17.09.2016
Gliederung:
1. Das Problem
2. Keine Ausweitung der Freizeit, kein zusätzliches Sparen
3. Zunahme der Ersparnis
4. Ausweitung der Freizeit
5. Verteilungswirkungen
6. Moral Hazard
7. Größerer Freiheitsspielraum?
8. Negative Einkommenssteuer als Alternative
1. Das Problem
Seit einiger Zeit wird in der Öffentlichkeit der Vorschlag diskutiert, der Staat solle jedem Bürger ausnahmslos und auch ohne jede Überprüfung der Bedürftigkeit ein Grundeinkommen auszahlen. Man erhofft sich hierdurch wahre Wunder: Das Problem der Armut sei gelöst, da ja bei Verwirklichung dieses Planes jeder über genügend Einkommen verfüge, um seine Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Weiterhin entfielen die lästigen und auch entwürdigenden Kontrollen seitens des Staates, der Staat könne deshalb auch bei der Auszahlung dieses Grundeinkommens Kosten sparen, vor allem könne der einzelne Arbeitnehmer frei darüber verfügen, wie er seine Zeit einteilt, ob er arbeitet oder anderen Beschäftigungen nachgeht. Gerade weil es dann keine Armen mehr gebe, sei auch die Verteilung der Einkommen viel gerechter als unter dem Diktat der Marktwirtschaft, ja es hat den Anschein, als wäre die Knappheit der materiellen Ressourcen endgültig überwunden.
Gerade dieser letzte Menschheitstraum ist nicht ganz neu. Obwohl sich Karl Marx, der Begründer des modernen Kommunismus, fast ausschließlich mit den Gesetzmäßigkeiten einer kapitalistischen Gesellschaft beschäftigt hat und sich kaum Gedanken darüber machte, wie denn überhaupt eine sozialistische Gesellschaft funktionieren würde, war er trotzdem der Überzeugung, dass bei der Abschaffung des erwerbswirtschaftlichen Privateigentums soviel produktive Kräfte frei gesetzt werden könnten, dass die Grundbedürfnisse der Arbeiter ohne größere Anstrengungen befriedigt werden könnten, dass also die Knappheit der Güter weitgehend aufgehoben sein werde.
Die Realität sah ganz anders aus. Nehmen wir das Beispiel der DDR, des Musterlands des sowjetrussischen Ostblocks. Noch Jahre lang, als in der BRD bereits nur noch einige wenige, jährliche Prozentpunkte Wachstumsraten des Inlandsproduktes erzielt werden konnten, wiesen die Wirtschaftspläne der DDR noch zweistellige Wachstumsraten auf. Trotzdem bestand bis zum Zusammenbruch des DDR-Staates eine große Kluft zu den weit höheren Einkommen gerade der Arbeitnehmer in der BDR. Auch ohne friedliche Revolution wäre das kommunistische System der DDR über kurz oder lang aus wirtschaftlichen Gründen zusammengebrochen.
Ich möchte mich in diesem Artikel mit der Frage befassen, mit welchen Auswirkungen denn bei Einführung eines allgemeinen Grundeinkommens für jeden Bürger zu rechnen ist. Hierbei müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir noch über keine fertigen Theorien zur Wirkungsweise eines solchen Planes verfügen, da ja in der Vergangenheit dieses Konzept noch in keinem Land verwirklicht wurde.
In der Schweiz fand zwar vor kurzem zur Einführung eines solchen Konzeptes ein Volksentscheid statt, wobei vorgeschlagen war, dass jeder erwachsene Schweizer Bürger ein Grundeinkommen von 2500 Schweizer Franken und die Jugendlichen weiterhin 500 Franken erhalten sollten. In diesem Volksentscheid entschied sich jedoch eine Mehrheit gegen diesen Plan.
Unsere Kenntnisse über die Wirkung eines solchen Planes können auch dadurch nicht in ausreichendem Maße sichergestellt werden, dass nun in einigen Ländern für eine kleine Gruppe von Individuen ein Testlauf stattfindet. Wie sich nämlich ein solcher Plan tatsächlich auf lange Sicht auswirken wird, hängt ganz entscheidend davon ab, wie sich aufgrund dieser Pläne das Verhalten der Arbeitnehmer im Hinblick auf Freizeit und Arbeitsangebot sowie auf die Bereitschaft zu Sparen auswirken wird.
Aber gerade über dieses Verhalten wissen wir aus Erfahrung, dass sich die Menschen in diesem Verhalten von Nation zu Nation grundlegend unterscheiden, die Deutschen verhalten sich diesen Fragen gegenüber wesentlich anders als z. B. die Franzosen oder Italiener. Auch lässt sich feststellen, dass sich innerhalb einer Nation diese Verhaltensweisen relativ schnell ändern können, gerade in dem Versuch, sich von der Elterngeneration zu lösen, verändert die heranwachsende Generation oftmals relativ schnell ihr Verhalten in diesen Fragen.
Wir wollen uns in diesem Kapitel vorsichtig an die Beantwortung dieser Fragen annähern, in dem wir in einem ersten Schritt bewusst von drei Extremfällen ausgehen, wobei wir selbstverständlich nicht tatsächlich davon ausgehen können, dass diese Extremsituationen in Wirklichkeit zu befürchten sind, die Beschreibung dieser Extremfälle eröffnet uns jedoch recht gut, in welche Richtung sich bei Einführung eines Grundeinkommens die wirtschaftlichen Verhältnisse auf lange Sicht verändern werden.
Innerhalb eines ersten extremen Modells wollen wir unterstellen, dass die Arbeitnehmer ihre Nachfrage nach Freizeit und damit auch ihr Angebot an Arbeit überhaupt nicht verändern würden, dass die Arbeitnehmer also das Grundeinkommen als willkommenes Zusatzeinkommen ansehen würden, das sie dann auch im Wesentlichen für eine zusätzliche Nachfrage nach Konsumgütern verwenden.
In einem zweiten Modell soll dann zwar die Annahme über das Freizeitverhalten noch beibehalten werden, aber es soll hier unterstellt werden, dass das zusätzliche Einkommen gespart werde.
In einem dritten Modell soll dann ganz im Gegensatz zu den beiden ersten Modellen unterstellt werden, dass die Arbeitnehmer diese Änderungen zum Anlass nehmen, ihre Freizeit auszudehnen, dass ein Großteil der Bürger im Extremfall sogar auf erwerbswirtschaftliche Arbeit weitgehend verzichten würde.
Diese drei Extremfälle werden uns dann zeigen, wie sich die Einkommenssituation für den Durchschnitt der Arbeitnehmer aufgrund der Einführung dieser Pläne voraussichtlich verändern wird. In einer weiteren Stufe wollen wir dann der Frage nachgehen, wie sich denn die Verteilung zwischen den einzelnen Arbeitnehmern und Selbstständigen verändern wird. Dass sich die Verteilung ändern muss, ergibt sich bereits daraus, dass ja – zumindest wenn im Hinblick auf die Größenverhältnisse für die Höhe dieses Grundeinkommens ein Umfang anvisiert wird, wie er dem Volksentscheid in der Schweiz zu Grunde gelegt wurde – die bisherigen Sozialhilfeempfänger ein deutlich höheres Einkommen erhalten würden.
In einer weiteren Stufe soll dann die Frage geklärt werden, ob es tatsächlich möglich sein wird, bei der Gewährung dieses Einkommens für jeden ganz oder zumindest in erheblichem Ausmaß auf staatliche Kontrollen zu verzichten und ob deshalb die Ausgabe der Einkommen unter weit würdigeren Bedingungen stattfinden wird als dies heute der Fall ist. Hier wird ein Problem angesprochen, das in der Literatur unter dem Stichwort des Moral Hazard diskutiert wird.
In einer weitern Stufe wenden wir uns dann der Frage zu, ob die Verwirklichung dieser Pläne tatsächlich – wie verheißen – den Arbeitnehmern eine wesentliche Zunahme ihres Freiheitsspielraumes bringen wird, ob also auf diese Weise die Fremdbestimmung der Arbeitnehmer tatsächlich überwunden werden kann. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass gerade diese erhoffte Wirkung die eigentliche Triebkraft für die Pläne eines Grundeinkommens Pate gestanden hat.
In einem letzten Schritt werden wir eine Alternative und zwar den Plan einer negativen Einkommensteuer vorstellen, welcher im Wesentlichen ähnliche Ziele wie der Vorschlag eines Grundeinkommens verfolgt, der aber vermutlich – wie wir zeigen werden –, weit weniger negative Auswirkungen haben wird.
2. Keine Ausweitung der Freizeit, kein zusätzliches Sparen
Beginnen wir also unsere Analyse mit dem ersten Extremfall, mit der Annahme also, dass die Arbeitnehmer trotz des zusätzlichen Grundeinkommens ihr Freizeitverhalten und damit auch ihr Arbeitsangebot unverändert lassen und dass das hierdurch zunächst entstehende nominelle Mehreinkommen in seiner Gesamtheit zum Ankauf von zusätzlichen Konsumgütern verwendet werden wird, dass also damit die Summe der Spareinlagen nicht ansteigt.
Was ereignet sich nun auf der Güterseite? Da weder das Angebot an Arbeit noch an Kapital ansteigt, kann natürlich auch das gesamte Angebot an Gütern ebenfalls nicht ansteigen und diese Tatsache bedeutet ihrerseits, dass das reale Volkseinkommen ebenfalls konstant bleibt.
Trotz erhöhten nominellen Einkommens und dadurch ausgelöst erhöhter nomineller Konsumnachfrage können die Bürger trotzdem keinen Zuwachs in der Konsumgütermenge erhalten. Die Mehrnachfrage nach Konsumgütern führt nicht – wie erhofft – auch zu einer erhöhten realen Menge an Konsumgütern, die Mehrnachfrage verpufft also in Preissteigerungen. Das nominelle Gesamteinkommen ist zwar um den Betrag der Grundeinkommen angestiegen, dem nominellen Zuwachs an Volkseinkommen entspricht jedoch hier kein realer Zuwachs des Gesamteinkommens.
Der Staat kommt jedoch in diesem Modell in große Schwierigkeiten. Aufgrund der vor einigen Jahren durchgeführten Änderung des Grundgesetzes, aufgrund welcher der Staat in Normalzeiten sich nicht mehr verschulden darf und deshalb gezwungen ist, Mehrausgaben mit zusätzlichen Steuereinnahmen zu finanzieren, mangelt es bei gleichbleibendem Steuersatz an Finanzierungsmittel. Der Staat muss ja nun zusätzlich zu seinen bisherigen Ausgaben für jeden Bürger das Grundeinkommen auszahlen.
Zwar können wir davon ausgehen, dass aufgrund dieser Änderung an anderer Stelle Ausgaben eingespart werden. Die bisher an die Sozialhilfeempfänger ausgezahlte Sozialhilfe fällt ja nun weg, weil diese Bevölkerungsgruppe ebenfalls das Grundeinkommen erhält. Die Mehrausgaben aufgrund der Gewährung eines Grundeinkommens für jedermann fallen jedoch aus zweierlei Gründen wesentlich höher aus als die Minderausgaben bei der Sozialhilfe.
Auf der einen Seite ist mit Sicherheit das Grundeinkommen wesentlich höher als die bisherigen Sozialhilfesätze, besteht doch einer der wichtigsten Motive dieses Vorschlages eben gerade darin, die Not der Ärmsten zu verringern. Auf der anderen Seite steigen die Staatsausgaben jedoch stärker an, da ja nun das Grundeinkommen nicht nur an die bisherigen Sozialhilfeempfänger ausgezahlt werden muss, sondern an jedermann und dies bedeutet, dass der Bevölkerungsanteil, der bisher vom Staate unterstützt wurde, lediglich einen Bruchteil von circa 10 bis 20% darstellt, während ex definitione das Grundeinkommen an die gesamte Bevölkerung auszuzahlen ist.
Dem Staat bleibt deshalb gar nichts anderes übrig als die Steuersätze zu erhöhen und zwar um mehr als etwa 80% der Ausgaben für das Grundeinkommen. Dies bedeutet aber selbst wiederum, dass das reale Nettoeinkommen (das sogenannte privat verfügbare Einkommen) überhaupt nicht angestiegen ist. Realiter bleibt also die durchschnittliche Einkommenshöhe real und netto gegenüber dem Zustand vor Einführung des Grundeinkommens konstant. Das reale privat verfügbare Einkommen wäre bei einer Steuererhöhung also in diesem Falle zwar nicht mehr aufgrund gestiegener Preise, aber aufgrund zusätzlicher Steuerzahlungen gegenüber früher konstant geblieben.
Fragen wir uns kurz, ob die Situation günstiger wäre, wenn der Staat – wie bisher – die Möglichkeit noch hätte, Mehrausgaben mit Krediten und damit mit einer Zunahme in der Verschuldung des Staates zu finanzieren. An den realen Verhältnissen hätte sich in diesem Falle nichts verändert. Zwar wäre die Kluft zwischen Brutto- und Nettoeinkommen in diesem Falle nicht angestiegen. In diesem Falle wäre also aufgrund der Gewährung des Grundeinkommens auch das privat verfügbare nominelle Einkommen angestiegen, das reale Einkommen wäre jedoch – wie anfangs gezeigt – trotzdem nicht angestiegen, da eben nun die Güterpreise solange steigen, bis die reale Nachfrage nach Konsumgütern dem bisherigen Niveau entspricht.
Realiter hat sich also kurzfristig und für den Durchschnitt aller Bürger nichts verändert. Auf lange Sicht führt jedoch der Umstand, dass zunächst einmal trotz vollmundiger Versprechungen im Durchschnitt keine reale Verbesserung eingetreten ist, zu Enttäuschung und Wut und diese Frustration wird sich längerfristig in Wahlmüdigkeit und in der Bereitschaft, sich radikalen Parteien zuzuwenden, vergrößern, auch der Versuch die Sozialeinrichtungen zu missbrauchen, dürfte dementsprechend ansteigen.
Auf kurze Sicht wäre also dieses Experiment lediglich eine höchst ineffiziente und unwirksame Maßnahme, mit der einen Hand wird (in Form eines Grundeinkommens) gegeben, was dann mit der anderen Hand (in Form erhöhter Steuersätze oder Preissteigerungen) gleichzeitig genommen wird.
3. Zunahme der Ersparnis
Wenden wir uns nun einem zweiten Extremfall zu. Wir wollen unterstellen, dass das Verhalten der Arbeitnehmer in ihrer Freizeitgestaltung unverändert bleibt und dass deshalb nach wie vor genauso viel Arbeit wie vor Einführung des allgemeinen Grundeinkommens angeboten wird.
Im Gegensatz zu dem ersten Modell wollen wir jedoch nun unterstellen, dass die Bürger ihr zusätzliches Einkommen nicht etwa für den Ankauf von Konsumgütern verwenden, dass vielmehr diese zusätzlichen Einkommen (im Extremfall vollkommen) gespart werden. Der Einfachheit halber wollen wir auch unterstellen, dass diese zusätzlichen Ersparnisse nicht gehortet werden, sondern auf dem Kapitalmarkt angeboten werden. Mit welchen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen haben wir nun für das durchschnittliche Gesamteinkommen zu erwarten?
Man könnte nun vermuten, dass sich die Verhältnisse im Vergleich zum ersten Modell verbessert haben, zwar ist das Arbeitsangebot konstant geblieben, aber immerhin wird doch nun unterstellt, dass das Angebot an Kapital ansteigt und man könnte auf den ersten Blick vermuten, dass nun aufgrund des gesteigerten Kapitalangebotes die Produktion gesteigert werden kann, vor allem dadurch, dass eben die Unternehmungen zu kapitalintensiveren Produktionen übergehen und dass sich dieser Übergang produktivitätssteigernd auswirkt, sodass also tatsächlich mehr Güter produziert werden.
Bei näherem Hinsehen ist es jedoch fragwürdig, ob wir tatsächlich mit einem spürbaren Anstieg in der Güterproduktion insgesamt rechnen können. In welchem Umfang diese positiven Effekte eintreten, hängt nun entscheidend davon ab, welche weiteren zusätzlichen Annahmen getroffen werden.
Unterstellen wir zunächst eine keynesianische Welt. Danach werden die Unternehmer ihre Produktionskapazitäten nur dann ausweiten, wenn auch die reale Konsumgüternachfrage steigt und somit die bisherigen Produktionskapazitäten nicht ausreichen, die Nachfrage nach Konsumgütern zu befriedigen. Aber gerade diese Annahme haben wir ja in diesem zweiten Modell ausgeschlossen, wir haben ja unterstellt, dass die Konsumgüternachfrage gegenüber früher – trotz erhöhten Nominaleinkommens – nicht angestiegen ist.
Also wird in einer keynesianischen Welt auch keine Mehrproduktion stattfinden. Das vermehrte Kapitalangebot wird zwar zu einer Zinssenkung führen. Trotzdem wird die Nachfrage nach Kapital seitens der Unternehmer nicht steigen, da die Unternehmer keine Notwendigkeit sehen, die Produktionskapazitäten auszuweiten, sie haben bisher ausgereicht und da die Konsumgüternachfrage nicht gestiegen ist, reichen sie auch weiterhin voll aus.
Wie steht es aber mit den möglichen Auswirkungen der Einführung eines Grundeinkommens, wenn wir eine klassische Welt unterstellen? Hier geht man davon aus, dass Zinssenkungen durchaus ihre Wirkung zeigen und dass aufgrund des verminderten Zins-Lohnsatzverhältnisses die Bereitschaft der Unternehmer steigt, zu kapitalintensiveren Produktionstechniken überzugehen und dieser Schritt setzt nun einmal eine Mehrnachfrage nach Kapital seitens der Unternehmer voraus.
Trotzdem sind auch in einer klassischen Welt Bedenken berechtigt, ob diese durchaus zunächst positiven Effekte auf die Gesamtproduktion nicht doch stark begrenzt bleiben. Der Übergang zu neuen Produktionstechniken ist nämlich stets mit einem beachtlichen Investitionsrisiko verbunden. Es ist stets unsicher, ob die neuen Produktionstechniken tatsächlich so funktionieren wie unterstellt und es ist auch unsicher, ob die Konsumenten gerade die Güter zusätzlich nachfragen, für die neue Produktionsanlagen errichtet werden sollen. Auf jeden Fall wird es nur dann zu einer spürbaren Zunahme in der Nachfrage nach Kapital kommen, wenn die Bereitschaft besteht, Risikokapital anzubieten.
Aber gerade diese Annahme ist sehr unwahrscheinlich. Im Allgemeinen können wir nämlich feststellen, dass die Masse der Bevölkerung ausgesprochen risikoscheu ist und nur bereit ist, ihre Ersparnisse in relativ sicheren Projekten anzulegen. Aber auch die Fähigkeit der Empfänger geringen oder selbst mittleren Einkommens Investitionsrisiken in großem Umfang einzugehen, ist äußerst begrenzt. Machen wir uns anhand eines Beispieles diese Begrenzung klar.
Wer nur über wenig Einkommen verfügt, kann dementsprechend seine geringen Ersparnisse auch nur in einem oder zumindest in sehr wenigen Projekten investieren. Stellt sich nun im Nachhinein heraus, dass es sich bei diesem Projekt um eine Fehlinvestition handelt, bei der das eingebrachte Kapital verloren geht, dann hat der Empfänger geringen oder mittleren Einkommens sein gesamtes Vermögen verloren.
Anderes gilt für die reichere Bevölkerung. Ihr Vermögen ist so groß, dass sie ihr Kapital in mehrere Projekte anlegen, also die Einlagen streuen kann. Zwar gilt auch für die Reichen, dass stets damit gerechnet werden muss, dass einzelne Projekte scheitern und deshalb zu einem Verlust führen. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Verluste dadurch kompensiert und sogar überkompensiert werden können, dass andere Projekte um so erfolgreicher ausfallen.
Trotz Risikos im Einzelnen kann der Reiche über eine sachgerechte Streuung seines Kapitals in mehreren Projekten sein Gesamtvermögen erhalten oder zumeist vermehren. Auf ein Projekt, das zu Verlusten führt, kommt ein anderes Projekt, das besonders hohe Gewinne erzielt. Dieser Umstand bringt es mit sich, dass Risikokapital in großem Umfang eben nur von denjenigen Bürgern angeboten werden wird, welche über ein beachtlich hohes Vermögen verfügen.
Wir können davon ausgehen, dass deshalb nur die relativ kleine Gruppe besonders reicher Bürger überhaupt bereit ist, das für die Erneuerung der Produktionsanlagen notwendige Risikokapital zur Verfügung zu stellen. Für den größten Teil der Bürger gilt, dass sie trotz vermehrter Ersparnis nicht bereit und auch nicht in der Lage sind, das für jede Erneuerung notwendige Risiko zu übernehmen. Verglichen mit dem bisherigen Vermögen und Einkommen der Superreichen fällt jedoch der Zuwachs aufgrund des Umstandes, dass ja das Grundeinkommen auch diesen Superreichen zur Verfügung gestellt wird, kaum nennenswert aus.
Wir müssen also auch in einer klassischen Welt damit rechnen, dass das reale Güterangebot auch in diesem zweiten Modell nicht nennenswert ansteigen wird. Zwar wird es im Gegensatz zum ersten Modell zu keinen nennenswerten Preissteigerungen kommen, da ja annahmegemäß die Konsumnachfrage trotz gestiegenem Nominaleinkommen realiter nicht zugenommen hat.
Es bleibt aber bei dem Umstand, dass das Grundeinkommen mit Hilfe einer Zunahme des Steuersatzes finanziert werden muss, da wir ja nach wie vor auch hier unterstellen müssen, dass die Mehrausgaben aufgrund der Auszahlung des Grundeinkommens wesentlich höher ausfallen als die Einsparungen bei der Sozialhilfe. Dies bedeutet, dass zwar in diesem zweiten Modell das reale Bruttoeinkommen gestiegen ist, trotzdem aber den Konsumenten insgesamt keinen größeren Nutzen bringt, da eben nun der Abstand zwischen dem Brutto- und dem Nettoeinkommen (dem privat verfügbaren Einkommen) nun größer wird.
4. Ausweitung der Freizeit
Wir wollen nun in einem dritten Modell der Extremfälle unterstellen, alle Arbeitnehmer würden die Einführung des Grundeinkommens dazu benutzen, ihre erwerbswirtschaftliche Arbeit soweit zu reduzieren und damit vermehrt Freizeit in Anspruch nehmen, dass ihr Gesamteinkommen (Lohneinkommen plus Grundeinkommen) zusammen der bisherigen Höhe entspreche. Veränderungen im Konsum und Sparverhalten sind in diesem Falle nicht zu erwarten, da ja annahmegemäß das Gesamteinkommen der bisherigen Höhe entspricht.
Da jedoch das Angebot an Arbeit bei gleichbleibendem Kapitaleinsatz zurückgeht, muss notwendiger Weise auch die Produktion an Konsumgütern zurückgehen. Da aber annahmegemäß die Nachfrage nach Konsumgütern unverändert geblieben ist, wirkt sich diese Änderung wiederum in einem Anstieg der Güterpreise nieder und dies ist gleichbedeutend damit, dass das reale Bruttoeinkommen der Bürger in diesem Falle sogar in starkem Maße zurückgegangen ist.
Fraglich ist nun, wie der Staat sich verhält. Nominell entspricht dem gleichbleibendem nominellen Wert der Produktion auch eine unveränderte Steuersumme. Der Staat könnte sich damit zufriedengeben. Allerdings ist der Realwert dieser Steuersumme geringer als bisher, da ja die Güterpreise aufgrund des verringerten Güterangebotes angestiegen sind. Hieraus entsteht auch hier die Forderung, der Staat solle die Steuersätze anheben. Einmal deshalb, um auf diese Weise sicherzustellen, dass das reale Angebot an Kollektivgütern sowie an Subventionen konstant bleibt, zum andern aber auch deshalb, weil ein Anstieg im Güterpreisniveau nur durch eine kontraktive Fiskalpolitik verhindert werden kann.
Erhöht der Staat aus diesen Gründen bei gleichbleibendem nominellen Ausgabenniveau die Steuersätze, bleiben die allgemeinen Preissteigerungen aus, das reale Bruttoeinkommen bleibt also konstant. Die Konsummöglichkeiten der Bürger gehen trotzdem zurück, da aufgrund der Erhöhung der Steuersätze das privat verfügbare Einkommen verringert wird.
Es fragt sich allerdings dann, ob die Arbeitnehmer bei ihrem anfänglichen Beschluss, mehr Freizeit in Anspruch zu nehmen, bleiben werden, da ja diese Verhaltensänderung annahmegemäß aufgrund der verbesserten Einkommenslage zustande kommt. Wenn aber im Endergebnis das Gesamteinkommen trotz zusätzlicher Auszahlung des Grundeinkommens realiter gar nicht ansteigt, bleibt es fraglich, ob die Arbeitnehmer nicht wiederum zu ihrer bisherigen Freizeitnachfrage zurückkehren.
Nun beschreiben – wie eingangs vermerkt – diese drei Modelle Extremsituationen, die in diesem Ausmaß keinesfalls befürchtet werden müssen. In Wirklichkeit wird es zu einem Zustand kommen, der zwischen diesen drei Extremsituationen liegt. In Wirklichkeit kann davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsangebot zwar zurückgehen wird, aber sicherlich nicht in dem Maße, dass das Gesamteinkommen die bisherige Höhe beibehält, weiterhin werden die Bürger bestrebt sein, aufgrund des erhöhten Gesamteinkommens auch ihre Nachfrage nach Konsumgütern anzuheben, schließlich werden auch die Ersparnisse ansteigen.
Trotzdem ist im Hinblick auf diese negativen Auswirkungen bei der Gewährung eines allgemeinen Grundeinkommens nicht viel gewonnen. Zwar fallen die negativen Auswirkungen aufgrund des Rückgangs des Arbeitsangebotes geringer als im Extremfall aus, dafür kommen jedoch auch die negativen Auswirkungen zum Zuge, welche aufgrund des Anstiegs der Gesamtnachfrage nach Konsumgütern berücksichtigt werden müssen. Ganz gleichgültig, wie sich die Bürger entscheiden, die Bilanz aller Auswirkungen bleibt in jedem Falle negativ. Die Wohlfahrt der Bevölkerung in ihrer Gesamtheit hat sich nicht wesentlich verbessert, es spricht alles dafür, dass sie sogar bei Einführung eines allgemeinen Grundeinkommens zurückgeht.
Fortsetzung folgt!