Arbeitnehmern als wesentlich
ungünstiger angesehen werden, da nur in diesem Falle damit gerechnet
werden kann, dass die Arbeitnehmer bereit sind, einen neuen Arbeitsplatz im
primären Bereich zu suchen oder einen solchen ihnen von anderer Stelle
angebotenen Arbeitsplatz anzunehmen.
Um zu überprüfen, auf
welche Weise eine solche Abstufung in den Arbeitsbedingungen erfolgen
könnte, wollen wir zwischen den materiellen und den immateriellen
Arbeitsbedingungen unterscheiden. Zu den materiellen Arbeitsbedingungen
zählt in erster Linie das den in diesen Einrichtungen beschäftigten
Arbeitnehmern gewährte Lohneinkommen. Auch die genauen einzuhaltenden
Arbeitsbedingungen sowie die Ansprüche auf Urlaub können zu diesen
materiellen Bedingungen gezählt werden. Zu den immateriellen
Arbeitsbedingungen zählen dann alle übrigen Arbeitsbestimmungen, so
vor allem die Anforderungen an die Arbeitnehmer, der hierbei entstehende Stress
und die Art und Weise, wie die Beschäftigten behandelt werden und welche
einzelnen Rechte sie als Arbeitnehmer in diesen Einrichtungen genießen.
Prinzipiell könnte der
erforderte Abstand in den Arbeitsbedingungen zwischen primärem und
sekundärem Arbeitsmarkt sowohl über die immateriellen wie auch
materiellen Arbeitsbedingungen erreicht werden. Es sollte jedoch einleuchten,
dass die letztlichen Ziele eines sekundären Arbeitsmarktes nur dann
erfüllt werden können, wenn sich die für das Funktionieren notwendige
Verschlechterung in den gesamten Arbeitsbedingungen nicht auf die immateriellen
Bedingungen bezieht. Zur im Grundgesetz geschützten Menschenwürde
zählt nicht nur dass jeder Arbeitswillige auch einen Arbeitsplatz findet,
sondern sicherlich auch, dass er unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten
kann.
Gerade der mit dem Wettbewerb im
primären Markt verbundene Stress bringt es mit sich, dass viele Arbeitnehmer
aufgrund ihrer gesundheitlichen Konstitution diesem Druck nicht gewachsen sind
und gerade deshalb scheitern und Gefahr laufen, gekündigt zu werden. Die
Institutionen des sekundären Marktes unterliegen diesem Kostendruck nicht
und sind gerade deshalb auch in der Lage, Arbeitnehmern, welche im
primären Sektor versagt haben, eine Beschäftigung mit akzeptablen
Bedingungen zu bieten.
Dies bedeutet aber auch, dass
der für das Funktionieren dieses Modells notwendige Abstand in den
Arbeitsbedingungen nur dadurch erreicht werden kann, dass im Hinblick auf die
materiellen Bedingungen Abstriche gemacht werden. Im Allgemeinen kann dieser
Abstand eingehalten werden, da aufgrund des relativ hohen Wohlfahrtsniveaus in
den Industrieländern den im primären Sektor beschäftigten
Arbeitnehmern ein Einkommen gewährt werden kann, das deutlich über
dem Existenzminimum liegt.
Allerdings gibt es auch in den
hochentwickelten Volkswirtschaften zahlreiche Arbeitnehmer, deren Einkommen
sogar unter der vom Staat festgesetzten Armutsgrenze liegt. Gründe
hierfür liegen einmal darin, dass einige Arbeitnehmer kaum über die
für jede Beschäftigung notwendige Mindestausbildung verfügen,
dass weiterhin Arbeitnehmer im Rahmen der Zeitarbeit nur einen Teil ihrer Zeit
erwerbstätig sind oder schließlich, dass die Unternehmungen in
bestimmten Sektoren auf den Arbeitsmärkten über monopolistische Macht
verfügen.
Es ist klar, dass es in diesen
Fällen schwer fällt, einen deutlichen Abstand zwischen den
Lohnsätzen im primären und sekundären Bereich einzuhalten, das
Existenzminimum ist für jede Art der Beschäftigung –
gleichgültig im primären wie sekundären Markt –
einzuhalten und wenn bereits im primären Markt nur ein Lohneinkommen
gewährt wird, das gerade dem Existenzminimum entspricht oder sogar
darunter liegt, so ist es auch nicht möglich, einen Abstand in den
Lohnsätzen zu halten.
Diese Problematik hatten wir bereits
bei der Diskussion um die gesetzliche Arbeitslosenversicherung besprochen. Wir
hatten dort gesehen, dass der Versuch der meisten Parteien, dieses Problem
einfach dadurch zu lösen, dass der Staat einen gesetzlichen Mindestlohn
vorschreibt, der für alle Arbeitsmärkte gilt und der deutlich
über dem Existenzminimum liegt, auf Schwierigkeiten stößt. Viel
erfolgversprechender ist der Versuch, die eigentlichen Ursachen dieses extrem
geringen Lohnniveaus zu beseitigen, also die Ausbildung dieser Arbeitnehmergruppen
zu fördern oder dafür zu sorgen, dass auf allen Märkten
Tarifverhandlungen stattfinden. Denn in diesem Falle kann auch ein
Tarifvertrag, der nur für einen Teil des gesamten spezifischen Arbeitsmarktes
Gültigkeit besitzt, nach geltendem Recht für allgemeingültig
erklärt werden.
Eine zweite Voraussetzung
dafür, dass das Modell eines sekundären Arbeitsmarktes funktioniert,
besteht darin, dass die Produktion der Güter von Seiten der Unternehmungen
wie bisher im Rahmen des primären Marktes erfolgt. Es ist vor allem der
Wettbewerb zwischen den Unternehmungen, der dafür sorgt, dass effizient
produziert wird, dass das Wohlfahrtsniveau gesteigert werden kann, dass deshalb
Gewinne und Einkommen entstehen, aus denen die Steuereinnahmen hervorgehen, die
letzten Endes den sekundären Arbeitsmarkt subventionieren und
überhaupt erst funktionsfähig machen.
Wettbewerb bedeutet zwar, dass
das Wohl der Allgemeinheit gefördert wird, ist jedoch gleichzeitig sehr
lästig für jeden, der unter Wettbewerbsbedingungen produziert. Die
Unternehmungen werden deshalb auch nach Möglichkeiten Umschau halten, dem
Wettbewerb zu entgehen. Viele Unternehmungen könnten deshalb bestrebt
sein, dem im primären Bereich bestehenden Kostendruck dadurch zu entgehen,
dass sie versuchen, in den sekundären Markt überzuwechseln und auf
diese Weise ebenfalls einen Anspruch auf Subventionen zu erhalten, der ihnen
gestattet, auch bei ineffizienter Produktion zu bestehen.
Der primäre Sektor
würde so auf Kosten des sekundären Sektors schrumpfen und damit
würde die Möglichkeit, die im sekundären Markt agierenden
Einrichtungen zu subventionieren verringert. Das Modell des sekundären
Arbeitsmarktes müsste also über kurz oder lang zusammenbrechen. Dies
bedeutet, dass das reibungslose Funktionieren des sekundären Marktes voraussetzt,
dass eine eindeutige Trennung zwischen den Produzenten im primären und im
sekundären Markt bestehen muss, dass also nicht zugelassen werden kann,
dass die Produzenten jeweils in den anderen Bereich abwandern. Gewinnorientierte
Unternehmer dürfen nicht für den sekundären Markt agieren,
genauso wenig, wie die Leistungserbringer des sekundären Marktes nicht in
Konkurrenz mit den erwerbsorientierten Unternehmungen treten dürfen. Im
sekundären Markt dürfen nur Einrichtungen gemeinnütziger Art wie
Gemeinden und caritative Organisationen auftreten.
Würden nämlich die
Anbieter des sekundären Marktes damit beginnen, Güter zu produzieren,
die normaler Weise innerhalb des primären Marktes erstellt werden,
würden die gewinnorientierten Unternehmungen einem unfairen Wettbewerb
ausgesetzt, da ja den Einrichtungen des sekundären Marktes ein Teil der
Kosten durch Gewährung von Subventionen ersetzt werden.
Fragen wir uns nun, mit welchen
gesamtwirtschaftlichen Kosten die Einführung eines sekundären Marktes
verbunden ist. Wie bereits erwähnt, bedürfen ja notwendiger Weise die
Einrichtungen des sekundären Marktes staatlicher Subventionen. Auf der
anderen Seite entfällt jedoch im Bereich der Arbeitslosenversicherung
sowie der Sozialhilfe ein Großteil der Kosten, da ja Arbeitnehmer im
Normalfall auch dann nicht arbeitslos werden, wenn ihnen von Seiten der
Unternehmer im primären Markt gekündigt wurde. Sie sollen ja bei
Kündigung automatisch von den Einrichtungen des sekundären Marktes
übernommen werden und auch solange in diesem sekundären Bereich
verbleiben, bis sie wiederum eine neue Arbeitsstelle im primären Bereich
antreten können.
Eine Arbeitslosenversicherung
wird also sehr viel weniger Arbeitslose unterstützen müssen. Da
gleichzeitig der wichtigste Grund für Armut die Arbeitslosigkeit ist,
entfällt auch für die Sozialhilfe der größte Teil ihrer
heutigen Ausgaben. Wir werden allerdings weiter unten noch sehen, dass trotzdem
nicht auf die Einrichtungen der Arbeitslosenversicherung sowie der Sozialhilfe
verzichtet werden kann, sie werden durch Schaffung eines sekundären
Marktes entlastet, aber nicht
überflüssig.
7.
Schlussbemerkungen
Fassen wir zum Schluss nochmals
die wichtigsten Ergebnisse unserer Analyse zusammen. Im Hinblick auf das Ziel: Beseitigung
der Arbeitslosigkeit schneidet unter den hier diskutierten Vorschlägen die
Forderung nach einem rigorosen Kündigungsschutz am schlechtesten ab. Eine
Kündigungsschutzgesetzgebung ist nicht in der Lage, auch nur einen
zusätzlichen Arbeitsplatz neu zu schaffen. Ganz im Gegenteil, da der
Kündigungsschutz den Unternehmungen zusätzliche Kosten verursacht,
wird im Allgemeinen die Nachfrage nach Arbeit zurückgehen und in aller
Regel die Zahl der Arbeitslosen ansteigen.
Auch muss diese Regelung auch als
ausgesprochen ungerecht angesehen werden, da hier eine inverse Umverteilung der
Arbeitsplätze stattfindet. Eine inverse Umverteilung liegt immer dann vor,
wenn Empfänger höherer Einkommen zu Lasten Empfänger geringeren
Einkommens begünstigt werden. Ein rigoroser Kündigungsschutz sichert
die Arbeitsplätze derjenigen Arbeitnehmer, die bereits einen Arbeitsplatz
besitzen und führt damit automatisch dazu, dass es die arbeitslosen
Arbeitnehmer nun schwerer haben, eine Arbeit zu finden, da ja keine neuen
Arbeitsplätze auf diese Weise geschaffen wurden.
Wohlbemerkt: Diese
Überlegungen sagen nichts aus über die Notwendigkeit und
Erwünschtheit eines Kündigungsschutzes allgemein. Wir haben gesehen,
dass von einem Kündigungsschutz durchaus positive Funktionen ausgehen, in
dem willkürliche Entlassungen erschwert werden. Hierzu ist es allerdings
nicht notwendig, im Sinne eines rigorosen Kündigungsschutzes auch betriebsbedingte
Kündigungen zu verbieten oder zu erschweren.
Die Forderungen nach einer
gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, sowie nach Einführung eines
allgemeinen Bürgergeldes kranken alle daran, dass sie lediglich den
Versuch unternehmen, die mit der Arbeitslosigkeit verbundene Armut zu lindern,
nicht aber an den Ursachen der Arbeitslosigkeit anzusetzen und damit den Umfang
der Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Immerhin haben wir gesehen, dass von der
gesetzlichen Arbeitslosenversicherung gewisse Arbeitslosigkeit abbauende
Effekte ausgehen können. Sie reichen jedoch keinesfalls aus, um die
Arbeitslosigkeit drastisch zu reduzieren. Auch sind nur dann diese positiven
Effekte zu erwarten, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Der
Staat darf die Konjunkturkrise und damit das Defizit im Haushalt der
Arbeitslosenversicherung nicht zum Anlass nehmen, die Beitragssätze zu
erhöhen oder das Arbeitslosengeld zu reduzieren.
Der Vorschlag nach
Einführung eines Bürgergeldes krankt vor allem daran, dass eine
enorme Vergeudung knapper Ressourcen stattfindet, da weit über 2/3 der
Bevölkerung Transfereinkommen vom Staat erhält, obwohl sie einer
regulären Arbeit nachgehen und ein Lohneinkommen beziehen, das deutlich
über dem Existenzminimum liegt. Da diese Transfereinkommen ohnehin von dem
gleichen Bevölkerungsteil durch erhöhte Steuern finanziert werden
muss, ist es äußerst ineffizient, dem Großteil der
Steuerzahler zunächst Transfereinkommen zu gewähren, die sie
gleichzeitig aber auch über die zu entrichtenden Steuern zu finanzieren
haben. Weiterhin können wir ja nicht davon ausgehen, dass das
Existenzminimum für alle Bürger eine gleichhohe Geldsumme erfordert.
Aus den verschiedensten Gründen ist der notwendige Bedarf eines
Bürgers recht unterschiedlich. Wollte man diese unterschiedliche
Ausgangslage bei der Gewährung eines Bürgergeldes
berücksichtigen, würde die Einfachheit dieses Vorschlages (das wohl
beste Argument dieses Vorschlages) verloren und es würde wiederum ein
Verwaltungsapparat notwendig werden, der in etwa dem der heutigen Sozialhilfe
entspricht, womit auch wiederum als schikanös empfundene
Überprüfungen der einzelnen Bürger notwendig würde.
Der Vorschlag einer
keynesianischen Konjunkturpolitik hebt sich gegenüber den besprochenen
Vorschlägen dadurch ab, dass hier in der Tat der Versuch gemacht wird, die
Ursachen der Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und damit auch dem Wunsch des
größten Teils der Arbeitnehmer nach einer regulären
Beschäftigung zu entsprechen. Die Kritik an diesen Vorschlägen
besteht darin, dass erstens Arbeitslosigkeit nicht nur aufgrund eines Mangels
an Nachfrage nach Gütern entsteht, dass zweitens auch bei Zunahme der
autonomen Güternachfrage aufgrund der staatlichen Konjunkturpolitik die
Beschäftigung gerade der Arbeitnehmer im unteren Einkommensbereich nicht
unbedingt ansteigt, da die Unternehmungen Teile der Produktion aufgrund zu
hoher inländischer Arbeitskosten ins Ausland verlagern und dass drittens
von einer Staatsverschuldung (dem Hauptmittel keynesianischer Vollbeschäftigungspolitik)
negative Nebenwirkungen auf andere Ziele der Wirtschaftspolitik ausgehen.
Am besten schneidet unter den
besprochenen Modellen der Vorschlag eines sekundären Arbeitsmarktes ab, da
hier dafür Sorge getragen wird, dass die im primären Sektor
entlassenen Arbeitnehmer im sekundären Bereich weiterbeschäftigt
werden und somit sowohl über Einkünfte als auch über einen
Arbeitsplatz verfügen.
Nun wäre es natürlich
falsch, wenn man in diesen Vorschlägen den Königsweg schlechthin
sehen würde, der mit einem Schlag jegliche Arbeitslosigkeit und damit auch
Armut unterbinden würde. In Wirklichkeit gibt es keine perfekte
Lösung in dieser Welt. Bei allen Maßnahmen, die von Seiten des
Staates oder auch anderer Agenten ergriffen werden, muss damit gerechnet
werden, dass nicht alle, die eigentlich mit dieser Maßnahme
begünstigt werden sollen, auch tatsächlich begünstigt werden,
weiterhin gilt, dass wohl von jeder Maßnahme, welche wir
durchführen, negative, nicht gewollte, noch nicht einmal im Zeitpunkt der
Einführung dieser
Maßnahme bekannte Nebenwirkungen auf andere Ziele der Wirtschafts-
und Gesellschaftspolitik ausgehen. Unser Wissen über die wirtschaftlichen
Zusammenhänge in einer globalisierten Welt ist immer unvollkommen, unter
anderem auch deshalb, weil sich die Daten, von denen die wirtschaftlichen
Problemgrößen abhängen, permanent ändern.
Gerade aus diesen Gründen
können wir uns nicht auf eine einzelne Maßnahme beschränken, es
müssen immer für die Fälle, in denen diese Maßnahmen nicht
greifen, Ersatzlösungen angeboten werden. So kann z. B. der Vorschlag
eines sekundären Arbeitsmarktes nicht verhindern, dass all diejenigen bei
Verwirklichung nur dieses
Vorschlages leer ausgehen, welche aus gesundheitlichen Gründen
überhaupt nicht arbeiten können.