2. Die Wertprämissen der Wohlfahrtstheorie
3. Die beiden Gossen’schen Gesetze
4. Wohlfahrtsmaximierung bei Einkommensgleichheit?
5. Die Paretianische Wohlfahrtstheorie
6. Die
Kompensationskriterien
7. Das Rentenkonzept
8. Die Theorie des Zweitbesten
9. Die Bedeutung des Wettbewerbes für die
Wohlfahrt
10. Externe Effekte
11. Die cost-benefit-Analyse
12. Paretooptimale Redistribution
5.
Die Paretianische Wohlfahrtstheorie
Welchen Ausweg aus dem im ersten Teil dieses
Artikels beschriebenen Dilemma bietet nun die Paretianische Wohlfahrtstheorie?
Vilfredo Pareto hat folgendes – nach ihm benanntes – Kriterium formuliert: Wenn
das Wohl der Allgemeinheit von dem Wohl der einzelnen Mitglieder abhängt, dann
dürfte mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass man immer dann, wenn alle
Individuen eine Wohlfahrtssteigerung erfahren haben, auch davon sprechen kann,
dass die allgemeine Wohlfahrt angestiegen ist; genauso übrigens wie eine Minderung
der Wohlfahrt bei allen Gemeinschaftsmitgliedern auch eine Minderung des Gesamtwohls
bedeutet. Wir erwähnten diese Schlussfolgerung bereits.
Wie steht es aber mit der Bewertung der
Gesamtwohlfahrt dann, wenn sich die individuellen Wohlfahrten unterschiedlich
entwickeln, wenn nur einzelne Individuen einen Wohlfahrtszuwachs erfahren, die
Wohlfahrt der restlichen Mitglieder entweder unverändert bleibt oder sogar
vermindert wird? Hier legt das Pareto-Kriterium fest: Man könne nur dann von
einer Wohlfahrtssteigerung (einer Maßnahme, einer Zustandsänderung) sprechen,
wenn zumindest ein Individuum der Gemeinschaft eine Wohlfahrtssteigerung
erzielt, und wenn gleichzeitig kein anderes Individuum aufgrund der geplanten
Änderungen eine Minderung seiner Wohlfahrt erfährt.
Über die Frage, ob solche Zustandsänderungen
überhaupt möglich sind, ob es nicht bei jeder geplanten Änderung stets Gewinner
und Verlierer geben wird, wollen wir weiter unten noch ausführlich diskutieren.
An dieser Stelle wollen wir uns mit der Frage befassen, ob das Pareto-Kriterium
tatsächlich als allgemein akzeptiert gelten kann. Nehmen wir als Beispiel eine
politische Maßnahme, welche einem superreichen Bürger (einem Milliardär) und
nur diesem eine Wohlfahrtssteigerung bringe, der Rest der Bevölkerung gehe leer
aus, vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten hätten aus dieser Maßnahme
keinen Vorteil. Sollte man hier wirklich davon sprechen, dass das Gemeinwohl
gestiegen sei, obwohl nur jemand reicher geworden sei, der ohnehin auch schon
bisher in Überfluss gelebt hat?
Oder um ein zweites Beispiel zu bringen: Nehmen wir
den Fall, dass den Superreichen (den Milliardären) eine Zusatzsteuer abverlangt
werde und dass diese Steuer dafür verwandt würde, den Ärmsten der Armen ein
Einkommen in Höhe des Existenzminimums zu verschaffen oder vielleicht auch,
deren Krankheiten zu behandeln. Nach dem Pareto-Kriterium könnte diese Maßnahme
nicht eindeutig als wohlfahrtssteigernd eingestuft werden, da ja annahmegemäß
einzelne Individuen (die Milliardäre) durch diese Maßnahme Wohlfahrtsverluste
erleiden. Würden wir jedoch eine Befragung durchführen, so würde sich
sicherlich ein großer Prozentsatz der Befragten dafür aussprechen, dass es sich
hierbei um eine wohlfahrtsteigernde Maßnahme handle.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das
Pareto-Kriterium besagt nicht, dass in diesem Falle keine Wohlfahrtssteigerung
stattfände, sondern allein, dass in diesem Falle nicht wissenschaftlich
einwandfrei eine Wohlfahrtssteigerung nachgewiesen werden könne. Es bleibt
natürlich jedem Bürger unbenommen, trotzdem in diesem Falle von einer Wohlfahrtssteigerung
zu sprechen. Dies stellt eine Bewertung dar, welche mit Hilfe wissenschaftlicher
Mittel – und damit für alle Menschen bindend – nicht gefällt werden kann.
Immer dann, wenn Verteilungsfragen im Zusammenhang
mit Wohlfahrtsveränderungen berührt werden, dürften in der Öffentlichkeit drei
unterschiedliche und konkurrierende Positionen vertreten werden: Wir haben
erstens die sozialistische Maxime, wonach jede Reduzierung der
Einkommensdifferenzierung als erwünscht bezeichnet wird. Nach der einen
(radikaleren) Variante wäre ein gesellschaftliches Optimum erst bei einer totalen
Einkommensgleichheit erreicht, wenn also alle Bürger über ein gleich hohes
Einkommen verfügen würden.
Nach einer etwas gemäßigteren Variante werden zwar
gewisse Differenzierungen der Einkommen als berechtigt angesehen (wer mehr
leistet, soll auch mehr bekommen), es wird jedoch davon ausgegangen, dass die
tatsächliche Differenzierung in den Einkommen keinesfalls die
Leistungsunterschiede der Bürger widerspiegle und ein nicht mehr zu rechtfertigendes
Niveau erreicht habe. Hier sei es erwünscht, dass die Einkommensdifferenzierung
soweit abgebaut werde, bis sie nur noch den Leistungsunterschieden (und anderen
berechtigten Differenzierungen wie z. B. einem unterschiedlichen
Krankheitsniveau) entspreche.
Nach
einem liberalen Prinzip gilt hingegen jeder Zuwachs des Inlandsproduktes
als eine Wohlfahrtssteigerung, wobei wir auch hier wiederum zwischen einer
radikalen und einer gemäßigteren Variante unterscheiden können. Bei der
radikalen Variante wird nicht danach gefragt, wie sich aufgrund der politisch
eingeleiteten Maßnahmen die Einkommensverteilung verändert, der Zuwachs in der
Produktion wird als solcher als Wohlfahrtsgewinn eingestuft. Bei der
gemäßigteren Variante geht man davon aus, dass die Einkommensverteilung durch
diese Maßnahme nicht zuungunsten der Ärmeren verändert wurde und man sieht den
Gewinn dieser Maßnahme auch darin, dass aufgrund der gestiegenen Produktion und
damit auch gestiegenen Steuereinnahmen sozialpolitische Ziele verstärkt in
Angriff genommen werden können.
Demgegenüber hat John Rawls das Maximin-Prinzip
formuliert. Eine wirtschaftspolitische
Maßnahme ist danach unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu empfehlen, wenn sie
dazu beiträgt, das Einkommen der untersten Einkommensklassen zu erhöhen, auch
dann, wenn durch diese Maßnahmen das Einkommen der Reichen stärker zunimmt und
somit die Einkommensdifferenzierung ansteigt.
Wir wollen uns nun den Unterschied dieser drei Prinzipien anhand einer Graphik klarmachen. Die Bevölkerung werde nach der Einkommenshöhe in zwei Gruppen geteilt: die Empfänger der untersten Einkommensklasse (Earm) und in die restlichen Einkommensklassen (Ereich). Wir tragen auf der Ordinate das Einkommen: Earm und auf der Abszisse das Einkommen: Ereich ab. Zur Diskussion stünde eine politische Maßnahme, die zu einer Steigerung des Inlandsproduktes führe. Die blau eingezeichnete Wachstumsfunktion gebe an, wie sich eine Ausweitung dieser Maßnahme – beginnend vom Ursprung des Diagramms – auf die beiden Einkommensgruppen auswirke. Zur Diskussion stehe die Bewertung dieser Maßnahme entsprechend der drei oben entwickelten Prinzipien (sozialistisches, liberales Prinzip und das Rawl’sche Maximin-Kriterium).
Folgen wir dem sozialistischen Prinzip der Egalität, so erreichen wir das Wohlfahrtsoptimum dort, wo die 45°-Linie aus dem Koordinatenursprung die Wachstumsfunktion tangiert (roter Berührungspunkt). Wenden wir hingegen das liberale Prinzip an, so ist das Wohlfahrtsoptimum dort zustande gekommen, wo die links geneigte 45°-Linie die Wachstumsfunktion tangiert (gelber Berührungspunkt). Das Maximin-Prinzip erzielt schließlich dort sein Wohlfahrtsoptimum, wo das Einkommen der Armen ihr Maximum erreicht (grüner Berührungspunkt).
Das geringste Wachstum wird erreicht, wenn wir der sozialistischen Maxime folgen, das höchste Wachstum hingegen bei Anwendung liberaler Prinzipien, das Maximin-Prinzip nimmt bezogen auf das Wachstum eine mittlere Position ein. Achten wir jedoch auf das Einkommen der Ärmeren, so erreicht dieses Einkommen bei Befolgung der Maximin-Regel sein Maximum. Es hängt dann weiterhin vom Verlauf der Wachstumsfunktion ab, ob das Einkommen der Ärmeren bei Befolgung einer sozialistischen Regel höher ausfällt als bei Beachtung liberaler Grundsätze.
In jedem Falle führt zwar die sozialistische Regel zu einer größeren Einkommensgleichheit. Da aber die sozialistische Regel im Allgemeinen ein geringeres Wachstum zur Folge hat als die liberale Regel, muss durchaus mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass bei Beachtung liberaler Grundsätze das absolute Einkommen der Ärmeren höher ausfällt als bei Beachtung sozialistischer Grundsätze.
Geht man jedoch von der Gültigkeit des Pareto-Kriterium aus, so lassen sich zwar alle Versuche einer Umverteilung nicht mehr eindeutig beurteilen, aber immerhin scheint es möglich zu sein, allgemeine Maßnahmen der Politik daraufhin zu beurteilen, ob sie zumindest einer Person Nutzengewinne, und keiner anderen Person Nutzenminderungen versprechen.
Wir wollen diese Kritik zunächst zurückstellen und uns die Frage stellen, welche Konsequenzen sich im Rahmen der Wohlfahrtstheorie daraus ergeben, dass Nutzen nur ordinal gemessen werden kann. Die Lösung liegt in der Entwicklung der Wahlhandlungstheorie, welche von Pareto initiiert wurde. In einem Diagramm wird auf den Koordinaten der Verbrauch zweier substitutiver Konsumgüter abgetragen. Es wird ein beliebiger Punkt des Diagramms (P1) herausgegriffen, dessen Koordinaten die Verbrauchsmengen beider Güter (x1) und (x2) angeben. Dieses Güterbündel stiftet einen bestimmten Nutzen (Ophelimitätsgrad genannt).
Es soll nun das eine Gut (x1) durch das andere Gut (x2) ersetzt werden, indem von Gut (x1) eine Einheit abgezogen wird und von Gut (x2) soviel Güter eingesetzt werden, bis gerade wiederum der Nutzenverlust ersetzt ist, der durch die Wegnahme einer Einheit des Gutes (x1) entstanden ist. Es entsteht auf diese Weise ein zweiter Punkt, der annahmegemäß den gleichen Ophelimitätsgrad wie der erste Punkt aufweist. Auf diese Weise lässt sich für jede mögliche Menge von Gut (x1) eine Menge von Gut (x2) benennen, welche beide zusammen den gleichen Ophelimitätsgrad aufweisen wie die beiden ersten Punkte. Auf diese Weise entsteht eine Indifferenzkurve mit dem Ophelimitätsgrad (O1), die alle Kombinationen von Gut (x1) und Gut (x2) mit dem gleichen Ophelimitätsgrad (O1) auflistet.
Auf die gleiche Weise lassen sich weitere Indifferenzkurven mit anderen Ophelimitätsgraden konstruieren. Wenn wir von Punkt 1 ausgehen und nun von beiden Gütern eine Einheit mehr einsetzen, erhalten wir eine Güterkombination, welche eindeutig der Kombination (P1) überlegen ist, also einen höheren Ophelimitätsgrad aufweist. Für diesen neuen Punkt können wir wiederum alle jene Kombinationen bestimmen, welche auf einer neuen Indifferenzkurve liegen. Wenn wir so fortfahren, erhalten wir eine ganze Schar von Indifferenzkurven, wobei jede einzelne Indifferenzkurve einem ganz bestimmten Ophelimitätsgrad zugeordnet ist. Durch jeden Punkt dieses Diagramms geht somit eine solche Indifferenzkurve.
Vergleichen wir die beiden Indifferenzkurven (O1) und (O2) miteinander, so können wir zwar eindeutig feststellen, dass O2 eine höhere Ophelimität als O1 wiederspiegelt; wir können aber nicht angeben, um wie viel die Ophelimität von O1 nach O2 gestiegen ist, da Ophelimitätsgrade nur ordinale, aber keine kardinalen Größen darstellen.
Die eingezeichnete Krümmung der Indifferenzkurven ergibt sich aufgrund der Gesetzmäßigkeit einer abnehmenden Grenzrate der Substitution. Diese Gesetzmäßigkeit bezieht sich auf den gleichen Zusammenhang wie das Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Wenn ich sukzessive Gut (x1) durch Gut (x2) ersetze, so benötige ich immer mehr Einheiten von Gut (x2) für eine Einheit des Gutes (x1). Dies gilt natürlich genau deshalb, weil der Grenznutzen von Gut (x1) bei Wegnahme dieses Gutes ansteigt, der Grenznutzen des Gutes (x2) hingegen wegen Hinzufügen dieses Gutes sinkt.
Um nun in Analogie zum 2. Gossen’schen Gesetz zu bestimmen, bei welcher Aufteilung des Einkommens ein Haushalt sein Nutzenoptimum erreicht, müssen wir nun in das Diagramm die Bilanzgerade einzeichnen, welche angibt, welche Güterkombinationen von (x1) und (x2) bei gegebenen Preisen beider Güter (p1 und p2) und ebenfalls gegebenem Einkommen (e1) tatsächlich möglich sind.
Der Winkel, den diese Bilanzgerade mit der Abszisse bildet, misst das Preisverhältnis (p1/p2). Dieser Winkel ist nämlich gleich dem Verhältnis x20/ x10, wobei x20, die Menge von x2 ist, die der Haushalt erhält, wenn er sein gesamtes Einkommen für dieses Gut ausgibt, also e1/p2. In gleichem Maße entspricht x10 der Menge des Gutes x1, wenn der Haushalt sein gesamtes Einkommen für dieses Gut x1 ausgibt, also e1/p1. Setzen wir diese Werte in das Verhältnis x20/ x10 ein, so erhalten wir schließlich das Preisverhältnis (p1/p2).
Bei welcher Güterkombination erreicht nun der Haushalt bei gegebenem Einkommen und gegebenen Preisverhältnissen sein Nutzenmaximum? Offensichtlich in dem Punkt, in dem die Bilanzgerade eine Indifferenzkurve tangiert. Die zu wählende Kombination muss notwendigerweise ein Punkt auf der Bilanzgeraden sein. Jeder Punkt, der links oder rechts vom Tangentialpunkt (Bilanzgerade mit einer Indifferenzkurve) liegt, befindet sich auf einer Indifferenzkurve mit einem geringeren Ophelimitätsgrad.
Dies bedeutet, dass der einzelne Haushalt genau dann sein Nutzenmaximum erreicht, wenn die Grenzrate der Substitution (die Tangente an die Indifferenzkurve) mit dem Winkel der Bilanzgeraden und somit auch mit dem Güterpreisverhältnis gerade übereinstimmt. Da die Grenzrate der Substitution das subjektive, das Preisverhältnis hingegen das objektive Austauschverhältnis darstellt, kann man auch davon sprechen, dass die individuelle Wohlfahrt dann am größten ist, wenn subjektive und objektive Austauschverhältnisse übereinstimmen.
Wie auch im Rahmen der Grenznutzentheorie müssen wir auch hier aufzeigen, bei welcher Güterkombination die gesamte Gemeinschaft ihr Wohlfahrtsoptimum erreicht. Gehen wir von dem oben gezeigten Diagramm der Wahlhandlungstheorie aus, so ersetzen wir erstens die Schar der individuellen Indifferenzkurven durch eine Schar von kollektiven Indifferenzkurven, wobei die kollektiven Indifferenzkurven angeben, welche Güterkombinationen der gesamten Bevölkerung eine gleiche Ophelimität gewähren, bzw. welche Güterkombinationen im Verhältnis zu einer Vergleichskombination einen höheren oder geringeren Ophelimitätsgrad aufweisen. Auch für diese Indifferenzkurven wird eine konvexe Krümmung unterstellt und auch deren Grenzrate der Substitution (Tangente an eine Indifferenzkurve) sinkt mit wachsender Substitution.
Zweitens ersetzen wir die Bilanzgerade durch eine Transformationskurve. Diese gibt an, wie ein vorgegebener Bestand an Ressourcen bei Unterstellung gleichbleibender Technik auf die beiden Güter (Güterbündel) aufgeteilt werden kann. Diese Kurve ist aufgrund der Gesetzmäßigkeit sinkender Grenzerträge der einzelnen Produktionsfaktoren konkav gekrümmt. Die Grenzrate der Transformation (die Tangente an die Transformationskurve) sinkt mit wachsendem Einsatz eines Faktors. Bewegen wir uns entlang der Transformationskurve, so findet auch hier eine Substitution des einen Gutes durch das jeweils andere Gut statt, wobei die jeweilige Neigung der Tangente an diese Kurve angibt, wie viel Gütereinheiten von Gut (x1) zusätzlich produziert werden können, wenn auf die Produktion einer Einheit des Gutes (x2) verzichtet wird.
Wie die Graphik zeigt, wird ein Maximum an Wohlfahrt bei der Güterkombination realisiert, bei welcher die vorgegebene Transformationskurve eine kollektive Indifferenzkurve tangiert. Das objektive Verhältnis der Transformation muss dem subjektiven Austauschverhältnis entsprechen.
Probleme bereitet in diesem Modell vor allem die Konstruktion kollektiver Indifferenzkurven. Nach der Vorstellung dieser Theorie werden die kollektiven Indifferenzkurven aus den einzelnen individuellen Indifferenzkurven abgeleitet. Wie ist dies jedoch möglich? Paul A. Samuelson hat nachgewiesen, dass kollektive Indifferenzkurven nur unter sehr restriktiven Annahmen aus den individuellen Indifferenzkurven abgeleitet werden können. Samuelson nennt hierbei drei Alternativen:
Erstens wäre die Konstruktion einer kollektiven Indifferenzkurve möglich, wenn wir entweder nur ein einziges Individuum unterstellen, bzw. annehmen, dass ein wohlwollender Diktator in meritorischer Absicht jeweils die Entscheidung trifft, wie die einzelnen Güterkombinationen bewertet werden müssen. Diese Annahme widerspricht natürlich dem Selbstbestimmungskriterium und ist somit keine akzeptable Lösung.
Zweitens könnte man dann kollektive Indifferenzkurven aus dem System individueller Indifferenzkurven ableiten, wenn man unterstellen würde, dass alle Individuen identische Bedarfsstrukturen aufwiesen. Schon bei der Kritik an der Grenznutzentheorie haben wir gesehen, dass auch diese Annahme nicht der Wirklichkeit entspricht, da die einzelnen Individuen sich gerade in der Art ihrer Bedarfsstruktur unterscheiden.
Drittens könnten kollektive Indifferenzkurven auch dann aus der Schar individueller Indifferenzkurven abgeleitet werden, wenn Veränderungen in der Allokation, also Bewegungen entlang einer Indifferenzkurve keinen Einfluss auf die Einkommensverteilung nehmen würden. Aber auch diese Annahme widerspricht der Realität, da Allokationsveränderungen im Allgemeinen mit Veränderungen in den Güter- und Faktor-Preisverhältnissen verbunden sind, die Preise jedoch – vor allem die Faktorpreise – auch die jeweilige Einkommensverteilung bestimmen. Lediglich dann, wenn wir für alle Märkte die Marktform eines bilateralen Monopols unterstellen könnten, wenn wir weiterhin davon ausgingen, dass die Marktpartner im Sinne einer schrittweisen Verhandlungsstrategie vorgingen und wenn schließlich homogen-lineare Produktion- und Nutzenfunktionen vorlägen, könnte man unterstellen, dass die Einkommensverteilung weitgehend von der Allokation abgekoppelt ist.
Wir kommen somit zu dem Ergebnis, dass unter realistischen Bedingungen gar keine kollektiven Indifferenzkurven unmittelbar aus individuellen Indifferenzkurven abgeleitet werden können. Trotz dieser Kritik wird insbesondere im Rahmen der realen Außenwirtschaftstheorie immer wieder mit kollektiven Indifferenzkurven gearbeitet, sodass diese an und für sich vernichtende Kritik nicht dazu geführt hat, auf dieses Denkinstrument zu verzichten. Nun sollte man dieser Vorgehensweise zu Gute halten, dass natürlich eine Konstruktion kollektiver Indifferenzkurven durchaus denkbar ist, indem man einfach im Rahmen einer Befragung der einzelnen Haushalte die Bewertung der einzelnen Güterkombinationen erfragt und unter Zugrundelegung einer Regel (z. B. dem Mehrheitsprinzip) die Meinung der Gesamtheit feststellt.
Gegen eine solche Vorgehensweise kann man natürlich einwenden, dass eine solche Befragung in der Realität aufgrund eines sehr großen Aufwandes keinesfalls durchgeführt werden könnte. Aber dieser Vorwurf gilt natürlich genauso für die Entwicklung individueller Indifferenzkurven, wir können ja nicht erwarten, dass die einzelnen Haushalte vor ihren Konsumentscheidungen jeweils ihre eigenen Indifferenzkurven entwickeln!
6. Die Kompensationskriterien
Wir haben oben bereits einen weiteren Einwand gegen das von Pareto entwickelte Kriterium gestreift, die Frage nämlich: Wie groß ist denn die Menge an politischen Maßnahmen, für die gesagt werden kann, dass sie zumindest einem Individuum Nutzen bringen, keinem Individuum aber schaden. In der Realität haben wir eigentlich fast immer (oder sogar ausnahmslos) davon auszugehen, dass fast jede (oder sogar jede) Maßnahme zumindest einer kleinen Gruppe von Individuen Schaden verursacht. Also müsste das Pareto-Kriterium an der Realität scheitern, eine große Mehrheit von Personen könnte zwar dem Kriterium zustimmen, sofern Maßnahmen gefunden werden, welche diesem Kriterium genügen, aber es gibt in der Realität eben keine solche Maßnahmen, die keinem Individuum Schaden verursachen.
Gerade um diese Schwäche des Pareto-Kriteriums zu überwinden, wurde im Rahmen der neueren Wohlfahrtstheorie eine Diskussion angefacht, wie man diese Schwäche überwinden könne, wie man das Pareto-Kriterium durch eine gewisse Umformulierung auf konkrete Maßnahmen anwenden könne, ohne die eigentliche Aussage dieses Kriteriums zu verlassen.
Diese Diskussion beginnt mit einem Vorschlag von Nicholas Kaldor und John Richard Hicks, man könne auch solche politische Maßnahmen als wohlfahrtsteigernd ansehen, bei denen einige Individuen Nutzenentgänge erführen, sofern die Gewinner dieser Maßnahme in der Lage seien, die Verlierer voll zu entschädigen und trotzdem noch für die Gewinner ein Nettonutzengewinn übrig bliebe.
Um diesen Vorschlag zu verdeutlichen, wenden wir das Konzept der Nutzenmöglichkeitskurven an. Wir tragen auf der Abszisse den jeweiligen Nutzen des Individuums 2 (n2) und auf der Ordinate den Nutzen des Individuums 1 (n1) ab und zeichnen in dieses Diagramm die Nutzenmöglichkeitskurve ein, wobei diese Nutzenmöglichkeitskurve angibt, wie ein bestimmtes Güterbündel bei unterschiedlichen Aufteilungen den beiden Individuen unterschiedlichen Nutzen gewähren kann. Es wird unterstellt, dass diese Nutzenmöglichkeitskurve einen negativen Verlauf aufweise. In der unten stehenden Graphik haben wir der Einfachheit halber diese Kurve als Gerade eingezeichnet; an den Ergebnissen ändert sich nichts entscheidendes, wenn wir diese Nutzenmöglichkeitskurve – wie dies in der Realität in der Regel der Fall sein dürfte – als gekrümmte Kurve einzeichnen.
Ausgangspunkt sei der Punkt 1 auf der bisher gültigen Nutzenmöglichkeitskurve w1. Es stünde eine politische Maßnahme zur Diskussion, aufgrund derer sich eine neue Nutzenmöglichkeitskurve w2 ergebe, wobei die hierdurch neu entstehende Nutzenverteilung dem Punkt 2 entspreche. Dieses Ergebnis widerspricht eindeutig dem Pareto-Kriterium, da Individuum 1 nun einen geringeren Nutzen als bisher erlangt. Durch Bewegung entlang der neuen Nutzenmöglichkeitskurve, d. h. durch Entschädigung des Verlierers (Person 1) kann jedoch eine neue Nutzenverteilung Punkt 3 erreicht werden, bei der beide Individuen einen höheren Nutzen als im Ausgangspunkt 1 erzielen.
Also kann diese Maßnahme nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium als wohlfahrtssteigernd eingestuft werden. Der Anwendungsbereich zur Bewertung politischer Maßnahmen ist eindeutig ausgeweitet worden. Während unter der alleinigen Gültigkeit des Pareto-Kriteriums nahezu keine konkrete politische Maßnahme eindeutig bewertet werden konnte, gibt es nun zahlreiche Maßnahmen, die eine eindeutige Bewertung zulassen. Das schraffierte Feld in untenstehender Graphik zeigt den nun neuen Anwendungsbereich für politische Maßnahmen an.
Hätte allerdings die neue Nutzenmöglichkeitskurve einen flacheren Verlauf als die bisherige Kurve, wäre keine Kompensationsmöglichkeit gegeben, diese Maßnahme könnte auch nach Kaldor-Hicks nicht als wohlfahrtsteigernd eingestuft werden. Eine Bewegung entlang der neuen Nutzenmöglichkeitskurve führt zu keiner Lösung, bei der nicht eine Person gegenüber dem Ausgangspunkt Nutzengewinne erfährt.
G. J. Stigler hat diesen Vorschlag kritisiert, da Kaldor und Hicks bereits dann von einer wohlfahrtssteigernden Maßnahme sprechen, wenn eine Kompensation zwar möglich ist, aber de facto nicht durchgeführt wird. Bei einer solchen Interpretation sei es möglich, dass durch eine politische Maßnahme das Einkommen der Reichen vergrößert, das der Armen jedoch verringert werde und dass diese Maßnahme als wohlfahrtssteigernd angesehen würde, obwohl eine durchaus mögliche Kompensation gar nicht durchgeführt würde, also die Ärmeren endgültig ärmer blieben.
Nun ist diese Kritik an Kaldor sicherlich so nicht berechtigt. Die Frage, ob eine durch eine Maßnahme eingetretene Veränderung in der Einkommensverteilung politisch erwünscht oder auch nicht erwünscht sei, diese Frage könne von der Wirtschaftstheorie nicht beantwortet werden, sie sei eine rein politische Bewertung. Der Wissenschaftler müsse sich auf den Hinweis beschränken, dass eine Maßnahme dann als wohlfahrtssteigernd bezeichnet werden kann, wenn Veränderungen in der Einkommensverteilung korrigiert werden können, sofern diese Korrektur aus politischen Gründen geboten erscheint.
Es wurde in der Literatur
noch eine weitere Kritik am Kaldor-Hicks-Kriterium vorgebracht. Tibor de
Scitovsky hat den Nachweis erbracht ,
dass das Kaldor-Hicks-Kriterium zu Widersprüchen führen kann; deshalb sei ein
Doppeltest (Kaldor-Hicks + Scitovsky-Test) notwendig: Eine Maßnahme gilt nur
dann als wohlfahrtssteigernd, wenn einerseits die Gewinner einer Maßnahme die
Verlierer voll entschädigen können (Kaldor-Hicks-Test), andererseits es nicht
möglich ist, dass eine Rücknahme der betreffenden Maßnahme ebenfalls nach
Kaldor-Hicks als wohlfahrtssteigernd bezeichnet werden müsste (Scitovsky-Test).
Machen wir uns
zunächst die Möglichkeit eines solchen Widerspruches anhand einer Graphik klar.
Ausgangspunkt sei
die Nutzenmöglichkeitskurve w1 und der Punkt 1. Durch eine politische
Maßnahme entstehe die neue Nutzenmöglichkeitskurve w2. Diese Maßnahme
führe zu einer Nutzenverteilung, welche dem Punkt 2 entspreche. Hier ist es
möglich durch Bewegung entlang der neuen Nutzenmöglichkeitskurve w2
einen Punkt 3 anzusteuern, bei dem sich beide Individuen besser als bisher
(Punkt 1) stellen. Also entspricht diese Maßnahme dem Kaldor-Hicks-Kriterium.
Versuchen wir nun,
diese Maßnahme rückgängig zu machen. Dies bedeutet, dass wir von der
Nutzenmöglichkeitskurve w2 wiederum zur bisherigen Nutzenmöglichkeitskurve
w1 und zu dem Ausgangspunkt 1 zurückkehren. Durch eine Bewegung
entlang der jetzt wieder gültigen Nutzenmöglichkeitskurve w1 können
wir eine neuen Punkt 4 ansteuern, der wiederum beide Personen besser stellt als
im Zustand Punkt 2. Also entspricht auch das Rückgängigmachen dieser Maßnahme
dem Kaldor-Hicks-Kriterium. Dies ist aber aus logischen Gründen nicht möglich.
Man kann nicht die
Durchführung einer Maßnahme und ihr bisheriger Zustand als beide
wohlfahrtssteigernd ansehen. Wenn die Durchführung einer Maßnahme als wohlfahrtssteigernd
eingestuft wird, dann muss aus logischen Gründen der bisherige Zustand (das
Rückgängigmachen dieser Maßnahme) notwendigerweise als wohlfahrtsmindernd
bezeichnet werden. Also kann eine Maßnahme nach Scitovsky nur dann als
wohlfahrtssteigernd eingestuft werden, wenn sie erstens dem
Kaldor-Hicks-Kriterium entspricht und wenn zweitens das Rückgängigmachen dieser
Maßnahme nicht auch als wohlfahrtsteigernd angesehen werden müsste.
Durch diesen Beitrag
ist nun der Anwendungsbereich der Bewertung politischer Maßnahmen wiederum
eingeschränkt worden, da viele Maßnahmen zwar dem Kaldor-Hicks Kriterium
genügen, den Scitovsky-Test nicht bestehen. Bei allen Maßnahmen, welche zu
einer flacheren Nutzenmöglichkeitskurve als bisher führen, scheitert der
Scitovsky-Test.
Ian Malcolm David Little übte nun Kritik am Wohlfahrtstest von Kaldor-Hicks und Scitovsky, da
in diesem Test Veränderungen in
der Verteilung unberücksichtigt blieben. Little schlägt hierbei ein
mehrstufiges Auswahlkriterium vor:
1. Ist das Kaldor-Hicks-Kriterium
erfüllt?
2. Ist auch das
Scitovsky-Kriterium erfüllt?
3. Ist die mit der
Maßnahme verbundene Umverteilung erwünscht?
4. Ist eine
Kompensation überhaupt möglich ?
Die dritte Frage
könne nur politisch entschieden werden, wenn die Politiker die mit der beabsichtigten
Maßnahme verbundene Veränderung in der Verteilung gut heißen, dann kann jede
Maßnahme, die dem Doppeltest von Kaldor-Hicks und Scitovsky genügt, als
wohlfahrtsteigernd bezeichnet werden. Wenn jedoch diese Veränderung in der
Verteilung von den Politikern als unerwünscht angesehen wird, muss von Seiten
der Wissenschaft überprüft werden, ob die notwendige Kompensation politisch überhaupt
durchgeführt werden könne. Die Nutzenmöglichkeitskurve gibt nämlich nur an, ob
eine solche Kompensation technisch durchgeführt werden könne, sie sage
nichts darüber aus, ob eine solche Kompensation politisch opportun sei und
deshalb auch tatsächlich durchgeführt werden könne. Aber nur in diesem Falle
könne man bei zunächst unerwünschten Veränderungen in der Verteilung die
Maßnahme letztendlich als wohlfahrtssteigernd einstufen.
Bei vier Kriterien,
welche jeweils erfüllt oder nicht erfüllt sein können, lassen sich in einer
Kasuistik 16 Fälle unterscheiden, wobei es Fälle gibt, bei denen eindeutig eine
Wohlfahrtssteigerung bejaht oder verneint werden kann, oder aber auch solche
Fälle geben kann, bei denen keine eindeutige Entscheidung möglich ist.
Greifen wir als
erstes Beispiel einen Fall heraus, bei dem sowohl das Kaldor-Hicks-Kriterium
erfüllt ist als auch der Scitovsky-Test zu keinen Widersprüchen führt, aber die
Veränderung in der Nutzenverteilung als unerwünscht angesehen wird, trotzdem
aber keine Chance zur Kompensation bestehe. Folgende Graphik entspreche diesem
Fall:
Punkt 1 auf der
Nutzenmöglichkeitskurve w1 entspreche dem Ausgangszustand. Die beabsichtigte
Maßnahme führe zu der neuen Nutzenmöglichkeitskurve w2 und der
Nutzenverteilung des Punktes 2. Die dem Punkt 2 entsprechende neue Lösung sei
verteilungspolitisch unerwünscht. Punkt 3 und Punkt 4 stellten technisch
mögliche, aber politisch nicht realisierbare Lösungen dar. Punkt 2 führe also
zu einer unerwünschten Umverteilung, ist also aus diesem Grunde wohlfahrtsmindernd;
auf der anderen Seite sei jedoch die Lösung des Punktes zwei eindeutig der
Lösung des Punktes 4 überlegen, also partiell wohlfahrtssteigernd. Es gibt hier
nach Meinung von Little keine Möglichkeit zu entscheiden, ob die geplante
Maßnahme die Wohlfahrt steigert oder nicht, da die partiellen Wohlfahrtsänderungen
nicht miteinander verglichen werden können.
Betrachten wir nun
einen zweiten Fall, bei dem das Kaldor-Hicks-Kriterium nicht erfüllt ist, der
Scitovsky-Test zu keinen Widersprüchen führt, die erfolgte Veränderung in der
Nutzenverteilung unerwünscht ist und auch nicht durch Kompensationszahlungen
korrigiert werden kann. Folgende Graphik verdeutlicht die Situation:
In diesem Falle kann
eine Wohlfahrtssteigerung eindeutig verneint werden. Auf der einen Seite ist
Lösung 4 eindeutig der Lösung 1 (dem Ausgangspunkt) unterlegen; Lösung 1 bietet
ja für beide Personen einen höheren Nutzen. Auf der anderen Seite ist jedoch
Lösung 2 der Lösung 4 aus verteilungspolitischen Gründen unterlegen. Es gilt also
W(2) < W(4) < W(1), wobei W(n) jeweils die Wohlfahrt der Lösung n
anzeigt. Folglich ist auch W(2) der Lösung W(1) unterlegen.
Bringen wir
schließlich ein drittes Beispiel, bei dem eine Wohlfahrtssteigerung eindeutig bejaht
werden kann. Das Kaldor-Hicks-Kriterium sei erfüllt, der Scitovsky-Test führe
zu Widersprüchen, die eingetretene Umverteilung sei nicht erwünscht, aber es
sei eine Kompensation auch politisch möglich. Wiederum sei diese Situation
anhand folgender Graphik verdeutlicht:
Die politische
Maßnahme führe zunächst zu Punkt 2, der jedoch aus verteilungspolitischen Gründen
politisch unerwünscht ist. Da aber eine Kompensation nach Punkt 3 auch polittisch
möglich ist und dieser Punkt 3 dem Ausgangspunkt 1 eindeutig überlegen ist,
lässt sich diese Maßnahme unter diesen Bedingungen eindeutig als wohlfahrtsteigernd
einstufen.
Der Vorteil der
Little-Kriterien liegt darin, dass nun der Anwendungsbereich der politischen
Maßnahmen, für die eine eindeutige Bewertung möglich ist, gegenüber dem Doppeltest
von Kaldor-Hicks und Scitovsky vergrößert wurde. Es konnte in dem zuletzt gebrachten
Beispiel eine eindeutige Bewertung durchgeführt werden, obwohl der
Scitovsky-Test nicht bestanden wurde, es sind nun auch Fälle beurteilbar, die
keine Kompensation ermöglichen.
S. K. Nath hat
übrigens nachgewiesen, dass durch den Scitovsky-Test oder durch das Little-Kriterium
nicht alle denkbaren Widersprüche beseitigt werden konnten. Sobald man nämlich
die Vorteilhaftigkeit einer Lösung am Egalitätsprinzip (an der Nähe zur
Egalität) messe, käme man zu unterschiedlichen Ergebnissen, je nach dem, von welcher
Nutzenverteilung man ausgehe. Auf diese Erweiterung soll allerdings hier nicht
näher eingegangen werden.
Wir wollen uns
vielmehr abschließend mit einer weiteren Einengung des Anwendungsbereiches
befassen, welche Paul A. Samuelson vorgeschlagen hatte. Im Zusammenhange mit
dem Scitovsky-Test werden wie gezeigt jeweils zwei Lösungspaare miteinander
verglichen: der Ausgangspunkt (P1) mit der Lösung, welche aufgrund
einer Kompensation erreicht wird (P3),
sowie – beim Rückgängigmachen der Maßnahme – die Lösung (P2) mit der Lösung
(P4). Man akzeptiert also, dass man auf der Grundlage unterschiedlicher
Nutzenverteilungen Bewertungen vornimmt.
Wenn man aber schon
von zwei verschiedenen Nutzenverteilungen aus argumentiert, warum – so fragt
Samuelson – ist man nicht bereit, alle möglichen Nutzenverteilungen zugrunde zu
legen und zu fragen, ob es nicht politische Maßnahmen gibt, welche unter allen
möglichen Nutzenverteilungen als wohlfahrtssteigernd eingestuft werden können.
Eine solche Lösung setzt allerdings voraus, dass sich die ursprüngliche und die
durch die politische Maßnahme entstehende Nutzenmöglichkeitskurve in keinem
Punkt schneiden.
Eine solche
Vorgehensweise hätte den Vorteil, dass eine Entscheidung, ob eine politische
Maßnahme zu einer Wohlfahrtssteigerung führt, ohne zu Hilfenahme politischer
Bewertungen getroffen werden könnte. Anderseits hat eine solche Lösung den Nachteil,
dass der Anwendungsbereich dieses Wohlfahrtskriteriums fast wiederum auf das
Niveau des ursprünglichen Pareto-Kriteriums zusammenschrumpft.
Eine ähnliche
Einschränkung des Anwendungsbereiches brachte W. M. Gorman, der davon ausgeht,
dass auch bei Hinzuziehung des Scitovsky-Testes immer noch Widersprüche
auftauchen können, wenn man mehr als zwei Maßnahmen diskutiert. Folgende
Graphik soll diesen Gedankengang einsichtig machen:
Man gehe von der
Lösung (P1) aus, gehe dann durch politische Maßnahmen zunächst zur
Lösung (P2), dann (P3) und schließlich (P4).
Nach Kaldor-Hicks und Scitovsky gilt folgende Rangfolge der einzelnen Lösungen:
W(1) < W(2) < W(3) < W(4), trotzdem ist der erneute Übergang zu W(1)
der Lösung (4) überlegen, was wiederum einen logischen Widerspruch zur ersten
Rangfolge darstellt. Auch hier gilt, dass nur dann mit absoluter Sicherheit von
einer widerspruchsfreien Bewertung gesprochen werden kann, wenn keine
Nutzenmöglichkeitskurven eine andere schneidet; dies war aber schon das Ergebnis
der Überlegungen von Samuelson.