Spekulationen über die Gaspreisentwicklung

 

 

In den öffentlichen Medien werden wilde Spekulationen über die Entwicklung des Gaspreises im kommenden Winter geäußert. Diese Entwicklung hängt jedoch von mehreren Faktoren ab, deren Verlauf nicht bekannt ist und zumeist auch gar nicht bekannt sein kann.

 

Der Gaspreis hängt in marktwirtschaftlichen Systemen vom Verlauf des gesamten Angebotes und der gesamten Nachfrage ab. Sinkt das Angebot oder steigt die Nachfrage, so führt dies zu Preissteigerungen. Umgekehrt gilt, dass Reduzierungen der Nachfrage oder eine Erweiterung des Angebotes zu Preissenkungen führen wird.

 

Als erstes gilt es die Frage zu beantworten, ob Russland in nächster Zeit seine Gaslieferungen nach Europa reduzieren wird. Die europäischen Länder hatten beschlossen, aus umweltpolitischen Gründen baldmöglichst auf die fossilen Energieträger vollständig zu verzichten. Diese Entscheidung dürfte auch Russland bekannt sein, sodass schon aus diesen Gründen Russland bestrebt sein wird, für sein Gas neue Absatzmärkte zu finden. In der Tat hat Russland neue Absatzmärkte vor allem in China und Indien bereits gefunden. In dem Maße, als russisches Gas nun in diese anderen Länder verkauft werden kann, kann Russland ohne große Verluste weniger Gas nach Europa liefern.

 

Das weltweite Gasangebot hängt weiterhin von den nichtrussischen Gasanbietern ab. Es ist aber vollkommen unsicher, ob dieses sonstige Gasangebot in dem Maße erweitert werden wird, in dem russisches Gas nicht mehr nach Europa geliefert wird. Prinzipiell bestünde durchaus die Möglichkeit für diesen Ausgleich.

 

Dritens wird die Nachfrage nach Gas vom Winterverlauf abhängen. Zwar können wir davon ausgehen, dass aufgrund der bestehenden Umweltkatastrophe die Temperatur auch in den Wintermonaten gegenüber früher höher liegen wird. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir mit größter Wahrscheinlichkeit mit einem kommenden milden Winter rechnen können. Denn die Folgen der Klimakatastrophe bestehen nicht nur darin, dass die durchschnittliche Temperatur ansteigt, sondern auch darin, dass immer häufiger Extremsituationen auftreten und in diesem Zusammenhang könnte dieser Winter in Deutschland auch extrem kalt ausfallen, was automatisch zu einer höheren Gasnachfrage führen würde.

 

Viertens haben die einzelnen Verbraucher durchaus die Möglichkeit, ihren Gas- und Strombedarf um mehrere Prozentpunkte zu reduzieren. Folgt man den Umfragen über diese Frage, ist auch ein großer Teil der Bevölkerung bereit, ihren Gaskonsum drastisch zu reduzieren. Es wäre jedoch naiv zu glauben, dass diese geäußerten Meinungen auch tatsächlich in die Tat umgesetzt werden. In einer Zeit, in der so eindringlich die Forderung erhoben wird, Energie zu sparen, wird natürlich der größte Teil der Befragten die Notwendigkeit dieses Sparens bejahen, unabhängig davon, ob die Befragten selbst diese Überzeugungen auch umsetzen werden.

 

Generell könnte das Wärmebedürfnis auch auf anderem Wege als über Gas-oder Ölheizungen befriedigt werden. In der Tat versucht ein großer Teil der Verbraucher, auf alternative Wärmemöglichkeiten wie z. B. Wärmepumpen umzusteigen. Da allerdings sowohl die Anbieter dieser alternativen Heizungsanlagen wie auch die Installateure, welche diese alternativen Heizungsanlagen einzubauen haben, bereits heute Lieferengpässe bis zu einem halben Jahr haben, dürfte für den kommenden Winter wohl kaum mit einem spürbaren Rückgang in der Nachfrage der privaten Haushalte nach Gas aus diesem Grunde zu rechnen sein.

 

Fünftens verbrauchen auch viele Unternehmungen zur Produktion ihrer Produkte sehr viel Gas und einige Unternehmungen könnten bei einer drastischen Reduzierung des Gasangebotes ihre Produktion nicht mehr aufrechterhalten. Da andere Unternehmungen jedoch auf diese Produkte angewiesen sind, würde bei einem Ausfall dieser gasintensiven Produkte ein Großteil der Industrie ihre Produktion drosseln müssen.

 

Allerdings kann davon ausgegsangen werden, dass neue Verfahren entwickelt werden, bei denen der Gasverbrauch verringert werden kann. So will z. B. der Chemiekonzern Evonik bis zu 40 Prozent Erdgas sparen.  Da es sich aber hierbei um Innovationen handelt und Innovationen nicht (vor allem nicht für einen bestimmten Zeitpunkt) vorausgesagt werden können, bleibt es ungewiss, in welchen Umfang die Industrie ihren Gasbedarf tatsächlich und kurzfristig verringern kann.

 

Sechstens hängt die Preisentwicklung aller Güter auch von der Geldpolitik ab, also davon, inwieweit die Geldmenge von der Notenbank wegen Inflationsgefahr gedrosselt wird, Geldmengeminderungen erschweren stets Preissteigerungen. Weiterhin können die zu erwartenten Zinssteigerungen die für eine verminderte Gasnachfrage notwendigen Investitionen und damit auch die Tendenzen zu Gasverbauchsminderungen verhindern.

 

Wir sind also nicht in der Lage, die Gaspreisentwicklung der nächsten Monate eindeutig vorauszusagen.  Dies ist aber für eine erfolgreiche Politik auch nicht notwendig. Notwendig ist, dass unter den Verbrauchern keine Panik ausbricht und nicht verifizierbare Spekukationen über die Gaspreisentwicklung fördern das Aufkommen von Panik. Die Aufgabe der Politik besteht darin, auf verschiedene unterschiedliche Knappheitssituationen vorbereitet zu sein, sodass je nach Entwicklung unterschiedliche Pläne zügig realisiert werden können.