Startseite

 

 

 

Zur Reform des Tarifvertragswesens Teil I

 

 

 

 

Gliederung:

 

1. Problem 

2. Die Regelung zu Beginn der BRD

3. Die ideellen Grundlagen

4. heutige Missstände

    a. Tarifeinheit bedroht

    b. Erpressung von kleinen Gewerkschaften

    c. Erpressung der unbeteiligten Endverbraucher

    d. Lohnsatz einiger Arbeitnehmergruppen unterhalb des Existenzminimums

 5. Ursachen für diese Entwicklung

  

6. Reformvorschläge

   a. Abhilfe durch Individualgüter

   b. größerer Schutz Unbeteiligter

 

 

 

1. Problem 

 

Dieser Artikel will sich mit Grundfragen der Tarifautonomie in der Bundesrepublik Deutschland befassen. In einem ersten Schritt soll gezeigt werden, dass das Tarifvertragswesen in der Zeit unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg weitgehend befriedigend gestaltet war. Es wird dann in einem zweiten Schritt aufgezeigt, von welchen Grundprämissen die Verfassung im Hinblick auf die Tarif­autonomie ausgegangen war und wie die Tarifautonomie in einer sozialen Marktwirtschaft begründet werden kann. Es folgt dann in einem dritten Schritt eine Zusammenfassung der wichtigsten augenblicklichen Mängel des Tarifvertragswesens. In einem letzten Schritt soll aufgezeigt werden, auf welchem Wege diese Mängel beseitigt werden könnten.

 

 

 

2. Die Regelung zu Beginn der BRD

 

Lange Zeit galt das deutsche Tarifvertragswesen als geradezu vorbildlich. Fast in allen Wirt­schafts­zweigen fanden periodische Tarifverhandlungen statt. Diese verliefen in aller Regel friedlich, führten also nur in Ausnahmefällen zu längeren Streiks. Deutschland zählte europa-, ja sogar weltweit zu den Staaten mit einem sehr geringen Produktionsausfall aufgrund von Arbeitsniederlegungen.

 

Hierbei kann davon ausgegangen werden, dass dann, wenn die Produktionsausfälle aufgrund von Arbeitsniederlegungen nicht wesentlich höher ausfallen als 3% des Inlandsproduktes, diese in der Folgezeit mit Hilfe von Überstunden weitgehend ausgeglichen werden können, während bei wesentlich höheren Ausfällen die Gefahr droht, dass viele ausländischen Kunden auf Dauer abspringen und bei Unternehmungen in anderen Ländern einkaufen, welche in geringerem Maße von streikbedingten Ausfällen bedroht sind. In diesen Fällen schwächt sich das wirtschaftliche Wachstum in diesen Ländern nachhaltig ab.

 

Das Grundgesetz garantiert sowohl eine positive wie auch eine negative Koalitionsfreiheit. Der Begriff der positiven Koalitionsfreiheit bezieht sich hierbei auf das Recht eines jeden Arbeitnehmers, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen und mit den Arbeitgebern bzw. den Arbeitgeber­verbänden Tarifverträge abzuschließen. Die negative Koalitionsfreiheit garantiert hingegen dem einzelnen Arbeitnehmer das Recht, auf Wunsch auch der Gewerkschaft fernzubleiben bzw. aus der Gewerkschaft bei Unzufriedenheit jederzeit auszutreten.

 

Hierbei wird den Tarifverträgen ein größerer rechtlicher Schutz eingeräumt als den sonstigen zwischen privaten Organisationen oder Personen abgeschlossenen Verträgen. Die zwischen dem Mieterbund und den Vermieterorganisationen abgeschlossenen Mietverträge z. B. besitzen lediglich den Charakter eines Mustervertrages. Sie gelten nur insoweit, als Vermieter und Mieter selbst keine Regelungen treffen. Wollen jedoch beide Vertragspartner andere Regelungen abschließen, welche vom Mustervertrag der Verbände mehr oder weniger abweichen, so ist dies durchaus möglich, vorausgesetzt natürlich, dass nicht bestimmte Gesetze verletzt werden.

 

Dieser besondere Schutz der Tarifverträge äußert sich vor allem in dem sogenannten Unabdingbarkeitsprinzip. Dieses legt fest, dass individuelle Verträge zwischen Arbeitgebern und einzelnen Arbeitnehmern niemals Lohnsätze vorsehen dürfen, welche dem Arbeitnehmer einen vom Tariflohn nach unten abweichenden Lohnsatz gewähren, auch dann nicht, wenn der betreffende Arbeitnehmer dieser Regelung eigens zustimmen würde. Ähnliches gilt mutatis mutandis auch für die sonstigen Arbeitsbedingungen.

 

Dieses Prinzip wird hierbei von den Gerichten sehr eng ausgelegt. Werden nämlich in solchen Zusatzverträgen zwischen Betriebsrat und Unternehmungsleitung Lohnsätze vereinbart, welche unter dem Tariflohn liegen, werden diese Vereinbarungen von den Gerichten auch dann nicht anerkannt, wenn gleichzeitig den Arbeitnehmern im Gegenzug zu der Verringerung des Lohnsatzes die Sicherheit des Arbeitsplatzes verbindlich zugesagt wird und wenn sich deshalb die betroffenen Arbeitnehmer insgesamt besser stellen als unter den Bedingungen des Tarifvertrages.

 

Tarifautonomie bedeutet in der BRD zweierlei: Sie legt erstens fest, dass Lohnsätze und sonstige Arbeitsbedingungen grundsätzlich nicht vom Staat, sondern von den Tarifpartnern, also von den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden (oder auch einzelnen Arbeitgebern) festzulegen sind. Der Staat darf nur in Ausnahmefällen in diese Tarifautonomie eingreifen.

 

Zweitens legt die Tarifautonomie in der Bundesrepublik Deutschland aber auch fest, dass nur die Gewerkschaften und keine anderen Arbeitnehmervertretungen zum Abschluss von Tarifver­trägen berechtigt sind. Dies gilt auch für die Betriebsräte, welche ja ebenfalls die Interessen der Belegschaft einer Unternehmung vertreten. Insofern gilt das Unabdingbarkeitsprinzip auch für Abma­chungen der Unternehmungsleitung mit den Betriebsräten. Solche Vereinbarungen sind nur rechtens, wenn sie nicht gegen die bestehenden Tarifverträge verstoßen, es dürfen in solchen Vereinbarungen vor allem nicht Lohnsätze oder auch andere Arbeitsbedingungen festgelegt werden, die gegenüber dem geltenden Tarifvertrag für den Arbeitnehmer ungünstiger sind.

 

Es galt weiterhin das Prinzip der Einheitsgewerkschaften. Zwar bildeten sich unmittelbar nach dem Ende des zweiten Weltkrieges neben den im DGB zusammengeschlossenen Industriegewerkschaften auch christliche Gewerkschaften, welche in einigen wenigen Tarifbezirken wie etwa im Saarland auch eine gewisse Bedeutung im Rahmen der Tarifverhandlungen erlangen konnten.

 

Es entstand jedoch recht bald innerhalb der christlichen Gewerkschaftsmitglieder eine Diskussion darüber, ob sie sich innerhalb oder außerhalb des DGB zusammenschließen sollten. Die Entscheidung fiel zugunsten einer Lösung innerhalb des DGB aus.

 

Es galt weiterhin das Industrieprinzip, wonach die Tarifparteien und damit auch die Tarif­verhand­lungen jeweils für einen Wirtschaftszweig geführt wurden, sodass die Unternehmungen innerhalb einer Tarifvertragsperiode von etwa einem Jahr nur einmal und hier nur für wenige Wochen durch Auseinandersetzungen der Tarifparteien belastet waren. Dies bedeutete vor allem, dass die Unterneh­mungen für die restlichen Wochen und damit für den größten Teil eines Jahres davon ausgehen konnten, im Hinblick auf die Arbeitskosten mit sicheren und stabilen  Grundlagen rechnen zu können.

 

Es galt schließlich der Grundsatz, dass in aller Regel – nur mit geringen Ausnahmen – Tarifverhandlungen überbetrieblich, aber zumeist nicht für die gesamte Bundesrepublik geführt wurden. Zwar sind die Gewerkschaften und dementsprechend auch die Arbeitgeberverbände zentral für die gesamte Bundesrepublik organisiert. Die Tarifverhandlungen fanden trotzdem zumeist auf regionaler Ebene statt. Auf diese Weise konnten sehr wohl regionale Unterschiede in der Produktivität der einzelnen Wirtschaftsbereiche bei Tarifvertragsabschluss berücksichtigt werden.

 

Tarifverträge gelten zunächst einmal lediglich für die Vertragspartner. Dies bedeutet, dass ein Arbeitnehmer nur dann einen rechtlichen Anspruch auf den Tariflohn hat, wenn er erstens der Gewerkschaft angehört, welche diesen Tarifvertrag mit den Arbeitgebern vereinbart hat und wenn zweitens auch der Unternehmer, bei dem der betreffende Arbeitnehmer beschäftigt ist, ebenfalls dem (den Tarifvertrag abschließenden) Arbeitgeberverband angehört.

 

Faktisch allerdings gewährten die Unternehmungen in sehr großem Umfang die Tariflöhne auch den nicht organisierten Arbeitnehmern. Sie tun dies sicherlich nicht in erster Linie aus einer altruistischen Haltung heraus, sondern einfach deshalb, weil sie sich auf lange Sicht gerade dann besser stellen, wenn sie die Tariflöhne allen Beschäftigten gewähren.

 

Sie zahlen in diesem Falle kurzfristig zwar eine höhere Lohnsumme als verlangt, langfristig erreichen sie jedoch auf diese Weise einmal einen größeren Betriebsfrieden, der nur gewahrt werden kann, wenn sich alle Arbeitnehmer als einigermaßen gerecht behandelt ansehen können. Zum andern würden sich viele nichtorganisierten Arbeitnehmer bei einer Beschränkung der tariflichen Löhne auf die organisierten Arbeitnehmer gezwungen sehen, der Gewerkschaft beizutreten. Die Gewerkschaften wären gestärkt und könnten deshalb auch höhere Lohnsatz­steigerungen durchsetzen.

 

Die geltenden Gesetze sahen weiterhin vor, dass einer der Tarifparteien das Recht besitzt, beim zuständigen Landesarbeitsminister bzw. beim Bundesarbeitsminister eine Allgemeinverbindlich­keitserklärung zu beantragen. Werden Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt, gelten sie für alle Beschäftigten der jeweiligen Branche, gleichgültig, ob der einzelne Arbeitnehmer der jeweiligen Gewerkschaft angehört oder in einer Unternehmung beschäftigt wird, welche Mitglied des jeweiligen Arbeitgeberverbandes ist. Seit einiger Zeit gibt es weiterhin einige Branchen, in welchen ein gesetzlicher Mindestlohn vorgesehen ist.

 

Das Grundgesetz gewährt den Gewerkschaften das Recht zu streiken. Wenn die Gewerkschaften zu einem Streik aufrufen, so legen die betroffenen Arbeitnehmer ihre Arbeit kollektiv (gemeinsam) für eine bestimmte Zeit nieder, ohne dass dadurch die geltenden Arbeitsverträge auslaufen. Wie bereits erwähnt, verleiht der Gesetzgeber diesen Verträgen einen stärkeren Schutz als den sonst üblichen Verträgen zwischen Privatpersonen und privaten Organisationen.

 

Da das Grundgesetz oder ausführende Gesetze diese Bestimmungen nicht näher konkretisieren, haben die obersten Arbeitsgerichte zur Begrenzung dieser Rechte Prinzipien entwickelt und zwar das Prinzip der Kampfparität zwischen den Tarifparteien, das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Kampfmittel, das Prinzip der Neutralität des Staates und das Prinzip der Friedenspflicht.

 

Beginnen wir zunächst mit dem Prinzip der Kampfparität zwischen den Tarifparteien. So bemühten sich die obersten Arbeitsgerichte vor allem um eine Ausgewogenheit in der Machtausübung beider Tarifpartner. Ohne die Anerkennung der Gewerkschaften müsste befürchtet werden, dass die Arbeitgeber auf den Arbeitsmärkten über ein Nachfragemonopol verfügten. Würde die Tarifordnung nur den Arbeitnehmern ein Kampfrecht zuerkennen, bestünde die Gefahr, dass das Pendel der Machtverteilung umschlüge und dass deshalb die Gewerkschaften ein einseitiges Angebotsmonopol erlangen könnten. Deshalb wird den Arbeitgebern in der BRD ein Aussperrungsrecht zuerkannt, wobei der Umfang der Aussperrungsmöglichkeit selbst wiederum zur Wahrung der Kampfparität in Abhängigkeit des Streikumfanges der Gewerkschaften begrenzt wird.

 

Im Allgemeinen sind die Arbeitgeber nur zu sogenannten Abwehraussperrungen berechtigt, die dazu dienen, zuvor eingeleitete Streiks zu begrenzen. Angriffsaussperrungen gelten als nur dann zulässig, wenn die Arbeitgeber das Ziel verfolgen würden, die Arbeitsbedingungen zu verschlechtern. Da in der Bundesrepublik bisher keine Angriffsaussperrungen durchgeführt wurden, haben sich die Gerichte auch noch nicht eigens mit diesem Kampfmittel befasst und sind deshalb nur am Rande auf dieses Kampfmittel eingegangen. Hieraus erklärt sich auch, dass die Berechtigung von Angriffsaussperrungen kontrovers diskutiert wird.

 

Im Rahmen des Prinzips der Verhältnismäßigkeit der Kampfmittel achten die Gerichte darauf, dass die Maßnahmen im Hinblick auf die Ziele der Tarifpartner verhältnismäßig sind. So darf keine Tarifpartei Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, den jeweiligen Tarifpartner vernichtend zu schlagen. Auch muss darauf geachtet werden, dass allgemeine Gemeinwohlziele von den Kampfmaßnahmen nicht zu stark beeinträchtigt werden. So sind Streiks im Gesundheitswesen nur in begrenztem Maße erlaubt. Auch sind politische Streiks, die sich gegen die demokratischen Entscheidungen der Parlamente und Regierungen wenden, untersagt. Schließlich dürfen die Kampfmaßnahmen nicht in erster Linie unbeteiligte Dritte treffen. Dies war jedoch in der Vergangenheit sehr oft bei Streiks im Gesundheitswesen, im Verkehrssektor (Bundesbahn und Luftfahrt) sowie im öffentlichen Dienst (Müllabfuhr, städtische Verkehrsbetriebe) der Fall.

 

Was besagt nun das Prinzip der Neutralität des Staates? Tarifautonomie bedeutet, dass der Lohnbildungsprozess den Tarifpartnern vorbehalten bleibt, dass der Staat nicht einseitig Partei zugunsten der einen Seite ergreifen darf. Trotzdem übt der Staat einen vielfältigen Einfluss auf das Tarifgeschehen aus, wobei diese Einflussnahme vor allem damit gerechtfertigt werden kann, dass über die Festlegung der Löhne und der sonstigen Arbeitsbedingungen gesamtwirtschaftliche Ziele, deren Verfolgung dem Staate obliegen, beeinträchtigt werden können. Dies gilt insbeson­dere im Hinblick auf das Ziel der Geldwertstabilität und Vollbeschäftigung.

 

Im Zusammenhang mit dem Prinzip der Friedenspflicht sind die Gerichte weiterhin bemüht, Arbeitskonflikte soweit wie möglich zu vermeiden. Diesem Ziel dient insbesondere der Grundsatz, dass während der Dauer der Tarifverhandlungen keine Arbeitskampfmaßnahmen eingeleitet werden dürfen. Strittig ist allerdings die Frage, inwieweit Warnstreiks, die nur für eine kurze Zeit eine Arbeitsunterbrechung vorsehen und die von vornherein zeitlich auf wenige Stunden oder Tage begrenzt sind, die Friedenspflicht verletzen.

 

Weiterhin gelten sogenannte wilde Streiks, die ohne formale Urabstimmung und ohne Leitung der Gewerkschaftsspitze von einzelnen Mitgliedern ausgerufen werden, als illegitim. Zwar sind die formalen Voraussetzungen für einen offiziellen Streik in den Gewerkschaftssatzungen niedergelegt und betreffen deshalb zunächst lediglich das Innenverhältnis zwischen Gewerk­schafts­mitgliedern und Gewerkschaftsführung. Die Tarifautonomie sieht jedoch für die Aktivitäten der Tarifpartner einen weit größeren gesetzlichen Schutz vor als dies für Aktivitäten sonstiger privater Organisationen gilt, und dieser besondere Schutz entfällt, wenn z. B. im Rahmen wilder Streiks die Interessensphäre der Arbeitgeber verletzt wird.

 

 

 

3. Die ideellen Grundlagen

 

Das Recht der Arbeitnehmer, sich in Gewerkschaften zusammenzuschließen, leitet sich aus dem im Grundgesetz geschützten Recht der Koalitionsfreiheit ab. Danach ist jeder Bürger berechtigt, für bestimmte Ziele mit anderen Bürgern Koalitionen zu bilden. Dieses Recht gilt allerdings nicht für alle Ziele. Die Volkswirtschaft der BRD ist durch eine marktwirtschaftliche Ordnung und zwar der Ordnung einer sozialen Marktwirtschaft geprägt. Eine Marktwirtschaft wird jedoch nur dann zu befriedigenden Ergebnissen führen, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen zählt vor allem ein intensiver Wettbewerb auf allen Märkten und auf beiden Marktseiten.

 

Diese Voraussetzung wird verletzt, wenn sich Unternehmungen zu Kartellen zusammenschließen und Preisabsprachen treffen, um auf diese Weise den Wettbewerb zu unterbinden. Gerade weil diese Gefahr immer besteht, da Wettbewerb für die unter Konkurrenzbedingungen produ­zierenden Unternehmungen immer lästig erscheint und zu einer Reduzierung der Gewinne führen  kann, hatte Walter Eucken in seinen regulierenden Prinzipien einer Marktwirtschaft die Forderung erhoben, dass kartellartige Zusammenschlüsse von Unternehmungen untersagt werden müssen.

 

Wenn der Gesetzgeber Walter Eucken auch in der Forderung nach einem strikten Verbot von Monopol­bildungen nicht vollständig gefolgt ist, kennt unsere Gesetzgebung doch eine Monopol­aufsicht, welche bei missbräuchlicher Ausnutzung der Monopolmacht Geldbußen verhängen und bestimmte wettbewerbsbehindernde Aktivitäten (Zusammenschlüsse) untersagen kann.

 

Der Wettbewerb kann allerdings nicht nur durch bewusste Aktivitäten der Unternehmer unterbunden werden. Es gibt auch Situationen, bei denen einseitige Monopole aufgrund der Gegebenheiten entstehen. Man spricht in diesem Zusammenhang von natürlichen Monopolen. Ein solches natürliches Angebotsmonopol liegt immer dann vor, wenn die Nachfrage nach einem Gut so gering ist, dass die Aufteilung der Produktion auf mehrere Unternehmungen keine kostendeckende Produktion zulassen würde.

 

Zur Erläuterung eines solchen natürlichen Angebotsmonopols wollen wir die Produktions­bedingungen in einem Diagramm darstellen, in dem auf der Abszisse die Gütermenge und auf der Ordinate die Höhe der Kosten sowie des Güterpreises abgetragen wird. Beginnen wir mit der Darstellung der Stückkostenkurve. Diese ordnet jeder Gütermenge eine bestimmte Stück­kostenhöhe zu.

 

Zur Aufnahme der Produktion muss z. B. eine Anlage errichtet werden, die hierbei entstehenden Kosten (die sogenannten fixen Kosten) fallen unabhängig davon an, ob und wie viel produziert wird. Die fixen Stückkosten entsprechen deshalb auch bei einer Produktion einer einzelnen Gütereinheit gerade der Höhe der gesamten Fixkosten. Wird nun die Produktion ausgeweitet, so sinken die fixen Stückkosten umso mehr, je mehr produziert wird.

 

Betragen z. B. die fixen Kosten insgesamt 10 000 €, so belaufen sich die fixen Stückkosten bei einer einzigen Produktionseinheit: 10 000/1 = 10 000, bei 2 Einheiten 10 000/2 = 5000, bei zehn Einheiten 10 000/10 = 1000, bei tausend Einheiten 10 000/1000 = 10 usw. Die Kurve der fixen Stückkosten hat also einen negativen Verlauf, die fixen Stückkosten fallen in dem Maße, in dem die Produktionsmenge steigt. Die Kapazitätsgrenze gibt dann an, bis zu welcher Menge maximal produziert werden kann.

 

Nun entstehen bei der Produktion neben den fixen Kosten auch sogenannte variable Kosten. Um Güter zu produzieren, bedarf es bestimmter Rohstoffe und Halbfabrikate, Arbeitsleistungen müssen vollbracht werden, wobei diese variablen Kosten teilweise proportional mit der produzierten Menge, bisweilen aber auch unter- oder auch überproportional ansteigen.

 

Addiert man nun die jeweiligen fixen und variablen Kosten, so kann man den Verlauf der gesamten Stückkosten bei wachsender Produktion ermitteln. Zunächst werden auch die gesamten Stückkosten fallen, da die Verringerungen in den fixen Stückkosten die variablen Stückkosten übersteigen. Von einer bestimmten Produktionsmenge an sind die Verringerungen in den fixen Kosten so gering, dass die gesamten Stückkosten steigen. Wir können also vom folgenden Verlauf der Kurve der gesamten Stückkosten ausgehen:

 

 

 

 

 

 

Gleichzeitig haben wir in dieses Diagramm zwei Nachfragekurven eingezeichnet, wobei die blaue Kurve angibt, wie viel Gütermengen bei alternativen Preisen für den Fall nachgefragt werden, wenn dieses Gut nur von einem Unternehmer angeboten wird, während die grün gestrichelte Kurve den Nachfrageverlauf für den Fall zeigt, dass sich mehrere Unternehmungen z. B. zwei in die Produktion teilen.

 

Die Graphik zeigt, dass im Falle eines Angebotsmonopols die Unternehmung bei einer Produktion in Höhe von X1 gerade auf ihre Kosten kommt, dass es aber bei einem oligopolistischen Angebot für die einzelnen Anbieter keine Ausbringungsmenge gibt, bei der die Unternehmungen ohne Verluste produzieren könnten. Auf Dauer würde also die Produktion der einzelnen Unternehmungen eingestellt werden, bis dann lediglich eine Unternehmung als Ange­bots­monopolist übrig bliebe.

 

Nun wird man vermuten können, dass im Zuge der Globalisierung und damit eines weltweiten internationalen Handels solche natürlichen Angebotsmonopole sicherlich zu den Ausnahmen zählen. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass weltweit die Nachfrage nach allen Gütern so groß ist, dass sich auch mehrere Unternehmungen in die Produktion teilen und hierbei auch Gewinne erzielen können.

 

Ganz anders ist die Situation auf den Märkten für Produktionsfaktoren. So muss für den Produktionsfaktor Arbeit davon ausgegangen werden, dass in beachtlich vielen Fällen die Situation eines Nachfragemonopols vorliegt. Zu Beginn der Industrialisierung kam es aufgrund mangelnder Verkehrsverhältnisse zu einem Nachfragemonopol auf den Arbeitsmärkten. Oftmals gab es in den einzelnen Städten nur eine oder nur wenige Unternehmungen und die Verkehrs­netze waren noch nicht so weit ausgebaut, dass die Arbeitnehmer auch in Nachbargemeinden einer erwerbswirtschaftlichen Arbeit nachgehen konnten.

 

Hierbei kommt es weniger darauf an, wie viel Unternehmungen es in einer Gemeinde gibt. Auch dann, wenn mehrere Unternehmungen in einer Gemeinde angesiedelt sind, haben Arbeitnehmer oftmals aufgrund ihrer speziellen Ausbildung nur die Möglichkeit, bei einer Unternehmung beschäftigt zu werden. Nicht alle beruflichen Qualifikationen werden bei der Produktion eines Gutes benötigt. Hier waren also viele Arbeitnehmer auf Gedeih und Verderb auf einen einzigen Arbeitgeber angewiesen.

 

Im Zuge der Weiterführung der Industrialisierung wurden auf der einen Seite die Verkehrsnetze stark ausgebaut, auf der anderen Seite stieg das Wachstumsniveau auch so stark an, dass sich immer mehr Arbeitnehmer Fahrzeuge wie Fahrräder, Motorräder und PKWs leisten konnten, die es ihnen ermöglichten, auch in Nachbargemeinden einen Arbeitsplatz anzunehmen. Gleichzeitig stiegen die Möglichkeiten, mit Hilfe öffentlicher Nahverkehrsmittel (Straßenbahnen, Busse und Eisenbahnen) auch größere Entfernungen zwischen Wohnort und Arbeitsstätte täglich zurückzulegen.

 

Trotz dieser Entwicklung muss auch heute noch oftmals davon ausgegangen werden, dass die Unternehmungen nach wie vor auf den Arbeitsmärkten ein natürliches Nachfragemonopol besitzen. Ein einzelner Arbeitnehmer wird nur in ganz wenigen Fällen vor der Aufgabe stehen, einen neuen Arbeitsplatz aufzusuchen und einen Arbeitsvertrag abzuschließen. Die wenigen Vertragsabschlüsse eines Arbeitnehmers reichen nicht aus, in den Verhandlungen mit dem Arbeitgeber Spezialwissen zu erwerben, das ihn in die Lage versetzt, die bestmöglichen Arbeitsplatzbedingungen auszuhandeln.

 

Demgegenüber erwerben bereits mittlere Unternehmungen und vor allem Großunternehmungen im Zusammenhang mit der Neueinstellung von Arbeitskräften und Aushandeln der Arbeitsbe­dingungen Spezialwissen. Sie beschäftigen hunderte oder tausende Arbeitnehmer, aufgrund großer Fluktuation und auch Ausweitung der Produktion müssen immer wieder neue Arbeitskräfte eingestellt werden. Die meisten Unternehmungen können eigene Personalab­teilungen einrichten, welche sich auf diese Aufgaben spezialisieren können, sie können Spezialisten einstellen  und gerade dadurch sehr viel Wissen erwerben.

 

Aufgrund dieses Wissens erlangen die meisten Unternehmungen eine Art Informationsmonopol gegenüber ihren Beschäftigten mit der Folge, dass die Lohnsätze sowie die anderen Arbeits­bedingungen genauso unter den Konkurrenzlohn gedrückt werden könnten wie dann, wenn auch im morphologischen Sinne ein Nachfragemonopol vorliegen würde. ***

 

Hätten wir auf den Arbeitsmärkten einen vollständigen Wettbewerb, so würde der Markt dafür sorgen, dass sich die Lohnsätze am Wertgrenzprodukt der Arbeit (dem mit dem Güterpreis bewerteten Grenzertrag der Arbeit) ausrichten. Der Arbeitnehmer erhielt als Lohnsatz den Zuwachs am Inlandsprodukt, den die zuletzt eingesetzte Arbeitsstunde verursacht hat. Die Entlohnung entspricht hier somit dem Beitrag des einzelnen Arbeitnehmers zur allgemeinen Wohlfahrtssteigerung.

 

Eine solche Entlohnung könnte man sehr wohl als fair bezeichnen. Es gilt hier das Leistungs­prinzip, jeder wird nach seiner individuellen Leistung entlohnt. Als fair kann diese Art der Entlohnung auch deshalb bezeichnet werden, als unter den Bedingungen einer vollständigen Konkurrenz auf allen Märkten auch alle anderen Produktionsfaktoren nach dem gleichen Prinzip entlohnt werden. Der Entlohnungssatz eines jeden Produktionsfaktors entspricht unter diesen Bedingungen im Gleichgewicht dem jeweiligen Wertgrenzprodukt der einzelnen Produktionsfaktoren. Im Gleichgewicht tendieren die reinen Unternehmergewinne gegen null.

 

Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Unternehmer überhaupt kein Einkommen erzielen. Für ihre Arbeitsleistung erhalten sie einen ‚Unternehmerlohn‘, für die eingebrachten Grundstücke eine Bodenrente (Pacht), für das eingesetzte Eigenkapital den vorherrschenden Zins. Bestehen weiterhin Nachfrageüberhänge, so erzielen die Unternehmer solange einen ‚windfall profit‘ als Anreiz, die Produktion auszuweiten, bis der Nachfrageüberhang wiederum abgebaut ist. In gleicher Weise machen die Unternehmer aber auch vorübergehend Verluste bei Angebots­überhängen. Auch diese Verluste haben die Funktion, den Unternehmern einen Anreiz zu geben, die Produktion den veränderten Marktbedingungen anzupassen.

 

Weist ein Unternehmer überdurchschnittliche Leistungen auf, so erzielt er auch im Gleichgewicht einen Differentialgewinn, wie übrigens auch jeder andere Produktionsfaktor. Schließlich verschafft die Patentgesetzgebung bis zum Ablaufen des Patentes einen vorübergehenden Gewinn für Innovationen (Verbesserungen der Produktionstechnik).

 

Da wir jedoch in der Realität in sehr vielen Fällen nicht davon ausgehen können, dass der Arbeitsmarkt wettbewerblich organisiert ist, also damit rechnen müssen, dass ein Nachfragemonopol vorliegt, hätten die Unternehmer ohne Tarifautonomie die Möglichkeit, den tatsächlichen Lohn unter den Lohn bei Konkurrenz anzusetzen.

 

Betrachten wir zunächst anhand eines Diagramms, von welchen Faktoren es abhängt, dass der Lohn bei Nachfragemonopol auf dem Arbeitsmarkt unterhalb des Konkurrenzlohnes liegt und wodurch die Differenz zum Konkurrenzlohn bestimmt wird. Wir tragen hierzu auf der Abszissenachse die Menge an Arbeitsstunden und auf der Ordinatenachse den Reallohnsatz ab. 

 

Wir gehen von einem normalen Verlauf der Nachfrage- sowie der Angebotskurve aus, wobei wir der Einfachheit halber beide Kurven als lineare Funktion einzeichnen. Der Kern der Aussagen wird hierdurch nicht berührt. Der Schnittpunkt beider Kurven markiert die Beschäftigungs­menge Ak sowie den Reallohnsatz lk, die dann realisiert worden wären, wenn wir von der Marktform der vollständigen Konkurrenz hätten ausgehen können.

 

Da jedoch annahmegemäß die Unternehmer auf den Arbeitsmärkten ein Nachfragemonopol innehaben, steuert der Markt einer Lösung zu, bei der das Grenzprodukt der Arbeit nicht dem Lohnsatz, sondern den Grenzausgaben im Zusammenhang mit der Nachfrage nach Arbeitskräften entspricht. Nur bei vollständiger Konkurrenz würden die Ausgabenzuwächse bei Ausweitung der Arbeitsnachfrage um eine Einheit mit dem Lohnsatz zusammenfallen. Bei einer monopolistischen Nachfrage entstehen dem Unternehmer dann, wenn er eine Arbeitseinheit mehr nachfragt zu dem Lohnsatz, den der Unternehmer dem neu eingestellten Arbeitnehmer zu zahlen hat dadurch zusätzliche Kosten, dass die Mehrnachfrage zu einem generellen Zuwachs des Lohnsatzes führt (dl), der allen beschäftigten Arbeitnehmern zu zahlen ist (dl * A). Der Unternehmer erreicht sein Gewinnmaximum dann, wenn diese Grenzausgaben gerade dem Grenzprodukt der Arbeit entsprechen.

 

Wir können den Verlauf der Grenzausgaben aus der Angebotskurve ableiten, die Grenz­ausgaben­kurve fällt beim Schnittpunkt mit der Ordinatenachse mit der Angebotskurve zusammen, steigt jedoch wie gezeigt mit wachsender Nachfrage stärker an als der Lohnsatz.

 

 

 

 

 

 

 

Wie die Graphik zeigt, liegt der Schnittpunkt der Grenzausgabenkurve mit der Nachfragekurve  bei einer geringeren Beschäftigung (Am) als bei vollständiger Konkurrenz (Ak). Entsprechend der Angebotskurve führt jedoch die verminderte Nachfrage nach Arbeit auch zu einem geringeren Lohnsatz (l/pm) als bei Konkurrenz (l/pk).

 

Wenn wir nun zusätzlich davon ausgehen müssen, dass auch auf den Gütermärkten die Unternehmer über ein Angebotsmonopol verfügen, so ist mit einer weiteren Reduzierung in den Lohnsätzen zu rechnen. Haben nämlich die Unternehmer auf den Gütermärkten die Position eines Angebotsmonopols inne, erreichen sie ihr Gewinnmaximum bei einer Angebotsmenge, welche geringer ausfällt als bei vollständigem Wettbewerb. Der Angebotsmonopolist übt seine Macht dadurch aus, dass er das Angebot verknappt und dadurch die Konsumenten veranlasst, einen höheren Preis zu zahlen.

 

Verringert sich jedoch die Menge der angebotenen Güter, so geht auch die Nachfrage nach Arbeit zurück, da eine geringere Gütermenge auch mit einer geringeren Beschäftigung produziert werden kann. In dem untenstehenden Diagramm äußert sich diese monopolistische Macht auf den Gütermärkten in einer Verschiebung der Arbeitsnachfragekurve nach unten (siehe gestrichelte Nachfragekurve). Wie die Graphik zeigt, führt diese Verschiebung zu einer weiteren Verringerung der Beschäftigung (Am‘) sowie des gleichgewichtigen Lohnsatzes (l/pm).

 

 

 

 

 

Fortsetzung folgt!