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Ordnungsanalyse

 

Gliederung:                     

 

1. Einführung in die Problematik

2. Merkmale der einzelnen Ordnungstypen

3. Die Unterscheidung verschiedener Ordnungssysteme

4. Die Zieleignung der einzelnen Ordnungstypen

5. Zur Pathologie der Ordnungstypen

 

 

 

Einführung in die Problematik

 

Die primäre Aufgabe eines Ordnungssystems liegt in der Koordination von Einzelentscheidungen. Einer Koordination bedarf es über all dort, wo mehrere Individuen eine Gemeinschaft bilden. Dies gilt zunächst für marktwirtschaftliche Systeme, in denen die einzelnen Unternehmungen und Haushalte selbst darüber befinden, wie sie ihre materiellen Ressourcen einsetzen. Es leuchtet ohne weiteres ein, dass die einzelnen Pläne einer gegenseitigen Abstimmung bedürfen.

 

Einer Koordination bedarf es aber auch in einer staatlichen Planwirtschaft. Zwar sollen hier die wirtschaftlichen Entscheidungen von einem zentralen Plan des Staates ausgehen. Eine Koordination ist jedoch auch hier aus zweierlei Gründen notwendig. Auf der einen Seite überstiege es die Fähigkeiten eines sonst allmächtigen Diktators, wollte er alle anstehenden wirtschaftlichen Entscheidungen einer Volkswirtschaft, die sich aus mehr als einer Hand voll Bürger zusammensetzt, allein treffen. Er bedarf hierzu einer Bürokratie, welche aus einer Vielzahl von Bürokraten besteht und deren Umfang um so größer ist, je größer die Volkswirtschaft ist, für die ein zentraler Plan aufgestellt werden soll.

 

Eine Bürokratie besteht hierbei aus einer Vielzahl von über- und untergeordneten Instanzen, selbst die zentrale Instanz wird aus mehreren Personen gebildet, der Diktator, welcher das Gemeinwesens leitet, steht lediglich u. U. dieser Bürokratie vor.

 

Eine Koordination ist in einer staatlichen Planwirtschaft aber im allgemeinen auch deshalb notwendig, weil auch in einer sehr straffen Planwirtschaft den einzelnen Bürgern bestimmte Freiheitsrechte zugestanden werden müssen, die selbst wiederum einer Koordination bedürfen. Nur in einer idealtypischen Form einer staatlichen Zentralverwaltungswirtschaft werden restlos alle anstehenden Entscheidungen der Zentrale übertragen und sind die einzelnen Betriebe und Haushalte nur Befehlsempfänger der Zentrale.

 

Es gibt vor allem zwei Gründe, weshalb Einzelentscheidungen koordiniert werden müssen. Ein erster Grund für einen Koordinationsbedarf liegt darin begründet, dass von fast allen Entscheidungen eines Individuums externe, vor allem negative Effekte ausgehen, welche einen Interessenkonflikt auslösen. Auf der einen Seite sind die materiellen Ressourcen knapp und dies bedeutet, dass in dem Maße, in dem sich das eine Individuum einen größeren Teil der Ressourcen aneignet, für die übrigen Individuen weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite gehen von den Aktivitäten eines Individuums oftmals unmittelbare Wirkungen auf das Interessenfeld der anderen Individuen aus, so z. B. wenn die Bebauung und Nutzung eines Individuums für den Besitzer eines Nachbargrundstücks zahlreiche Belästigungen wie Lärm, Aussichtsbehinderung etc. mit sich bringt.

 

Ein zweiter Grund dafür, dass die Aktivitäten der einzelnen Individuen koordiniert werden müssen, liegt darin, dass die wirtschaftlichen Aufgaben in einer modernen Gesellschaft zu einem großen Teil arbeitsteilig angegangen werden. Im Allgemeinen produzieren die Haushalte ihren Bedarf an wirtschaftlichen Gütern nicht selbst; es werden vielmehr Unternehmungen gebildet, in denen einzelne Güter gemeinsam produziert werden.

 

Gleichzeitig spezialisieren sich die einzelnen Unternehmungen und Haushalte auf ganz spezifische Tätigkeiten und Güter, der eine produziert das eine Gut, der andere ein anderes. Durch diese Spezialisierung und Arbeitsteilung steigt die Produktivität enorm an und allen Individuen stehen im Durchschnitt wesentlich mehr Güter zur Verfügung, als wenn jeder den Versuch unternehmen würde, seinen Eigenbedarf für sich selbst und allein zu produzieren.

 

Eine solche arbeitsteilige Produktion bedarf jedoch vielfältiger Abstimmungen. Auf der einen Seite müssen die einzelnen Tätigkeiten innerhalb einer Unternehmung auf einander abgestimmt werden. Auf der anderen Seite ist der einzelne zu einer solchen Spezialisierung nur dann bereit, wenn er fest damit rechnen kann, dass er im Austausch mit dem von ihm selbst produzierten Gütern alle anderen Güter seines Bedarfes erwerben kann.

 

Eine wirtschaftliche Ordnung legt fest, welche Ziele im Einzelnen verfolgt werden, mit welchen Mitteln diese Ziele angegangen werden und welchen Trägern bestimmte Aufgaben zugewiesen werden. Die einzelnen Ordnungssysteme unterscheiden sich in der Beantwortung jeder dieser drei Grundfragen. Ein marktwirtschaftliches System zeichnet sich vor allem darin aus, dass es im Grundsatz jedem einzelnen Haushalt und jeder Unternehmung frei steht, wie er bzw. sie seine bzw. ihre Ressourcen verwendet. In einer staatlichen Planwirtschaft hingegen wird die Verwendung der Ressourcen von Seiten des Staates bestimmt.

 

 

2. Merkmale der einzelnen Ordnungstypen

 

Die Koordination von Einzelentscheidungen erfolgt in der Regel einmal dadurch, dass die einzelnen Individuen Informationen erhalten, welche notwendig sind, um die wechselseitige Anpassung der Planungsträger vorzunehmen; zum andern erfolgen Anreize einschließlich Sanktionen, die sicher stellen, dass sich die einzelnen auch entsprechend dieser Informationen verhalten.

 

Ein Unternehmer braucht erstens Informationen darüber, wie groß die Nachfrage nach den von ihm produzierten Gütern bei alternativen Preisen ist, welche Güterqualitäten die Verbraucher nachfragen, wie groß die Zahl der Konkurrenten ist, die dieses Gut oder verwandte Güter ebenfalls produzieren, zu welchen Preisen die im Wettbewerb stehenden Unternehmer diese Güter anbieten usw. usf.

 

Damit aber der Unternehmer diesen Informationen entsprechend handelt, muss gewährleistet sein, dass der Unternehmer genau dann seinen Gewinn maximiert, wenn er seine Produktion an den Wünschen der Verbraucher ausrichtet und dass eine Produktionsausrichtung, welche diese Bedürfnissen unberücksichtigt lässt, mit Verlusten bestraft wird. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass genau diese Anreize von einem Wettbewerb der Unternehmer ausgehen.

 

Informationen lassen sich nun erstens danach unterscheiden, ob sie normativer oder explikativer Natur sind. Normative Informationen liegen vor, wenn den einzelnen Beteiligten mitgeteilt wird, wie sie sich zu verhalten haben. So erhält z. B. ein Betriebsleiter in einer staatlichen Planwirtschaft von seiner übergeordneten Behörde Anweisungen darüber, welche Güter und in welchen Mengen er diese zu produzieren hat.

 

Informationen ganz anderer Art liegen vor, wenn ein Unternehmer in einer Marktwirtschaft in Erfahrung bringt, welche Güter und in welchen Mengen er gegebenenfalls bei bestimmten alternativen Preisen absetzen kann. Diese Informationen unterscheiden sich nicht nur darin, dass hier keine Anweisungen erteilt werden, sondern dass nur über Möglichkeiten unterrichtet wird, dass keine Anweisungen an die Betroffenen herangetragen werden. Explikative Informationen werden in der Regel aus Eigeninitiative erworben.

 

Ein zweites Unterscheidungsmerkmal möglicher Informationen liegt in der möglichen Bündelung der Informationen. Eine Information kann nur schwach gebündelt erfolgen; es werden hier die notwendigen Schritte einzeln aufgezählt und umschrieben. Auf der anderen Seite kann die Bündelung so stark sein, dass die Information nur noch in einem Symbol besteht, dass die Mitteilung dieses Symbols ausreicht, um dem Adressaten die notwendigen Informationen mitzuteilen.

 

Eine starke Bündelung der Informationen erfolgt z. B. in einem Geldsystem im Vergleich zur reinen Tauschwirtschaft. Im Rahmen eines Geldsystems werden alle Güter in Preisen bewertet, die Angabe der Preise reicht aus, um eine eindeutige Rangordnung der einzelnen Güter vorzunehmen. In einer Marktwirtschaft lassen sich die meisten entscheidungsrelevanten Informationen in Geldgrößen bewerten.

 

In ähnlicher Weise arbeiten auch demokratische Wahlsysteme mit einer starken Bündelung. Die einzelnen Parteien mögen sich noch so sehr nach den unterschiedlichsten Kriterien unterscheiden, am Ende entscheidet allein die Anzahl der Wahlstimmen darüber, wer als Sieger aus den Wahlen hervorgeht. Alle politisch relevanten Einflussfaktoren lassen sich also auch hier schließlich in Stimmenverhältnissen ausdrücken.

 

Das bürokratische System zeichnet sich demgegenüber durch eine sehr schwache Bündelung der Informationen aus. In zahlreichen Gesetzen und Verordnungen wird festgelegt und genau umschrieben, wie sich die Untergebenen zu verhalten haben. In ähnlicher Weise arbeitet auch ein Verhandlungssystem mit einer großen Menge an Informationen. Um zu erfahren, welche Verhandlungsposition eine Gewerkschaft gegenüber den Arbeitgebern erreicht hat, bedarf es zahlreicher Informationen, eine einzelne Bezugsgröße reicht im allgemeinen nicht aus, um die Verhandlungsführer mit ausreichend Informationen zu versorgen.

 

Ein gewerkschaftlicher Verhandlungsführer muss z. B. über die Produktivität der Arbeitskräfte, über die Gewinnlage der Unternehmer, über die Verbindlichkeit der Aufträge und über die materiellen Folgen für den Fall, dass wegen eines Streiks die Waren nicht rechtzeitig ausgeliefert werden können, unterrichtet sein, um Entscheidungen über Lohnforderungen und Drohung mit Streik sachgerecht zu entscheiden.

 

Verbinden wir beide Unterscheidungsmerkmale (starke / schwache Bündelung, normativ / explikativ) miteinander erhalten wir vier unterschiedliche Arten der Informationsgewinnung:

 

Die Informationen eines Ordnungssystems können erstens stark gebündelt und normativer Natur sein. Ein wichtiges Beispiel für diese erste Art der Informationsgewinnung sind die Verkehrsampeln. Das System der Verkehrsampeln regelt die Vorfahrt an Straßenkreuzungen lediglich über die Farben: rot, gelb und grün. Weiterer Informationen bedarf es nicht, um eindeutig zu bestimmen, wer gerade Vorfahrt hat und wer anhalten muss.

 

Informationen können zweitens stark gebündelt und explikativer Natur sein. Eine solche Informationsart liegt wie bereits erwähnt in der Geldwirtschaft, aber auch im Wahlsystem vor. Der Preis bestimmt, welche Ware gekauft wird, genauso wie die Stimmenverhältnisse darüber entscheiden, wer in einer Demokratie die Macht erhält.

 

Drittens kennen wir normative Informationssysteme mit einer schwachen Bündelung. Jedes Gesetz und jede Verordnung entspricht diesem Informationstyp. Eine Verordnung z. B. regelt sehr ausführlich, was bestimmte Individuen zu tun und zu lassen haben.

 

Viertens schließlich kennen wir den Informationstyp, welcher nur schwach bündelt und explikativer Natur ist. Wir erwähnten bereits als Beispiel die Verhandlungen der Tarifpartner; hier wird eine ganze Anzahl von Informationen zwischen den Verhandlungspartnern ausgetauscht.

 

Wenden wir uns dem zweiten Merkmal einer Koordination: den Anreizen zu. Hier können wir erstens zwischen positiven und negativen Anreizen unterscheiden. Positive Anreize zeichnen sich dadurch aus, dass sie die erwünschten Aktivitäten belohnen, negative Anreize hingegen, dass sie Handlungen, welche unerwünscht sind, sanktionieren (bestrafen). Ein positiver Anreiz wäre z. B. eine Prämie, ein negativer Anreiz ein Bußgeld.

 

Zweitens können wir die Anreize danach unterscheiden, welche seelische Instanz sie ansprechen, wobei das materielle Interesse, das Gewissen oder das Ansehen in der Gemeinschaft angesprochen werden können. Kombinieren wir diese beiden Eigenschaften erhalten wir insgesamt sechs mögliche Typen eines Anreizes.

 

Ein Anreiz kann sich erstens an das materielle Interesse richten und positiver Natur sein: Jede Preissenkung stellt für den Käufer einen Anreiz dar, von dem betreffenden Gut mehr nachzufragen, genauso wie Preiserhöhungen den Verkäufern einen Anreiz geben, mehr von diesem Gut zu produzieren und anzubieten.

 

Preisvariationen stellen jedoch zweitens gleichzeitig materielle negative Anreize dar. Dieselbe Preissenkung, welche dem Käufer einen positiven Anreiz gewährt, veranlasst den Produzenten, von diesem Gut weniger zu produzieren; und die gleiche Preissteigerung, welche den Produzenten dazu animiert, von einem Gut mehr zu produzieren, veranlasst den Käufer dieser Ware, weniger nachzufragen.

 

Nehmen wir drittens den Fall eines positiven Anreizes, der das soziale Ansehen fördern soll. Ein Beispiel hierfür wäre ein Orden, welcher einem Bürger dafür verliehen wird, dass er sich für die Gemeinschaft eingesetzt hat, die Ordensverleihungen geben den Bürgern einen Anreiz, mehr für die Gemeinschaft zu tun.

 

Eine öffentliche Diffamierung stellt viertens ein negativer Anreiz dar, welcher das soziale Ansehen des Diffamierten anspricht: Durch die Diffamierung werden einzelne Bürger dadurch bestraft, dass sie ein nicht erwünschtes Verhalten gezeigt haben. Sie sollen auf diese Weise von den unerwünschten Verhaltensweisen (z. B. vom Drogenkonsum) abgeschreckt werden.

 

Von dieser Art Diffamierung sind allerdings jene Formen zu unterscheiden, welche gegenüber Menschen mit bestimmten angeborenen Merkmalen ausgeübt werden, so z. B. die Diffamierung von Ausländern, welche z. B. aufgrund ihrer Hautfarbe diffamiert werden. Da diese Merkmale nicht abgelegt werden können, stellen sie auch keine echte Abschreckung dar. Natürlich erfolgt eine solche Diffamierung oftmals deshalb, um auf diese Weise die betreffenden Personen dazu zu bewegen, das Land zu verlassen.

 

Ein positiver Anreiz, welcher sich an das Gewissen wendet, erfolgt fünftens z. B. dann, wenn die Bürger aufgefordert werden, vorwiegend solche Waren zu kaufen, welche im eigenen Land produziert wurden.

 

Ein letzter sechster Anreiz, welcher negativer Natur ist und sich an das Gewissen der Beteiligten richtet, liegt z. B. bei den Maßhalteappellen der Politiker vor. So wurden z. B. die Tarifpartner im Rahmen der Konzertierten Aktion aufgefordert, nur solche Lohnsteigerungen zu beschließen, welche nicht über den festgelegten Lohnleitlinien liegen. Wegen der in der BRD gültigen Tarifautonomie war es nicht möglich, die Tarifpartner zu einem solchen die Geldwertstabilität fördernden Verhalten zu zwingen; man appellierte deshalb an das soziale Gewissen (an die soziale Verantwortung) der Gewerkschaften und Arbeitgeber, alle Lohnsteigerungen zu unterlassen, welche die Geldwertstabilität gefährden könnten.

 

 Die Koordinationsleistung eines Ordnungssystems hängt allerdings nicht nur von der Art der Information und der Anreize ab. Koordination verlangt von den Beteiligten stets eine wechselseitige Anpassung und diese Anpassung unterscheidet sich unter anderem danach, wie schnell und wie differenziert auf Änderungen reagiert werden kann. Hierbei lässt sich zwischen einem zeitlichen, funktionellen und personellen Differenzierungsgrad unterscheiden.

 

In zeitlicher Hinsicht können sehr unterschiedliche Zeiträume verstreichen, bis eine Anpassung an die Datenänderungen überhaupt möglich ist. Nehmen wir den Markt, in dem – zumindest im Prinzip – eine Anpassung des eigenen Verhaltens an die Datenänderungen (z. B. an eine Preissteigerung) unmittelbar nach Eintreten der Datenänderung möglich ist. Erfährt ein Haushalt, dass sich die Preise bestimmter Gemüsesorten drastisch erhöht haben und ist es für einen Haushalt zweckmäßig, andere Gemüsesorten zu verbrauchen, so kann der Haushalt diese Anpassung unmittelbar nach der Preisänderung vornehmen.

 

Natürlich ist auch im Marktgeschehen bisweilen mit Verzögerungen in der Anpassung zu rechnen. So verhindern Kündigungsfristen die sofortige Minderung in der Nachfrage nach den Arbeitskräften, bei denen Lohnsteigerungen eingetreten sind. Kündigungsfristen stellen jedoch bereits Korrekturen des Marktes dar, die aufgrund politischer Ziele nachträglich eingeführt wurden. Es gibt aber auch Anpassungsverzögerungen, welche in der Natur des Produktionsprozesses liegen.

 

Wenn eine Unternehmung eine Produktionsanlage erworben hat, welche eine Produktion für eine Vielzahl von Jahren ermöglicht, ist es nicht vorteilhaft, bei Preissenkungen einer anderen Produktionsanlage, welche jedoch in etwa die gleiche Funktion erfüllt, unmittelbar die alte Anlage stillzulegen und eine neue Anlage zu erwerben. Eine Unternehmung wird im Allgemeinen erst dann die neue billigere oder technisch bessere Anlage erwerben, wenn die Lebensdauer der vorhandenen Anlage weitgehend abgelaufen ist.

 

Nehmen wir als Gegenbeispiel die Wahlprozesse im Rahmen einer staatlichen Demokratie. Gewählt wird in der Regel in Abständen von vier bis fünf Jahren. Treten innerhalb dieser Wahlperiode Änderungen ein, welche aus der Sicht der Wähler eine andere Zusammensetzung der Regierung erwünscht sein lassen, so können die Wähler im Allgemeinen diese Änderung erst nach Ablauf der Wahlperiode vollziehen. Es verstreicht also hier ein sehr viel längerer Zeitraum, bis auf die Datenänderungen reagiert werden kann.

 

Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen von dieser Regel. Bei besonders drastischen Ereignissen sehen manche Verfassungen vor, dass auch vorzeitig eine neue Wahl einberaumt werden kann; oder aber die Regierung sieht sich aufgrund besonderen Unmutes in der Bevölkerung veranlasst, vorzeitig zurückzutreten und damit den Weg für Neuwahlen frei zumachen. Hier wäre also dann die Verzögerungsperiode verringert. Trotz dieser Ausnahmen im Wahlprozess und auf den Märkten kann jedoch davon ausgegangen werden, dass in wirtschaftlichen Systemen sehr viel schneller auf Datenänderungen reagiert werden kann als in politischen Wahlsystemen. Der zeitliche Differenzierungsgrad eines Marktsystems ist sehr viel größer als der eines politischen Wahlsystems.

 

Die Anpassungstiefe kann sich zweitens je nach Ordnungssystem auch in funktioneller Hinsicht unterscheiden. Eine Anpassung an Datenänderungen hat ein anderes Ergebnis, je nachdem, ob viele oder wenige Alternativen zur Diskussion stehen. Nehmen wir als erstes das Beispiel der Politik und unterstellen ein Mehrheitswahlsystem, in welchem vorwiegend zwei Parteien mit einander konkurrieren. Ist ein Wähler mit der Politik der augenblicklichen Regierung unzufrieden, hat er bei der nächsten Wahl lediglich die Möglichkeit, zur Oppositionspartei überzuwechseln.

 

Jede Partei stellt in ihrem Wahlprogramm eine Kombination von Lösungen unterschiedlicher Problemfelder zusammen. Es ist durchaus möglich, dass ein einzelner Wähler eigentlich die Wirtschaftspolitik und Kulturpolitik der Partei A, aber die Sozial- und Außenpolitik der Partei B präferiert; trotzdem muss er sich für eine Partei entscheiden und damit das von dieser Partei angebotene Lösungsbündel akzeptieren.

 

Haben wir ein Proporzwahlsystem, so sind die Wahlmöglichkeiten des Wählers zwar etwas größer, er kann dann in der Regel zwischen mehreren Parteien wählen; es bleibt jedoch die Beschränkung, die darin besteht, dass er sich für ein Lösungsbündel einer Partei entscheiden muss.

 

Ganz anders sind im Allgemeinen die Wahlmöglichkeiten eines Konsumenten in einem Marktsystem. Er wird hier bei Anpassungsprozessen nicht gezwungen, zwischen einigen wenigen Güterbündeln zu wählen. Er kann im Prinzip bei jedem einzelnen Gut, das er nachfragt, frei entscheiden, welche Güterart er wählt; der Umstand, dass er sich bei Lebensmitteln für Bio-Waren entschieden hat, zwingt ihn nicht zu einer ganz bestimmten Wahl z. B. bei Möbeln.

 

Natürlich ist es denkbar, dass sich bestimmte Güterzusammenstellungen aus weltanschaulichen oder aber auch aus modischen Gründen anbieten, wer Bio-Lebensmittel bevorzugt wird aus grundsätzlichen Überlegungen heraus auch z. B. Energiearten bevorzugen, welche aus erneuerbaren Energierohstoffen gewonnen wurden. Aber auch hier wird man davon ausgehen müssen, dass Marktsysteme insgesamt eine größere Anzahl von Alternativen ermöglichen als politische Wahlsysteme. Der funktionelle Differenzierungsgrad der Märkte ist größer als die Differenzierung politischer Systeme.

 

Unterschiede in den Ordnungssystemen ergeben sich drittens auch im personellen Differenzierungsgrad. Auf Märkten werden Individualgüter, in politischen Systemen hingegen Kollektivgüter angeboten. Der Umstand, dass sich das eine Individuum für das Gut A entschieden hat, zwingt in marktwirtschaftlichen Systemen nicht die anderen Individuen ebenfalls sich für das Gut A zu entscheiden. Die Entscheidungen der einzelnen Individuen sind im Markt grundsätzlich von einander unabhängig.

 

Natürlich gehen von den Entscheidungen des einen Individuums auch Einflüsse auf die Entscheidungen der anderen aus. Die Tatsache, dass das eine Individuum von einem bestimmten Gut mehr nachfragt, erhöht den Preis und über den Preis die Nachfrageentscheidung der anderen Individuen. Darüber hinaus gibt es Bemühungen z. B. durch Mode die Nachfrage der einzelnen Konsumenten so zu beeinflussen, dass alle Individuen möglichst ähnliche Güter nachfragen.

 

Aber hier handelt es sich weniger um Anreize, welche vom wirtschaftlichen Subsystem ausgehen als vielmehr um Einflüsse des kulturellen Subsystems. Trotzdem sind die Entscheidungen der einzelnen im juristischen Sinne unabhängig von einander, der Einzelne kann sehr wohl diesen Einflüssen trotzen und sich nicht nach der allgemeinen Mode ausrichten.

 

In politischen Systemen werden hingegen die Leistungen grundsätzlich als Kollektivgüter angeboten, die der gesamten Bürgerschaft oder zumindest doch einem großen Teil zugute kommen, der einzelne hat nicht die Möglichkeit, ein anderes Kollektivgut zu konsumieren als seine Mitbürger; er kann sich zwar durch Einfluss auf die Politiker darum bemühen, dass Kollektivgüter seiner Wahl angeboten werden, er hat jedoch in diesen Bemühungen nur dann Erfolg, wenn eine Mehrheit der Wähler ebenfalls diese Güter bevorzugt.

 

 

3. Die Unterscheidung verschiedener Ordnungssysteme

 

Unsere bisherigen Überlegungen bezogen sich auf idealtypische Unterschiede. In der Realität müssen wir jedoch davon ausgehen, dass fast immer Mischsysteme vorliegen, in denen zwar vorrangig ganz bestimmte Ordnungselemente vorherrschen, in denen jedoch fast immer gewisse Korrekturen vorgenommen werden, die anderen Ordnungselementen entnommen sind.

 

Die in der Literatur oft angesprochene Vierteilung möglicher Ordnungssysteme: Markt-, Verhandlungs-, Wahl- und Bürokratiesysteme sind als solche realen Typen einer gesellschaftlichen Ordnung zu verstehen. Wir wollen überprüfen, durch welche Mischung unserer drei Ordnungselemente sich diese vier Realtypen auszeichnen.

 

Beginnen wir mit dem Marktsystem. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass die explikativen Informationen eindeutig überwiegen. Lediglich durch ein Minimum an Spielregeln, welche den Handlungsspielraum des einzelnen einengen, liegen normative Informationen vor. Das Marktsystem ist darüber hinaus ein Musterbeispiel stark gebündelter Informationen, in dem nahezu alle Entscheidungen auf die Frage gebündelt werden, welche Entscheidung den höchsten Gewinn für die Unternehmungen, bzw. den höchsten Nutzen für die Haushalte ermöglichen. Natürlich gibt es auch hier Versuche, Unterscheidungen vorzunehmen, welche sich nicht im Preis eines Gutes niederschlagen; der Güterpreis ist zwar in einem marktwirtschaftlichen System das wichtigste, aber nicht das einzigste Wettbewerbsmittel; der Wettbewerb wird z. B. auch durch Reklame zu beeinflussen versucht.

 

Im Hinblick auf die zur Geltung kommenden Anreize zeichnet sich der Markt dadurch aus, dass vorwiegend das finanzielle (materielle) Interesse angesprochen wird, negative Einflüsse in gleicher Weise wie positive. So erfolgt die Ausrichtung der Produktion an den Bedürfnissen der Bevölkerung in erster Linie über das Preissystem; herrscht Knappheit, wird also von einem Gut zu wenig angeboten, so steigt der Preis und diese Preissteigerung stellt für die Anbieter einen Anreiz dar, die Produktion auszuweiten, für die Nachfrager jedoch eine negative Sanktion dar, welche eine Verminderung der Nachfrage nahe legt.

 

Natürlich kann auch der Markt nur dann funktionieren, wenn die Marktteilnehmer – vor allem die Unternehmer – ein Minimum an sozialem Verantwortungsbewusstsein besitzen, so z. B. die Bereitschaft, bestimmte sittliche und gesetzliche Normen anzuerkennen, auch dann, wenn die Einhaltung dieser Normen eine Minderung des eigenen Gewinns mit sich bringt. Der Gewinn eines Unternehmers könnte sich vielleicht im Einzelfall durch Betrug, Täuschung, Erpressung, Steuerflucht etc. erhöhen lassen; eine Marktwirtschaft hat jedoch nur dann Bestand und kann befriedigen, wenn die überwiegende Mehrzahl der Marktpartner bereit ist, diese gesellschaftlichen Normen anzuerkennen.

 

Eine funktionierende Marktwirtschaft kann sich allerdings im Vergleich zu anderen Ordnungssystemen auf ein Minimum an sittlichen und rechtlichen Verhaltensregeln beschränken, da hier die Koordination der Einzelinteressen dadurch erfolgt, dass die individuellen Interessen auf das Gemeinwohl hin kanalisiert werden. Gemeint ist hiermit der Umstand, dass in einer funktionierenden Marktwirtschaft ein Unternehmer gerade dann seinen höchsten Gewinn erzielt, wenn er bereit ist, die Produktion an den Bedürfnissen der Haushalte anzupassen. Diese Kanalisation erfolgt weitgehend über den Wettbewerb.

 

Eine Erhöhung seines Erlöses und damit letztlich seines Gewinnes kann der Unternehmer unter diesen Bedingungen nur dadurch erreichen, dass er nach Erneuerungen Ausschau hält, welche die Kosten senken und die Qualität verbessern. Stehen die Unternehmer unter starkem Wettbewerb, so sehen sie sich gezwungen, Kostensenkungen an die Verbraucher weiter zugeben; tun sie dies nicht, laufen sie Gefahr, dass die bisherigen Kunden zur Konkurrenz überwechseln. Das Interesse an Erneurungen bleibt jedoch bestehen, da der Unternehmer auf diesem Wege solange Gewinnsteigerungen erzielen kann, bis die anderen Unternehmungen diese Erneurungen übernehmen können.

 

Da allerdings die Gefahr besteht, dass diese vorübergehenden Gewinne (Windfall Profits) nicht ausreichen, um die Unternehmer dazu anzureizen, Erneuerungen einzuführen, versucht die Patentgesetzgebung den Innovatoren die Dauer dieser Windfall Profits zu verlängern. Hat der Unternehmer eine Erfindung zum Patent angemeldet, so darf nur er für eine gewisse Zeit dieses patentierte Verfahren anwenden.

 

Gerade weil der Wettbewerb dazu beiträgt, die Unternehmergewinne immer wieder zu vermindern (These von der Gewinnerosion), sind die Unternehmer bemüht, den Wettbewerb durch einen Zusammenschluss der Betriebe zu unterbinden. Hier bedarf es einer Gesetzgebung, die entweder Zusammenschlüsse prinzipiell verbietet und nur unter bestimmten Ausnahmebedingungen erlaubt (Verbotsgesetzgebung) oder aber es ist zumindest erforderlich, dass die bestehenden Zusammenschlüsse unter Aufsicht gestellt werden (Missbrauchsgesetzgebung) und die Ausnutzung dieser Monopolstellung durch überhöhte Preise unter Strafe gestellt wird.

 

Im Hinblick auf den Differenzierungsgrad der Entscheidungen schneidet das Marktsystem weit besser ab als alle anderen Ordnungssysteme. Wir hatten bereits festgestellt, dass der Markt im Prinzip gestattet, zeitlich unmittelbar ohne größere Verzögerung auf Datenänderungen zu reagieren. Natürlich gilt diese Möglichkeit nicht für alle wirtschaftlichen Entscheidungen. Wie bereits angedeutet, können Investitionsentscheidungen nicht unmittelbar nach Eintreten einer Datenänderung korrigiert werden, da die Produktionsanlagen in der Regel eine Nutzungsdauer für mehrere Jahre besitzen.

 

Auch in funktioneller Hinsicht ist der Differenzierungsgrad des Marktes groß. Im Prinzip haben die Individuen die Möglichkeit, für jedes einzelne Bedürfnis unter den vorliegenden Alternativen frei zu wählen, unabhängig davon, wie sie sich bei den anderen Bedürfnissen entschieden haben. Tatsächliche Begrenzungen rühren im allgemeinen daher, dass bewusst aus anderen gesellschaftlichen Subsystemen Einflüsse ausgeübt werden, so z. B. dann, wenn den Individuen nahegelegt wird, aus einem umweltpolitischen Bewusstsein heraus sowohl bei der Nachfrage nach Nahrungsmittel, Kleidung und Energie Güter und Leistungen nachzufragen, welche nach umweltfreundlichen Kriterien erstellt wurden.

 

In personeller Hinsicht haben wir bereits darauf hingewiesen, dass der Markt Individualgüter anbietet und dass im Prinzip die Konsumwahl des einen Haushaltes keine Begrenzung für die anderen Haushalte mit sich bringt. Soweit tatsächlich gegenseitige Einflüsse auf das Konsumverhalten ausgehen, erfolgen sie über das allgemeine Preissystem.

 

Kommen wir zum Verhandlungssystem. In mancher Hinsicht ähnelt die Verhandlung dem Markt, was einige Autoren – vor allem Walter Eucken – veranlasst hat, Verhandlungssysteme der Marktwirtschaft zuzurechnen. Wie der Markt zeichnet sich auch die Verhandlung dadurch aus, dass vorwiegend explikative Informationen ausgetauscht werden. Sie sind jedoch nicht wie die Informationen des Marktes stark, sondern nur sehr schwach gebündelt. In Tarifverhandlungen z. B. entscheidet nicht nur der Umfang des Streiks darüber, in welchem Maße den Vorstellungen des Partners entgegengekommen wird. Der Ausrufung des Streiks gehen wortreiche Verhandlungen voraus und zum Streikausbruch kommt es eigentlich nur dann, wenn sich die Tarifpartner in ihren Vorstellungen über die Gegenseite getäuscht haben.

 

Im Hinblick auf die Anreize wird zwar auch wie im Marktsystem das materielle Interesse angesprochen, schließlich liegt der wichtigste Zweck der Tarifverhandlungen in Lohnerhöhungen. Trotzdem spielt das soziale Ansehen eine viel größere Rolle als im Markt. Vor allem die Gewerkschaften werden von Funktionären geleitet, die ein berufliches Eigeninteresse entwickelt haben und die sich vor allem von dem Ziel leiten lassen, die eigene Organisation zu erhalten und auszubauen.

 

Auch der Anteil der negativen Anreize ist im Verhandlungssystem größer als im Markt. Während wir zeigen konnten, dass im Marktsystem von ein und dem selbem Anreiz (z. B. von einer Preiserhöhung) sowohl positive (und zwar gegenüber den Anbietern) wie auch negative (und zwar gegenüber den Nachfragern) ausgehen, überwiegt im Verhandlungssystem der negative Anreiz. Zwar kommt auch in den Verhandlungen dadurch Bewegung zustande, dass die eine Partei der anderen ein Entgegenkommen für den Fall signalisiert, dass auch diese Zugeständnisse macht, das Eingehen der Arbeitgeber auf die Lohnforderungen der Gewerkschaften hängt aber letztendlich davon ab, dass die Gewerkschaften einen Streik androhen für den Fall, dass die Arbeitgeber ihren Lohnvorstellungen nicht ausreichend entgegenkommen.

 

Der Differenzierungsgrad einer Verhandlung ist sehr viel geringer als der des Marktes. In zeitlicher Hinsicht finden Tarifverhandlungen in der Regel in Abstand eines Jahres statt. Auch dann, wenn sich die materiellen Bedingungen z. B. aufgrund starker Preissteigerungen für die Arbeitnehmer verschlechtert haben, gilt der abgeschlossene Tarifvertrag für die gewählte Tarifvertragsdauer.

 

Auch in funktioneller Hinsicht ist der Differenzierungsgrad bedeutend geringer. Wenn z. B. die Gewerkschaftsmitglieder nach Beendigung eines Streiks aufgerufen werden, in einer Urabstimmung dem Verhandlungsergebnis zuzustimmen, so können sie sich nur für oder gegen die Annahme des gesamten Verhandlungspaketes aussprechen, sie können nicht für jede einzelne Teilfrage, die in der vorgehenden Verhandlung vereinbart wurde, eine Zustimmung oder Ablehnung beschließen.

 

In personeller Hinsicht entspricht der personelle Differenzierungsgrad einem Kollektivgut; es sind Kollektivverträge, welche über die Veränderungen in den Arbeitsbedingungen entscheiden, jeder Arbeitnehmer, welcher der tarifvertragsabschließenden Gewerkschaft angehört, erhält im Prinzip die gleiche Leistung. Dies gilt vor allem dann – was in der BRD die Regel ist  –, wenn die Arbeitgeber nur mit einer Gewerkschaft verhandelt haben und wenn darüber hinaus die Verhandlungsergebnisse allen betroffenen Arbeitnehmern gewährt werden, unabhängig davon, ob sie der Gewerkschaft angehören.

 

In Ländern, in denen die Gewerkschaften nach weltanschaulichen Kriterien (christliche, sozialistische Gewerkschaften) gegliedert sind und in denen die Arbeitgeber mit jeder einzelnen Gewerkschaft einen separaten Tarifvertrag abschließen, haben die Arbeitnehmer zwar in formaler Hinsicht die Möglichkeit, zwischen diesen Ergebnissen dadurch zu wählen, dass sie zu einer anderen Gewerkschaft überwechseln. In praxi sind diese Möglichkeiten aber kaum gegeben; sie gelten nicht für den augenblicklichen Tarifvertrag, sondern nur auf sehr lange Sicht. Darüber hinaus entscheidet sich ein Arbeitnehmer im Allgemeinen nach weltanschaulichen Grundüberzeugungen, welcher Gewerkschaft er angehören will. Ein gläubiger Arbeitnehmer wird nicht deshalb zu einer kommunistischen Gewerkschaft überwechseln, weil er mit dem Ergebnis des Tarifvertrages unzufrieden ist, genauso wenig wie ein überzeugter Kommunist aus diesen Gründen zu einer christlichen Gewerkschaft überwechselt.

 

Welche Ordnungselemente finden wir nun im dritten Ordnungssystem: im Wahlsystem vor? Das Wahlsystem hat mit dem Markt gemeinsam, dass beide Systeme von Informationen getragen werden, die stark gebündelt sind. Was im Markt der Geldschein ist, ist bei der Wahl der Stimmschein. Die Entscheidung für ein bestimmtes Gut hängt im Markt in erster Linie von der Preishöhe ab, in genau analoger Weise entscheiden bei der Wahl die Abstimmungsverhältnisse darüber, welche Alternative den Wahlsieg davon getragen hat.

 

Auch in der Frage nach dem explikativen oder normativen Charakter dieser Informationen gleichen sich beide Systeme: Genauso wie der Unternehmer Informationen darüber enthält, mit welcher Nachfrage er bei alternativen Preisangeboten zu rechnen hat, genauso sucht der Politiker nach Informationen, die darüber unterrichten, wie sich bestimmte politische Vorhaben auf die Wählergunst auswirken.

 

Im Hinblick auf die Anreize unterscheidet sich jedoch das Wahlsystem vom Markt. Lässt sich der Unternehmer in seinen Produktionsentscheidungen vorwiegend von materiellen Interessen leiten, geht es dem Politiker um das soziale Ansehen und um die Macht, die sich darin äußert, dass der Wahlsieger die Regierungsgeschäfte führen kann. Genauso wie das Verhalten des Unternehmers (vereinfachend) als Gewinnmaximierung bezeichnet werden kann, geht es dem Politiker um eine Maximierung der Stimmen. Diese Anreize können positiver wie negativer Natur sein: Die eine politische Maßnahme mag Stimmen bringen, eine andere hingegen Stimmen kosten.

 

Die größten Unterschiede zum Marktsystem weist jedoch das politische Wahlsystem im Hinblick auf den Differenzierungsgrad auf. In zeitlicher Hinsicht finden normalerweise nur alle 4 – 5 Jahren eine Bundestagswahl statt, in welcher die Wähler die Möglichkeit haben, ihre Wahlentscheidung zu korrigieren. Nur in Ausnahmefällen, wenn z. B. der Bundeskanzler zurücktritt, können Neuwahlen einberufen werden.

 

Auch in funktioneller Hinsicht können sich die Wähler in einer repräsentativen Demokratie nur für Parteien oder Kandidaten entscheiden, welche stets ein Bündel von politischen Lösungen anbieten. Der Wähler kann hier nicht für jede einzelne wichtige Aufgabe die Lösung seiner Wahl auswählen, er muss stets Kompromisse eingehen. Anderes gilt für eine direkte Demokratie, bei der die Bürger ihr Votum für ganz bestimmte Problemfälle abgeben können. In der Realität gibt es zumeist auch in den repräsentativen Demokratien bei bestimmten Grundsatzfragen die Möglichkeit dieser direkten Mitwirkung. Eine solche Volksabstimmung muss hier zumeist dann erfolgen, wenn dies von einem bestimmten Prozentsatz der Bürger verlangt wird.

 

In personeller Hinsicht schließlich werden die Leistungen der Regierungen und Parlamente in der Regel als Kollektivgüter ausgeführt, welche im Prinzip allen Bürgern angeboten werden. Ganz gleichgültig, wie unterschiedlich die Vorstellungen über das Kollektivgüterangebot sind, es kann fast immer nur ein Kollektivgut angeboten werden. Natürlich besteht die Möglichkeit auch bei Kollektivgütern, die Zugangsberechtigung nach allgemeinen Kriterien für die einzelnen Bürger unterschiedlich zu gestalten. Nur in wenigen Fällen, z. B. bei Subventionsgewährung können den einzelnen Bürgern recht unterschiedliche Leistungen gewährt werden.

 

Wir wollen zum Abschluss überprüfen, welche Ordnungselemente in einem bürokratischen System vorherrschen. Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Ordnungssystemen zeichnet sich die Bürokratie dadurch aus, dass sie vorwiegend mit normativen Informationen arbeitet. Dies gilt einmal im Verhältnis zwischen Bürokratie und Bürger (Außenverhältnis). Die Bürokratie verordnet oder führt Gesetze aus; der Bürger hat stets die Position eines untergeordneten Individuums, das diese Gesetze und Verordnungen befolgen muss. Dies gilt aber zum andern auch für das Verhältnis der Bürokraten untereinander (das Innenverhältnis), eine Bürokratie ist hierarchisch aufgebaut, die untergeordneten Bürokraten erhalten Weisungen von den jeweils übergeordneten Stellen der Bürokratie.

 

Auch im Hinblick auf die Bündelung gilt, dass sich die Bürokratie gegenüber den bisher besprochenen Systemen maßgeblich unterscheidet. Jede Verordnung, jedes Gesetz und jede innerbürokratische Weisung umschreibt ausführlich die Normen, die angewandt werden sollen. Das Verhandlungssystem kommt in dieser Frage der Bürokratie noch am nächsten.

 

Normen appellieren an das soziale Verantwortungsbewusstsein, an das Gewissen der Bürger und Bürokraten; es handelt sich vorwiegend um negative Anreize: Jedem, der  diese Normen nicht erfüllt, droht Strafe, je nach Schwere des Vergehens eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Im Prinzip gibt es natürlich auch hier positive Anreize: Wohlverhalten der Bürger kann mit Prämien oder Ordensverleihungen belohnt werden, diese positiven Anreize zählen aber eher zu den Ausnahmen.

 

Wie steht es nun bei bürokratischen Entscheidungen mit dem Differenzierungsgrad, dem dritten Ordnungselement? In zeitlicher Hinsicht gilt zunächst, dass bürokratische Strukturen auf Dauer angelegt sind; Reformen erfolgen hier am wenigsten und benötigen auch die längste Zeit.

 

Da der einzelne Bürger im allgemeinen nicht das Recht hat, zwischen verschiedenen Bürokratien zu wählen, sondern die bürokratischen Vorschriften ohne Wahlmöglichkeiten zu erfüllen hat, ist auch der funktionelle Differenzierungsgrad innerhalb der Bürokratie am geringsten. Auf sehr lange Sicht kann natürlich ein Bürger, wenn er mit dem Bündel der bürokratischen Vorschriften nicht einverstanden ist, im allgemeinen das Hoheitsgebiet wechseln, er zieht in eine andere Gemeinde oder sogar in ein anderes Land um und kann damit auf indirekte Weise die Gesetze und Verordnungen mit wählen, welche im am meisten zusagen.

 

Da die Leistungen einer Bürokratie im Allgemeinen als Kollektivgüter angeboten werden, erhalten alle Bürger die gleichen Leistungen, da vor dem Gesetz jeder Bürger gleich behandelt werden muss. Somit ist auch der personelle Differenzierungsgrad hier sehr gering.  Dies gilt allerdings nur im rechtlichen Sinne. Faktisch sehen die Gesetze im Allgemeinen Handlungsspielräume für die Bürokratie vor, welche ein gewisses Eingehen auf die individuelle Situation der betroffenen Bürger möglich macht.

 

In der Literatur wurde bisweilen auf etwas andere Merkmale zur Unterscheidung der einzelnen Ordnungssysteme abgehoben. Karl Marx unterschied zwischen kapitalistischen und sozialistischen Wirtschaftsordnungen. Die kapitalistischen Volkswirtschaften zeichnen sich hier danach aus, dass das Erwerbsvermögen in Händen weniger privater Unternehmer liegt und dass deshalb im Kapitalismus die wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen allein von den Kapitalisten ausgehen und dass diese die Möglichkeit besitzen, die arbeitende Bevölkerung auszubeuten.

 

Demgegenüber zeichnet sich eine sozialistische Wirtschaft dadurch aus, dass das Erwerbsvermögen verstaatlicht ist oder von der jeweiligen Belegschaft kontrolliert wird. Der Staat könne hier auch die Allokation und Verteilung an den Bedürfnissen der Volkswirtschaft ausrichten. Es soll angemerkt werden, dass Karl Marx selbst zwar bemüht war, die Gesetze einer kapitalistischen Gesellschaft zu beschreiben, sich aber über die Funktionsweise einer sozialistischen Gesellschaft kaum ausließ.

 

Eine Zweiteilung der Ordnungssysteme finden wir auch bei Walter Eucken. Walter Eucken unterscheidet zwischen einer Verkehrswirtschaft und einer Zentralverwaltungswirtschaft. Entscheidungskriterium ist hierbei die Frage, ob das gesamte Wirtschaftsgeschehen von oben herab in einem zentralen Plan geregelt wird – in diesem Falle spricht Walter Eucken von Zentralverwaltungswirtschaft – oder ob jeder Haushalt und jede Unternehmung ihre eigenen Pläne aufstellen, ob also auf dezentraler Ebene gewirtschaftet wird. In diesem Falle liegt eine Verkehrswirtschaft vor.

 

In einer Verkehrwirtschaft bedarf es natürlich einer Koordination der einzelnen Pläne und diese Koordination erfolgt über den anonymen Markt. Es wäre allerdings falsch zu meinen, dass es in einer Zentralverwaltungswirtschaft keiner Koordination bedürfe, da alle Fragen in einem zentralen Plan geregelt würden. Die Planung einer Volkswirtschaft ist so komplex, dass diese Aufgabe nicht nur von einer Person (einem wirtschaftlichen Diktator) wahrgenommen werden kann, vielmehr bedarf es auch hier einer Vielzahl von beamteten Personen und unter- bzw. übergeordneten Planungsinstanzen und die Tätigkeiten dieser Bürokraten bedarf ebenfalls einer Koordination.

 

Also liegt der eigentliche Unterscheid zwischen beiden Ordnungssystemen auch nicht darin, dass es nur in der Verkehrswirtschaft, nicht aber in der Zentralverwaltungswirtschaft einer Koordination bedarf, sondern eher in der Art und Weise, wie diese Koordination erfolgt. In einer Verkehrswirtschaft sind die einzelnen Planungseinheiten im rechtlichen Sinne autonom und gleichberechtigt, die Koordination über den Markt erfolgt auf die Weise, dass vom Markt Anreize ausgehen, aufgrund derer sich die einzelnen Wirtschaftseinheiten auf einander zu bewegen. In einer Zentralverwaltungswirtschaft gibt es eine Hierarchie, die jeweils untergeordneten Planungsstellen handeln immer nur im Auftrag der Zentrale, sie sind weisungsgebunden.

 

Das Ordnungsschema Walter Euckens sieht nun eine weitere Untergliederung vor. Für die Verkehrswirtschaft werden unterschiedliche Marktformen vorgesehen, je nachdem, wie viel Wirtschaftseinheiten auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite eines Marktes agieren. Das eine Extrem – die vollständige Konkurrenz – ist dadurch ausgezeichnet, dass auf beiden Marktseiten eine Vielzahl kleiner Wirtschaftseinheiten vorhanden ist, es besteht ein Wettbewerb sowohl unter den Anbietern wie auch unter den Nachfragenden.

 

Da der Anteil der einzelnen Wirtschaftseinheiten so gering ist, dass sie keine Marktmacht ausüben können, verzichten sie auf eine Einflussnahme auf den Preis; der Preis wird wie auf einer Börse aus dem Markt genommen, der einzelne passt sich diesem vorgegebenen Preis an, er wählt die Angebotsmenge, bei welcher er seinen Gewinn (seinen Nutzen) maximiert, er ist Mengenanpasser.

 

Das andere Extrem bildet das bilaterale Monopol, bei welchem beide Marktseiten lediglich aus einer Wirtschaftseinheit bestehen; beide Seiten haben die Möglichkeit, auf Preishöhe und Menge Einfluss auszuüben. Im Gegensatz zur Marktform der vollständigen Konkurrenz determiniert hier die Morphologie des Marktes (die Anzahl und Größe der Teilnehmer) das Verhalten nicht eindeutig. Alle denkbaren Verhaltensweisen (Mengenanpassung, monopolistische Preispolitik, Optionsfixierung sind möglich; von Optionsfixierung sprechen wir immer dann, wenn der ein Marktpartner dem anderen Preis und Menge diktieren, sodass dieser andere nur die Option hat, dem Angebot zuzustimmen oder auf das Zustandekommen eines Abschlusses ganz zu verzichten.

 

Zwischen diesen beiden Extremen ist eine Vielzahl von Marktformen denkbar, je nachdem, wie viel Partner auf den beiden Marktseiten vorhanden sind. Ist z. B. auf der Angebotsseite nur ein Anbieter, auf der Nachfrageseite hingegen eine Vielzahl von Wirtschaftseinheiten vorhanden, spricht man von einem Angebotsmonopol. Der Angebotsmonopolist kann gegenüber den Zuständen bei vollständiger Konkurrenz den Güterpreis heraufsetzen, in  dem er das Angebot verknappt. Analog hierzu diktiert bei einem Nachfragemonopol (ein Nachfrager, viele kleine Anbieter) der Nachfragende über Verknappung den Preis, der Preis fällt hier geringer als bei Konkurrenz aus.

 

Zwischen diesen extremen Formen liegen die oligopolistischen Marktformen, bei denen sich einige wenige große Wirtschaftseinheiten in den Markt teilen. Ein Angebotsoligopolist z. B. hat aufgrund seiner Größe und damit seines Marktanteils sehr wohl die Möglichkeit, auf den Güterpreis Einfluss zu nehmen, er ist jedoch in seiner Marktmacht dadurch begrenzt, dass er Mitkonkurrenten hat und auf deren Preispolitik Rücksicht nehmen muss.

 

Es findet also bei Oligopolen durchaus Wettbewerb statt, dieser ist jedoch oftmals ruinös, es werden nicht diejenigen Preise gesetzt, bei denen die einzelnen Anbieter ihren kurzfristigen Gewinn maximieren, die Preise werden vielmehr als Waffen eingesetzt, um die Konkurrenten aus dem Markt zu drängen. Es werden bewusst kurzfristige Verluste in Kauf genommen, um langfristig eine Monopolstellung zu erlangen, um dann später als Monopolist die Verluste durch monopolistische Preisanhebungen zu kompensieren und überkompensieren. Das Manko eines Oligopols liegt also weniger darin, dass kein Wettbewerb stattfindet, sondern dass die Märkte instabil sind und zu monopolistischen Marktformen hintendieren.

 

Die einzelnen Marktformen unterscheiden sich weiterhin in morphologischer Hinsicht nicht nur darin, ob nur einer oder wenige oder viele auf den jeweiligen Marktseiten vertreten ist; das Verhalten der Marktpartner wird auch davon bestimmt, ob die Stärke der einzelnen Partner in etwa gleich groß ist. Nehmen wir zwei Fälle, bei denen etwa 10 Anbieter das Angebot ausmachen. Das Verhalten auf diesen Märkten wird anders ausfallen, wenn in dem einen Falle 10 etwa gleichgroße Anbieter vorhanden sind mit einem Anteil von etwa 10%, als dann, wenn die Angebotsseite aus einer großen Unternehmung mit einem Marktanteil von 91% und 9 weiteren kleinen Anbietern von jeweils nur 1% Marktanteil besteht. In dem ersten Falle werden die Preise weitgehend der Knappheitslage angepasst, im zweiten Falle bestimmt der eine große Anbieter die Preise weitgehend.

 

Auch für die Zentralverwaltungswirtschaft werden verschiedene Unterformen unterschieden. Die strengste Form liegt dann vor, wenn der Konsum der einzelnen Individuen vollständig von den Zentralen geplant wird und wenn die untergeordneten Planstellen lediglich die von der Zentrale festgesetzten Anweisungen  auszuführen haben. Eine etwas gelockerte Form einer Zentralverwaltungswirtschaft liegt vor, wenn die privaten Haushalte ihren Konsum im Rahmen ihrer Einkommen selbst bestimmen können und wenn den untergeordneten Planstellen gewisse Handlungsspielräume eingeräumt werden.

 

Walter Eucken ist nun der Auffassung, dass eine effiziente zentrale Planung gar nicht möglich ist, sodass im Grunde genommen nur eine befriedigende Wirtschaftsordnung denkbar ist: die Verkehrswirtschaft. Diese radikale Auffassung ähnelt übrigens den Vorstellungen von Karl Marx, der bekanntlich nachzuweisen versuchte, dass sich die kapitalistische Gesellschaft notwendigerweise zu einer sozialistischen Wirtschaft entwickle. Beide Autoren gehen also davon aus, dass es auf lange Sicht nur eine Wirtschaftsordnung geben könne, die sozialistische Gesellschaft bei Karl Marx, die Verkehrswirtschaft bei Walter Eucken.

 

Eine ähnliche Zweiteilung wie bei Walter Eucken finden wir auch bei Friedrich von Hayek. Er unterscheidet zwischen spontaner und gesetzter Ordnung. Die Marktwirtschaft ist eine spontane Ordnung in dem Sinne, in dem ihre Regeln sich von selbst –  eben spontan – ergeben, während in einer staatlichen Planwirtschaft die Spielregeln vom Staate festgesetzt werden.

 

Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Systemen unterscheidet Kenneth E. Boulding zwischen drei Ordnungstypen: dem Tausch, der Drohung und den integrativen Ordnungsformen. Der Ordnungstyp des Tausches entspricht in etwa dem Marktsystem. Es findet ein ‚Do et des’ statt, der Leistung des einen entspricht eine im Prinzip gleichwertige Gegenleistung des anderen.

 

Das System der Drohung findet vor allem in den Tarifverhandlungen statt, die Drohung zeichnet sich dadurch aus, dass der eine Partner eine bestimmte Leistung von dem anderen Partner verlangt, diesem eine Sanktion für den Fall androht, dass er nicht bereit ist, diese Leistung anzubieten; die Gegenleistung des Drohenden besteht dann darin, dass er verspricht, bei Erfüllung der Leistung darauf zu verzichten, die Drohung wahr zu machen. Man kann auch davon sprechen, dass hier der Leistung des Bedrohten ein negatives Gut des Drohenden entspricht.

 

Integrative Systeme wie z. B. die Familie oder eine Freundschaft zeichnen sich dadurch aus, dass die Leistungen der einzelnen keines äußeren Anreizes bedürfen und dass deshalb auch keine Gegenleistung erwartet werden kann. Das ‚Do et Des’ beim Tausch sowie bei der Drohung ist hier aufgelöst. Es reicht, dass der eine einer bestimmten Leistung bedarf, dass die anderen tätig werden. Die Gegenleistung des Beschenkten erfolgt nur langfristig und zwar dann, wenn dieser einer Hilfe der anderen bedarf. Es ist hier keinesfalls sichergestellt, dass sich ex post gesehen die einzelnen Leistungen entsprechen. Die einzelnen Individuen sind nur insoweit gleich, als jeder in Bedarfsfällen das gibt, was er geben kann. Ex post Unterschiede können einmal daraus erwachsen, dass die Fähigkeit zum Geben unterschiedlich groß ist, zum andern aber auch daraus, dass der Bedarf des einzelnen unterschiedlich ist.

 

Noch am ehesten entspricht das eingangs vorgestellte Ordnungsschema der Einteilung von Robert A. Dahl und Charles E. Lindblom. Sie unterscheiden zwischen vier verschiedenen Ordnungssystemen: dem Markt, der Verhandlung, der Hierarchie (der Bürokratie) und der Polyarchie (dem Wahlsystem). Das Unterscheidungsmerkmal der einzelnen Ordnungstypen liegt hier in der Unterscheidung zwischen Führern und Geführten.

 

Das Marktsystem zeichnet sich hier danach aus, dass sich alle Beteiligten, die Führer (Unternehmer) wie die Geführten (die Haushalte als Konsumenten und Anbieter von Produktionsfaktoren) untereinander und gegenseitig kontrollieren. Die Unternehmer üben eine Kontrolle gegenüber den Mitbewerbern als auch gegenüber den Konsumenten aus, genauso wie die Konsumenten untereinander als auch gegenüber den Unternehmungen Kontrolle ausüben.

 

Bei den Verhandlungen findet demgegenüber lediglich eine wechselseitige Kontrolle der beiden Seiten statt, also von den Führern (Unternehmungen) zu den Geführten (Arbeitnehmern) und umgekehrt von den Geführten (Gewerkschaften) zu den Führern (Unternehmungen) statt.

 

Polyarchien (Wahlsysteme) zeichnen sich dadurch aus, dass die Führer (die Politiker) von den Geführten (Wählern) kontrolliert werden, während in einer Hierarchie (Bürokratie) eine einseitige Kontrolle von den Führern (Bürokraten) zu den Bürgern Geführten) stattfindet.

 

Neben der Frage nach der Kontrollrichtung (wer kontrolliert wen?) unterscheiden Dahl und Lindblom darüber hinaus die Systeme danach, welche Art des Kontrollmittels (Wettbewerb, Drohung) und welcher Kontrollumfang in den einzelnen Systemen üblich ist.

 

Die hier gewählte Unterscheidung zwischen Führern und Geführten ist dem bürokratischen System entlehnt und kann nur bedingt auf die anderen Ordnungstypen übertragen werden. Es wäre besser, wenn man einfach von Angebot und Nachfrage spricht, wobei man dieses Begriffspaar jeweils auf den Output des Systems bezieht. In diesem Sinne sind die Unternehmer stets Anbieter, obwohl sie natürlich auf den Faktormärkten (beim Input also) auch als Nachfrager auftreten. Ähnliches gilt für die Haushalte, die bezogen auf die Outputseite als Nachfrager, aber gleichzeitig auf den Inputmärkten als Anbieter von Produktionsfaktoren auftreten.

 

Einen etwas anderen Bezugspunkt wählt Philipp Herder-Dorneich in seiner Theorie der Scheine: Er untergliedert die Ordnungssysteme nach der Art der Steuerungsmittel und unterscheidet zwischen Berechtigungs-, Wahl- und Geldscheinen. Da die Scheine sowohl als Recheneinheit (Informationsmittel) als auch als Steuerungsmittel (Anreiz) fungieren, liegt der Zusammenhang mit dem von uns gewählten Ordnungsschema auf der Hand.

 

Schließlich sei der ordnungspolitische Beitrag von Albert O. Hirschmann erwähnt, der auf Abwanderung und Widerspruch als wichtige gesellschaftliche Mechanismen hinweist, von denen eine Kontrolle der Führungskräfte ausgeht. Einer ähnlichen Einteilung begegnen wir im Marktformenschema zwischen vollständigem Wettbewerb und bilateralem Monopol.

 

Der Wettbewerb auf den Märkten ist dadurch ausgezeichnet, dass man bei Unzufriedenheit auf einen anderen Markt ausweichen kann, also abwandert und auf diese Weise auf das Verhalten der Unternehmer Einfluss gewinnen kann. Im bilateralen Monopol aber auch in politischen Systemen steht die Möglichkeit der Abwanderung nur in extremen Sonderfällen zur Verfügung, der Einfluss des einzelnen erfolgt hier in erster Linie dadurch, dass man bei Unzufriedenheit widerspricht und auf diese Weise durch Mitwirkung Einfluss auf die Problemlösungen gewinnen kann.

 

Fortsetzung folgt!